Entscheidungsstichwort (Thema)
Dynamische Verweisung auf Allgemeine Arbeitsbedingungen. Parallel geltender Tarifvertrag
Orientierungssatz
1. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Allgemeine Arbeitsbedingungen, die vom Arbeitgeber oder von einer ihn satzungsmäßig bindenden Institution (zB Präsidium des Dachverbandes) einseitig festgelegt werden, ist keine Gleichstellungsabrede im Sinne der Senatsrechtsprechung.
2. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber zugleich an einen Tarifvertrag gebunden ist, der inhaltlich mit den Allgemeinen Arbeitsbedingungen übereinstimmt.
3. Endet die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers durch dessen Austritt aus dem tarifschließenden Verband, ist er in einer solchen Konstellation gleichwohl im Ergebnis an danach vereinbarte Veränderungen im Tarifvertrag gebunden, wenn diese in die Allgemeinen Arbeitsbedingungen aufgenommen werden.
Normenkette
BGB §§ 133, 157; TVG § 1 Tarifverträge: DRK
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. Dezember 2005 – 7 Sa 2004/04 – wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit eines Vergütungstarifvertrages des öffentlichen Dienstes auf ihr Arbeitsverhältnis und daraus resultierende Vergütungsansprüche des Klägers.
Der Kläger ist seit dem 15. April 1987 bei dem Beklagten als Rettungssanitäter beschäftigt und wurde zuletzt entsprechend VergGr. Vc BAT vergütet. Der zwischen den Parteien am 23. April 1987 abgeschlossene Arbeitsvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
Ҥ 2
Für das Beschäftigungsverhältnis kommen die Arbeitsbedingungen der Angestellten des Deutschen Roten Kreuzes in Anwendung. …
Die Beschäftigung beim Deutschen Roten Kreuz – Kreisverband Bremervörde e.V. – ist nicht öffentlicher Dienst. … ”
Der Beklagte war zunächst Mitglied der DRK-Landestarifgemeinschaft in Niedersachsen GbR (im Folgenden: DRK-LTG Nds). Die DRK-LTG Nds. ist ihrerseits Mitglied der (Bundes-)Tarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes, die mit der Gewerkschaft ver.di (früher der ÖTV) zahlreiche Tarifverträge abgeschlossen hat. Am 31. Januar 1984 hatten die Tarifpartner eine Vereinbarung abgeschlossen, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
“Vereinbarung
über Rahmenbedingungen für den Abschluß von Tarifverträgen
Zwischen der
Tarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes, Bonn,
einerseits, und der
Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr – Hauptvorstand –, Stuttgart,
andererseits, wird unter Berücksichtigung der internationalen und nationalen Stellung und Aufgabenstellung des Deutschen Roten Kreuzes folgende Vereinbarung geschlossen:
TEIL I
§ 1
(1) Die Vertragsparteien gehen davon aus, daß gleichzeitig mit dieser Vereinbarung ein Tarifvertrag zwischen ihnen abgeschlossen wird.
(2) Die Vertragsparteien gehen davon aus, daß der Tarifvertrag nach Abs. 1 die Arbeitsbedingungen des DRK darstellt. Die Arbeitsbedingungen enthalten dabei Bestandteile, welche mit den Regelungen des BAT inhaltlich identisch oder im wesentlichen identisch sind (Katalog A), und solche Bestandteile, welche besondere Regelungen für den Bereich der Tarifgemeinschaft des DRK enthalten (Katalog B).
§ 2
Übereinstimmendes Ziel der Vertragsparteien ist es, Arbeitskämpfe im Bereich der Tarifgemeinschaft des DRK nach § 3 Abs. 1 zu vermeiden.
§ 3
(1) Die Vertragsparteien führen Verhandlungen über die Materien, die im Katalog B zu regeln sind.
(2) Soweit die Arbeitsbedingungen des DRK mit den Regelungen des BAT inhaltlich identisch sind (Katalog A), werden zwischen den Vertragspartnern keine Verhandlungen geführt. Die Möglichkeit, im beiderseitigen Einvernehmen Verhandlungen zu führen, bleibt unberührt.
