Leitsatz (amtlich)
1. Der Wunsch des Arbeitgebers, die Eignung eines Arbeitnehmers zu erproben, kann den Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrags rechtfertigen, Jedoch nur für eine angemessene Zeitspanne (im Anschluß an BAG 15, 132 = AP Nr. 26 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
2. Im allgemeinen werden nach dem Vorbild der gesetzlichen Probezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) sechs Monate für die Beurteilung ausreichen.
3. Kann der Arbeitgeber Eignung und Leistung eines Arbeitnehmers wegen der besonderen Anforderungen des Arbeitsplatzes – im Medienbereich etwa bei künstlerischer oder wissenschaftlicher Tätigkeit – innerhalb von sechs Monaten nicht genügend beurteilen, darf eine längere Probezeit vereinbart werden. Die einschlägigen Tarifverträge können Anhaltspunkte dafür geben, welche Probezeit in solchen Fällen angemessen ist.
4. Wenn sich der Arbeitnehmer nach Ablauf eines Probejahres noch nicht voll bewährt hat, kann dies allein den Abschluß eines weiteren auf ein Jahr befristeten Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer unbefristet einstellen, mit dem Vorbehalt, daß der Arbeitsvertrag gekündigt wird, wenn der Arbeitnehmer die festgestellten Beanstandungen nicht abstellt.
5. Die Anzeige des Arbeitgebers, der befristet abgeschlossene Arbeitsvertrag werde nicht verlängert, ist keine Kündigung.
Normenkette
BGB §§ 620, 123; KSchG § 1 Abs. 1-2, § 9 Abs. 1 S. 2, § 13 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 22.09.1976; Aktenzeichen 10/2 Sa 79/75) |
Tenor
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt (Hain) vom 22. September 1976 – 10/2 Sa 794/75 – wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ein zwischen ihnen begründetes Arbeitsverhältnis über den 31. Dezember 1974 hinaus bestanden hat. Der Beklagte hat sich auf eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Befristung berufen; er sieht in der Nichtverlängerungsanzeige auch eine Kündigung. Außerdem hat er vorsorglich eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen und zugleich den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten.
Die Klägerin, die in den Jahren 1966/67 bei dem Beklagten mehrere Praktika abgeleistet hatte, war zunächst von Januar 1970 bis Juli 1971 beim Beklagten in verschiedenen Abteilungen als freie Mitarbeiterin tätig. Seit dem 1. Juli 1972 war sie für das Vorschul- und Kinderprogramm in der Hauptabteilung „Fernsehen-Bildung und Erziehung” tätig; sie wurde auch in dieser Stelle bis Ende Januar 1973 als freie Mitarbeiterin behandelt. Anfang Dezember 1972 bewarb sich die Klägerin um die beim Beklagten ausgeschriebene Stelle einer „Redakteurin mit besonderen Aufgaben”. Der Beklagte schloß dann mit der Klägerin zunächst für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 1973 einen Dienstvertrag. Die Klägerin wurde mit der Leitung einer Redaktionsgruppe für das Kinder- und Vorschulprogramm beauftragt.
Am 13. November 1973 wurde der Abteilungsleiter Dr. Br. aufgefordert, sich zu den Leistungen der Klägerin, ihrem Verhalten und zu einer möglichen Weiterbeschäftigung zu äußern. Dr. Br. erklärte am 17. Dezember 1973:
„Im Jahre 1973 waren im Kinderprogramm zu einem großen Teil Aufgaben zu erfüllen, die bereits 1972 geplant und in die Wege geleitet wurden. Es ist sehr schwierig, nach Ablauf des Jahres 1973 eine endgültige Beurteilung über Frau B. abzugeben.
Nach Rücksprache mit der Programmdirektion und Frau B. bitte ich darum, ihr für das Jahr 1974 einen zweiten Zeitvertrag zu den gleichen Konditionen wie 1973 zu geben. Nach Ablauf dieses zweiten Jahresvertrages soll endgültig entschieden werden, ob eine Festanstellung erfolgen kann oder nicht.”
