Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung. Feststellungsklage des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
Eine Feststellungsklage des Arbeitgebers, die die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrags oder – im Fall einer Zweckbefristung – den Streit über den Eintritt der Zweckerreichung oder dessen Zeitpunkt klären soll, ist unzulässig.
Orientierungssatz
1. Nach § 17 Satz 1 TzBfG muss ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist, wenn er geltend machen will, dass die Befristung des Arbeitsvertrags unwirksam ist. Eine derartige Befristungskontrollklage, die ausschließlich dem Arbeitnehmer eröffnet ist, erfasst nicht nur den Streit über die Wirksamkeit der Befristung, sondern – im Fall der Zweckbefristung – auch den Streit über den Eintritt der Zweckerreichung und den Streit über den in der Befristungsabrede vorgesehenen Beendigungszeitpunkt.
2. § 17 TzBfG schließt in seinem Anwendungsbereich eine allgemeine Feststellungsklage des Arbeitgebers nach § 256 Abs. 1 ZPO aus. Der Arbeitgeber kann eine Klage auf Feststellung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Befristung nur dann erheben, wenn die Parteien darüber streiten, ob eine Befristung vereinbart wurde. Er hat nicht die Möglichkeit, mit einer allgemeinen Feststellungsklage klären zu lassen, ob die Befristung wirksam ist oder – im Fall einer Zweckbefristung – ob die Zweckerreichung eingetreten ist oder zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis aufgrund der vereinbarten Befristung geendet hat.
Normenkette
TzBfG § 17 S. 1; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 27. November 2014 – 13 Sa 557/14 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis am 30. Juni 2014 geendet hat.
Die klagende Arbeitgeberin betreibt ein Krankenhaus. Die im Juni 1951 geborene Beklagte war seit dem 1. Oktober 1980 bei der Klägerin als Krankenschwester beschäftigt. Sie ist schwerbehindert mit einem GdB von 50. Nach § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 12. August 1980 finden auf ihr Arbeitsverhältnis die Richtlinien für Arbeitsverträge in Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) in der jeweiligen Fassung Anwendung. § 19 Abs. 3 des Allgemeinen Teils der AVR lautet:
„Das Dienstverhältnis endet ohne Kündigung mit Ende des Monats, in dem der Mitarbeiter das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen einer abschlagsfreien Regelaltersrente vollendet.”
Mit Schreiben vom 8. Oktober 2013 teilte die Klägerin der Beklagten mit, ihr Arbeitsverhältnis werde am 30. Juni 2014 enden, weil sie wegen ihrer Schwerbehinderung ab dem 1. Juli 2014 eine ungekürzte Altersrente beziehen könne. Die Beklagte erwiderte daraufhin mit Schreiben vom 12. Oktober 2013, ihr Dienstverhältnis bestehe bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze am 30. November 2016 fort. Sie werde erst zu diesem Zeitpunkt einen Rentenantrag stellen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien am 30. Juni 2014 geendet habe. Es sei ihr aufgrund des Annahmeverzugsrisikos und des Erfordernisses einer verlässlichen Personalplanung nicht zuzumuten, die Erhebung einer Befristungskontrollklage durch die Beklagte abzuwarten. Das Arbeitsverhältnis der Parteien habe nach § 19 Abs. 3 AVR mit Ablauf des 30. Juni 2014 geendet. Eine ungekürzte Altersrente für schwerbehinderte Menschen gemäß § 33 Abs. 2 Nr. 3, § 236a SGB VI sei eine „abschlagsfreie Regelaltersrente” iSv. § 19 Abs. 3 AVR.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Beschäftigungsverhältnis mit Ablauf des 30. Juni 2014 geendet hat.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, das Arbeitsverhältnis ende erst mit Erreichen des Regelrentenalters. Es sei davon auszugehen, dass die Vertragsparteien der AVR dem Begriff „Regelaltersrente” dieselbe Bedeutung beigemessen hätten wie der Gesetzgeber. Dieser unterscheide zwischen der Regelaltersrente und sonstigen Altersrenten. Andernfalls sei § 19 Abs. 3 AVR wegen Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung wegen Behinderung unwirksam.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unzulässig.
I. Eine Feststellungsklage des Arbeitgebers, die die Wirksamkeit einer Befristung oder – im Fall einer Zweckbefristung – den Streit über den Eintritt einer Zweckerreichung oder dessen Zeitpunkt klären soll, ist unzulässig. Zur Klärung dieser Fragen sieht § 17 Satz 1 TzBfG die Befristungskontrollklage vor, die ausschließlich für den Arbeitnehmer eröffnet ist. Für eine allgemeine Feststellungsklage des Arbeitgebers nach § 256 Abs. 1 ZPO ist daneben kein Raum.
