Entscheidungsstichwort (Thema)
Fälligkeit von Teilurlaubsansprüchen
Leitsatz (redaktionell)
Durch tarifliche Regelungen kann die Fälligkeit von Teilurlaubsansprüchen hinausgeschoben werden.
Scheidet ein Arbeitnehmer vor Fälligkeit eines solchen Anspruchs aus dem Arbeitsverhältnis aus, steht ihm der Anspruch nicht zu.
Orientierungssatz
Auslegung des Manteltarifvertrages für die Holzindustrie, kunststoffverarbeitende Industrie und das holz- und kunststoffverarbeitende Handwerk im nordwestdeutschen Raum der Bundesrepublik Deutschland vom 10. September 1976.
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 05.09.1980; Aktenzeichen 17 Sa 933/80) |
ArbG Krefeld (Entscheidung vom 23.05.1980; Aktenzeichen 5 Ca 779/80) |
Tatbestand
Der Kläger ist am 2. Januar 1950 geboren und war bei der Beklagten vom 1. November 1979 bis 19. März 1980 als Schreiner mit einem Stundenlohn von 12,10 DM beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung der Beklagten mit dem 19. März 1980.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der Manteltarifvertrag für die Holzindustrie, kunststoffverarbeitende Industrie und das holz- und kunststoffverarbeitende Handwerk im nordwestdeutschen Raum der Bundesrepublik Deutschland vom 10. September 1976 (MTV) anzuwenden.
Für Urlaubsansprüche ist in diesem Tarifvertrag u.a. bestimmt:
"74. a) Die Urlaubsdauer richtet sich nach dem am
1. April vollendeten Lebensalter und bis
1980 auch nach der Anzahl der Beschäftigungs-
jahre.
b) Das erste Beschäftigungsjahr ist das Kalender-
jahr, in dem der Arbeitnehmer dem Betrieb länger
als sechs Monate angehört hat. ...
75. Im Laufe des Beschäftigungsverhältnisses entsteht
für jeden vollen Kalendermonat der Anspruch auf
ein Zwölftel des Jahresurlaubs.
76. a) Im Laufe des Kalenderjahres eintretende oder
ausscheidende Arbeitnehmer haben Anspruch auf
so viele Zwölftel ihres Jahresurlaubs, als sie
in diesem Jahre volle Kalendermonate in dem Be-
triebe beschäftigt worden sind. Angefangene Ka-
lendermonate werden als volle Kalendermonate
gerechnet, wenn das Beschäftigungsverhältnis
mindestens 15 Kalendertage in diesem Monat be-
standen hat.
b) ...
77. Der volle oder der nach Ziffer 76 für das laufende
Urlaubsjahr entstehende Urlaubsanspruch kann im
ersten Beschäftigungsjahr erstmalig nach der War-
tezeit von sechs Monaten geltend gemacht werden. In
jedem folgenden Beschäftigungsjahr entfällt die
Wartezeit.
...
86. Ein beim Ausscheiden aus dem Betrieb fälliger
Urlaubsanspruch ist möglichst während der Kündi-
gungsfrist zu erfüllen. Lassen die betrieblichen
Verhältnisse dies nicht zu, so erfolgt eine Abgel-
tung des Urlaubs."
Mit seiner Klage begehrt der Kläger Abgeltung für 10 Urlaubstage auf der Grundlage eines Jahresurlaubs von 24 Arbeitstagen im Jahre 1979 und von 26 Arbeitstagen im Jahre 1980.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 968,-- DM (brutto) nebst Zinsen zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Verfahrensziel weiter, der Kläger bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts.
Dem Kläger steht ein Urlaubsanspruch und damit auch ein Urlaubsabgeltungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu, weil nach Nr. 77 MTV ein Urlaubsanspruch des Klägers wegen dessen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis vor Ablauf der tariflichen Wartefrist von sechs Monaten nicht fällig war und damit nicht bestanden hat.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß der Anspruch auf Teilurlaub des vor erfüllter Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmers durch tarifliche Regelungen ausgeschlossen werden kann. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 27. Juni 1978 - 6 AZR 59/77 -, AP Nr. 12 zu § 13 BUrlG im Anschluß an BAG 20, 113 ff.). Ebenso ist es zulässig, durch tarifvertragliche Regelungen die Fälligkeit von solchen Teilurlaubsansprüchen auf einen Zeitraum nach Ablauf der Wartefrist zu verschieben, die auch für den Erwerb des Vollurlaubs i.S. von § 4 BUrlG vorgesehen ist.