§ 4
(1) Soweit die Arbeitsbedingungen des DRK mit dem BAT inhaltlich nicht identisch sind, verpflichten sich die Vertragsparteien, im Fall der Nichteinigung bei den Tarifverhandlungen alles zu unternehmen, um einen Arbeitskampf zu vermeiden.
(2) Kommt zwischen den Vertragsparteien eine Einigung nicht zustande, so findet das Verfahren nach §§ 5 ff. dieser Vereinbarung Anwendung.
§ 5
(1) Sind zwischen den Parteien die Vertragsverhandlungen gescheitert, oder verweigert eine Vertragspartei Aufnahme oder Fortsetzung von Verhandlungen, dann kann jede der Vertragsparteien die Schlichtungsstelle anrufen.
(2) Das Nähere regelt die gleichzeitig abgeschlossene Schlichtungsvereinbarung.”
Am selben Tage wurde neben der in § 5 Abs. 2 der Vereinbarung über die Rahmenbedingungen (im Folgenden: RahmenV) angesprochene Schlichtungsregelung auch der “Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes” (im Folgenden: DRK-TV) abgeschlossen, dessen Wirkung seit dem 1. Januar 1991 auf das “Tarifgebiet West” (alte Bundesländer) beschränkt ist, und in dem – in weiten Teilen am BAT orientiert – die materiellen Arbeitsbedingungen der DRK-Mitarbeiter normiert sind.
Im Folgenden wurden die Tarifabschlüsse für den Bereich BAT Bund/Länder jeweils durch einen eigenen Tarifvertrag zwischen der Tarifgemeinschaft des DRK und der Gewerkschaft ÖTV (später: ver.di) übernommen, aber auch gleichzeitig durch Beschlüsse des DRK-Präsidiums in die Arbeitsbedingungen des Deutschen Roten Kreuzes überführt.
Am 31. Januar 2003 wurde zwischen der Gewerkschaft ver.di und der dbbtarifunion einerseits und dem Bund und der TdL andererseits im Rahmen des 78. Änderungstarifvertrages zum BAT der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 (im Folgenden: VTV 35) abgeschlossen. In diesem wurde ua. die Erhöhung der Vergütung in drei Stufen neu festgesetzt, nämlich für die Vergütungsgruppe des Klägers ab 1. Januar 2003 2,4 % sowie ab 1. Januar 2004 und ab 1. Mai 2004 je ein weiteres Prozent.
Am 6. März 2003 stimmte das Präsidium des DRK “der Übernahme des Tarifabschlusses in die Arbeitsbedingungen des DRK zu vorbehaltlich der Mitwirkung des Präsidialrates”. Dieser fasste am 26. März 2003 folgenden Beschluss:
“1. Die Übernahme des Tarifabschlusses für den Öffentlichen Dienst Bund/Länder 2003 in die DRK Arbeitsbedingungen wird gemäß § 19 Abs. 4 der DRK-Satzung (2. Handlungsvariante gemäß der Vorlage für die Sitzung, die Bestandteil der Niederschrift ist) mit beschlossen.
2. Die DRK-Arbeitsbedingungen Ost werden nicht angepasst.”
Die Satzung des DRK idF vom 12. November 1993 enthält ua. folgende Regelung:
“§ 19 Präsidialrat: Aufgaben
…
(3) Der Erlass von Bestimmungen, durch die einheitliche Regelungen im Deutschen Roten Kreuz mit Verbindlichkeit für alle Mitgliedsverbände geschaffen werden sollen, bedarf der Zustimmung des Präsidialrates. Dazu gehört auch die Festlegung von Mindestregelungen für die Satzungen der Mitgliedsverbände und deren Mitgliedsverbände.
(4) Der Zustimmung des Präsidialrates bedürfen Beschlüsse des Präsidiums, wenn sie erhebliche finanzielle Auswirkungen für die Mitgliedsverbände oder deren Mitgliedsverbände haben. Diese Regelung hat keine Außenwirkung.”