1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Danach kann grundsätzlich auch eine Klage auf Feststellung der Beendigung eines Rechtsverhältnisses zulässig sein. Eine solche Klage ist auf die Feststellung der zeitlichen Begrenzung eines Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet (vgl. zu einer Klage auf Feststellung der Beendigung eines Mietverhältnisses BGH 13. Januar 2010 – VIII ZR 351/08 – Rn. 12).
Für den Fall der Befristung eines Arbeitsverhältnisses sieht jedoch § 17 Satz 1 TzBfG eine besondere Klageart vor. Danach muss ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist, wenn er geltend machen will, dass die Befristung des Arbeitsvertrags unwirksam ist. Streitgegenstand einer Befristungskontrollklage nach § 17 Satz 1 TzBfG ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer zu einem bestimmten Zeitpunkt vereinbarten Befristung zu dem in dieser Vereinbarung vorgesehenen Termin (BAG 16. April 2003 – 7 AZR 119/02 – zu I 1 a der Gründe, BAGE 106, 72). Die Befristungskontrollklage erfasst nicht nur den Streit über die Wirksamkeit einer Befristung, sondern – im Falle einer Zweckbefristung – auch den Streit über den Eintritt der Zweckerreichung sowie den Streit über den in der Befristungsabrede vorgesehenen Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG 16. April 2003 – 7 AZR 119/02 – zu I 1 a der Gründe, aaO; vgl. für die Bedingungskontrollklage BAG 4. November 2015 – 7 AZR 851/13 – Rn. 16). Dem steht der Wortlaut des § 17 Satz 1 TzBfG nicht entgegen. Die Formulierung in § 17 Satz 1 TzBfG erklärt sich daraus, dass bei sog. Kalenderbefristungen iSv. § 15 Abs. 1 TzBfG der Ablauf der vereinbarten Zeit regelmäßig feststeht und daher typischerweise kein Streit über das Befristungsende, sondern „nur” über die Wirksamkeit der Befristung besteht (BAG 6. April 2011 – 7 AZR 704/09 – Rn. 21, BAGE 137, 292). Die Klagefrist ist nach ihrem Zweck, die Interessen des Arbeitgebers und des Rechtsverkehrs an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu schützen, auch bei einem Streit über den vorgesehenen Beendigungszeitpunkt anzuwenden. Der Beendigungszeitpunkt hängt in der Regel von der Auslegung der tariflichen oder einzelvertraglichen Befristungsabrede ab. Die Frage des Beendigungszeitpunkts kann deswegen mit der Beurteilung der Wirksamkeit der Befristungsabrede verknüpft sein. So kann insbesondere bei Altersgrenzen eine einschränkende Auslegung geboten sein. Sie dient der Wirksamkeit der Befristungsabrede. Die Auslegung und die Prüfung der Wirksamkeit der Befristung sind damit ineinander verschränkt. Die Wirksamkeit der Befristungsabrede und der in ihr vorgesehene Beendigungszeitpunkt können daher nicht unabhängig voneinander, ggf. in einem gesonderten Rechtsstreit, beurteilt werden. Wegen dieses untrennbaren Zusammenhangs sind beide Fragen Gegenstand einer Befristungskontrollklage (vgl. zum Gegenstand einer Bedingungskontrollklage: BAG 27. Juli 2016 – 7 AZR 276/14 – Rn. 16; 23. März 2016 – 7 AZR 827/13 – Rn. 14, BAGE 155, 1; 4. November 2015 – 7 AZR 851/13 – Rn. 16; 14. Januar 2015 – 7 AZR 880/13 – Rn. 13; 23. Juli 2014 – 7 AZR 771/12 – Rn. 18, BAGE 148, 357; 10. Oktober 2012 – 7 AZR 602/11 – Rn. 12 f.; 6. April 2011 – 7 AZR 704/09 – Rn. 18 ff., aaO).
2. § 17 TzBfG stellt eine abschließende Regelung für Streitigkeiten der Arbeitsvertragsparteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer vereinbarten Befristung dar. Die Vorschrift schließt nach der gesetzlichen Konzeption für ihren Regelungsbereich eine allgemeine Feststellungsklage aus.
a) Der Gesetzgeber hat die Befristungskontrollklage von § 256 Abs. 1 ZPO gelöst und in § 17 TzBfG gesondert geregelt. Er hat damit zum Ausdruck gebracht, dass sich die Zulässigkeit einer Klage, deren Streitgegenstand die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer vereinbarten Befristung zu einem bestimmten Termin ist, allein nach § 17 TzBfG richten soll. Nach § 17 TzBfG kann nur der Arbeitnehmer, nicht aber der Arbeitgeber eine Befristungskontrollklage erheben. Dies schließt eine Klage des Arbeitgebers auf Feststellung, das Arbeitsverhältnis habe aufgrund einer vereinbarten Befristung zu einem bestimmten Zeitpunkt geendet, aus. Eine solche Klage hat denselben Streitgegenstand wie eine Befristungskontrollklage (vgl. zur Identität des Streitgegenstands bei positiver und negativer Feststellungsklage BGH 7. Juli 1993 – VIII ZR 103/92 – zu II 1 der Gründe, BGHZ 123, 137).
