Entscheidungsstichwort (Thema)
Mittelbare Diskriminierung durch Versorgungsordnung
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 14.10.1986, 3 AZR 66/83.
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 24.01.1983; Aktenzeichen 7 Sa 525/82) |
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 22.05.1979; Aktenzeichen 2 Ca 1269/78) |
Tatbestand
Die Beklagte ist ein Kaufhausunternehmen und gehört zu einem Konzern, der in der Bundesrepublik Deutschland zahlreiche Kaufhäuser mit insgesamt mehreren Tausend Beschäftigten unterhält. Die im Jahre 1917 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit dem 1. August 1961 als Verkäuferin beschäftigt. Sie arbeitete am Anfang ihrer Tätigkeit in der vollen regelmäßigen betrieblichen Arbeitszeit. Seit dem 1. Februar 1972 war ihre vertragliche Arbeitspflicht auf etwa die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit beschränkt. Das Arbeitsverhältnis endete am 30. September 1977, weil die Klägerin vorgezogenes Altersruhegeld beanspruchte.
Die Beklagte gewährt Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Diese richten sich nach Versorgungsordnungen, die als Betriebsvereinbarungen abgeschlossen wurden und im wesentlichen konzerneinheitlich ausgestaltet sind. Nach der Versorgungsordnung vom 31. Dezember 1962 erhielten Mitarbeiter eine Altersrente, wenn sie mindestens 25 Jahre innerhalb des Gesamtunternehmens ununterbrochen tätig waren und im unmittelbaren Anschluß daran nach Vollendung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand traten. Diese Versorgungsordnung wurde durch Betriebsvereinbarungen vom 30. September 1966 und 17. Januar 1969 ersetzt. Seither war erforderlich, daß die Mitarbeiter mindestens 20 Jahre innerhalb des Gesamtunternehmens ununterbrochen als Vollzeitbeschäftigte arbeiten und im Anschluß daran nach Vollendung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand treten. Die Versorgungsordnung sah weiterhin ein vorgezogenes Altersruhegeld für Mitarbeiterinnen vor, die das 60. Lebensjahr vollendet haben. Die Wartezeit konnte auch noch nach Erreichen der Altersgrenze zurückgelegt werden. Durch eine spätere Betriebsvereinbarung vom 26. Oktober 1973 wurde Teilzeitbeschäftigten der Erwerb einer Altersrente ermöglicht, wenn sie bei einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von wenigstens 20 Jahren insgesamt mindestens 15 Jahre als Vollzeitbeschäftigte tätig waren und alle sonstigen Bedingungen der Versorgungsordnung erfüllen. Die Voraussetzung der 15jährigen Vollzeitbeschäftigung war bei denjenigen Mitarbeitern entbehrlich, die schon am 30. September 1966 in einem Teilzeitarbeitsverhältnis gestanden hatten.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe in den Diensten der Beklagten eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben, die nicht mit ihrem Ausscheiden erloschen sei. Die Beklagte verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn sie Versorgungsleistungen nur denjenigen Arbeitnehmern zubillige, die ununterbrochen während der vollen Arbeitszeit beschäftigt waren. Die Betriebstreue der Teilzeitbeschäftigten sei nicht weniger wert als die der Vollzeitbeschäftigten. Der Ausschluß der Teilzeitbeschäftigten von der betrieblichen Altersversorgung verstoße ferner gegen das Gebot der Lohngleichheit für Männer und Frauen; die Wartezeit von 20 Jahren könnten Frauen nur sehr viel schwerer und seltener erfüllen als Männer. Sie seien überwiegend genötigt, für ihre Familie zu sorgen und deshalb ihre berufliche Tätigkeit zu unterbrechen oder wenigstens einzuschränken. Nach Beendigung ihrer häuslichen Bindungen seien sie zumeist nicht mehr in der Lage, die geforderte Wartefrist der Versorgungsordnung zu erreichen.