2. Zu Unrecht meint das Landesarbeitsgericht jedoch, daß der Kläger trotz Nichtfälligkeit des Anspruchs auf Urlaubserteilung, weil er vor Erreichen der in Nr. 77 MTV vorgesehenen Wartefrist aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, dennoch Anspruch auf den Urlaub und damit auf Urlaubsabgeltung habe, indem es ausführt: "Es wäre absurd, daß ein entstandener Urlaubsanspruch nur deshalb zu keinem Zeitpunkt gefordert werden kann, weil eben die sechsmonatige Wartefrist nicht erfüllt ist".
Mit diesen Ausführungen verkennt das Landesarbeitsgericht die Voraussetzungen, unter denen nach dem Tarifvertrag ein Teilurlaubsanspruch verwirklicht werden kann.
Nach Nr. 77 MTV kann ein nach Nr. 76 MTV für das laufende Kalenderjahr entstehender (Teil-)Urlaubsanspruch im ersten Beschäftigungsjahr erstmalig nach einer Wartezeit von sechs Monaten geltend gemacht werden. Entsprechend ist nach Nr. 86 MTV ein beim Ausscheiden aus dem Betrieb fälliger Urlaubsanspruch möglichst während der Kündigungsfrist zu erfüllen. Damit ist die Verwirklichung eines solchen tariflichen Urlaubsanspruchs einmal daran gebunden, daß die Wartefrist nach Nr. 77 MTV erfüllt ist, zum anderen, daß während dieser Wartefrist das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Beide Voraussetzungen hat der Kläger nicht erfüllt. Zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, daß jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang die Begriffe "geltend machen" und "fällig" inhaltlich identisch sind. Ein Anspruch ist fällig, wenn er mit Erfolg gegen den Schuldner geltend gemacht werden kann. Das Landesarbeitsgericht hat damit nicht erkannt, daß ein Schuldner vor Eintritt der Fälligkeit nicht zur Leistung verpflichtet ist, der Gläubiger sie nicht verlangen kann, vgl. § 271 BGB. Der Kläger als Gläubiger des Urlaubsanspruchs konnte damit den Urlaubsanspruch bei seinem Ausscheiden nicht geltend machen, weil er die Wartefrist nicht erfüllt hatte. Im übrigen bestand bei Erfüllung der Wartefrist das Arbeitsverhältnis nicht fort. Sind die Fälligkeitsvoraussetzungen eines Anspruchs nicht gegeben und können sie auch später nicht erfüllt werden, geht der Anspruch unter, auch wenn davon auszugehen ist, daß hier nach Nr. 76 a MTV der Urlaubsanspruch jeweils zu 1/12 mit jedem Kalendermonat der Dauer des Arbeitsverhältnisses entstanden war. Damit entspricht die vom Landesarbeitsgericht als "absurd" bezeichnete Rechtswirkung geltendem Recht.
Entgegen der Auffassung des Klägers kann angesichts dieser rechtlich zwingenden Zusammenhänge auch nicht davon ausgegangen werden, daß - wie der Kläger meint - die Regelungen in Nrn. 77 und 86 MTV nicht eindeutig oder gar widersprüchlich seien. Aus diesem Grunde bedurfte es der vom Kläger begehrten Beweisaufnahme über den von ihm dargelegten Willen der Tarifvertragsparteien nicht. Ist der Wortlaut eines Tarifvertrags eindeutig, besteht keine Möglichkeit für die Feststellung eines hiervon abweichenden Willens der Tarifvertragsparteien (vgl. z.B. BAG Urteil vom 30. September 1971 - 5 AZR 123/71 -, AP Nr. 121 zu § 1 TVG Auslegung mit weiteren Nachweisen; BAG Urteil vom 9. März 1983 - 4 AZR 61/80 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Dr. Auffarth Dr. Jobs Dr. Leinemann
Carl Spiegelhalter
Fundstellen
Haufe-Index 440877 |
DB 1984, 1305-1306 (LT1) |
ARST 1984, 73-73 (LT1) |
AP § 13 BUrlG (LT1), Nr 14 |
EzA § 13 BUrlG, Nr 17 (LT1) |