Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerstellung von Versicherungsvertretern
Leitsatz (amtlich)
Vertragliche Pflichten des Versicherungsvertreters, die lediglich Konkretisierungen der Vorgaben aus § 86 HGB oder aufsichts- und wettbewerbsrechtlichen Vorschriften sind, begründen keine Weisungsabhängigkeit als Arbeitnehmer.
Normenkette
HGB § 84 Abs. 1, § 86 Abs. 1-2, § 92 Abs. 1-2, § 92a Abs. 1; SGB IV § 7 Abs. 4; ZPO § 256; VAG §§ 81, 83; UWG § 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 26. Januar 1999 – 7 Sa 658/98 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagte ist ein Lebensversicherungsunternehmen. Die Klägerin ist bei ihr seit dem 1. März 1994 überwiegend im sog. Gruppenversicherungsgeschäft im Außendienst tätig. Grundlage dafür ist ein Vertrag vom 4. März 1994. Er hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
„Sie sind als selbständiger Versicherungsvermittler gem. §§ 84 Abs. 1, 92 HGB für uns tätig. Der Geschäftsverkehr in allen Sparten wickelt sich ab über die Organisation für Verbandsgruppenversicherungen, Filialdirektion Nürnberg Süd.
Ihre Aufgaben ergeben sich aus Ziffer I. 1. der allgemeinen Vertragsbestimmungen. Sie sind ständig damit betraut, Versicherungen und Bausparverträge zu vermitteln. Zu Ihren vertraglichen Aufgaben gehört es auch, alle mit dem vermittelten Auftrag zusammenhängenden Arbeiten auszuführen und aufgabenbezogenen Weisungen nachzukommen. Voraussetzung für ein erfolgreiches Tätigwerden ist die Teilnahme an Schulungen der HM, in denen Sie mit den Tarifen und Bedingungen sowie mit anderen erforderlichen Fachkenntnissen vertraut gemacht werden.
Bestandteil dieses Vertrages sind die beiliegenden Allgemeinen Vertragsbestimmungen … und die Einheitwert-Tafeln …
Für Ihre Tätigkeit erhalten Sie eine Abschlußvergütung von 30,00 DM je Einheit gemäß Teil III. der Allgemeinen Vertragsbestimmungen und den Einheitwert-Tafeln.
Die Abschlußvergütung erhöht sich auf
- 31,00 DM je Einheit, sofern die von Ihnen vermittelte, abzurechnende Monatsproduktion mindestens 100 Netto-Antrags-Einheiten (NAE) beträgt;
- 32,00 DM je Einheit, sofern die Monatsproduktion mindestens 115 NAE beträgt;
- 33,00 DM je Einheit, sofern die Monatsproduktion mindestens 130 NAE beträgt;
- 34,00 DM je Einheit, sofern die Monatsproduktion mindestens 145 NAE beträgt;
- 35,00 DM je Einheit, sofern die Monatsproduktion mindestens 160 NAE beträgt.
…
Hinsichtlich der Vermittlung von Kraftfahrtversicherungen ist Voraussetzung für die Zahlung der vorstehenden Abschlußvergütungssätze, daß Sie Ihr überwiegendes Einkommen aus der persönlichen Vermittlung von Versicherungsverträgen erzielen … und daß Sie ein regelmäßiges Neugeschäft vermitteln, das der erwarteten monatlichen Mindestproduktion aller hauptberuflich tätigen selbständigen Versicherungsvermittler der HM entspricht. Diese Mindestproduktion beträgt derzeit 90 NAE pro Monat. Ist Ihre monatliche Durchschnittsproduktion niedriger, so ermäßigt sich die Abschlußvergütung für Kraftfahrtversicherungen auf 18,00 DM je Einheit.
…”
Die als Bestandteil des Vertrages in Bezug genommenen „Allgemeinen Vertragsbestimmungen” regeln hinsichtlich des Vertragsverhältnisses ua. folgendes:
I. Pflichten aus dem Vertragsverhältnis
1. Vertragsverhältnis
Aufgaben
Für Ihr Vertragsverhältnis gelten nur die schriftlich festgelegten Vereinbarungen. Änderungen oder Zusagen bedürfen der schriftlichen Bestätigung durch die HM.
Sie sind selbständiger Gewerbetreibender und Versicherungsvertreter im Sinne der §§ 84, 92 HGB. Soweit es nach den geltenden gewerberechtlichen Bestimmungen erforderlich ist, sind Sie verpflichtet, Ihr Gewerbe anzumelden. Sie sind verpflichtet, Ihre Einkünfte selbst zu versteuern. Sie können Ihre Tätigkeit im wesentlichen frei gestalten und Ihre Arbeitszeit selbst bestimmen. Alle Ihnen im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstehenden Kosten und Auslagen tragen Sie selbst aus eigenen Mitteln.
Sie sind ständig damit betraut, bestandsfähige Versicherungen und Bausparverträge … zu vermitteln.
Sofern die HM einer Tätigkeit für ein anderes Unternehmen nicht vorher ausdrücklich zugestimmt hat, dürfen Sie Versicherungs- und Sparverträge aller Art … nur für die HM und über diese für die mit ihr durch Organisationsverträge verbundenen Gesellschaften vermitteln. … In allen anderen Branchen können Sie eine Erwerbstätigkeit für beliebige Unternehmen ausüben.
…
Es ist Ihnen nicht gestattet, systematisch Kunden der HM anzusprechen, mit dem Ziel einer Änderung, Anrechnung oder Aufhebung eines bestehenden Vertrages, es sei denn, Sie erhalten einen entsprechenden Arbeitsauftrag.
Selbstverständlich dürfen Sie zu den von Ihnen vermittelten Anträgen keine bindenden Erklärungen abgeben.
Auch die Kopplung von Anträgen mit anderweitigen Rechtsgeschäften ist Ihnen nur mit Zustimmung der HM erlaubt.
…
7. Adressenmaterial der HM
Ihnen übergebenes Adressenmaterial ist ebenfalls Eigentum der HM. Es darf nur für den bestimmungsgemäßen Zweck verwendet werden. Jede Weitergabe an Dritte ist ausdrücklich untersagt. Ebenfalls nicht gestattet ist die Vervielfältigung.