Die Klägerin hat beantragt
1. festzustellen, daß sie mit einer unver-
fallbaren Anwartschaft auf betriebliche
Altersversorgung am 30. September 1977
aus dem Betrieb der Beklagten ausgeschie-
den sei;
2. die Beklagte zu verurteilen, der Kläge-
rin eine Unverfallbarkeitsbescheinigung
über deren erworbenen Teilanspruch auf
betriebliche Altersversorgung auszustel-
len, in der Angaben darüber enthalten sind,
in welcher Höhe und ab wann die Klägerin
monatlich Versorgungsleistungen beanspru-
chen kann.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Versorgungsanwartschaft der Klägerin sei erloschen, als die Parteien im Jahre 1972 eine verkürzte Arbeitszeit vereinbarten. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer liege nicht vor, weil wirtschaftlich vernünftige Gründe dafür sprächen, Teilzeitbeschäftigte von der Versorgung auszuschließen. Der Einsatz von Vollzeitarbeitskräften sei im Kaufhausbereich sinnvoller, weil er mit geringeren Personalnebenkosten und während der gesamten Ladenöffnungszeiten möglich sei. Eine Diskriminierung der Frauen könne ihr nicht vorgeworfen werden. Von 1972 bis 1980 sei die Zahl der Beschäftigten von 486, darunter 140 Teilzeitarbeitskräften, auf 178, darunter 38 Teilzeitarbeitskräften, gesunken. Die Belegschaft habe durchschnittlich zu 72 % aus Frauen und zu 28 % aus Männern bestanden. Das Verhältnis von Vollzeitbeschäftigten zu Teilzeitbeschäftigten habe bei männlichen Beschäftigten 90 zu 10, bei weiblichen Beschäftigten 61,5 zu 38,5 betragen. Im gesamten Konzernbereich würden 2.161 Betriebsrenten aufgrund einer Betriebszugehörigkeit von mehr als 20 Jahren gezahlt. Von den gewährten Betriebsrenten entfielen 1.756 auf Frauen. Diese seien mithin zu 81,3 % an der betrieblichen Altersversorgung beteiligt, obwohl ihr Anteil an der Belegschaft nur 72 % betrage.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 11. Februar 1980 die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der Senat mit Urteil vom 6. April 1982 das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Senat hat entschieden, daß die Klägerin bei Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses über eine Versorgungsanwartschaft verfügt habe, die nach der Versorgungsordnung nicht mehr zum Vollrecht habe erstarken können. Es erscheine zweifelhaft, ob der Ausschluß der Teilzeitbeschäftigten von der betrieblichen Altersversorgung Bestand haben könne. Möglicherweise verstoße er gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder das Gebot des gleichen Entgelts für Männer und Frauen. Daraufhin hat das Landesarbeitsgericht mit seinem zweiten Urteil vom 24. Januar 1983 der Klage stattgegeben. Es hat allerdings verneint, daß die Wartezeitregelung der Beklagten gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung oder gegen das Gebot gleichen Entgelts für Männer und Frauen verstoße; der Klageanspruch sei jedoch wegen einer Übergangsregelung begründet. Auf die Revision der Beklagten hat der Senat den Rechtsstreit bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ausgesetzt. Der Senat hat mit Beschluß vom 5. Juni 1984 (BAG 46, 70 = AP Nr. 3 zu Art. 119 EWG-Vertrag) eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs nach Art. 177 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 EWG-Vertrag eingeholt. Dieser hat durch Urteil vom 13. Mai 1986 (AR-Blattei "Gleichbehandlung im Arbeitsverhältnis: Entsch. 77" = BB 1986, 1509 = DB 1986, 1525 = NZA 1986, 599 = ZIP 1986, 726) entschieden:
"1. Ein Kaufhausunternehmen, das Teilzeitbe-
schäftigte von der betrieblichen Alters-
versorgung ausschließt, verletzt Art. 119
EWG-Vertrag, wenn diese Maßnahme wesent-
lich mehr Frauen als Männer trifft, es
sei denn, das Unternehmen legt dar, daß
diese Maßnahme auf Faktoren beruht, die
objektiv gerechtfertigt sind und nichts
mit einer Diskriminierung aufgrund des Ge-
schlechts zu tun haben.
2. Ein Kaufhausunternehmen kann nach Art.
119 EWG-Vertrag die Anwendung einer Lohn-
politik, durch die Teilzeitbeschäftigte
unabhängig von ihrem Geschlecht von der
betrieblichen Altersversorgung ausge-
schlossen werden, damit rechtfertigen,
daß es möglichst wenige Teilzeitkräfte
beschäftigen will, sofern feststeht, daß
die zu diesem Zweck gewählten Mittel ei-
nem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens
dienen und zur Erreichung dieses Ziels ge-
eignet und erforderlich sind.
3. Der Arbeitgeber ist nach Art. 119 EWG-
Vertrag nicht verpflichtet, die für sei-
ne Beschäftigten vorgesehene Versorgungs-
ordnung so auszugestalten, daß die für
Arbeitnehmer mit familiären Verpflich-
tungen bestehenden besonderen Schwierig-
keiten, die Voraussetzungen für die Ge-
währung einer Betriebsrente zu erfüllen,
berücksichtigt werden."
Die Beklagte wehrt sich weiterhin gegen das Feststellungsbegehren der Klägerin, während diese beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Klägerin hat eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben. Das hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt.
I. Das Klagebegehren kann allerdings nicht allein auf die Versorgungsordnung der Beklagten gestützt werden. Diese verlangt in der Fassung vom 26. Oktober 1973, die zur Zeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses galt, eine mindestens 20jährige Betriebszugehörigkeit mit mindestens 15jähriger Vollzeitbeschäftigung. Die Klägerin verfügt jedoch nur über eine Betriebszugehörigkeit von 16 Jahren, von denen rund 11 Jahre als Vollzeitbeschäftigung anzuerkennen sind. Sie kann daher keine Rechte aus der Versorgungsordnung ableiten.
Bei Beginn des Arbeitsverhältnisses war die Klägerin zunächst als vollzeitbeschäftigte Verkäuferin tätig. Sie konnte aber in dieser Zeit noch keine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erwerben, die gegen nachträgliche Verschlechterungen zu schützen gewesen wäre, weil sie die von der Rechtsprechung geforderte Unverfallbarkeitsfrist (20 Jahre) nicht erfüllte und das Betriebsrentengesetz noch nicht galt. § 1 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG greift nicht zu ihren Gunsten ein. Das hat der Senat bereits in seinem ersten Revisionsurteil vom 6. April 1982 im einzelnen begründet (BAG 38, 232, 240 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu II 2 c der Gründe).
Das Landesarbeitsgericht meint demgegenüber, die Klägerin könne sich auf eine Übergangsregelung in der Versorgungsordnung vom 26. Oktober 1973 berufen, nach der bestimmte teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer von den strengen Anforderungen der Wartefrist befreit sind. Diese Vergünstigung wird allerdings ausdrücklich nur denjenigen Mitarbeitern zugebilligt, die schon am 30. September 1966 in einem Teilzeitarbeitsverhältnis standen. Aber diese Unterscheidung hält das Landesarbeitsgericht für willkürlich. Dem kann sich der Senat nicht anschließen, wie er bereits in seinem Vorlagebeschluß vom 5. Juni 1984 näher ausgeführt hat (BAG 46, 70, 74 f. = AP Nr. 3 zu Art. 119 EWG-Vertrag, zu I 1 der Gründe). Darauf ist hier zu verweisen.
