Entscheidungsstichwort (Thema)
Essenszuschuß. Betriebliche Übung im öffentlichen Dienst
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 15.01.1987 6 AZR 602/85.
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 17.10.1985; Aktenzeichen 3 Sa 65/85) |
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 24.04.1985; Aktenzeichen 8 Ca 916/84) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger über den 1. Januar 1984 hinaus einen Essenszuschuß in Höhe von 1,-- DM arbeitstäglich zu zahlen.
Der Kläger ist seit dem 1. Juli 1974 bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung und gemäß Bezugnahme in § 2 des abgeschlossenen Arbeitsvertrages der Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit (MTA) vom 21. April 1961 und die ihn ergänzenden oder ändernden Tarifverträge Anwendung. Der Arbeitsvertrag enthält hinsichtlich des Essenszuschusses keine Nebenabrede.
Die Beklagte gewährte ihren Mitarbeitern nach den Richtlinien für Kantinen bei Dienststellen des Bundes (Kantinenrichtlinien) vom 25. September 1974 (GMBl. S. 523) arbeitstäglich einen "Essenszuschuß" in Höhe von 1,-- DM, den auch der Kläger erhielt. Er wurde auf der Rückseite der schriftlichen Gehaltsabrechnung jeweils in Feld "28 = sonstige Zahlung" ausgewiesen.
Aufgrund eines Beschlusses der Bundesregierung vom 29. Juni 1983 wurden die Kantinenrichtlinien in der Fassung vom 25. September 1974 dahingehend geändert, daß die Regelung über die Gewährung von Essenszuschüssen entfiel. Ebenso enthält Art. 31 (Gesetz zur Einsparung von Personalausgaben in der mittelbaren Bundesverwaltung sowie bei der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost) des Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) vom 22. Dezember 1983 (BGBl. I S. 1532 ff.) u.a. folgende Bestimmungen:
"§ 1
Stellenbesetzungssperre
(1) Bei der Bundesanstalt für Arbeit, der
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte...
dürfen Planstellen für Beamte,
... sechs Monate nach Freiwerden nicht
ersetzt werden (Stellenbesetzungssperre).
...
§ 2
Wegfall des Essenszuschusses
Bei den in § 1 genannten Einrichtungen
dürfen die bisher gewährten Essenszuschüsse
oder entsprechende Leistungen
unabhängig von ihrer bisherigen Höhe
ab 1. Januar 1984 nicht mehr gewährt
werden. Essenszuschüsse sind Leistungen
nach Nr. 10 der Richtlinien für Kantinen
bei Dienststellen des Bundes vom
25. September 1974 in der bis zum 31. Dezember
1983 geltenden Fassung oder nach
gleichartigen Regelungen."
Die Beklagte stellte daraufhin die Zahlung der Essenszuschüsse zum 1. Januar 1984 ein. Dagegen wendet sich der Kläger, der mit Schreiben vom 22. Mai 1984 die Weiterzahlung des Essenszuschusses erfolglos gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat, mit der vorliegenden Klage.
Der Kläger hat vorgetragen, aufgrund der Hinweise der Beklagten auf die im öffentlichen Dienst üblichen Sozialleistungen bei der Einstellung von Arbeitnehmern und der ihm bei seiner Einstellung ausdrücklich gemachten Zusage sei die Gewährung des Essenszuschusses Inhalt seines Arbeitsvertrages geworden. Außerdem habe er auch nach der Änderung der Kantinenrichtlinien infolge der bisherigen jahrelangen Zahlung aufgrund betrieblicher Übung einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Essenszuschuß. Die Beklagte, die nicht zu erkennen gegeben habe, daß es sich bei dem Essenszuschuß um eine freiwillige, übertarifliche und widerrufliche Leistung handele, habe auch stets den Eindruck erweckt, der Essenszuschuß werde auf Dauer gewährt. Dem sich aus dem Arbeitsvertrag bzw. aus betrieblicher Übung ergebenden Anspruch auf Essenszuschuß stehe auch nicht das Schriftformerfordernis des § 4 Abs. 2 MTA entgegen. Abgesehen davon, daß bei einer betrieblichen Übung keine Schriftform erforderlich sei, handele es sich beim Essenszuschuß um eine reguläre Leistung und damit nicht um eine schriftformbedürftige Nebenabrede im Sinne von § 4 Abs. 2 MTA. Die Berufung der Beklagten auf die fehlende Schriftform verstoße zudem gegen Treu und Glauben. Der Beklagten sei es auch rechtlich nicht unmöglich, weiterhin einen Essenszuschuß zu gewähren, da Haushaltsgesetze nicht mit gesetzlichen Verbotsvorschriften zu vergleichen seien.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an