…
II. Besondere Bestimmungen für die Werbung
1. Anzeigen, Angebote und Drucksachen
Wenn Sie geschäftliche Anzeigen, Bekanntmachungen oder Angebote herausgeben oder Drucksachen anfertigen lassen wollen, so bedarf das unserer vorherigen Zustimmung. Bitte bedenken Sie, daß Sie aus Unwissenheit gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen können, oder daß bestimmte Veröffentlichungen vielleicht nicht im Interesse der HM liegen könnten.
…
2. Telefonwerbung
Es ist Ihnen verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu Personen, zu denen bisher keine geschäftlichen Beziehungen bestehen, unaufgefordert und ohne deren Einverständnis telefonisch Kontakt aufzunehmen, um einen Besuch zu vereinbaren. Hinsichtlich der telefonischen Aufnahme von Kontakten zu Gewerbetreibenden gilt diese Einschränkung nicht, sofern die Vermittlung von geschäftlichen/betrieblichen Versicherungen erfolgen soll.
…
3. Legitimation beim Kunden
Um jegliche Mißverständnisse zu vermeiden, müssen Sie sich bei jedem Kundenbesuch sofort als HM-Vertreter zu erkennen geben, indem Sie Ihren HM-Ausweis vorlegen.
…
Die unbedingte Beachtung dieser Bestimmungen liegt auch in Ihrem Interesse. Sie hilft Ihnen, spätere Auseinandersetzungen mit dem Kunden und evtl. daraus für Sie entstehende Verluste zu vermeiden.
…
7. Kontakte zu Vertragspartnern der HM
Ohne besonderen Auftrag dürfen Sie keine direkten Kontakte zu Vereinigungen und Firmen aufnehmen, zu denen die HM vertragliche Beziehungen unterhält.
…
12. Inkasso
Sie sind bevollmächtigt, bei Aufnahme von Anträgen das Antragsinkasso zu erheben. Es soll so bemessen sein, daß der zur Einlösung des Versicherungsscheins notwendige Beitrag zur Verfügung steht. Zu Bausparverträgen dürfen Sie nur die Einlage kassieren, in keinem Fall dagegen Sparraten.
Im übrigen dürfen Sie eine Inkassotätigkeit für die HM-Gesellschaften oder für andere Gesellschaften, für die Sie über die HM im Rahmen Ihres Arbeitsauftrages tätig sind, nur aufgrund einer schriftlichen speziellen Vollmacht durchführen.
…”
Mit einem von der Klägerin gegengezeichneten Schreiben der Beklagten vom 21. Juni 1995 wurden die „Allgemeinen Vertragsbestimmungen” um folgende Abrede ergänzt:
„Dem Vermittler ist es nicht gestattet, „Versicherungsfremde Geschäfte” zu vermitteln. „Versicherungsfremde Geschäfte” sind alle Geschäfte, die die HM nicht betreiben darf. Für Sie gilt, daß Sie nur Produkte oder Dienstleistungen vermitteln dürfen, die die HM ausdrücklich für den Vertrieb freigegeben hat.”
Die Beklagte hat mit bestimmten Verbänden, zB mit dem Verband der Kriegs- und Wehrdienstopfer, Gruppenversicherungsverträge abgeschlossen. Dabei gewährt sie einen gewissen Rabatt. Die Verbände können deshalb gegenüber ihren Mitgliedern mit verbilligten Versicherungen werben. Zum Ausgleich dafür erhält die Beklagte die Adressenliste der Verbandsmitglieder. Mit ihr kann sie die Mitglieder gezielt auf den Abschluß möglicher Versicherungen ansprechen. Zu diesem Zweck gibt sie die Adressen an ihre Versicherungsvertreter weiter. Auch die Klägerin erhält nach entsprechender Anforderung eine von der Beklagten bestimmte Anzahl von Adressen, die sie sodann bearbeiten kann. Neue Adressen erhält sie nach Bedarf. Die Listen sind als „Besuchsauftrag” bezeichnet. Die Klägerin ist nicht verpflichtet, jede Adresse aufzusuchen und abzuarbeiten; sie kann die „Besuchsaufträge” auch unbearbeitet zurücksenden. Sie ist gehalten, einen Werbungsbesuch – auch bei Mißerfolg – auf dem „Besuchsauftrag” zu vermerken.
Anlaßbedingt, etwa beim Auslaufen eines Versicherungsvertrages oder nach einem Leistungsfall, gibt die Beklagte unaufgefordert Adressenmaterialen an ihre Mitarbeiter weiter, das zusätzliche Informationen über die Art des Vertrages und den Leistungsfall enthält. Über die Weitergabe dieser Informationen führt die Beklagte Listen, sog. „Anlistungen der noch in Bearbeitung befindlichen Aufträge”. Diese wiederum enthalten sog. „gesetzte Termine” zur Bearbeitung, die in der Regel sechs Wochen betragen. Gibt ein als selbständiger Versicherungsvertreter geführter Mitarbeiter dieses Material unbearbeitet zurück, übersendet die Beklagte ihm von sich aus keine weiteren „Anlistungen”.
Vermittelt der Vertreter über einen längeren Zeitraum weniger als 70-Netto-Antragseinheiten im Monatsdurchschnitt, so hält ihn die Beklagte in der Regel an, künftig als „nebenberuflicher Versicherungsvertreter” tätig zu werden. Für diesen Personenkreis gibt es niedrigere Abschlußerwartungen bei einer Vergütung von lediglich 18,00 DM pro Einheit.