Die Gewerkschaften und die Tarifgemeinschaft des DRK traten in Verhandlungen ein, die sich ua. auch mit den sich aus dem VTV 35 ergebenden Änderungen im öffentlichen Dienst befassten. Es kam jedoch zunächst zu keiner Einigung. Der Beklagte trat zum 31. März 2003 aus der DRK-LTG Nds. aus. Die Erhöhung von 2,4 % ab dem 1. Januar 2003 gab er (rückwirkend) an seine Mitarbeiter ebenso weiter wie die im VTV 35 vorgesehene Einmalzahlung für das Jahr 2003.
Die während des Jahres 2003 zwischen der Tarifgemeinschaft des DRK und der Gewerkschaft ver.di geführten Verhandlungen über einen weiteren Änderungstarifvertrag, der ua. auch die Ergebnisse des VTV 35 in der bisher geübten Weise in den Bereich des DRK übertragen sollte, führten am 19. November bzw. 19. Dezember 2003 zur Unterzeichnung des 23. Tarifvertrages zur Änderung des DRK-TV (im Folgenden: 23. ÄndTV-DRK). Dieser sah neben der Übernahme der im VTV 35 vorgesehenen Entgelterhöhungen (“… gemäß § 3 Abs. 2 der Vereinbarung über Rahmenbedingungen …”) auch die Übernahme der im VTV 35 vereinbarten Einmalzahlung für März 2003 vor; ausdrücklich ausgenommen dagegen wurde die dort gleichfalls vorgesehene Einmalzahlung für November 2004.
Am 7. November 2003 teilte der Beklagte seinen Arbeitnehmern mit, dass der VTV 35 keine Anwendung auf die Arbeitsverhältnisse finde, da er mit Ablauf des 31. März 2003 der DRK-LTG Nds. nicht mehr angehöre. Unter Berücksichtigung der Ausschlussfrist werde die Tariferhöhung von 2,4 % ab Dezember 2003 nicht mehr gezahlt und für die Zeit ab Mai 2003 zurückgefordert. Die Tariferhöhungen von jeweils 1 % zum 1. Januar 2004 und zum 1. Mai 2004 entfielen ebenso wie die Einmalzahlung im November 2004. Auch die im VTV 35 vorgesehenen Verschlechterungen (Wegfall des AZV-Tages, Gehaltszahlung zum Monatsende, Halbierung der Altersstufensteigerung) kämen nicht zur Anwendung. Mit Schreiben vom 12. November 2003 bezifferte der Beklagte die Rückforderung gegen den Kläger auf 387,01 Euro, setzte diese jedoch bis zur gerichtlichen Klärung aus.
Der Kläger hat die (weitere) Anwendung des VTV 35 auf sein Arbeitsverhältnis geltend gemacht. Er hat dabei zunächst die Auffassung vertreten, der Beklagte sei an den VTV 35 gebunden, weil die Vergütungssteigerungen im öffentlichen Dienst “automatisch” an die Arbeitnehmer des DRK weiterzugeben seien. Dies ergebe sich aus dem DRK-TV. Später hat er seine Ansprüche auf Fortzahlung der 2,4 %igen Vergütungserhöhung sowie der weiteren Anhebungen von jeweils 1 % ab 1. Januar 2004 und 1. Mai 2004 darauf gestützt, dass nicht der DRK-TV arbeitsvertraglich in Bezug genommen sei, sondern die Arbeitsbedingungen des DRK, die zwar textgleich mit dem DRK-TV seien, jedoch nicht identisch. In den Arbeitsbedingungen des DRK gölten die Regelungen des VTV 35, weil das Präsidium des DRK mit Beschluss vom 6. März 2003 und der Präsidialrat des DRK mit Beschluss vom 26. März 2003 die Regelungen des VTV 35 in die Arbeitsbedingungen des DRK aufgenommen hätten.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 126,62 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. März 2004 zu zahlen und