ihn 161,-- DM netto nebst 4 % Zinsen
zu bezahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgetragen, der Kläger sei bei seiner Einstellung lediglich auf den Essenszuschuß hingewiesen worden, ohne daß ihm eine Zusage für die Zukunft gemacht worden sei. Es habe sich um einen rein informatorischen Hinweis im Rahmen der üblichen Vorstellungsgespräche gehandelt. Die Gewährung eines Essenszuschusses sei daher nicht zum Bestandteil des Arbeitsvertrages gemacht worden. Es scheide aber auch ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung aus. Denn der Kläger habe erkennen können, daß sie, die Beklagte, als eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts, Essenszuschüsse nur nach den jeweils gültigen Kantinenrichtlinien habe gewähren wollen. Bei der Gewährung des Essenszuschusses handele es sich im übrigen um eine Nebenabrede, die gemäß § 4 Abs. 2 MTA der Schriftform bedurft hätte. Auf die fehlende Schriftform könne sie sich - ohne damit gegen Treu und Glauben zu verstoßen - auch berufen. Sie habe zu keiner Zeit den Eindruck erweckt, sich auch ohne Rücksicht auf eine schriftliche Abrede zur Zahlung des Essenszuschusses verpflichten zu wollen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die zugelassene Berufung zurückgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Weitergewährung des Essenszuschusses über den 31. Dezember 1983 hinaus.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwischen den Parteien sei die Gewährung von Essenszuschüssen zwar im Arbeitsvertrag nicht vereinbart worden, jedoch stelle die jahrelange Zahlung des Essenszuschusses nach Maßgabe der Kantinenrichtlinien des Bundes eine in Form der Betriebsübung konkludent erteilte Gesamtzusage der Beklagten dar, die von dem Kläger stillschweigend angenommen worden sei. Die Beklagte habe sich aber nur nach Maßgabe der Kantinenrichtlinien zur Gewährung des Zuschusses verpflichtet. Soweit ein gewichtiger sachlicher Grund vorliege, habe sie deshalb die Gewährung des Essenszuschusses einstellen dürfen. Die aus dem Verhalten der Beklagten entstandene betriebliche Übung verstoße jedoch, da die Gewährung eines Essenszuschusses eine Nebenabrede darstelle, gegen das Schriftformerfordernis gemäß § 4 Abs. 2 MTA und sei deshalb nichtig.
Aber selbst wenn ein Anspruch des Klägers aufgrund einer betrieblichen Übung unterstellt werde, sei die Beklagte von ihrer Leistungspflicht gemäß § 275 Abs. 1 BGB frei geworden. Es liege nämlich ein Fall nachträglichen rechtlichen Unvermögens vor, da ihr die weitere Gewährung des Zuschusses aufgrund von § 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 von Art. 31 Haushaltsbegleitgesetz 1984 von Gesetzes wegen verboten sei. Schließlich sei die Beklagte dem Kläger gegenüber auch nicht zum Schadenersatz verpflichtet, da sie den zur Unmöglichkeit der Leistung führenden Umstand nicht zu vertreten habe. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken seien nicht zu erheben, obwohl sich die gesetzliche Regelung als Eingriff in ein bereits begründetes und im Erfüllungsaustausch befindliches Vertragsverhältnis darstelle.
II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung zwar im Ergebnis, nicht aber in der Begründung stand.
1. Der Kläger kann den von ihm geltend gemachten Anspruch nicht auf eine einzelvertragliche Vereinbarung stützen. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann dem Vortrag des Klägers eine solche Vereinbarung nicht entnommen werden. Die Erklärung der Beklagten während des Einstellungsgespräches, der Kläger erhalte u. a. den Essenszuschuß als Teil der üblichen Vergünstigungen des öffentlichen Dienstes unter Darstellung der Modalitäten, kann nicht als Angebot im rechtsgeschäftlichen Sinne gewertet werden, sondern nur als Hinweis auf die zu dieser Zeit bei der Beklagten bestehende Regelung. Das gleiche gilt für den entsprechenden Hinweis der Beklagten in Stellenanzeigen.