II. Die Wartezeitregelung der Versorgungsordnung ist jedoch nichtig, soweit sie eine 15jährige Vollzeitbeschäftigung verlangt und damit Teilzeitbeschäftigte ganz überwiegend ausschließt. Diese Unterscheidung bedeutet eine mittelbare Diskriminierung der weiblichen Arbeitnehmer, sie verstößt gegen das Lohngleichheitsgebot des Art. 119 EWG-Vertrag.
1. Nach Art. 119 Abs. 1 EWG-Vertrag müssen die Mitgliedsstaaten den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit anwenden und gewährleisten. Daraus folgt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes unmittelbar geltendes Recht in den Mitgliedsstaaten; die betroffenen Arbeitnehmer haben einen Anspruch darauf, daß ihre Arbeitgeber das Lohngleichheitsgebot befolgen (Urteil des EuGH vom 8. April 1976 - RS 43/75 - Defrenne II - EuGHE 1976, 1. Teil, S. 455 = NJW 1976 S. 2068 ff.). Nach deutschem Recht sind vertragliche Regelungen, die gegen das Lohngleichheitsgebot verstoßen, nichtig (§ 134 BGB).
2. Das Lohngleichheitsgebot des Art. 119 EWG-Vertrag gilt auch für betriebliche Versorgungsleistungen. Diese werden zwar nicht im Austausch gegen zeitlich bestimmte Arbeitsleistungen erworben, sondern müssen im Laufe eines Arbeitslebens erdient werden und sind erst nach Eintritt des Versorgungsfalles fällig. Sie gehören aber zur Vergütung im weiteren Sinne wie alle anderen betrieblichen Sozialleistungen. Das entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, die dieser aufgrund des Vorlagebeschlusses im vorliegenden Verfahren mit Urteil vom 13. Mai 1986 (RS 170/84) ausdrücklich bestätigt hat.
3. Das Lohngleichheitsgebot des Art. 119 EWG-Vertrag gilt nicht nur für Vergütungsregelungen, die unmittelbar nach dem Geschlecht der Arbeitnehmer differenzieren. Auch eine mittelbare Diskriminierung ist verboten. Dazu hat der Europäische Gerichtshof auf Anfrage des Senats konkretisierende Grundsätze entwickelt, die die Gerichte der Mitgliedsstaaten binden. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, daß der Ausschluß der Teilzeitbeschäftigten von der betrieblichen Altersversorgung der Beklagten als mittelbare Diskriminierung anzusehen und deshalb nichtig ist.
a) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist der objektive Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung durch drei Merkmale gekennzeichnet, die die umstrittene Versorgungsordnung erfüllt:
(1) Zunächst muß eine Vergütungsregelung vorliegen, die eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern ausschließt. Eine solche gruppenspezifische Regelung ist im Bereich der betrieblichen Altersversorgung in den unterschiedlichsten Formen üblich. Es können Leistungsvoraussetzungen, Befristungen und Bedingungen vorgesehen werden, die nicht von allen Arbeitnehmern gleichermaßen erfüllbar sind. Auch Wartezeiten, die in unverminderter Arbeitszeit erfüllt werden müssen, kommen als rechtstechnisches Mittel einer solchen Regelung in Betracht.
(2) Bei einer Regelung, die Arbeitnehmergruppen unterschiedlich behandelt, kann das Lohngleichheitsgebot des Art. 119 EWG-Vertrag verletzt sein, wenn wesentlich mehr Frauen als Männer nachteilig betroffen sind. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes muß verglichen werden, wie sich die Regelung in ihrem Geltungsbereich für Männer einerseits und Frauen andererseits auswirkt. Zu diesem Zwecke sind Vergleichsgruppen zu bilden. Dabei kommt es nicht auf die absoluten Zahlen der betroffenen Arbeitnehmer, sondern auf die Prozentsätze an, zu denen Männer einerseits und Frauen andererseits die geforderten Voraussetzungen erfüllen. Bei einer betrieblichen Versorgungsordnung, deren persönlicher Geltungsbereich die ganze Belegschaft erfaßt, ist danach zunächst festzustellen, zu welchem Anteil Männer und Frauen an der Belegschaft beteiligt sind und damit als Begünstigte in Betracht kommen. Diesen Prozentsätzen ist gegenüberzustellen, zu welchem Anteil Männer und Frauen in einer Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung stehen. Wenn sich dabei herausstellt, daß der Anteil der Frauen an den Teilzeitbeschäftigten wesentlich höher ist als der Anteil der Frauen an den Vollbeschäftigten, so ist eine ungleiche Betroffenheit festzustellen: Durch die Ausnahmevorschrift werden unverhältnismäßig mehr Frauen als Männer benachteiligt.