Der zuständige Programmdirektor, Herr G., schloß sich dieser Auffassung an. Auch nach seiner Auffassung war eine abschließende Beurteilung der Klägerin unmöglich. Er vertrat diese Auffassung auch in der Sitzung des Gesamtpersonalrats am 19. Dezember 1973. Dort führte er aus:
„daß Frau B. als Redakteurin Qualitäten vorzuweisen hätte, die neue Impulse und Aspekte hervorbrächten. Schwierigkeiten hätten sich Jedoch bei der Konzeption der Kinderfernsehprogramme ergeben. Während die Direktion von der Vorstellung ausgegangen sei, daß die Unterhaltung der Kinder primär zu berücksichtigen sei, sei Frau B. zu stark pädagogisch orientiert. Gesellschaftskritische Fragen stünden bei ihren Produktionen im Vordergrund, die auch von den ARD-Gremien nicht akzeptiert würden. So seien kürzlich 8 Programmanteile der „Maus-Serie” abgelehnt worden, die man nun anderswo im 3. Programm des HR unterbringen müsse. Da man wegen der hohen Produktionskosten mit den ARD-Kollegen gemeinsam planen müsse, könne man es sich in Zukunft nicht leisten, Konzeptionen zu entwickeln, die später keine Abnehmer fänden.”
Der Personalrat stimmte dem Abschluß eines weiteren auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages zu. Daraufhin legte der Beklagte der Klägerin am 28. Dezember 1973 ein vorformuliertes Schreiben mit folgendem Wortlaut vor:
„Ich bin bei der Verlängerung des Vertrages bis zum 31.12.1974 darauf hingewiesen worden, daß diese Verlängerung auf meinen Wunsch erfolgt und daß über eine Festanstellung etwa im September 1974 entschieden wird.”
Dieses Schreiben unterzeichnete die Klägerin. Daraufhin wurde ein zweiter befristeter Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1974 vereinbart,
Am 25. Juni 1974 teilte der Beklagte der Klägerin mit, daß er sie nicht festanstellen wolle. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:
„bei der Verlängerung Ihres Vertrages bis zum 31. Dezember 1974 war vereinbart worden, dass Ihnen Ende Juni mitgeteilt wird, ob ab 1. Januar 1975 eine Festanstellung erfolgt.
Im Einvernehmen mit Herrn Dr. Br möchte ich Sie darüber informieren, dass nicht beabsichtigt ist, eine weitere vertragliche Bindung als Leiterin des Kinderprogramms mit Ihnen einzugehen. Gegen eine freie Mitarbeit bestehen keine Einwände.”
Im gleichen Sinne schrieb der Beklagte auch an die jetzigen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 15. Oktober 1974.
Mit der am 25. Oktober 1974 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage macht die Klägerin geltend, daß die vereinbarte Befristung unwirksam sei. In der Klageerwiderung vom 14. November 1974 sprach der Beklagte daraufhin eine außerordentliche Kündigung aus und focht das Arbeitsverhältnis wegen arglistiger Täuschung an. Die Klägerin hat alsdann mit einem am 3. Dezember 1974 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Kündigungsschutzklage erhoben, die durch Beschluß des Arbeitsgerichts vom 5. Dezember 1974 mit der zunächst erhobenen Klage zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurde. Bis zum 31. Dezember 1974 war die Klägerin beim Beklagten vereinbarungsgemäß tätig. Sie wurde danach nicht weiterbeschäftigt.