2. Ebensowenig kann der Kläger einen Anspruch auf Essenszuschuß auf die Kantinenrichtlinien in der Fassung von 1974 stützen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt derartigen Richtlinien und Erlassen als einseitigen Verwaltungsanordnungen keine unmittelbare zivil- und arbeitsrechtliche Bedeutung zu (BAG Urteil vom 14. August 1986 - 6 AZR 427/85 - AP Nr. 1 zu § 13 TVAng Bundespost, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen; BAGE 32, 105 = AP Nr. 2 zu § 11 SchwbG; BAGE 23, 83 = AP Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; BAG Urteil vom 30. Januar 1980 - 4 AZR 1098/77 - AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; BAG Urteil vom 10. April 1985 - 7 AZR 36/83 - AP Nr. 19 zu § 242 Betriebliche Übung = EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 15, m.w.N., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Sie können deshalb nur mittelbar durch einzelvertragliche Bezugnahme für das Arbeitsverhältnis Bedeutung gewinnen, gegebenenfalls auch in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz oder der Bindungswirkung einer betrieblichen Übung. Es ist jedoch in jedem Einzelfall der konkrete Inhalt der vertraglichen Vereinbarung bzw. des tatsächlichen Verhaltens des Arbeitgebers festzustellen, insbesondere ob die Richtlinien in ihrer jeweiligen oder in ihrer zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Fassung vereinbart bzw. vom Arbeitgeber tatsächlich angewendet wurden (BAG Urteile vom 10. April 1985 - 7 AZR 36/83 - und vom 30. Januar 1980 - 4 AZR 1098/77 -, jeweils aaO). Der Kläger hat aber selbst nicht vorgetragen, die Beklagte habe mit ihm die Anwendung der Kantinenrichtlinien in der Fassung von 1974 für alle Zukunft vertraglich vereinbart.
3. Die Weitergewährung des Essenszuschusses kann der Kläger entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch nicht kraft betrieblicher Übung verlangen, die dann vorliegt, wenn der Arbeitgeber bestimmte Verhaltensweisen regelmäßig wiederholt, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, daß ihnen eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden soll (BAG Urteil vom 14. August 1986 - 6 AZR 427/85 -, aaO; BAGE 40, 126, 133 = AP Nr. 1 zu § 3 TVArb Bundespost = EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 8; BAG Urteil vom 10. Oktober 1984 - 5 AZR 302/82 - AP Nr. 39 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen; BAG Urteil vom 27. Juni 1985 - 6 AZR 392/81 - AP Nr. 14 zu § 77 BetrVG 1972 = EzA § 77 BetrVG 1972 Nr. 60, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen).
a) Für die Begründung eines Anspruchs durch betriebliche Übung kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit Verpflichtungswillen handelt. Die Wirkung einer Willenserklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im Rechtsverkehr deshalb ein, weil der Erklärende seinen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen dem Erklärungsempfänger gegenüber äußert, und dieser aus dem Erklärungsverhalten auf einen Bindungswillen schließen durfte. Auch für die Bindungswirkung der betrieblichen Übung ist allein entscheidend, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen mußte (vgl. BAGE 40, 126, 133, aaO; BAG Urteile vom 9. Juli 1985 - 1 AZR 631/80 - AP Nr. 16 zu § 75 BPersVG; vom 4. September 1985 - 7 AZR 262/83 - AP Nr. 22 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt; und vom 5. Februar 1986 - 5 AZR 632/84 - EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 18; BGH Urteil vom 7. Juni 1984 - IX ZR 66/83 - BB 1984, 1317). Im öffentlichen Dienst muß der Arbeitnehmer allerdings grundsätzlich davon ausgehen, daß sich der Arbeitgeber, der an die Anweisungen