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger seit dem 1. Februar 2004 eine Gehaltserhöhung von 2,4 %, seit dem 1. Januar 2004 eine weitere Gehaltserhöhung von 1 % sowie ferner seit dem 1. Mai 2004 eine Gehaltserhöhung von 1 % zu zahlen und die monatlichen Differenzbeträge zwischen gezahlter und beantragter Vergütung jeweils ab jeweiliger Fälligkeit mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Der Beklagte hat seinen Klageabweisungsantrag damit begründet, dass die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Arbeitsbedingungen des DRK durch die langjährige Praxis des Beklagten, auf sämtliche Mitarbeiter nur noch den DRK-TV anzuwenden, konkludent abbedungen worden sei. Die Bezugnahme auf den Tarifvertrag aber sei als Gleichstellungsabrede im Sinne der Senatsrechtsprechung auszulegen und führe nicht zu einer Weitergabe der im VTV 35 vorgesehenen Erhöhungen, weil diese erst nach Austritt des Beklagten aus der DRK-LTG Nds. vereinbart worden seien. Die Beschlüsse des DRK-Präsidiums und des DRK-Präsidialrates entfalteten im Übrigen keine verbindliche Wirkung für den Beklagten, da dieser einen entsprechenden Beschluss nicht gefasst habe. Vereinsrechtlich könne der Beklagte durch Gremien des Bundes-DRK nicht gebunden werden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise, soweit es um die 2,4 %ige Gehaltserhöhung ging, stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers nach einer Klageänderung der Klage vollständig stattgegeben und die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils und die Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das arbeitsgerichtliche Urteil. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die im VTV 35 vereinbarten Vergütungserhöhungen weiterzugeben.
I. Die Klage ist in der Fassung der Berufungsanträge des Klägers zulässig. Der Zahlungsantrag des Klägers erfasst die 2,4 %ige Vergütungserhöhung für die Monate Dezember 2003 und Januar 2004. Der Feststellungsantrag bezüglich der 2,4 %igen Vergütungserhöhung bezieht sich auf den folgenden Zeitraum ab Februar 2004. Das dafür nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers liegt ebenso vor wie das für die Feststellung der – vom Arbeitsgericht noch in der Form des Zahlungsantrages abgelehnten – Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von je einem weiteren Prozent ab Januar 2004 bzw. Mai 2004. Der Kläger war nicht gehindert, insoweit in der Berufungsinstanz die Klage zu erweitern und zugleich von einem Zahlungsantrag auf einen Feststellungsantrag überzugehen, da dieser zukunftsoffen den Zeitraum ab dem 1. Januar 2004 umfasst und ohnehin mangels Fälligkeit für die Zukunft nicht als Leistungsantrag hätte gestellt werden können (vgl. dazu Senat 7. Juni 2006 – 4 AZR 272/05 – AP TVG § 1 Nr. 37 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 43). Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse des Klägers liegt in dieser weitgehend zukunftsgerichteten Verpflichtung des Beklagten zur weiteren Zahlung der begehrten Erhöhungen. Es ist nach der Erklärung des Beklagten, einem rechtskräftigen Feststellungsurteil Folge zu leisten, auch davon auszugehen, dass der Streit der Parteien durch ein Feststellungsurteil endgültig beigelegt wird (vgl. dazu BAG 16. Juli 1998 – 6 AZR 672/96 – AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 27 mwN), so dass die Aufteilung in einen (bezifferten) Zahlungsanspruch und einen weiteren Feststellungsanspruch nicht erforderlich ist.
II. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage auch begründet ist.
1. Hinsichtlich der bezifferten Leistungsanträge für die 2,4 %ige Vergütungserhöhung ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig geworden, weil der Beklagte sie in der Revision nicht angegriffen hat. Denn der Revisionsantrag des Beklagten richtet sich nur gegen den vom Landesarbeitsgericht abgeänderten Teil des arbeitsgerichtlichen Urteils, also gegen den Feststellungsantrag, zielt dagegen nicht auf die Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils auch hinsichtlich des dort titulierten Zahlungsanspruchs. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Revisionsantrages und den sonstigen Umständen.