Die Klägerin hat geltend gemacht, zumindest die zweite Befristung des Arbeitsvertrages sei unwirksam gewesen. Dafür habe es keinen sachlichen Grund gegeben. Entgegen der Darstellung des Abteilungsleiters Dr. Br. habe sie schon 1972 maßgebend mitgeplant und Programmänderungen erreicht. Im Jahre 1973 habe sie das Programm für das Jahr 1974 geplant. Dabei habe sie nicht einseitig pädagogisch orientierte Sendungen mit gesellschaftskritischen Fragen vor den reinen Unterhaltungssendungen bevorzugt. Mit einer zweiten Verlängerung des Arbeitsvertrages sei sie nur einverstanden gewesen, um nicht ihren Arbeitsplatz sofort zu verlieren.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 31. Dezember 1974 hinaus fortbesteht;
festzustellen, daß die fristlose Kündigung vom 14. November 1974 das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgelöst hat.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
In der Berufungsinstanz hat er hilfsweise beantragt,
das Arbeitsverhältnis unter Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen.
Der Beklagte hat geltend gemacht, er habe zunächst ein befristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen, um die Eignung der Klägerin als Ressortleiterin zu erproben. Eine abschließende Beurteilung sei Ende 1973 nicht möglich gewesen. Bei der Gesamtplanung und Zusammenstellung des Programms hätte sich nämlich ergeben, daß die Klägerin einseitig die Programmteile mit pädagogischer Zielsetzung bevorzugt und die Programme mit reiner Unterhaltung vernachlässigt habe. Deswegen habe sich die Klägerin als ungeeignet erwiesen. Diese Beurteilung obliege allein dem Arbeitgeber. Nur weil der Beklagte gehofft habe, die Klägerin werde ihre Einstellung ändern, habe er auf ihren dringenden Wunsch das Arbeitsverhältnis um ein weiteres Jahr verlängert.
Weiter hat der Beklagte geltend gemacht, seine schreiben vom 25. Juni und 15. Oktober 1974 seien als Kündigungen aufzufassen. Er habe in diesen Schreiben deutlich zum Ausdruck gebracht, daß die Klägerin über den 31. Dezember 1974 hinaus nicht weiterbeschäftigt werde. Auch die außerordentliche Kündigung vom 14. November 1974 sei berechtigt, da die Klägerin ihn vor Abschluß des zweiten Arbeitsvertrages arglistig getäuscht habe. Sie habe vorgegeben, ihr gehe es ernsthaft um den Abschluß eines zweiten befristeten Arbeitsvertrages, während sie in Wirklichkeit nur eine unbefristete Weiterbeschäftigung habe erreichen wollen. Damit sei auch die Anfechtung nach § 123 BGB begründet.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat auch den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte den Antrag auf Abweisung der Klage und den hilfsweise gestellten Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung weiter. Die Klägerin hat Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestand über den 31. Dezember 1974 hinaus fort.
I. Der Beklagte kann sich nicht auf die Befristung des zweiten Arbeitsvertrages berufen; diese Befristung ist unwirksam. Anstelle des befristeten Arbeitsverhältnisses ist ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Dauer getreten.
1. Das Berufungsgericht ist bei seiner Entscheidung von den Grundsätzen ausgegangen, die das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Befristungen aufgestellt hat. Danach ist eine Befristung unwirksam, wenn sie nicht mit sachlichen Gründen gerechtfertigt werden kann (vgl. BAG [GS] 10, 65 [71/72] = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag [zu II C 2 und 3 der Gründe]). Das gilt auch im Medienbereich (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 9. November 1977 – 5 AZR 388/76 – [demnächst] AP Nr. 43 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag [zu III der Gründe]).
2. Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis auch darin beizupflichten, daß Gründe der Erprobung einen zweiten Zeitvertrag mit einjähriger Laufzeit nicht rechtfertigen konnten.