der vorgesetzten Dienststellen, Verwaltungsrichtlinien, Verordnungen und vor allem an die Festlegungen im Haushaltsplan gebunden ist, regelmäßig nur normgerecht verhalten, also nur die gesetzlich und tarifvertraglich vorgesehenen Mindestleistungen erbringen will (BAG Urteile vom 29. November 1983 - 3 AZR 491/81 - AP Nr. 15 zu § 242 BGB Betriebliche Übung = EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 12; vom 6. März 1984 - 3 AZR 340/80 - AP Nr. 16 zu § 242 BGB Betriebliche Übung = EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 13; vom 5. Februar 1986 - 5 AZR 632/84 -, aaO; vom 10. April 1985 - 7 AZR 36/83 -, aaO; vom 30. Oktober 1985 - 7 AZR 314/83 - AP Nr. 8 zu § 42 BAT und vom 14. August 1986 - 6 AZR 427/85 -, aaO). Allein aus der Gewährung einer zusätzlichen Leistung kann der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst daher nicht ohne weiteres schließen, diese sei auf Dauer zugesagt worden, zumal dann nicht, wenn sich - wie im Streitfall - die vom Arbeitgeber gewährten Leistungen als Vollzug von Regelungen darstellen, die für Beamte und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einheitlich gelten. Bei zusammen mit Beamten arbeitenden Arbeitnehmern kann sich eine betriebliche Übung grundsätzlich nicht in Widerspruch zu der für die Beamten maßgebenden Regelung entwickeln. Wenn der öffentliche Arbeitgeber die den Beamten gewährten Vergünstigungen gleichzeitig den Arbeitern und Angestellten einräumt, müssen diese - auch schon aus Gründen der Gleichbehandlung - damit rechnen, sie ebenfalls zu verlieren, wenn sie für die Beamten abgeschafft werden (BAG Urteile vom 10. April 1985 - 7 AZR 36/83 -, aaO; vom 30. Oktober 1985 - 7 AZR 314/83 -, aaO und vom 14. August 1986 - 6 AZR 427/85 -, aaO). Zur Annahme einer betrieblichen Übung im öffentlichen Dienst bedarf es daher selbst bei langjährigen Leistungen stets noch zusätzlicher Anhaltspunkte.
b) Bei Zugrundelegung dieser von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, von denen abzuweichen keine Veranlassung besteht, ist keine die Beklagte bindende betriebliche Übung entstanden. Über die langjährige Zahlung des Essenszuschusses hinaus sind keine besonderen Anhaltspunkte vorhanden, aus denen der Kläger schließen konnte, der Essenszuschuß werde ihm unabhängig von der Handhabung bei den Beamten sowie der jeweils gültigen Fassung der Kantinenrichtlinien des Bundes und ohne Beachtung haushaltsrechtlicher Erwägungen auf Dauer weitergewährt. Er mußte vielmehr damit rechnen, daß bei Einschränkungen durch den Haushaltsgesetzgeber und/oder Änderungen der Kantinenrichtlinien auch er als Angestellter neben den Beamten im Hinblick auf den Essenszuschuß betroffen werden kann. Dem steht nicht die Werbung der Beklagten mit den im öffentlichen Dienst üblichen Sozialleistungen und insbesondere dem Essenszuschuß als Teil dieser Leistungen im Rahmen der Einstellungsgespräche entgegen. Die Zusage der im öffentlichen Dienst üblichen Leistungen beinhaltet nicht, daß jede dieser Leistungen auf Dauer gewährt werden wird. Diese Aussage der Beklagten läßt vielmehr erkennen, daß nur die jeweils üblichen Leistungen erbracht werden sollen. Ihr läßt sich nicht die Zusage entnehmen, diese Leistungen unverändert in alle Zukunft gewähren zu wollen.
4. Unabhängig von diesen Grundsätzen ist im Streitfall eine etwa entstandene betriebliche Übung aber schon deshalb nicht verbindlich, weil die entsprechende Zusage der Beklagten, bei der es sich um eine schriftformbedürftige Nebenabrede handelt, nicht der Formvorschrift des § 4 Abs. 2 MTA entspricht.
a) Die Gewährung oder Vereinbarung eines Essenszuschusses ist eine Nebenabrede im Sinne von § 4 Abs. 2 MTA.