Die Beklagte hat in der mündlichen Revisionsverhandlung darauf hingewiesen, daß die Zusammensetzung von Belegschaften erheblichen Schwankungen unterliegt und durch organisatorische Maßnahmen des Unternehmens stark beeinflußt werden kann. Die Aussagekraft von Vergleichszahlen werde zudem unter Umständen dadurch gemindert, daß sie untypische und nicht vergleichbare Arbeitnehmergruppen einschließe, wie z. B. geringfügig beschäftigtes Reinigungspersonal oder hochqualifizierte leitende Angestellte. Das ist richtig. Statistische Zahlen dürfen nie schematisch verwertet werden. Daraus folgt jedoch nicht, daß ihnen jede Aussagekraft fehlt. Wenn Besonderheiten eines Unternehmens dazu führen, daß eine Gegenüberstellung aller weiblichen und männlichen Arbeitnehmer eines Betriebes kein aussagekräftiges Bild ergibt, müssen die verfälschenden Faktoren ausgeschieden werden, untypische Arbeitnehmergruppen bei der Vergleichsrechnung außer Betracht bleiben.
Im vorliegenden Fall ergibt sich ein eindeutiges Bild. Die Wartezeitregelung, die eine 15jährige Vollzeitbeschäftigung fordert, wirkt sich für weibliche Arbeitnehmer der Beklagten zehnmal stärker aus als für deren männliche Kollegen. Das ergibt sich aus den Zahlen, die die Beklagte selbst für den Bereich ihres Konzerns vorgelegt hat und die der Senat bereits gewürdigt hat (BAGE 46, 70, 77 f. = AP Nr. 3 zu Art. 119 EWG-Vertrag, zu II 3 der Gründe).
(3) Das Zahlenverhältnis der Betroffenheit von Männern und Frauen durch eine nachteilige Vergütungsregelung läßt den Schluß auf eine mittelbare Diskriminierung nur zu, wenn man auch die Gründe berücksichtigt, die zu der ungleichen Wirkung einer an sich geschlechtsneutral formulierten Regelung führen. Es muß geprüft werden, ob die nachteilige Wirkung auch anders als mit dem Geschlecht oder den Geschlechtsrollen erklärt werden kann (vgl. Pfarr/Bertelsmann, Gleichbehandlungsgesetz, 1985, S. 99, 107 f.). In diesem Sinne und bezogen auf die Vorlagefragen stellt der Europäische Gerichtshof darauf ab, welche Schwierigkeiten sich für weibliche Arbeitnehmer ergeben, als Vollzeitbeschäftigte zu arbeiten. Es kommt darauf an, ob die benachteiligende Wirkung auf geschlechtsspezifischen Gründen beruht.
Diese Voraussetzung ist erfüllt. Teilzeitarbeit ist Frauenarbeit. Der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl der Teilzeitbeschäftigten lag nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes bei steigender Tendenz stets über 92 %, im Einzelhandel über 95 %. Den entsprechenden Vortrag der Klägerin hat die Beklagte auch nicht bestritten. Die Erklärung für diese Entwicklung liegt auf der Hand: Die gesellschaftlichen Verhältnisse, insbesondere die Verteilung der Geschlechtsrollen machen es verheirateten Frauen außerordentlich schwer, eine vollberufliche Erwerbstätigkeit mit ihren familiären Belastungen zu verbinden. Als Ausweg bietet sich die Teilzeitbeschäftigung an, die männliche Arbeitnehmer nur ausnahmsweise wählen (vgl. nur aus jüngster Zeit Pfarr/Bertelsmann, Gleichbehandlungsgesetz, 1985, S. 108 f., 132 f.; Wank, RdA 1985 S. 1, 21, beide mit weiteren Nachweisen). Dies gilt auch für die Klägerin.
Wenn sich in diesem Zusammenhang die gesellschaftlichen Lebensbedingungen auswirken, durch die Frauen faktisch benachteiligt werden, so bedeutet das nicht, daß Arbeitgeber zu "Funktionären der Gesellschaft" gemacht würden und mit ihren Sozialleistungen allgemeine gesellschaftliche Defizite kompensieren müßten (so Wank, RdA 1985 S. 1, 21 unter Berufung auf Zöllner, Festschrift für Strasser, 1983, S. 223, 235). Es geht lediglich darum zu verhindern, daß die Nachteile der Frauen auf dem Arbeitsmarkt und die gesellschaftlich bedingten Schwächen bei der Durchsetzung ihrer Interessen ausgenutzt werden mit der Folge, daß das Lohnniveau der Frauen unter dasjenige vergleichbarer Männer sinkt. Im Gegensatz dazu soll nach der Ansicht von Wank (aaO) die Rechtsordnung nur dann reagieren, wenn spezielle gesetzliche Schutzvorschriften zugunsten der Frauen den Anlaß einer Diskriminierung bilden. Das wird dem Umfang des Lohngleichheitsgebots nicht gerecht und ist auch praktisch undurchführbar.
b) Ist der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung festzustellen, muß der Arbeitgeber, der sich die Verletzung des Lohngleichheitsgebotes nicht vorwerfen lassen will, objektiv rechtfertigende Gründe vortragen. Diese sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes anzuerkennen, wenn das gewählte Mittel einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens dient und für die Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich ist. Der Vortrag der Beklagten im vorliegenden Fall genügt diesen Anforderungen nicht.
(1) Die Beklagte hat sich darauf berufen, mit der Unterscheidung zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten habe sie einen Anreiz für die Vollbeschäftigung schaffen wollen. Teilzeitbeschäftigung verursache organisatorische Schwierigkeiten und erhöhte Personalnebenkosten, die sie habe vermeiden wollen. Da sie Schwierigkeiten gehabt habe, vollzeitbeschäftigte Verkäuferinnen auf dem Arbeitsmarkt zu gewinnen, sei deren Bevorzugung bei der betrieblichen Altersversorgung sachlich gerechtfertigt.