a) Der Senat unterstellt, daß der Wunsch des Beklagten, die Eignung der Klägerin für die vorgesehene Tätigkeit als Redakteurin mit besonderen Aufgaben im Vorschul- und Kinderprogramm (Ressortleiterin) zu erproben, den ersten Zeitvertrag rechtfertigen konnte (vgl. zur Erprobung im Zeitvertrag BAG AP Nr. 28 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag [zu 1 der Gründe]). Der Probezweck kann einen Zeitvertrag jedoch nur für eine angemessene Zeitspanne rechtfertigen. Auch bei Vereinbarung der Probezeit und bei der Verlängerung einer Probezeit muß der Arbeitgeber auf berechtigte Interessen seines Arbeitnehmers Rücksicht nehmen (BAG 15, 132 [133 f.] = AP Nr. 26 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag [zu 2 der Gründe]). Der Arbeitgeber darf den im Zeitvertrag beschäftigten Arbeitnehmer nicht unangemessen lang darüber im Unklaren lassen, ob eine Beschäftigung auf Dauer in Frage kommt oder nicht. Diese Unsicherheit belastet den Arbeitnehmer, weil er bei Ablauf der Befristung keinen Kündigungsschutz in Anspruch nehmen kann. Der Arbeitgeber braucht – anders als bei der Kündigung nach Ablauf der Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG – keine Gründe anzugeben, die eine Beendigung der Zusammenarbeit rechtfertigen sollen; der Arbeitnehmer kann keine gerichtliche Nachprüfung dieser Gründe erreichen.
b) Ein Anhaltspunkt für den zeitlichen Rahmen, in dem befristete Probearbeitsverhältnisse abgeschlossen werden dürfen, ergibt sich aus dem Grundgedanken des Kündigungsschutzgesetzes. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß im allgemeinen eine Probezeit von sechs Monaten ausreichend und daher angemessen ist. Er stellt den Arbeitnehmer nur in den ersten sechs Monaten seines Arbeitsverhältnisses so, wie er bei der Berufung auf eine vereinbarte Befristung steht. Der Arbeitgeber kann sich ohne Begründung und ohne gerichtliche Fachprüfbarkeit von seinem Arbeitnehmer trennen. Nach Ablauf der sechsmonatigen Wartefrist braucht der Arbeitnehmer eine Beendigung nur hinzunehmen, wenn sie durch Gründe in seiner Person oder in seinem Verhalten oder durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist (§ 1 Abs. 1 und 2 KSchG).
Der Sache nach handelt es sich bei dieser Wartefrist um eine „gesetzliche Probezeit”.(vgl. A. Hueck-G. Hueck, Kündigungsschutzgesetz, 9. Aufl., § 1 RdNr. 23). Der Arbeitgeber soll sich in den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses darüber schlüssig werden, ob der Arbeitnehmer persönlich und fachlich geeignet ist und die erwarteten Leistungen erbringen kann. Für den Arbeitnehmer folgt aus dieser gesetzlichen Regelung, daß er die Ungewißheit, ob er Kündigungsschutz in Anspruch nehmen kann, nur für die ersten sechs Monate seines Arbeitsverhältnisses hinzunehmen hat.
Eine Probezeit von sechs Monaten reicht aber nicht in allen Fällen aus. Es gibt Arbeitnehmer, bei denen eine Beurteilung über Eignung und Leistung schwieriger ist. Dies hängt u.a. auch von den Anforderungen ab, die an den Arbeitnehmer gestellt werden. Beispiele hierfür sind künstlerisch oder wissenschaftlich tätige Arbeitnehmer. Können Eignung und Leistung wegen der Besonderheiten des Arbeitsplatzes, auf dem der Arbeitnehmer erprobt werden soll, nicht innerhalb von sechs Monaten beurteilt werden, muß deshalb auch eine längere Probezeit zulässig sein.
Weitere Anhaltspunkte für zeitliche Grenzen in diesen Fällen ergeben sich aus den einschlägigen Tarifverträgen. Die Tarifvertragsparteien können für ihren Bereich am besten beurteilen, welche Probezeit für Arbeitnehmer mit besonderem Aufgabengebiet jeweils erforderlich ist. Im vorliegenden Fall konnten nach dem Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer des Hessischen Rundfunks vom 1. April 1973 die ersten sechs Monate des Dienstverhältnisses als Probezeit vereinbart werden; für das künstlerisch und für das geistigwissenschaftlich tätige Personal durfte die Probezeit bis zu zwölf Monaten ausgedehnt werden (§ 4 Nr. 1 und 2 MTV). Diese Fristen wurden in der ab 1. Januar 1975 geltenden Fassung auf zwölf bzw. achtzehn Monate erweitert.