Die Klägerin hat eine Ausbildung zur „Versicherungskauffrau des Berufsbildungswerkes der Deutschen Versicherungswirtschaft” begonnen. Das Ausbildungsprogramm soll die berufliche Kompetenz der Versicherungsvertreter bundesweit vereinheitlichen und den Schutz der Versicherungsnehmer stärken. Die Ausbildung ist für Angestellte und selbständige Versicherungsvertreter gleich. Sie dauert etwa hundert Tage, von denen rund sechzig Tage auf Theorie entfallen. Bei der Beklagten ist die Teilnahme an der Ausbildung für angestellte Außendienstmitarbeiter Pflicht. Für die nach ihrem Vertrag selbständigen Vermittler ist sie mit Ausnahme eines einwöchigen Grundseminars freiwillig. Nehmen diese gleichwohl teil, zahlt ihnen die Beklagte für jeden Tag der theoretischen Ausbildung eine „Aufwandsentschädigung” von 100,00 DM.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, nach den vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Handhabung sei sie Arbeitnehmerin der Beklagten. Sie sei weder in der Bestimmung ihrer Arbeitszeit noch in der Gestaltung ihrer Tätigkeit im wesentlichen frei. Sie unterliege einem umfassenden Weisungsrecht der Beklagten. So sei sie von dieser dazu angehalten worden, nur im Verbandsgruppengeschäft tätig zu werden. Dabei habe die Gefahr bestanden, daß sie arbeite, ohne etwas zu verdienen, da die günstigen Verbandsgruppentarife nach aufsichtsrechtlichen Bestimmungen nur dann gewährt werden dürften, wenn innerhalb eines bestimmten Zeitraums eine bestimmte Mindestanzahl von Anträgen der Verbandsmitglieder vorlägen. Werde diese Zahl nicht erreicht, scheitere das gesamte Gruppengeschäft. Im übrigen habe sie von den Verbandsmitgliedern auf gesonderten Formularen bestimmte Erklärungen einholen müssen. Hierfür sei sie nicht vergütet worden. Solche unentgeltlichen Tätigkeiten könnten nur von einer Arbeitnehmerin mit erfolgsunabhängiger Grundvergütung, nicht aber von einer Selbständigen verlangt werden. Sie trage alle Risiken der Selbständigkeit, ohne daß ihr entsprechende Vorteile eingeräumt worden seien. Wenn sie nicht jährlich eine Mindestanzahl von Verbandsrechtsschutzverträgen vermittele, entfalle zudem die Jahresbonifikation. Im übrigen habe für sie die Pflicht bestanden, jeden Freitagvormittag in den Geschäftsräumen der Beklagten die ausgefüllten Besuchsaufträge abzugeben und vereinnahmte Inkassobeträge abzuliefern.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß sie seit dem 1. März 1994 als Arbeitnehmerin bei der Beklagten beschäftigt ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Klägerin sei selbständige Versicherungsvertreterin. Sie unterliege bezüglich der Gestaltung ihrer Tätigkeit keinen Weisungen. Die „Besuchsaufträge” seien nicht mit Terminvorgaben verbunden. Sie könne ihr Arbeitspensum selbst bestimmen. Zwar sähen die „Anlistungen” Bearbeitungstermine von etwa sechs Wochen vor. Derart weitläufige Terminvorgaben stünden aber einer freien Bestimmung der Arbeitszeit nicht entgegen. Außerdem habe es der Klägerin freigestanden, das gesamte Adressenmaterial unbearbeitet zurückzugeben.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Auf die Revision der Beklagten hat das Bundesarbeitsgericht das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses hat nunmehr die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.
A. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Revision zulässig. Die Klägerin rügt erkennbar, das Landesarbeitsgericht habe den unbestimmten Rechtsbegriff des Arbeitnehmers selbst sowie Inhalt und Bedeutung des § 84 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB verkannt. Dies ist nach Maßgabe von § 554 Abs. 3 Nr. 3 a ZPO ausreichend.
B. Die Revision ist aber nicht begründet. Die Klägerin ist sowohl nach den Vereinbarungen im Vertrag vom 4. März 1994 als auch nach dessen praktischer Durchführung selbständige Handelsvertreterin (Versicherungsvertreterin).
I. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin besitzt das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Im bestehenden Vertragsverhältnis hat der Beschäftigte jederzeit ein rechtliches Interesse daran, daß seine Rechtsstellung als Arbeitnehmer alsbald festgestellt wird. Dies beruht darauf, daß dann auf das Rechtsverhältnis der Parteien ab sofort die zwingenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden sind, die ein Arbeitsverhältnis gestalten(BAG 3. März 1999 – 5 AZR 275/98 – AP ZPO 1979 § 256 Nr. 53). Darauf, ob über einzelne Bedingungen des Vertragsverhältnisses Streit besteht, kommt es nicht an. Solange das Rechtsverhältnis nicht wirksam beendet ist, kann die Statusfrage jederzeit zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden.
II. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist nicht Arbeitnehmerin der Beklagten. Sie ist Versicherungsvertreterin und selbständige Handelsvertreterin iSd. § 84 Abs. 1, § 92 Abs. 1 HGB.
1. Unmaßgeblich ist, daß die Klägerin im Vertrag vom 4. März 1994 ausdrücklich als „selbständiger Versicherungsvermittler” iSd. § 84 Abs. 1, § 92 HGB bezeichnet wird. Für die materielle Rechtslage kommt es auf die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Vertragsverhältnis gegeben haben, nicht entscheidend an. Die Vertragsfreiheit besteht darin, beliebige gegenseitige Rechte und Pflichten begründen zu können. Sie bedeutet aber nicht, in dieser Weise autonom begründete Rechtsbeziehungen beliebig einem bestimmten gesetzlich vorgegebenen Vertragstypus zuordnen zu können. Die Frage, wie die von den Vertragsparteien getroffenen Abreden rechtlich zu qualifizieren sind, entzieht sich deren Belieben. Die Zuordnung hat nach objektiv-rechtlichen Kriterien zu erfolgen(BAG 14. Februar 1974 – 5 AZR 298/73 – BAGE 25, 505; BAG 28. Mai 1998 – 7 AZR 25/85 – BAGE 52, 133; Boemke, ZfA 1998, 285, 295). Maßgeblich dafür ist der wirkliche Geschäftsinhalt. Dieser ergibt sich aus den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und aus deren tatsächlicher Durchführung.
2. Nach dem Vertrag vom 4. März 1994 ist die Klägerin „ständig damit betraut, Versicherungen und Bausparverträge zu vermitteln”. Dabei wird sie als selbständige Gewerbetreibende und Handelsvertreterin iSd. § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB tätig. Nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Im Bereich der Vermittlung von Geschäften und Versicherungen für Dritte stellt das Gesetz auf die Abgrenzung zum unselbständigen Angestellten allein auf diese beiden Merkmale ab. Eines Rückgriffs auf weitere Grundsätze zur Abgrenzung des Arbeitsverhältnisses vom Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters bedarf es deshalb nicht. Auch im Rahmen von § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB sind dabei zwar alle Umstände des Falles in Betracht zu ziehen und schließlich in ihrer Gesamtheit zu würdigen(BAG 21. Januar 1966 – 3 AZR 183/65 – BAGE 18, 87). Die heranzuziehenden Anknüpfungspunkte müssen sich jedoch diesen gesetzlichen Unterscheidungsmerkmalen zuordnen lassen.