b) Daraus, dass nach § 17 Satz 1 TzBfG nur der Arbeitnehmer Befristungskontrollklage erheben kann, nicht aber der Arbeitgeber, kann nicht geschlossen werden, dass dem Arbeitgeber die Möglichkeit einer allgemeinen Feststellungsklage verbleiben soll, damit er beizeiten eine Klärung darüber herbeiführen kann, ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis aufgrund der vereinbarten Befristung endet. Die Interessen des Arbeitgebers an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit werden durch die in § 17 Satz 1 TzBfG bestimmte Klagefrist gewahrt (vgl. BAG 6. April 2011 – 7 AZR 704/09 – Rn. 21, BAGE 137, 292). Dieser Regelung lässt sich die gesetzgeberische Wertung entnehmen, dass es insoweit eines weitergehenden Schutzes des Interesses des Arbeitgebers nicht bedarf. Mit dieser Wertung wäre die Möglichkeit einer vorzeitigen Feststellungsklage des Arbeitgebers nicht vereinbar.
c) Darüber hinaus könnte ein Nebeneinander von Befristungskontrollklage iSv. § 17 Satz 1 TzBfG und allgemeiner Feststellungsklage iSv. § 256 Abs. 1 ZPO zu Widersprüchen führen. So wäre unklar, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund der vereinbarten Befristung geendet hat, wenn die auf Feststellung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtete allgemeine Feststellungsklage des Arbeitgebers rechtskräftig abgewiesen wird und der Arbeitnehmer die Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG verstreichen lässt mit der Folge, dass die Befristung nach § 17 Satz 2 TzBfG, § 7 KSchG als wirksam gilt.
d) Eine Klage des Arbeitgebers auf Feststellung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt nur dann in Betracht, wenn zwischen den Parteien die Vereinbarung einer Befristung streitig ist. Dieser Sachverhalt wird von einer Befristungskontrollklage nicht erfasst. Macht der Arbeitnehmer gerichtlich geltend, eine Befristung sei nicht vereinbart, hat dies nicht mit einer Befristungskontrollklage nach § 17 Satz 1 TzBfG zu geschehen, sondern mit einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. BAG 8. Dezember 2010 – 7 AZR 438/09 – Rn. 15, BAGE 136, 270; 16. April 2008 – 7 AZR 132/07 – Rn. 10, BAGE 126, 295; vgl. zur Bedingungskontrollklage: BAG 4. November 2015 – 7 AZR 851/13 – Rn. 17; 18. Oktober 2006 – 7 AZR 662/05 – Rn. 13; 23. Juni 2004 – 7 AZR 440/03 – zu I 2 a und b, 3 der Gründe, BAGE 111, 148). Deshalb kann auch der Arbeitgeber zur Klärung der Frage, ob eine Befristung vereinbart worden ist, eine allgemeine Feststellungsklage erheben. § 17 Satz 1 TzBfG findet insoweit keine Anwendung und schließt daher nicht die Möglichkeit des Arbeitgebers aus, zur Klärung dieser Frage eine allgemeine Feststellungsklage zu erheben. Für eine solche Klage besteht das erforderliche Feststellungsinteresse, wenn der Arbeitnehmer die Vereinbarung einer Befristung in Abrede stellt.
II. Danach ist die vorliegende Feststellungsklage unzulässig. Der Streit der Parteien, ob das Arbeitsverhältnis nach § 19 Abs. 3 AVR am 30. Juni 2014 geendet hat, ist im Rahmen einer Befristungskontrollklage zu klären.
Die Parteien streiten nicht darüber, ob überhaupt eine Befristung vereinbart wurde, sondern über den in der Befristungsabrede vorgesehenen Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass § 19 Abs. 3 AVR auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Im Streit ist lediglich die Auslegung dieser Bestimmung zur Ermittlung des Zeitpunkts, zu dem das Arbeitsverhältnis aufgrund der darin geregelten Befristung endet. Die Klägerin vertritt die Auffassung, nach § 19 Abs. 3 AVR ende das Arbeitsverhältnis bereits dann, wenn der Mitarbeiter eine abschlagsfreie Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach § 33 Abs. 2 Nr. 3, § 236a SGB VI beanspruchen könne. Die Beklagte meint hingegen, § 19 Abs. 3 AVR sehe die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst mit Erreichen des Regelrentenalters iSv. § 33 Abs. 2 Nr. 1, § 235 SGB VI vor. Andernfalls sei die Regelung unwirksam.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Gräfl, Kiel, M. Rennpferdt, Vorbau, H. Hansen
Fundstellen
Haufe-Index 10865095 |
BAGE 2017, 116 |
BB 2017, 1395 |
DB 2017, 7 |
DStR 2017, 12 |