Das Landesarbeitsgericht ist in seinem zweiten Berufungsurteil vom 24. Januar 1983 dem Vortrag der Beklagten gefolgt. Nach seiner Ansicht hat die Beklagte ausreichend dargetan, daß ihre Personalpolitik darauf abzielte, Vollzeitkräfte zu gewinnen. Eine solche Personalpolitik sei nur begrenzt gerichtlich nachprüfbar und rechtfertige eine Schlechterstellung von Teilzeitkräften bei der betrieblichen Altersversorgung. Diese Begründung läßt sich nach dem jetzt vorliegenden Urteil des Europäischen Gerichtshofes nicht aufrechterhalten.
Subjektive Wünsche und "Vorlieben" eines Arbeitgebers sind unmaßgeblich. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob eine Diskriminierungsabsicht bestand. Der objektive Tatbestand einer diskriminierenden Wirkung reicht aus und führt zur Unwirksamkeit der entsprechenden Regelung, wenn kein "wirkliches Bedürfnis" des Unternehmens für sie spricht und nachweisbar ist.
(2) Ein wirkliches Bedürfnis für die von der Klägerin angeblich verfolgte Personalpolitik läßt sich nicht nachweisen. Eine Bevorzugung von Vollzeitbeschäftigten als Anreiz auf dem Arbeitsmarkt könnte nur dann sinnvoll erscheinen, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt wären: Erstens müßte die Einstellung der gewünschten Zahl von Vollzeitkräften Schwierigkeiten bereiten und zweitens dürfte die Einstellung einer entsprechend größeren Zahl von Teilzeitkräften kein wirtschaftlich sinnvoller Ausgleich sein. In beiden Punkten bestehen im vorliegenden Fall erhebliche Bedenken. Die Beklagte konnte ihre personalpolitische Zielsetzung nicht einleuchtend begründen, obwohl schon die erste zurückverweisende Entscheidung des Senats eine ergänzende Sachaufklärung zu diesem Punkte gefordert hatte.
Im Unternehmen der Beklagten bestand nach deren Vortrag kein "wirkliches Bedürfnis", die Beschäftigung von Teilzeitkräften möglichst zu vermeiden. Im personalwirtschaftlichen und arbeitsrechtlichen Schrifttum besteht Einigkeit darüber, daß die Beschäftigung von Teilzeitkräften zwar mit Mehrkosten und organisatorischen Problemen verbunden sein kann, daß diese Nachteile aber durch erhebliche Vorteile ausgeglichen werden können (vgl. die Übersichten bei Hoff, Betriebliche Arbeitszeitpolitik zwischen Arbeitszeitverkürzung und Arbeitszeitflexibilisierung, 1983, S. 240 f.; derselbe in Kutsch/Villmar, Arbeitszeitverkürzung - ein Weg zur Vollbeschäftigung?, 1983, S. 221, 228; Bertelsmann/Rust, RdA 1985 S. 146 ff. mit Nachweisen aus dem personalwirtschaftlichen Schrifttum; auch die Informationsschrift der BDA "Mehr Beschäftigung durch flexible Teilzeitarbeit", 1984, S. 13 ff.). Das mag allerdings nicht für alle Betriebe gelten, wohl aber im Handel und speziell in der Kaufhausbranche, wo sich Teilzeitarbeit seit langem bewährt hat (Pfarr, DB 1983 S. 1763, 1764; Wank, RdA 1985 S. 1, 18). Die Länge der Öffnungszeiten und die für die Branche typischen Arbeitsspitzen zu ganz bestimmten Tages-, Wochen- und Jahreszeiten legen den Einsatz von Teilzeitkräften nahe.
Die Beklagte hat in der zweiten Berufungsverhandlung vorgetragen, ihre personalwirtschaftliche Schwierigkeit betreffe weniger die Dauer als vielmehr die Lage der Arbeitszeit. Während vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer in ihren Kaufhäusern an einem rollierenden Schichtbetrieb teilnähmen und deshalb im zeitlichen Turnus auch abends oder samstags eingesetzt würden, gelte für ihre Teilzeitkräfte eine andere Regelung. Diese müßten nur an bestimmten Wochentagen arbeiten, seien hingegen in der Regel nicht bereit, sich auch an Samstagen zur Verfügung zu stellen. Wenn das zutreffen sollte und ein wirkliches Bedürfnis bestünde, einen Anreiz zur Samstagsarbeit zu schaffen, ließe sich die umstrittene Versorgungsregelung damit nicht in Einklang bringen. Diese unterscheidet nicht zwischen Samstagsarbeit und sonstiger Teilzeitbeschäftigung, schafft also den angeblich erwünschten Anreiz nicht, ja bietet Teilzeitkräften nicht einmal die Möglichkeit, durch Samstagsarbeit in den Kreis der Versorgungsberechtigten einbezogen zu werden.
(3) Die vorstehende Überlegung berührt sich mit einem weiteren Rechtsgrundsatz des Europäischen Gerichtshofes: Eine Regelung, die mittelbar diskriminierend wirkt, kann durch ein unternehmerisches Bedürfnis nur dann gerechtfertigt werden, wenn sie zur Erreichung des gewünschten Ziels geeignet und erforderlich ist. Insoweit bestehen im vorliegenden Fall erhebliche Bedenken. Soweit die Beklagte einen Anreiz zu Samstagsarbeit geben will, wurde im vorstehenden Absatz bereits ausgeführt, daß die getroffene Regelung dazu ungeeignet ist. Aber auch ganz allgemein läßt sich bezweifeln, ob der Ausschluß von der betrieblichen Altersversorgung ein geeignetes und erforderliches Mittel ist, um Frauen zu veranlassen, anstelle von Teilzeitarbeit, die mit ihren Familienpflichten und -lasten vereinbar wäre, eine vollberufliche Erwerbstätigkeit zu übernehmen (Colneric, Anm. zu AR-Blattei, "Gleichbehandlung im Arbeitsverhältnis: Entsch. 77", unter II 2 ee der Anmerkung).