Was unter einer Nebenabrede im Sinne von § 4 Abs. 2 MTA oder den gleichlautenden Vorschriften in anderen Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes zu verstehen ist, wird nicht einheitlich beantwortet. Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts bestimmt dies in ständiger Rechtsprechung nach dem Gegenstand der vertraglichen Regelung. Nebenabreden sind danach Vereinbarungen der Parteien, die weder die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers noch die Gegenleistung des Arbeitgebers unmittelbar betreffen (BAGE 37, 228, 233 = AP Nr. 8 zu § 4 BAT; BAG Urteil vom 7. Mai 1986 - 4 AZR 556/83 -, zur Veröffentlichung vorgesehen; BAGE 29, 182, 184 = AP Nr. 4 zu § 4 BAT; BAG Urteil vom 26. Juli 1972 - 4 AZR 365/71 - AP Nr. 1 zu § 4 MTB II; BAGE 35, 7, 12 = AP Nr. 3 zu § 19 TVArb Bundespost). Demgegenüber hält es der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 40, 126, 131, aaO; BAG Urteil vom 12. Juli 1983 - 3 AZR 129/81 - AP Nr. 9 zu § 17 BAT; BAGE 39, 271, 275 = AP Nr. 12 zu § 242 BGB Betriebliche Übung) für zweifelhaft, ob die Unterscheidung nach Haupt- und Nebenpflichten stets zu einer sachgerechten Abgrenzung führt und meint, allein das Regelungsziel, das die Tarifvertragsparteien mit der Bestimmung verfolgt haben, sei entscheidungserheblich. Der Zweck der Regelung könne ersichtlich nur darin bestehen, die Einheitlichkeit der Arbeitsbedingungen des öffentlichen Dienstes zu sichern und vom tariflichen Regelungssystem abweichende ungewöhnliche Absprachen offenzulegen, um sie damit einer dienstaufsichtlichen Überprüfung zugänglich zu machen (vgl. zu dem gesamten Meinungsstand auch BAG Urteil vom 13. November 1986 - 6 AZR 567/83 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
Im Streitfall kann es dahingestellt bleiben, welcher Auffassung zu folgen ist, da sowohl nach der Ansicht des Vierten als auch des Dritten Senats von einer schriftformbedürftigen Nebenabrede auszugehen ist. Der Essenszuschuß, bei dem es sich um eine im tariflichen System nicht vorgesehene Leistung handelt, stellt sich nicht als Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Klägers dar, sondern er soll nur Aufwendungen für die Kosten einer Mittagsmahlzeit aufgrund bestimmter Umstände ausgleichen (BAGE 37, 228, 233, aaO).
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann aber auch eine betriebliche Übung nur dann eine bindende Wirkung entfalten, wenn die tariflichen Formvorschriften eingehalten worden sind (BAGE 35, 7, 12 ff., aaO; BAGE 37, 228, 234 ff., aaO; BAGE 40, 126, 136, aaO; BAG Urteil vom 9. Juli 1985 - 1 AZR 631/80 -, aaO). Aus einer stillschweigenden Zusage entstehen nämlich keine weitergehenden Rechte als eine ausdrückliche Verpflichtungserklärung begründen könnte. Daraus folgt zwar, daß im öffentlichen Dienst nur in seltenen Fällen Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen können, jedoch ist dies von den Tarifvertragsparteien so gewollt und stellt keine generelle Besserstellung des öffentlichen Arbeitgebers gegenüber der Privatwirtschaft dar. Bedenken gegen die Wirksamkeit einer solchen tariflichen Regelung sind nicht berechtigt; sie verstößt nicht gegen zwingende gesetzliche Vorschriften. Im übrigen sind im öffentlichen Dienst die Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien weitgehend gesetzlich und tariflich normiert, weshalb in diesem Bereich auch kein dringendes Bedürfnis für die Anwendung der Grundsätze der betrieblichen Übung besteht (BAGE 37, 228, 234, aaO; BAG Urteil vom 9. Juli 1985 - 1 AZR 631/80 -, aaO).
c) Die Schriftform des § 4 Abs. 2 MTA, die von den Parteien nicht abbedungen worden ist (jedenfalls fehlt es insoweit an Feststellungen des Landesarbeitsgerichts) und auch nicht abbedungen werden konnte (BAGE 37, 228, 234 f.; BAG Urteil vom 12. Juli 1983 - 3 AZR 129/81 -, jeweils aaO), ist auch nicht dadurch gewahrt, daß die Kantinenrichtlinien schriftlich niedergelegt und veröffentlicht worden sind. Eine tarifvertraglich vorgeschriebene Schriftform ist eine durch Gesetz vorgeschriebene Form im Sinne von Art. 2 EGBGB. Sie erfordert somit die Einhaltung der Vorschriften des § 126 BGB. Danach muß bei einem Vertrag die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen (BAGE 37, 228, 236, aaO). Dies ist aber hier nicht der Fall.