a) Der Revisionsantrag richtet sich zunächst uneingeschränkt auf die Aufhebung des Berufungsurteils. Dies könnte dafür sprechen, dass der Beklagte auch begehrt, das Berufungsurteil insoweit aufzuheben als seine eigene Berufung zurückgewiesen wurde, mit der er die arbeitsgerichtliche Verurteilung zur Zahlung von 126,62 Euro nebst Zinsen angegriffen hat.
b) Der Abänderungsantrag im Revisionsantrag des Beklagten aber verdeutlicht, dass dieser Teil des arbeitsgerichtlichen Urteils nicht angegriffen werden soll. Denn die Änderung des Berufungsurteils wird nur insoweit beantragt, als die Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das arbeitsgerichtliche Urteil begehrt wird, nicht jedoch hinsichtlich der Abweisung der Klage insgesamt. Sie richtet sich daher nur gegen die auf die Berufung des Klägers erfolgte Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils, dh. gegen die gerichtliche Feststellung der Zahlungsverpflichtung in der vom Landesarbeitsgericht ausgesprochenen Form, nicht jedoch gegen den vom Landesarbeitsgericht bestätigten Teil des arbeitsgerichtlichen Urteils auf Verurteilung zur Zahlung von 126,62 Euro. Die eigene Berufung gegen die Verurteilung im arbeitsgerichtlichen Urteil und deren Zurückweisung durch das Landesarbeitsgericht wird weder im Antrag noch in der Begründung auch nur erwähnt.
c) Auch die Revisionsbegründung befasst sich nicht mit der Begründung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Revisionsbegründung greift zwar die Argumentation des Landesarbeitsgerichts insgesamt an, erfasst in der Sache also nicht nur den Feststellungsanspruch, sondern auch den Zahlungsanspruch in der vom Landesarbeitsgericht angenommenen Begründung. Eine Auseinandersetzung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil war aber in jedem Falle unverzichtbar. Denn das Arbeitsgericht hat dem Zahlungsanspruch aus einem ganz anderen Grunde stattgegeben als das Landesarbeitsgericht. Jenes ging von einer “betrieblichen Übung” aus, während dieses die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückwies, weil sich der Anspruch aus der Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag ergebe. Aus der Zurückweisung dieser Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts folgt also nicht zwangsläufig, dass der Beklagte sich entgegen dem Wortlaut seines Antrages auch gegen die arbeitsgerichtliche Verurteilung wenden will.
2. Die gegen die Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils durch das Landesarbeitsgericht gerichtete Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht von einer Verpflichtung des Beklagten zur Weitergabe der für den öffentlichen Dienst am 31. Januar 2003 vereinbarten Gehaltserhöhungen an den Kläger ausgegangen. Das ergibt sich aus einer Auslegung der vertraglichen Verweisungsklausel.
a) Das Landesarbeitsgericht hat die Klausel dahingehend ausgelegt, dass die Parteien entsprechend dem vertraglichen Wortlaut die “DRK-Arbeitsbedingungen” in ihrer jeweiligen Fassung in Bezug genommen haben, nicht dagegen den DRK-TV in seiner jeweiligen Fassung. Die “DRK-Arbeitsbedingungen” hätten jedoch keine Tarifvertragsqualität. Die Verweisungsklausel könne daher nicht als Gleichstellungsabrede im Sinne der bisherigen Senatsrechtsprechung ausgelegt werden, weil sie nicht an die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers anknüpfe. Vielmehr würden die “DRK-Arbeitsbedingungen” einseitig von Präsidium und Präsidialrat des DRK festgesetzt werden, so dass sie keine normative Wirkung entfalteten. Die streitgegenständlichen Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst seien auch durch einen wirksamen Beschluss der dafür zuständigen Gremien in die “DRK-Arbeitsbedingungen” überführt worden, so dass sie nach der Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden seien.
b) Diese Auslegung des Arbeitsvertrages durch das Landesarbeitsgericht ist rechtsfehlerfrei.