Im allgemeinen kann man davon ausgehen, daß die Vergütungshöhe das Verhalten der Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt beeinflußt. Maßgebend ist jedoch die Art des Vergütungsanreizes und die Lebenssituation der betroffenen Arbeitnehmer. Wird für Teilzeitkräfte zum Beispiel ein geringerer Stundenlohn oder ein Gehaltsabschlag vorgesehen, was im Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 31. März 1981 (RS 96/80 - Jenkins - EuGHE 1981, 1. Teil, S. 911) zu prüfen war, so mag man immerhin die Frage stellen, ob sich für die betroffenen Frauen eine Abwägungsmöglichkeit ergibt: Sie könnten vielleicht ihre familiäre Mehrbelastung mit dem erzielbaren Mehrverdienst vergleichen und unter Umständen sogar den mitverdienenden Ehemann überzeugen, daß eine Aufteilung der Pflichten um des höheren Familieneinkommens willen sinnvoll ist (ablehnend Gamillscheg, Festschrift für Floretta, 1983, S. 171, 182 mit guten Gründen). Hingegen wirken Versorgungszusagen nur sehr langfristig. Altersrenten werden erst am Ende des Arbeitslebens fällig und sind von vielen Bedingungen und Unwägbarkeiten abhängig. Sie können Frauen, die in eine Teilzeittätigkeit gedrängt werden, kaum beeinflussen, solange der Versorgungsfall noch fern zu liegen scheint. Wenn der Rentennachteil für sie schließlich erkennbar und bedeutsam wird, haben sie regelmäßig einen großen Teil ihres Arbeitslebens zurückgelegt; ihre Entscheidung ist dann nicht mehr korrigierbar. Diese Bedenken müssen hier nicht vertieft werden, weil die Beklagte nicht einmal ein objektives Bedürfnis für ihre diskriminierende Regelung zur Überzeugung des Gerichts dartun konnte.
III. Die Teilnichtigkeit der mittelbar diskriminierenden Wartezeitregelung hat zur Folge, daß die Beklagte der Klägerin eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft zubilligen muß.
1. Gegen Art. 119 EWG-Vertrag verstößt die Wartezeitregelung der Versorgungsordnung nur, soweit sie Teilzeitbeschäftigte ausschließt. Insoweit ist sie nach § 134 BGB nichtig, im übrigen bleibt sie aufrechterhalten, und zwar auch zugunsten der Klägerin.
a) Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Lehre ist § 139 BGB, wonach die Nichtigkeit von Teilen eines Rechtsgeschäftes in der Regel das gesamte Rechtsgeschäft erfaßt, immer dann unanwendbar, wenn es um Regelungen geht, die zum Schutze der Arbeitnehmer korrigiert werden müssen. Das folgt aus dem Schutzzweck der in das Vertragsrecht eingreifenden Normen (vgl. für viele BAG 31, 67, 75 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Gleichberechtigung, zu III 3 a der Gründe; BAG Urteil vom 4. Oktober 1978 - 5 AZR 886/77 -, AP Nr. 11 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie, zu 4 der Gründe; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 202; alle mit weiteren Nachweisen). Die Versorgungsordnung der Beklagten bleibt daher verbindlich, obwohl der Ausschluß der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nichtig ist. Sie gilt für alle Arbeitnehmer, die die Wartezeit erfüllt haben, gleichgültig, ob sie Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigte sind. Der entgegenstehende Wille der Beklagten ist unerheblich.
Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Vierten Senats. Dieser hat allerdings im Falle einer tariflichen "Ehefrauenzulage" angenommen, daß nicht nur die Differenzierung zwischen Männern und Frauen, sondern die gesamte Zulagenregelung nichtig sei. Eine Teilnichtigkeit setze voraus, daß neben einem nichtigen auch ein rechtlich zulässiger Bestandteil des Rechtsgeschäfts denkbar und abtrennbar sei; das richte sich nach dem Willen der vertragsschließenden Parteien und lasse sich bei einer Ehegattenzulage nicht annehmen (Urteil vom 13. November 1985 - 4 AZR 234/84 - SAE 1986 S. 161, 162). Ob diese Begründung mit der Rechtsprechung des Fünften Senats - z. B. zur Anwesenheitsprämie (BAG 39, 67, 75 f. = AP Nr. 12 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie, zu III 1 der Gründe; Fenn Anm. zu AP Nr. 11 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie, mit Nachweisen) - vereinbar ist, muß hier nicht erörtert werden. Jedenfalls ist der vorliegende Sachverhalt nicht mit der Fallgestaltung zu vergleichen, die der Vierte Senat zu beurteilen hatte. Das Erfordernis einer 15jährigen Wartezeit und die darüber hinausgehende Voraussetzung einer Vollzeitbeschäftigung sind selbständige Bestandteile einer Versorgungsregelung. Sie können unabhängig voneinander rechtlich beurteilt werden und sind nicht untrennbar miteinander verbunden; auch dann nicht, wenn man mit dem Vierten Senat entscheidend auf den Willen der Parteien abstellt.