5. Soweit sich die Beklagte auf den Mangel der Schriftform (§ 4 Abs. 2 MTA) beruft, verstößt sie - entgegen der Ansicht der Revision - nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).
a) Der Einwand, eine Partei handele treuwidrig, wenn sie sich auf die Nichtbeachtung der Form berufe, kann nur in Ausnahmefällen erfolgreich sein. Formvorschriften können über den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung regelmäßig nicht gegenstandslos gemacht werden. Im allgemeinen hat jede Partei die Rechtsnachteile zu tragen, die sich aus der Formnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts ergeben (BAGE 40, 126, 137; BAG Urteil vom 9. Juli 1985 - 1 AZR 631/80 -, jeweils aaO; BAG Urteil vom 29. Januar 1986 - 7 AZR 295/84 - nicht veröffentlicht). Die Berufung einer Partei auf die Formnichtigkeit eines Vertrages verstößt grundsätzlich auch dann nicht gegen Treu und Glauben, wenn aufgrund der formnichtigen Vereinbarung über einen langen Zeitraum hinweg Leistungen erbracht werden. Sieht eine gesetzliche oder tarifliche Vorschrift vor, daß die Wirksamkeit eines Vertrages von der Einhaltung einer bestimmten Form abhängig sein soll, so gebietet es die Rechtssicherheit, daß die Vorschrift nicht ohne zwingenden Grund unbeachtet bleibt (BAGE 40, 126, 136 f., aaO). Beruft sich ein Vertragspartner auf die Nichtigkeit der Vereinbarung wegen Formverstoßes, so stellt dies in der Regel nur dann einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar, wenn die Nichtigkeitsfolgen für den Vertragsgegner zu schlechthin unerträglichen Ergebnissen führen würden (BGHZ 29, 6, 10; 48, 396, 398; BGH Urteil vom 13. Oktober 1983 - III ZR 158/82 - NJW 1984, 606, 607). Dient die Schriftform dem öffentlichen Interesse oder bezweckt sie gar die staatliche Überwachung rechtsgeschäftlicher Vorgänge, kommt ihrer strikten Beachtung größeres Gewicht zu, als wenn es nur um die beiderseitigen Interessen der Parteien des Vertrages geht (BAGE 40, 126, 137, aaO).
b) Nach alledem verstößt die Berufung der Beklagten auf die nicht eingehaltene Schriftform nicht gegen Treu und Glauben. Ungeachtet der langjährigen Gewährung des Essenszuschusses liegen keine Besonderheiten vor, aufgrund derer die Berufung auf den Formmangel wegen des angestrebten Zwecks oder des angewandten Mittels zu mißbilligen ist (BAGE 40, 126, 137, aaO). Insbesondere ist, worauf die Revision zu Unrecht abhebt, die Werbung mit den im öffentlichen Dienst üblichen Sozialleistungen nicht geeignet, bei den begünstigten Arbeitnehmern den Eindruck zu erwecken, die Beklagte werde sich gegebenenfalls nicht auf einen Formfehler berufen. Die Werbung mit einer bestimmten Leistung würde nur dann - neben anderen Umständen - bei der Prüfung des Rechtsmißbrauchs eine relevante Besonderheit darstellen (BAG Urteil vom 7. Mai 1986 - 4 AZR 556/83 -, aaO), wenn die Beklagte ersichtlich Arbeitskräfte nur bei Gewährung dieser Leistung hätte gewinnen können (vgl. BAG Urteil vom 19. März 1986 - 5 AZR 254/85 - nicht veröffentlicht). Das ist nicht der Fall. Der Essenszuschuß war zwar Bestandteil der Sozialleistungen des öffentlichen Dienstes, ist jedoch als Werbeelement von der Beklagten nicht einmal besonders genannt oder herausgestellt worden. Abgesehen davon, daß er keinen gravierenden Entgeltbestandteil dargestellt hat, war und ist es auch im privatwirtschaftlichen Bereich weit verbreitet, den Mitarbeitern einen Essenszuschuß oder ein verbilligtes Mittagessen in einer Kantine zu gewähren. Bei der geringen Höhe des Zuschusses führt die Berufung der Beklagten auf den Schriftformmangel für den Kläger auch nicht zu schlechthin unerträglichen Ergebnissen, weil die Kürzung im Vergleich mit den Gesamtbezügen nicht als schwerwiegend anzusehen ist.
III. Nachdem weder arbeitsvertraglich noch aufgrund betrieblicher Übung ein Anspruch des Klägers auf einen Essenszuschuß besteht und demgemäß dahingestellt bleiben konnte, ob die Beklagte - wie vom Landesarbeitsgericht angenommen - gemäß § 275 BGB von ihrer Leistungsverpflichtung freigeworden ist, war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Dr. Röhsler Dörner Schneider
Fürbeth Dr. Walz
Fundstellen