Auf die Regelung in § 7 Abs. 4 SGB IV kommt es nicht an. Förmlich steht dem bereits die ausdrückliche Bereichsausnahme für Handelsvertreter entgegen. Deren Verfassungsmäßigkeit ist allerdings angezweifelt worden(vgl. Abschlußbericht der Kommission „Scheinselbständigkeit” NZA 1999, 1260 zu II 3). Dies bedarf keiner Prüfung. Auch unabhängig von der Bereichsausnahme ist für die Anwendung des § 7 Abs. 4 SGB IV im Streitfall kein Raum. Die in der Vorschrift vorgesehenen Voraussetzungen, unter denen der Beschäftigtenstatus der betreffenden Person vermutet wird, sind ohne Bedeutung, wenn die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Parteien aus ihrem Rechtsverhältnis dem Rechtsanwender bereits bekannt sind, etwa aufgrund von Urkunden, unstreitigem Vorbringen, einer Beweisaufnahme oder amtlichen Ermittlungen. Dann sind diese Rechte und Pflichten ohne Rücksicht auf die bloßen Beweisanzeichen in § 7 Abs. 4 SGB IV rechtlich zu würdigen. Für eine tatsächliche Vermutung ist dann kein Raum. Das ist hier der Fall. Es braucht deshalb nicht entschieden zu werden, ob die Vorschrift im Arbeitsrecht und Arbeitsgerichtprozeß überhaupt Anwendung finden kann.
Unter beiden Aspekten des § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ist die Klägerin in einem für den Selbständigenstatus erforderlichen Maße frei von Weisungen.
a) Dies gilt zunächst für die Arbeitszeit.
aa) Bezüglich Anfang und Ende der Arbeitszeit enthalten weder der Vertrag vom 4. März 1994 noch die in Bezug genommenen „Allgemeinen Vertragsbestimmungen” irgendwelche Vorgaben. Die Klägerin hat keine festen Dienststunden. Dies unterscheidet sie allerdings nicht oder nur unwesentlich von angestellten Außendienstmitarbeitern. Da diese sich gleichermaßen nach den zeitlichen Vorgaben der Kunden richten müssen, verzichtet der Prinzipal regelmäßig auch ihnen gegenüber auf Weisungen zur Lage der Arbeitszeit. Dieser Umstand ist daher zur Abgrenzung von Selbständigen und Arbeitnehmern im (Versicherungs-)Außendienst wenig aussagekräftig(BAG 21. Januar 1966 aaO). Gleichwohl ist festzustellen, daß die Klägerin insoweit keinem Weisungsrecht der Beklagten unterliegt.
Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß die Klägerin nach Weisung der Beklagten jeden Freitagvormittag in deren Geschäftsstelle erscheint. Auf diese Weise wird sie in ihrer Freiheit zur Bestimmung der Lage ihrer Arbeitszeit beeinträchtigt. Dies ist jedoch kein so gravierender Eingriff, daß er mit dem Status einer Selbständigen schlechterdings unvereinbar wäre. Hinzu kommt, daß die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, daß es auf Wunsch der Klägerin auch möglich gewesen wäre, die für den Freitagvormittag vorgesehenen Mitteilungen und Geldübergaben auf dem Post- bzw. Überweisungswege vorzunehmen.
Die Klägerin war nach einem einwöchigen Grundseminar rechtlich nicht verpflichtet, weiterhin am Ausbildungsprogramm des „Berufsbildungswerks der Deutschen Versicherungswirtschaft” teilzunehmen. Zur Statusabgrenzung ist ihre tatsächliche – anfänglich auf wenige Tage begrenzte – Teilnahme darum nicht geeignet. Ob andernfalls die Pflicht zur Teilnahme an einem auf hundert Tage innerhalb eines Jahres angelegten Ausbildungsgang ein ausreichender Grund dafür sein könnte, ein auf unbefristete Zeit eingegangenes Versicherungsvertreterverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren, braucht nicht entschieden zu werden. Auch zur Teilnahme an Betriebsausflügen uä. besteht keine Rechtspflicht.
Ebensowenig ist die Klägerin verpflichtet, die ihr überlassenen Adressenlisten innerhalb bestimmter Fristen oder überhaupt „abzuarbeiten”. Die in den Listen genannten Termine sind lediglich Hinweise auf bestimmte vermittlungsgünstige Ereignisse, etwa auf einen Leistungsfall oder das Auslaufen des Vertrags. Die Beklagte sanktioniert es nicht, wenn Listen unbearbeitet zurückgegeben werden. Zwar schickt sie der Klägerin dann erst nach entsprechender Aufforderung erneut Listen zu, dies aber ohne weitere Voraussetzungen.
Die Beklagte läßt der Klägerin sog. Stornogefahrmitteilungen zukommen. Mit ihnen soll die Klägerin in die Lage versetzt werden, die Rettung der Verträge zu versuchen und einen Provisionsverlust zu verhindern. Dabei wird sie gebeten, die in den Mitteilungen genannten Fristen – von üblicherweise zwei Wochen – „unbedingt” einzuhalten. Auf diese Weise greift die Beklagte in die Bestimmung der Arbeitszeit durch die Klägerin nicht ein. Zum einen handelt es sich bei ihrer Bitte lediglich um einen dringenden Rat, da Rettungsversuche nach längerer Zeit erfahrungsgemäß weniger erfolgversprechend sind. Zum anderen wäre selbst eine förmliche Weisung, sich innerhalb einer angemessenen Frist um die Rettung des Vertrags zu bemühen, von der Interessenwahrungspflicht des Versicherungsvertreters aus § 86 Abs. 1 HGB gedeckt. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
bb) Auch was den Umfang ihrer Arbeitszeit betrifft, ist die Klägerin frei. Allerdings ist sie gehalten, bei der Vermittlung von Kraftfahrtversicherungen einen Umfang zu erreichen, der der erwarteten Mindestproduktion aller hauptberuflich tätig selbständigen Versicherungsvermittler der Beklagten entspricht. Andernfalls erhält sie nicht eine Abschlußvergütung von mindestens 30,00 DM je Einheit, sondern es ermäßigt sich diese auf 18,00 DM. Daraus folgt zugleich, daß die Klägerin ihrerseits „hauptberuflich” für die Beklagte tätig sein soll. Damit ist aber kein konkret festliegender zeitlicher Mindestumfang verbunden, in welchem sie – täglich, wöchentlich oder monatlich – für die Beklagte tätig werden müßte. Ein zeitliches Mindestsoll und eine Beschränkung der Freiheit zur eigenen Entscheidung über das zeitliche Arbeitsvolumen sind auch mit einer „hauptberuflichen” Vermittlungstätigkeit nicht verbunden. Die Kennzeichnung dient vornehmlich der Unterscheidung zum Handelsvertreter im „Nebenberuf”, auf den nach § 92 b Abs. 1 HGB die Regelungen der §§ 89 und 89 b HGB keine Anwendung finden. Zwar führt die Unterschreitung der Mindestproduktion von monatlich durchschnittlich 90 Einheiten im Rahmen der Kraftfahrtversicherung zu einem überproportionalen Absinken der Vergütung um 40 %. Es ist darum ein mittelbarer Zwang zur Einhaltung eines zeitlichen Mindestarbeitsvolumens nicht auszuschließen. Gleichwohl ist dieser Umstand nicht geeignet, eine Weisungsabhängigkeit der Klägerin von der Beklagten zu begründen. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, daß sich die Vergütungsregelungen im Rahmen der Kraftfahrtversicherung aus den auch für sie bindenden Vorgaben des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen ergäben. Die mit dem Unterschreiten der vorausgesetzten Mindestproduktion einhergehende „Sanktion” der Klägerin ist deshalb nicht der Beklagten zuzurechnen.