b) Die Beklagte wehrt sich mit einem wirtschaftlichen Argument gegen die Korrektur ihrer Versorgungsordnung. Bei der Einführung und Ausgestaltung ihres Versorgungswerkes habe sie einen bestimmten Kostenaufwand kalkuliert. Die Höhe der zugesagten Ruhegelder sei abhängig von der Zahl der erwarteten Versorgungsberechtigten. Wenn sie gewußt hätte, daß auch teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer berücksichtigt werden müssen, hätte sie entsprechende Einsparungen bei den vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern gefordert. Eine solche Möglichkeit gehe ihr verloren, wenn die Wartezeitregelung nachträglich und ohne Rücksicht auf die Höhe der Betriebsrenten korrigiert werde. Diese Argumentation ist im Ansatz zutreffend, gelangt jedoch zu falschen rechtlichen Schlüssen.
Richtig ist, daß jede generelle Versorgungsregelung auf mehr oder weniger konkreten Vorstellungen über den erforderlichen Kostenaufwand und die bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten aufbaut. Deshalb hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß der Dotierungsrahmen einer generellen Versorgungsregelung als unternehmerische Entscheidung anzusehen ist und nicht der betrieblichen Mitbestimmung unterliegt (grundlegend BAG 27, 194 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung). Auf diese unternehmerische Entscheidung nimmt Art. 119 EWG-Vertrag keinen unmittelbaren Einfluß. Als formales Prinzip verfolgt die Vorschrift nicht das Ziel einer möglichst hohen Vergütung und einer möglichst großzügigen Bemessung des Dotierungsrahmens. Deshalb wäre mit dem Lohngleichheitsgebot durchaus vereinbar gewesen, wenn die Betriebspartner bei der Bemessung des Leistungsplanes von Anfang an berücksichtigt hätten, daß innerhalb des vorgegebenen Dotierungsrahmens auch die Teilzeitbeschäftigten gleichberechtigt versorgt werden müssen. Aber die entsprechenden Gestaltungsmöglichkeiten sind versäumt worden und können jetzt nicht mehr für die zurückliegende Zeit nachgeholt werden.
Versorgungsordnungen sind allerdings nicht unabänderlich. Unter bestimmten Voraussetzungen können sie an eine wesentlich veränderte Sach- und Rechtslage angepaßt werden (vgl. neuerdings den grundlegenden Beschluß des Großen Senats zur ablösenden Betriebsvereinbarung vom 16. September 1986 - GS 1/82 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Bei einer solchen Ablösung sind jedoch die erdienten Besitzstände zu wahren. Das bedeutet, daß die vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer der Beklagten, die Versorgungsrechte auf der Grundlage der bisher geltenden Versorgungsordnungen erworben haben, Kürzungen der erdienten Teile ihrer Versorgungsanwartschaften nicht mehr hinnehmen müssen. Entsprechend eingeschränkt sind auch die Möglichkeiten der Betriebspartner, mittelbar diskriminierende Wirkungen der Versorgungsordnung nachträglich zu beseitigen. Dem Lohngleichheitsgebot des Art. 119 EWG-Vertrag kann für die zurückliegende Zeit praktisch nur noch dadurch genügt werden, daß Teilzeitbeschäftigte bis zu einer Änderung der Versorgungsordnung in den Kreis der Berechtigten einbezogen werden, der Dotierungsrahmen also entsprechend zu erweitern ist (vgl. zu einer ähnlichen Fallgestaltung BAG 37, 356 = AP Nr. 1 zu § 1 HausArbTagsG Hamburg). Die Möglichkeit einer Neuregelung für die Zukunft hat auf die Entscheidung des vorliegenden Falles keinen Einfluß, weil die Klägerin schon am 30. September 1977 ausgeschieden ist und nur die Feststellung ihrer erdienten Teilanwartschaft beantragt hat.
2. Die Beklagte kann sich demgegenüber nicht auf das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot berufen und Vertrauensschutz dafür beanspruchen, daß sie bei der Schaffung ihrer Versorgungsordnung den Ausschluß von Teilzeitbeschäftigten für zulässig halten durfte.
a) Im September 1966, als die Beklagte erstmals für die Erfüllung der damals 20jährigen Wartezeit eine ununterbrochene Vollzeitbeschäftigung forderte, galt Art. 119 EWG-Vertrag bereits seit fast neun Jahren (seit 1. Januar 1958). Schon vorher hatte das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 15. Januar 1955 (BAG 1, 258 = AP Nr. 4 zu Art. 3 GG) das Lohngleichheitsgebot aus dem Gleichberechtigungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 2 GG abgeleitet.
Trotz des hohen Alters der maßgebenden Normen waren und sind allerdings viele Einzelfragen unklar geblieben. Insbesondere ist bis heute umstritten, wie Frauen vor verdeckter und mittelbarer Diskriminierung wirksam geschützt werden können. Mit der besonderen Problematik bei der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten mußte sich der Europäische Gerichtshof bereits zweimal befassen, um die maßgebenden Entscheidungsmerkmale zu entwickeln (Urteil vom 31. März 1981 - RS 96/80 - Jenkins - EuGHE 1981, 1. Teil, S. 911 ff. - und die Vorabentscheidung im vorliegenden Verfahren). Alle diese Streit- und Zweifelsfragen verhinderten jedoch, daß ein Vertrauenstatbestand im Hinblick auf eine bestimmte Rechtslage entstehen konnte. Als die Beklagte in den Jahren 1966 und 1969 differenzierende Wartezeitregelungen einführte, durfte sie nicht darauf vertrauen, daß diese Regelungen rechtlichen Bestand haben werden.