aa) Bei der Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag des Klägers handelt es sich um eine typische Vertragsklausel, die – wie dem Senat aus zahlreichen anderen Fällen bekannt ist und wie der Beklagte bestätigt hat – jedenfalls früher in nahezu allen Verträgen von Kreisverbänden des Deutschen Roten Kreuzes, auch vom Beklagten selbst, vereinbart worden ist. Das Verständnis und die Auslegung typischer Vertragsklauseln unterliegen der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (st. Rspr., zB Senat 1. August 2001 – 4 AZR 129/00 – BAGE 98, 293, 299).
bb) Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien kommen für das Beschäftigungsverhältnis die Arbeitsbedingungen der Angestellten des Deutschen Roten Kreuzes zur Anwendung. Diese Bezugnahme ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte als zeitdynamische Verweisung auf die DRK-Arbeitsbedingungen anzusehen (vgl. für Bezugnahme auf Tarifverträge zB Senat 26. September 2001 – 4 AZR 544/00 – BAGE 99, 120, 124 mwN). Das entspricht auch der tatsächlichen Praxis der Parteien während des Arbeitsverhältnisses.
Die DRK-Arbeitsbedingungen in der im streitigen Zeitraum gültigen Fassung enthalten die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung der Vergütungserhöhungen in dem vom Kläger beantragten Umfang. Die Tariferhöhungen des öffentlichen Dienstes vom 31. Januar 2003 sind durch Beschluss des Präsidiums des DRK vom 6. März 2003 und des Präsidialrates vom 26. März 2003 in die DRK-Arbeitsbedingungen übernommen worden. Damit wurden sie zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses.
cc) Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision sind erfolglos.
(1) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Verweisung nicht als Gleichstellungsabrede im Sinne der bisherigen Senatsrechtsprechung auszulegen.
Bei einer arbeitsvertraglichen Gleichstellungsabrede iSd. Senatsrechtsprechung wird der in Bezug genommene Tarifvertrag in der jeweils gültigen Fassung auf das Arbeitsverhältnis angewendet, solange der Arbeitgeber an diesen Tarifvertrag gebunden ist. Tarifverträge, die erst nach Ende der Tarifbindung des Arbeitgebers abgeschlossen werden, sind dagegen ohne Einfluss auf das Arbeitsverhältnis (vgl. nur 26. September 2001 – 4 AZR 544/00 – BAGE 99, 120, 130). Die Annahme einer Gleichstellungsabrede setzt nach der bisherigen Senatsrechtsprechung voraus, dass der Arbeitgeber an die Tarifverträge, die in Bezug genommen werden, selbst gebunden ist. Denn die Gleichstellungsabrede soll lediglich die möglicherweise fehlende Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers ersetzen und ihn mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern gleichstellen (vgl. nur 26. September 2001 – 4 AZR 544/00 – aaO, S. 126 mwN).
Der Arbeitsvertrag der Parteien nimmt jedoch nicht auf einen Tarifvertrag Bezug, an den die möglicherweise fehlende tarifrechtliche Bindung des Arbeitnehmers mit Hilfe der Verweisungsklausel hergestellt werden soll. Als Gegenstand der Bezugnahme sind vielmehr die DRK-Arbeitsbedingungen vereinbart worden. Sie haben keine Tarifvertragsqualität (Senat 27. November 2002 – 4 AZR 663/01 – BAGE 104, 39, 43). Daran ändert auch nichts, dass sie in der Vergangenheit wortgleich mit den jeweils abgeschlossenen Änderungen des DRK-TV satzungsgemäß beschlossen worden sind. Normativen Charakter erhalten sie dadurch nicht (Senat 27. November 2002 – 4 AZR 663/01 – aaO).
Da es sich nicht um eine Gleichstellungsabrede handelt, bleibt der Austritt des Beklagten aus der DRK-LTG Nds. zum 31. März 2003 ohne Konsequenzen und führt insbesondere nicht dazu, dass der Abschluss des 23. ÄndTV-DRK im November/Dezember 2003 einer Anwendung der Tariferhöhungen des öffentlichen Dienstes entgegensteht.