Indessen erwartet auch die Beklagte von ihren (selbständigen) hauptberuflichen Handelsvertretern eine durchschnittliche monatliche Mindestproduktion von 70 Netto-Antragseinheiten. Die Festlegung eines Mindestsolls beschränkt den Betroffenen in der freien Bestimmung seiner Arbeitsdauer. Mit dem Selbständigenstatus lassen sich entsprechende Vorgaben nur vereinbaren, wenn dem Betroffenen mit Blick auf die notwendige Arbeitszeit ein erheblicher Spielraum verbleibt(BAG 26. Mai 1999 – 5 AZR 469/98 – AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 104). Zum Umfang dieses Spielraums hat die Klägerin als darlegungs- und beweisbelastete Partei nichts vorgetragen. Es steht nicht fest, welche Zeit sie zur Erfüllung des von der Beklagten erwarteten Mindestsolls benötigt. In der vertraglich vereinbarten Vergütungsstaffel ist eine monatliche Mindestproduktion von bis zu 160 Netto-Antragseinheiten vorgesehen. Mangels näheren Vortrags der Parteien und weiterer Feststellungen der Vorinstanzen erscheint es deshalb nicht ausgeschlossen, daß die Klägerin auch bei einer monatlichen Mindestproduktion von 70 Netto-Antragseinheiten ihre Arbeitszeit noch „im wesentlichen” frei bestimmen kann. Da sich nach § 86 Abs. 1 HGB auch der selbständige Handelsvertreter „um die Vermittlung … von Geschäften zu bemühen und dabei das Interesse des Unternehmens wahrzunehmen” hat, ist ein gewisses Mindestsoll mit dem Status als Selbständiger nicht von vornherein unvereinbar. Aus diesem Grunde läßt sich auch aus dem Umstand, daß die Beklagte mit diversen Schreiben gegenüber der Klägerin zum Ausdruck gebracht hat, sie erwarte „dringend”, daß diese monatlich zwei Rechtsschutzanträge vermittele, nicht auf einen Arbeitnehmerstatus der Klägerin schließen.
Die Klägerin hat behauptet, sie erhalte eine Jahresbonifikation nur, wenn sie jährlich mindestens 24 Verträge in der Sparte „Verbandsrechtsschutz” vermittle. Das Landesarbeitsgericht hat die Klägerin für die Existenz der von der Beklagten bestrittenen Abrede als beweisfällig angesehen. Eine zulässige Verfahrensrüge hat die Klägerin dagegen nicht erhoben. Schon deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, daß entsprechende Sollvorgaben der Beklagten (mittelbaren) Einfluß auf die Dauer der Arbeitszeit der Klägerin haben. Um beurteilen zu können, ob die Freiheit der Klägerin zur Arbeitszeitbestimmung „wesentlich” beeinträchtigt ist, hätte es im übrigen einer konkreten Darlegung des Verhältnisses von Boni oder Gratifikationen zur übrigen Vergütung bedurft. Dazu enthält der Vortrag der Klägerin keine Angaben.
Die Freiheit der Klägerin zur Arbeitszeitbestimmung ist im Verhältnis zur Beklagten nicht dadurch beeinträchtigt, daß das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen die Genehmigung von Summenerhöhungen bei den Verbands-Klein-lebensversicherungen davon abhängig macht, daß die Hälfte der im betreffenden Ortsverband organisierten Verbandsmitglieder eine solche Erhöhung mitträgt. Zwar wird sich die Klägerin verstärkt darum bemühen, aber auf die Vorgabe des Aufsichtsamts hat die Beklagte keinen Einfluß.
Auch die Staffelung der Provisionssätze je nach Anzahl der vermittelten Netto-Antragseinheiten entfaltet nicht eine solche wirtschaftliche „Sogwirkung”, daß die Klägerin in der Bestimmung ihrer Arbeitszeit nicht mehr als frei angesehen werden könnte. Die Staffelung enthält keinen Mindestsatz. Die Vergütung beträgt bis 99 Netto-Antragseinheiten je 30,00 DM, ab 100 Einheiten und sodann alle weiteren 15 Einheiten steigt sie insgesamt um je 1,00 DM. Der damit verbundene Leistungsanreiz vermag die Klägerin hinsichtlich des Umfangs ihrer Arbeitszeit jedenfalls nicht wesentlich zu beeinträchtigen.
Nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien und ihrer Durchführung ist die Klägerin bei der Bestimmung ihrer Arbeitszeit in einem für den Selbständigenstatus ausreichenden Maße frei.
b) Das gleiche gilt bezüglich der Gestaltung ihrer Tätigkeit. Die Klägerin kann im wesentlichen frei darüber entscheiden, wo und wie sie ihre Arbeit verrichten will.
aa) Der Klägerin ist kein bestimmter Arbeitsort vorgegeben. Sie muß die Räumlichkeiten der Beklagten – wie ausgeführt – lediglich am Freitagvormittag aufsuchen. Auch mit Blick auf die Gestaltung ihrer Tätigkeit ist damit kein wesentlicher Eingriff in ihr Selbstbestimmungsrecht verbunden.