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte die zulässigen zeitlichen Grenzen für befristete Probearbeitsverhältnisse überschritten. Der Beklagte will insgesamt eine Probezeit von 23 Monaten in Anspruch nehmen. Das ist auch unter Berücksichtigung der Aufgaben, die die Klägerin als Ressortleiterin zu erfüllen hatte, ein Zeitraum, der sich nicht mehr sachlich rechtfertigen läßt.
Es spricht viel dafür, daß der Beklagte im Hinblick auf die verantwortungsvollen Aufgaben eines Ressortleiters zunächst eine Probezeit von einem Jahr vereinbaren konnte. Der Ressortleiter hatte das Programm jeweils für ein Jahr zu entwerfen und zu verantworten. In diesem zeitlichen Umfang mag deshalb generell eine Probezeit für Ressortleiter angemessen sein, zumal die von den Tarifvertragsparteien zum 1. Januar 1975 vereinbarte Änderung des Tarifvertrages – anstelle der ersten sechs können die ersten zwölf Monate als Probezeit vereinbart werden – den Schluß zuläßt, daß hier beide Tarifvertragsparteien einem berechtigten Anliegen des Arbeitgebers gerecht werden wollten.
Selbst wenn man von dem für den Beklagten günstigen Fall ausginge, daß die Klägerin zum „geistigwissenschaftlich tätigen Personal” im Sinne von § 4 MTV gehört, wäre nur eine Probezeit – und das auch nur in der ab 1. Januar 1975 geltenden Fassung – von achtzehn Monaten angemessen gewesen. Diesen Zeitraum durfte der Beklagte keinesfalls überschreiten. Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß die Klägerin schon vor ihrer Festanstellung als Redakteurin für den Beklagten tätig gewesen war, wenn auch – was für die Beurteilungsmöglichkeit unbeachtlich ist – als freie Mitarbeiterin. Zwar mag sich ihr früheres Aufgabengebiet von dem einer Redakteurin mit besonderen Aufgaben in der Funktion einer Ressortleiterin unterschieden haben. Es darf aber nicht übersehen werden, daß die Klägerin schon im Jahre 1972 an der Planung und Gestaltung des Kinder- und Vorschulprogramms für das Jahr 1973 mitgewirkt hat, wenn auch Umfang und Intensität dieser Mitwirkung zwischen den Parteien streitig sind. Es ist deshalb kein Rechtsfehler, wenn das Berufungsgericht dem Beklagten vorhält, er habe bei Abschluß des zweiten befristeten Arbeitsvertrages die Tätigkeit der Klägerin schon insgesamt neunzehn Monate lang beurteilen können.
c) Der Beklagte kann die zweite Befristung auch nicht damit begründen, daß sich die Klägerin nach seiner Auffassung im ersten Probejahr noch nicht voll bewährt habe. Dies kann der Senat zugunsten des Beklagten unterstellen. Dennoch stand er nicht vor der Wahl, die Klägerin entweder überhaupt nicht mehr oder nur in einem zweiten befristeten Arbeitsvertrag zu beschäftigen. Es gab vielmehr eine dritte Möglichkeit: Der Beklagte hätte die Klägerin unbefristet einstellen können unter dem Vorbehalt, den Vertrag zu kündigen, wenn sie den Beanstandungen nicht Rechnung trug. Dies war im vorliegenden Fall der allein angemessene Weg.
Allerdings kommt diese unbefristete Einstellung unter Vorbehalt nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber am Ende der Probezeit feststellt, daß berechtigte Aussicht auf zufriedenstellende Leistungen besteht und damit eine weitere Mitarbeit des Arbeitnehmers noch sinnvoll erscheint. Diese Entscheidung ist hier zugunsten der Klägerin ausgefallen. Zwar vermochten ihre Leistungen den Beklagten noch nicht ganz zufriedenzustellen. Der Beklagte hielt der Klägerin jedoch nur einige Punkte vor, in denen ihre Arbeitsergebnisse und Arbeitsweise nach seiner Auffassung zu beanstanden waren. Dies betrifft vor allem die Unausgewogenheit bei der Programmgestaltung.