(2) Die Revision geht davon aus, dass durch die jahrelange Praxis des Beklagten, auf sämtliche Mitarbeiter nur noch den DRK-TV anzuwenden, die Verweisungsklausel in § 2 des Arbeitsvertrages “konkludent abbedungen” sei.
Dieser Einwand bleibt schon deshalb erfolglos, weil die DRK-Arbeitsbedingungen und der DRK-TV stets wortgleich waren und alle Änderungen im DRK-TV stets auch den in den DRK-Arbeitsbedingungen vorgenommenen Änderungen entsprach. Der Vertrag wurde also aus der Sicht des Klägers stets in der vereinbarten Form, nämlich durch Anwendung der in Bezug genommenen DRK-Arbeitsbedingungen umgesetzt, so dass eine konkludente Änderung schon deshalb ausscheidet.
(3) Die Revision geht ferner davon aus, dass der Präsidiumsbeschluss des DRK allein keine Bindung des Beklagten an die Änderung der DRK-Arbeitsbedingungen bewirken könne; es bedürfe insoweit noch eines Umsetzungsbeschlusses durch den Beklagten selbst.
Auch diese Auffassung geht fehl. Gegenstand der Bezugnahme sind die DRK-Arbeitsbedingungen. Deren Änderung richtet sich nach der Satzung des DRK-Bundesverbandes. Erfolgt eine insoweit satzungsmäßige Änderung, wirkt diese unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ein. Dass die Bestimmung des Inhalts des Arbeitsverhältnisses dadurch teilweise auf Dritte delegiert wird, ist von dem erklärten Willen der Parteien, wie er im eindeutigen Wortlaut des Arbeitsvertrages seinen Niederschlag gefunden hat, umfasst und jedenfalls in der vorliegenden Konstellation rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. dazu Senat 13. September 2006 – 4 AZR 1/06 – ZMV 2007, 148, 149). Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht darauf verwiesen, dass es – entgegen der Auffassung des Beklagten – unerheblich sei, dass der Präsidialrat des DRK die Übernahme des Tarifabschlusses auf § 19 Abs. 4 der Satzung gestützt hat. Denn dies habe nur zur Folge, dass verbandsrechtlich keine Verpflichtung des Beklagten zur Umsetzung der geänderten DRK-Arbeitsbedingungen bestehe. Dies habe jedoch keinen Einfluss auf die individualrechtliche Vereinbarung der Parteien, die unmittelbar die DRK-Arbeitsbedingungen in ihrer jeweiligen Form in Bezug nehmen.
Davon geht auch das DRK selbst aus. In den vom Deutschen Roten Kreuz e. V. herausgegebenen Erläuterungen zur Tarifsammlung des DRK-West (DRKArbeitsbedingungen West Stand Mai 2004 S. I f.) heißt es dazu:
“Da die Übernahme des Tarifabschlusses des öffentlichen Dienstes in die DRK-Arbeitsbedingungen erstmalig nicht nach § 19 Abs. 3, sondern lediglich nach § 19 Abs. 4 der DRK-Satzung erfolgt, besteht verbandsrechtlich keine Verpflichtung zur Anwendung der DRK-Arbeitsbedingungen in der durch die Beschlüsse vom März 2003 geltenden Fassung. Soweit in Arbeitsverträgen mit Mitarbeitern eine dynamische Anpassungsklausel enthalten ist, wonach sich das Arbeitsverhältnis … nach den jeweils geltenden DRK-Arbeitsbedingungen richtet …, besteht individualarbeitsrechtlich allerdings eine Verpflichtung zur Anwendung der Arbeitsbedingungen in der aktuellen, dh. in der durch die Präsidiums- und Präsidialratsbeschlüsse vom 06.03.2003 und 26.03.2003 geltenden Fassung.”
Diese Auffassung wird vom Senat geteilt.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Bepler, Wolter, Creutzfeldt, Günther, Görgens
Fundstellen
Haufe-Index 1799445 |
NZA 2007, 1455 |
EzA-SD 2007, 14 |
NJOZ 2007, 5823 |
SPA 2008, 7 |