Der Klägerin ist auch kein bestimmter Arbeitsbezirk vorgegeben. Zwar heißt es im Arbeitsvertrag der Parteien, „der Geschäftsverkehr … wickele sich ab über die Organisation für Verbandsgruppenversicherungen, Filialdirektion Nürnberg-Süd”. Damit war jedoch offensichtlich die Zuweisung eines bestimmten regionalen Bezirks oder eines bestimmten Kundenkreises nicht verbunden. Im übrigen wäre auch dies mit dem Status als selbständige Handelsvertreterin vereinbar(vgl. dazu BAG 15. Dezember 1999 – 5 AZR 3/99 – zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
bb) Nach dem Vertrag vom 4. März 1994 hat die Klägerin „aufgabenbezogenen Weisungen nachzukommen”. Solche Weisungen können sich unmittelbar auf die Gestaltung der Tätigkeit beziehen. Die Vorinstanzen haben aber keinerlei Feststellungen dazu getroffen, ob und in welchem Umfang die Beklagte von diesem Weisungsrecht über die Anordnung zum Erscheinen am Freitagvormittag hinaus je Gebrauch gemacht hat. Weisungen im Einzelfall wiederum sind wegen der Interessenwahrungspflicht des Versicherungsvertreters aus §§ 92, 86 Abs. 1 HGB und wegen des „im wesentlichen” bleibenden Selbstbestimmungsrechts nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB mit dem Status eines Selbständigen zu vereinbaren.
cc) Die Klägerin hat vorgebracht, mit diesem Status sei es unvereinbar, daß sie verpflichtet sei, die Verbandsgruppenmitglieder auf gesonderten Formularen auf die Möglichkeit von Zuwendungen an den Verband hinzuweisen und ggf. von ihnen bestimmte Erklärungen einzuholen, ohne dafür gesondert vergütet zu werden. Dem kann nicht gefolgt werden. Es handelt sich insoweit um die Konkretisierung der von der Klägerin vertraglich übernommenen Aufgabe, „alle mit dem Versicherungsauftrag zusammenhängenden Arbeiten auszuführen”. Die Anweisung der Beklagten betrifft nicht die „Gestaltung”, sondern den Inhalt der von der Klägerin geschuldeten Tätigkeit. Sie ist auch gegenüber Selbständigen möglich. Soweit die Klägerin meint, dafür stehe ihr eine gesonderte Vergütung zu, ist sie auch als Selbständige nicht gehindert, dies gegenüber der Beklagten geltend zu machen.
Ebensowenig steht es im Widerspruch zur Stellung als Selbständige, daß es der Klägerin verwehrt ist, an Verbandsmitglieder Verträge zu normalen Konditionen und nicht zu den für die Mitglieder günstigen – für die Provisionshöhe der Klägerin ungünstigen – Gruppentarifen zu vermitteln. Es ist allein Sache der Beklagten, im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Vorgaben die Bedingungen festzulegen, zu denen sie ihre Versicherungsleistungen anbietet. Damit greift sie in die Gestaltung der Tätigkeit der Klägerin, die solche Angebote lediglich zu vermitteln hat, nicht ein.
dd) Nach Ziffer I.1. der „Allgemeinen Vertragsbestimmungen” ist es der Klägerin nicht gestattet, „systematisch Kunden (der Beklagten) anzusprechen, mit dem Ziel einer Änderung, Anrechnung oder Aufhebung eines bestehenden Vertrages”. Ein solches Verbot ist mit dem Selbständigenstatus vereinbar. Es konkretisiert die Pflicht zur Interessenwahrnehmung aus § 86 Abs. 1 HGB. Das systematische Ansprechen von Kunden der Beklagten mit dem Ziel, in die bestehende Vertragslage einzugreifen, liegt nicht in deren Interesse. Es kann zur Verunsicherung der Kunden und zu Streitigkeiten bei der Provisionsabrechnung führen. Aus denselben Gründen liegt das Verbot nicht zuletzt im Interesse der Klägerin selbst. Auch dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
ee) Nach derselben Bestimmung darf die Klägerin „zu den … vermittelten Aufträgen keine bindenden Erklärungen abgeben”. Diese Regelung betrifft die Befugnis der Klägerin zur Vertretung der Beklagten gegenüber Dritten. Der Umfang der Vertretungsbefugnis hat auf den Status eines fremde Leistungen nur vermittelnden Handels- und Versicherungsvertreters keinen Einfluß(Hanau/Strick Beilage Nr. 14/1998 zu DB 1998 Heft 40 zu III 1 c (3) (a)).
ff) Außerdem ist der Klägerin „die Kopplung von Anträgen mit anderen Rechtsgeschäften” nur mit Zustimmung der Beklagten erlaubt. Auch damit ist die Freiheit zur Gestaltung ihrer Tätigkeit nicht beeinträchtigt. Das Koppelungsverbot umfaßt zum einen das Verbot, den Abschluß des Versicherungsvertrages vom Abschluß anderer Rechtsgeschäfte abhängig zu machen. Es bedeutet zum anderen das Verbot, die Versicherungsleistung und ein anderes Produkt zu einem festen Gesamtpreis anzubieten. Wie ausgeführt, ist die inhaltliche Gestaltung des den Kunden zu unterbreitenden Vertragsangebots Sache der Beklagten. Bei einer Koppelung mit fremden Rechtsgeschäften sind außerdem wettbewerbsrechtliche Verstöße nicht auszuschließen. Ein ohnehin nur unter Zustimmungsvorbehalt der Beklagten gestelltes Koppelungsverbot ist deshalb mit einem Status der Klägerin als Selbständige ohne weiteres vereinbar.
gg) Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, wegen des Verbots einer Weitergabe von Adressenmaterial an Dritte in Ziffer I.7. der „Allgemeinen Vertragsbestimmungen” sei es ihr nicht möglich, eigene Untervertreter zu beschäftigen. Auch deshalb sei sie als Arbeitnehmerin anzusehen. Ein solches Beschäftigungsverbot ist der genannten Vertragsbestimmung dagegen nicht zu entnehmen. Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, das Verbot der Weitergabe von Adressmaterial an Dritte diene lediglich der Einhaltung der Pflicht zu dessen bestimmungsgemäßem Gebrauch. Von dieser Bestimmung wiederum ist die Bearbeitung des Materials durch mögliche Untervertreter der Klägerin gedeckt. Der Untervertreter ist Erfüllungsgehilfe des Hauptvertreters im Verhältnis zum Unternehmen und schon deshalb kein „Dritter” im Sinne der genannten Vertragsbestimmung. Das Weitergabeverbot konkretisiert lediglich die Pflicht des Versicherungsvertreters zur Geheimhaltung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen aus § 90 HGB. Diese ist durch den Einsatz ihrerseits dazu verpflichteter Untervertreter nicht verletzt.