Die Beklagte beruft sich auf ein Urteil des erkennenden Senats vom 1. Juni 1978 (3 AZR 79/77), das die Versorgungsanwartschaft einer teilzeitbeschäftigten Verkäuferin betraf und zugunsten der Beklagten des vorliegenden Verfahrens entschied. Aber in diesem Falle hatten die Parteien ausschließlich um die Unverfallbarkeit und deren Abgrenzung gestritten. Eine diskriminierende Wirkung der Versorgungsordnung war von der damaligen Klägerin nicht gerügt worden, so daß die Tatsacheninstanzen mit keinem Wort auf die Zusammensetzung der Belegschaft und die Gründe eingegangen waren, die für die differenzierende Regelung maßgebend gewesen sein sollten. Der Senat sah deshalb offensichtlich die Bedenken nicht, die gegen die Wirksamkeit der Versorgungsregelung bestanden. Er hat die Entscheidung auch nicht zur Veröffentlichung vorgesehen, weil sie Fragen von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung nicht erörterte.
b) Selbst wenn eine Rechtsprechung bestanden hätte, die der Beklagten günstig gewesen wäre und nunmehr aufgrund der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes aufgegeben werden müßte, könnte die Beklagte daraus nichts herleiten. Die rechtsstaatlichen Grundsätze über die rückwirkende Änderung von Gesetzen lassen sich nicht ohne weiteres auf die Änderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung übertragen. Vielmehr ist bei grundlegenden Änderungen der Rechtsprechung eine Abwägung im Einzelfall vorzunehmen, die sich am Maßstab der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit ausrichten muß (BVerfGE 59, 128, 165 f.).
Im vorliegenden Falle wären einander gegenüberzustellen das Interesse der Klägerin an der Befolgung des Diskriminierungsverbotes und des Erwerbes einer Zusatzversorgung einerseits und das Interesse der Beklagten an der Einhaltung ihres ursprünglich kalkulierten Dotierungsrahmens andererseits. Dabei könnte nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Beklagte entscheidenden Einfluß auf die Ausgestaltung der Versorgungsordnung hatte und die Unklarheiten der Rechtslage besser abschätzen konnte als die Klägerin. Das Risiko der Rechtsunsicherheit in der zurückliegenden Zeit muß die Beklagte übernehmen. Eine Gefahr für den Bestand des Unternehmens kann dadurch nicht entstehen, weil das Betriebsrentengesetz für diesen Fall dem Arbeitgeber eine Widerrufsmöglichkeit und dem Arbeitnehmer Insolvenzschutz bieten (§§ 7 ff. BetrAVG).
3. Der Senat hat schließlich erwogen, ob das Gemeinschaftsrecht selbst der betrieblichen Praxis eine Anpassungsfrist einräumt. Dafür spricht scheinbar der Wortlaut der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 24. Juli 1986 - 86/378 EWG - zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit (Amtsbl. der Europäischen Gemeinschaft 1986, L 225, S. 40 ff.). Art. 8 dieser Richtlinie 86/378 verlangt von den Mitgliedsstaaten Maßnahmen, die spätestens bis zum 1. Januar 1993 bewirken, daß die betrieblichen Regelungen den Grundsätzen der Richtlinien entsprechend geändert werden. Eine Regelung, die zur rückwirkenden Aufhebung betrieblicher Systeme zwänge, wird nicht verlangt, wie Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie klarstellt. Darauf kann sich jedoch die Beklagte nicht berufen.
Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft wenden sich an die Mitgliedsstaaten, nicht aber unmittelbar an deren Bürger. Sie haben weder den Zweck noch die Geltungskraft, unmittelbar anwendbare Grundsätze des EWG-Vertrages zu modifizieren oder gar zeitlich begrenzt auszusetzen. So betont die Richtlinie 86/378 in ihrer einleitenden Begründung ausdrücklich, daß sie nur für diejenigen Fälle bestimmt ist, in denen die Verwirklichung des Grundsatzes der Lohngleichheit von der Verabschiedung ergänzender Bestimmungen abhängt, soweit also die unmittelbare Geltung des Art. 119 EWG-Vertrag nicht ausreicht. Das entspricht auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Dieser mußte sich in seinem Urteil vom 8. April 1976 (RS 43/75 - Defrenne II - EuGHE 1976, 1. Teil, S. 455, 478 f.) mit einer vergleichbaren Befristung in der Lohngleichheitsrichtlinie vom 10. Februar 1975 (Richtlinie 75/117, Amtsbl. der Europäischen Gemeinschaft 1975, L 45, S. 19) befassen. Er hat entschieden, daß die eingeräumte Frist der Richtlinie nur für Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten gilt, jedoch in keiner Weise die unmittelbare Geltung des Art. 119 EWG-Vertrag berührt. Soweit dies rechtlich möglich sei, müsse das Lohngleichheitsgebot unmittelbar angewandt werden.
Auch für die vorliegend zu beurteilende Fallgestaltung hat der Europäische Gerichtshof Grundsätze entwickelt, die die Anwendung des Art. 119 EWG-Vertrag erlauben, ohne daß ergänzende Rechts- oder Verwaltungsvorschriften erforderlich wären. Daran sind die Gerichte der Mitgliedsstaaten gebunden.
Dr. Dieterich Schaub Griebeling
Gnade Dr. Jesse
Fundstellen