Dieser Vorbehalt gab dem Beklagten keinen hinreichenden Grund, nur einen zweiten befristeten Arbeitsvertrag anzubieten. Er hätte bei der unbefristeten Einstellung einen Vorbehalt machen können, daß der Vertrag gekündigt werde, wenn die Klägerin die Mängel nicht abstelle. Dies ist in Fällen, in denen der zeitliche Rahmen für eine Probezeit ausgeschöpft ist, der allein angemessene Weg, weil die Interessen beider Seiten berücksichtigt werden müssen. Der Arbeitgeber kann sich vom Arbeitnehmer, dessen Leistungen in der Probezeit ihn nicht vollständig überzeugt haben, auch in einem auf Dauer eingegangenen Arbeitsvertrag durch Kündigung trennen. Dem Vorbehalt am Ende der Probezeit kommt im Hinblick auf die mögliche Kündigung eine entscheidende Bedeutung zu. Der Vorbehalt steht einer Abmahnung gleich. Der Arbeitnehmer muß sein Verhalten, seine Einstellung oder seine Arbeitsweise ändern, wenn er nicht Gefahr laufen will, seinen Arbeitsplatz durch Kündigung zu verlieren. Andererseits ist er sicher, daß das Arbeitsverhältnis – abgesehen von Gründen, die mit den nach Ablauf der Probezeit verbliebenen Beanstandungen nichts zu tun haben – nur dann gekündigt wird, wenn er diese Beanstandungen nicht abstellt.
d) Danach können Gründe der Erprobung den zweiten Zeitvertrag nicht mehr rechtfertigen.
3. Auch der Wunsch der Klägerin ist entgegen der Ansicht des Beklagten kein sachlicher Grund für die Befristung dieses zweiten Arbeitsvertrages. Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten hat die Klägerin die Befristung dieses zweiten Arbeitsvertrages nicht „gewünscht”. Sie hat in die Befristung nur eingewilligt, um ihren Arbeitsplatz nicht zu verlieren. Mit dem Wunsch des Arbeitnehmers kann die Befristung nur in den Fällen gerechtfertigt werden, in denen sich der Arbeitnehmer aus einer besonderen Interessenlage heraus nur für bestimmte Zeit binden will (vgl. BAG 25, 125 [127/128] = AP Nr. 38 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag [zu I 2 und 3 der Gründe]). Hier war dem Beklagten klar, daß die Klägerin an sich ein unbefristetes Arbeitsverhältnis eingehen wollte.
II. Das Arbeitsverhältnis ist auch nicht durch eine Kündigung des Beklagten beendet worden.
1. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, daß das Schreiben des Beklagten vom 25. Juni 1974 und die weitere Äußerung vom 15. Oktober 1974 keine Kündigungen enthielten. Die Klägerin konnte in diesen Schreiben keine Kündigung sehen, die sie hätte veranlassen können, eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Der Beklagte brachte in diesen Schreiben nur seine Rechtsauffassung zum Ausdruck, wonach das mit der Klägerin abgeschlossene Arbeitsverhältnis wie vorgesehen mit der vereinbarten Befristung enden sollte. „Vom Standpunkt des Beklagten war es nicht nötig, dieses Arbeitsverhältnis zu kündigen. Auch zu einer vorsorglichen Kündigung hatte er noch keinen Anlaß, da die Klägerin sich noch nicht zur Wirksamkeit der Befristung geäußert hatte (vgl. dazu Urteil des Senats vom 9. November 1977 – 5 AZR 388/76 – [demnächst] AP Nr. 43 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag [zu IV der Gründe]).