hh) Nach Ziffer II. 1. der „Allgemeinen Vertragsbestimmungen” bedarf die Herausgabe geschäftlicher Anzeigen, Bekanntmachungen oder Angebote und die Anfertigung von Drucksachen der vorherigen Zustimmung der Beklagten. Die Berechtigung zu einem solchen Vorbehalt ergibt sich aus der Interessenwahrungspflicht der Klägerin in Verbindung mit den Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG). Die Aufsichtsbehörden können nur in den engen Grenzen der § 81 Abs. 2 Satz 3, § 83 Abs. 2 VAG unmittelbar gegen den Versicherungsvertreter vorgehen. Die Aufsichtsbehörde verlangt daher im Wege der Anordnung gemäß § 81 Abs. 2 Satz 1 VAG von den Versicherungsunternehmen, daß diese auf der Grundlage ihrer Rechtsbeziehungen zu den Versicherungsvertretern die Maßnahmen treffen, die geeignet sind, Mißstände zu vermeiden und zu beseitigen. Die aufgrund einer solchen Anordnung vom Versicherungsunternehmen zu treffenden Maßnahmen bestehen in entsprechenden Weisungen an den Vertreter. Gerade Veröffentlichungen zu Werbezwecken können in vielfältiger Weise gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstoßen. Es entspricht deshalb der Pflicht zur Interessenwahrung des Versicherungsvertreters aus § 86 Abs. 1 HGB, wenn er gehalten ist, Anzeigen, Bekanntmachungen uä. zur Zustimmung vorzulegen. Dementsprechend ist dies mit dem Selbständigenstatus vereinbar. Im übrigen hat die Klägerin nicht vorgetragen, daß ihr die Beklagte die Zustimmung je vorenthalten habe. Sollte dies ohne Grund einmal der Fall sein, könnte sich die Klägerin dagegen auch als Selbständige wehren.
ii) Ziffer II. 2. der „Allgemeinen Vertragsbestimmungen” verbietet der Klägerin, „im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu Personen, zu denen bisher keine geschäftlichen Beziehungen bestehen, unaufgefordert und ohne deren Einverständnis telefonisch Kontakt aufzunehmen, um einen Besuch zu vereinbaren”. Ein solches Verbot entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur wettbewerbswidrigen Telefonwerbung gegenüber privaten Versicherungsnehmern(BGH 8. Dezember 1994 – I ZR 189/92 – BB 1995, 1211 mwN). Danach ist Telefonwerbung gegenüber einem privaten potentiellen Versicherungsnehmer rechtswidrig, wenn nicht der Angerufene zuvor ausdrücklich oder stillschweigend sein Einverständnis erklärt hat, zu Werbezwecken angerufen zu werden. Die Weisung der Beklagten spricht daher nicht gegen einen Selbständigenstatus der Klägerin.
jj) Die Klägerin ist gehalten, sich bei jedem Kundenbesuch unverzüglich als Vertreterin der Beklagten auszuweisen, Ziffer II. 3. der „Allgemeinen Vertragsbestimmungen”. Diese Verpflichtung entspricht Nr. 25 Abs. 2 der Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft vom 15. Dezember 1977(abgedruckt in Baumbach/Hefermehl Wettbewerbsrecht 21. Aufl. Anhang XII zu § 3 UWG). Das entsprechende Verhalten dient den geschäftlichen Interessen der Beklagten und nicht zuletzt denen der Klägerin selbst. Die selbständige Gestaltung ihrer Tätigkeit wird dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt.
kk) Nach Ziffer II. 4. der „Allgemeinen Vertragsbestimmungen” ist der Klägerin die vergleichende Werbung sowie die Ausspannung oder der Versuch der Ausspannung verboten. Auch dieses Verbot dient der Verhinderung von Wettbewerbsverstößen nach § 1 UWG. Der Prinzipal kann nach § 86 Abs. 1 HGB auch von einem selbständigen Versicherungsvertreter verlangen, wettbewerbswidrige Maßnahmen zu unterlassen(Hanau/Strick aaO zu III 1 c (3) (c)(cc) mwN). Das Verbot läßt den Status eines Versicherungsvertreters unberührt. Will dieser geltend machen, im konkreten Einzelfall sei eine Ausspannung nicht wettbewerbswidrig gewesen, haben darüber ggf. die ordentlichen Gerichte zu entscheiden.
Der Vorbeugung gegen Gesetzesverstöße (Rabattgesetz, Zugabeverordnung) dient auch das Verbot, Versicherungsnehmern irgendwelche Vergünstigungen zu gewähren oder Provisionen an sie weiterzugeben, in Ziffer II. 10. der „Allgemeinen Vertragsbestimmungen”. Die Position der Klägerin als Selbständige wird dadurch ebenfalls nicht in Frage gestellt.
ll) Die Klägerin hat der Beklagten wöchentlich darüber zu berichten, welche möglichen Kunden sie wann und wo besucht hat. Sie ist auch im Hinblick darauf nicht als Arbeitnehmerin anzusehen. Gemäß § 86 Abs. 2 HGB hat der Versicherungsvertreter dem Unternehmer „die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluß unverzüglich Mitteilung zu machen”. Was inhaltlich und zeitlich unter den Begriff „erforderliche Nachrichten” fällt, bestimmt sich unter sachgerechter Abwägung der Interessen der Beteiligten(BGH 24. September 1987 – I ZR 243/85 – WM 1988, 33; Baumbach/Hopt HGB 29. Aufl. § 86 Rn. 42). Der Grad zulässiger Kontrolle ist überschritten, wenn der Vertreter verpflichtet wird, umfangreich und in engen zeitlichen Intervallen über seine Tätigkeit Bericht zu erstatten, und das Unternehmen damit die Möglichkeit erhält, ihn zu überprüfen und die selbstbestimmte Gestaltung seiner Tätigkeit zu beeinträchtigen. Im Streitfall hat die Klägerin in wöchentlichen Intervallen lediglich über Zeit, Ort, Erfolg und Mißerfolg ihrer Besuche zu berichten. Dies erscheint mit der gesetzlichen Berichtspflicht einer selbständigen Versicherungsvertreterin vereinbar. Hält die Klägerin diese Pflicht für zu weitgehend, könnte sie sich dagegen, solange sie sich vertraglich nicht klar verpflichtet hat, erneut auch als Selbständige wehren.
Die Klägerin kann auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien und ihrer Durchführung ihre Tätigkeit iSd. § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB im wesentlichen frei gestalten.
c) Die Klägerin ist nicht deshalb als Arbeitnehmerin anzusehen, weil sie weder Bezirks- noch Kundenschutz besitzt. Das Fehlen eines solchen Schutzes steht im Einklang mit den gesetzlichen Regelungen für selbständige Versicherungsvertreter. § 92 Abs. 3 Satz 2 HGB schließt die Geltung der Provisionsfolgen des § 87 Abs. 2 HGB gerade aus.
d) Nach Ziffer I.1. der „Allgemeinen Vertragsbestimmungen” darf die Klägerin ohne Zustimmung der Beklagten Versicherungs- und Sparverträge aller Art nicht für ein anderes Unternehmen vermitteln. Ein solches Wettbewerbsverbot steht der Selbständigkeit des Versicherungsvertreters nicht entgegen. Es folgt unmittelbar aus der Interessenwahrungspflicht des § 86 Abs. 1 HGB(Küstner/v. Manteuffel, Handbuch des gesamten Außendienstrechts Band 1 2. Aufl. Rn. 424 mwN).
In allen anderen Branchen ist es der Klägerin ausdrücklich gestattet, „eine Erwerbstätigkeit für beliebige Unternehmen auszuüben”. Daran hat das von ihr gegengezeichnete Schreiben der Beklagten vom 21. Juni 1995 nichts geändert. Danach ist es der Klägerin zwar nicht gestattet, „versicherungsfremde Geschäfte” zu vermitteln, worunter das Schreiben solche Geschäfte versteht, die die Beklagte nicht betreiben darf. Auf diese Weise haben die Parteien aber nicht die Berechtigung der Klägerin eingeschränkt, in gänzlich versicherungsfremden Sparten für Dritte tätig zu werden. Es sollte nur die Vermittlung von Verträgen ausgeschlossen werden, die immerhin Bezüge zum Versicherungsgeschäft aufweisen, insbesondere die Vermittlung von sog. geschlossenen Immobilienfonds. Dies wird daran deutlich, daß die Beklagte nur „die Ausschließlichkeitsbedingungen des Vermittlervertrags – Teil I Ziff. 1. der Allgemeinen Vertragsbestimmungen – um den folgenden Absatz erweitern” wollte. Damit ist die ausdrückliche Gestattung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in allen anderen Branchen nicht aufgehoben. Im übrigen wäre auch ein weitergehendes Wettbewerbsverbot als solches zur Statusabgrenzung zwischen Selbständigem und Arbeitnehmer nicht unmittelbar tauglich. Es betrifft nicht die Gestaltung der geschuldeten Tätigkeit selbst, sondern greift in das sonstige Verhalten des Versicherungsvertreters ein. Mittelbare Auswirkungen auf den Selbständigenstatus können sich nur dann ergeben, wenn ein Verbot jeglicher anderer Tätigkeit dazu führt, daß der Versicherungsvertreter über die Dauer seiner Arbeitszeit nicht mehr frei bestimmen kann und darauf angewiesen ist, seinen Lebensunterhalt allein aus seiner geschuldeten Tätigkeit zu bestreiten. Dies kann im Streitfall dahinstehen(zur Problematik vgl. BAG 15. Dezember 1999 – 5 AZR 3/99 – zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
e) Die Klägerin hat vorgetragen, es spreche gegen ihre Selbständigkeit, daß sie von der Beklagten dazu angehalten worden sei, nur im Verbandsgruppengeschäft tätig zu werden. Die Beklagte hat eine solche Anweisung bestritten. Die Klägerin habe jederzeit die Möglichkeit gehabt, über das Verbandsgruppengeschäft hinaus alle Produkte ihrer – der Beklagten – selbst und der mit ihr verbundenen Gesellschaften zu vermitteln. Abschließende Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen. Mit Recht hat es ausgeführt, daß sich jedenfalls aus den vorliegenden Abreden der Parteien für eine solche Beschränkung des Tätigkeitsgebiets der Klägerin nichts ergibt. Zwar wird diese in der Organisation für Verbandsgruppenversicherungen der Beklagten geführt. Dies bedeutet jedoch lediglich, daß sie alle Anträge bei dieser Organisation einzureichen hat. Eine inhaltliche Produktbegrenzung auf das Verbandsgruppengeschäft geht damit nicht einher. Im übrigen hat die Klägerin durchaus, wenn auch nur in geringem Umfange, Verträge mit Kunden vermittelt, die keine Verbandsmitglieder waren. Schon aus diesen Gründen spricht ihr Vorbringen nicht gegen eine Stellung als Selbständige.
f) Die Beklagte hat der Klägerin für die Kundengespräche einen sog. Tarifrechner zur Verfügung gestellt. Damit ist sie zum Nutzen der Klägerin lediglich ihrer Pflicht aus § 86 a Abs. 1 HGB nachgekommen. Für eine Weisungsabhängigkeit vermag die Klägerin daraus nichts herzuleiten.
g) Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe ihr zugesagt, sie werde in ein Arbeitsverhältnis übernommen. Unabhängig davon, daß die Beklagte eine solche Erklärung bestritten hat, vermag die nicht eingehaltene Zusage allenfalls Erfüllungsansprüche auszulösen. Sie ist dagegen ohne Einfluß auf den derzeitigen rechtlichen Status der Klägerin.
Die Klägerin ist selbständige Versicherungsvertreterin iSd. § 92 Abs. 1, § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB. Die Klage ist nicht begründet.
Unterschriften
Griebeling, Müller-Glöge, Kreft, Winterfeld, W. Anthes
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.12.1999 durch Metze, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 507959 |
BAGE, 132 |
BB 2000, 1837 |
DB 1999, 2648 |
DB 2000, 1618 |
HFR 2001, 73 |
NWB 2000, 11 |
ARST 2000, 257 |
EWiR 2000, 969 |
FA 2000, 329 |
NZA 2000, 1162 |
SAE 2000, 262 |
ZAP 2000, 8 |
ZTR 2000, 423 |
AP 2015 |
AP, 0 |
VersR 2000, 1501 |