2. Die außerordentliche Kündigung vom 14. November 1974 ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund (§ 626 BGB). Die Klägerin durfte sich auf die Unwirksamkeit der zweiten Befristung berufen, auch wenn sie zuvor auf Veranlassung des Beklagten eine Erklärung abgegeben hatte, daß die zweite Verlängerung auf ihren Wunsch hin erfolge. Der Beklagte konnte schon seinerzeit erkennen, daß die Klägerin diese Erklärung nur im Hinblick auf den sonst drohenden Verlust des Arbeitsplatzes abgegeben hatte. Über die wirklichen Wünsche der Klägerin war der Beklagte nicht im Unklaren. Aus dem gleichen Grunde ist eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) nicht berechtigt. Der Beklagte hat sich über die wirkliche Absicht der Klägerin, möglichst ein unbefristetes Arbeitsverhältnis einzugehen, nicht getäuscht. Ein Arbeitgeber, der keine sachlichen Gründe für die Befristung anführen kann, muß immer damit rechnen, daß sich der befristet angestellte Arbeitnehmer auf die Unwirksamkeit dieser Vereinbarung beruft mit der Folge, daß ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zustande kommt.
III. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch den Antrag des Beklagten auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung zurückgewiesen. Ein solcher Antrag ist unbegründet. Der Beklagte hätte ihn nur stellen können, wenn er das Arbeitsverhältnis ordentlich gekündigt hätte (§ 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Bei einer außerordentlichen Kündigung, wie sie hier vorliegt, kann nur der Arbeitnehmer einen Auflösungsantrag stellen (§ 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG).
Das verkennt die Revision nicht. Sie meint jedoch, daß wegen der vergleichbaren Interessenlage § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG entsprechend anwendbar sei, wenn sich der Arbeitgeber unter den dort genannten Voraussetzungen von einem Arbeitnehmer trennen wolle, der sich zu Recht auf die Unwirksamkeit der Befristung berufen habe. Eine solche analoge Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG ist nicht möglich. Die Berufung auf die Unwirksamkeit der Befristung hat zunächst nur zur Folge, daß der Arbeitnehmer in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht. Dem Arbeitgeber bleibt es unbenommen, alle rechtlich zulässigen Mittel zu ergreifen, um sich von diesem Arbeitnehmer zu trennen. Er ist also nicht gehindert, eine ordentliche Kündigung auszusprechen und in diesem Kündigungsschutzprozeß einen Antrag nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu stellen. Wenn der Beklagte hier die außerordentliche Kündigung gewählt hat, bei der ihm die Möglichkeit, einen Auflösungsantrag zu stellen, abgeschnitten ist, ist dies sein Risiko.
Abgesehen davon reichen die vorgetragenen Gründe für eine Auflösung nicht aus. Das Gericht könnte nur auflösen, wenn eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht zu erwarten ist. Für eine solche ungünstige Prognose gibt der Sachverhalt keine ausreichenden Anhaltspunkte. Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten hat die Klägerin versprochen, sie wolle sich in Zukunft an die Programmvorstellungen der leitenden Mitarbeiter des Beklagten anpassen und auch das gesamte Kinder- und Vorschulprogramm verantworten. Zweifel an dieser Absicht der Klägerin können mit greifbaren Tatsachen nicht begründet werden (vgl. hierzu BAG Urteil vom 30. September 1976 – 2 AZR 402/75 – AP Nr. 3 zu § 9 KSchG 1969 – auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen [zu 3 b der Gründe]).
IV. Danach hat das Berufungsgericht mit Recht die Berufung des Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen und den Auflösungsantrag abgewiesen. Die Revision des Beklagten ist daher unbegründet.
Unterschriften
gez.: Dr. Hilger, Dr. Heither, Dr. Fenge, Seiler, Schleinkofer
Fundstellen
BB 1978, 1265-1266 (LT1-5) |
DB 1978, 1744-1745 (LT1-5) |
NJW 1978, 2319 |
ARST 1978, 16-167 (LT1-2) |