Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsabschluss. Arbeitsverhältnis und betriebliche Praxiserprobung gemäß § 16 SGB II. Eingliederungsvereinbarung
Orientierungssatz
Vermittelt ein für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit zuständiger Träger eine betriebliche Praxiserprobung, wird zwischen dem Hilfebedürftigen und dem Maßnahmeträger ein von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts geprägtes Rechtsverhältnis begründet. Eine Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II ist dafür nicht zwingend erforderlich.
Normenkette
SGB II § 15 Abs. 1, § 16 Abs. 1-2, § 17 Abs. 1; BGB § 145 ff., § 611
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 2. Februar 2007 – 12 Sa 772/06 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten über Mehrarbeitsvergütung.
Der Kläger ist Empfänger von Arbeitslosengeld II. Der Landkreis Fulda, der für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit zuständig ist, bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 31. März bis zum 15. April 2005 “die Teilnahme an einer betrieblichen Praxiserprobung nach § 16 Abs. 2 SGB II” im Betrieb der Beklagten. Während der Praxiserprobung wurden dem Kläger weiter Leistungen nach dem SGB II einschließlich Fahrtkostenerstattung gewährt.
Der Kläger hat geltend gemacht, zu der Beklagten habe wegen übermäßiger zeitlicher Inanspruchnahme neben der betrieblichen Praxiserprobung eine Sonderverbindung bestanden, aus der sich Ansprüche auf Überstundenvergütung ergäben.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 907,50 Euro brutto, hilfsweise 550,50 Euro brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der Inhaber der Beklagten habe weder Tätigkeiten angeordnet, noch Anforderungen in zeitlicher Hinsicht gestellt. Verwertbare Arbeitsleistungen seien nicht erbracht worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Überstundenvergütung.
I. Zwischen den Parteien hat kein Arbeitsverhältnis bestanden.
1. Bewilligt ein zuständiger Träger einem Hilfebedürftigen als Eingliederungsleistung nach § 16 SGB II eine betriebliche Praxiserprobung bei einem privaten Unternehmen, so wird hierdurch ein von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts geprägtes Rechtsverhältnis und kein Arbeitsverhältnis begründet. Unterstützungen bei einer betrieblichen Praxiserprobung gehören zu den Leistungen, die ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger nach § 16 SGB II als Leistung zur Eingliederung in Arbeit erhalten kann. Bei der Bewilligung einer betrieblichen Praxiserprobung gelten dieselben Grundsätze, wie sie der Senat zu Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II dargelegt hat (vgl. 26. September 2007 – 5 AZR 857/06 – AP SGB II § 16 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 12; 20. Februar 2008 – 5 AZR 290/07 –). Auch das Fehlen einer Eingliederungsvereinbarung iSv. § 15 SGB II führt nicht zu einem Arbeitsverhältnis. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II “sollen” die für die Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbart werden. Die Eingliederungsvereinbarung ist danach nicht zwingend. Kommt sie nicht zustande, hält § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II einen – ebenfalls nicht zwingenden – Ersatz bereit.
2. Neben dem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis hat zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestanden, welches Ansprüche auf Überstundenvergütung begründen könnte. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt. Regelmäßig liegt der Arbeitsaufnahme die öffentlich-rechtliche Maßnahme zugrunde. Vor dem Hintergrund der öffentlich-rechtlichen Beziehungen setzt die Annahme eines Arbeitsverhältnisses voraus, dass die Erklärungen der Parteien trotz der öffentlich-rechtlichen Maßnahme auf den Abschluss eines privatrechtlichen Vertrags iSd. § 611 BGB gerichtet sind. Für den Abschluss eines Arbeitsvertrags bedarf es zweier korrespondierender Willenserklärungen, des Angebots (Antrag) und der Annahme, §§ 145 ff. BGB.
Der Kläger hat die Begründung eines Arbeitsverhältnisses nicht schlüssig dargelegt. Er hat nicht vorgetragen, wann und wodurch zwischen den Parteien neben dem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis ein Arbeitsvertrag geschlossen worden sei. Dies erkennend schließt er nur aus der behaupteten faktischen übermäßigen Inanspruchnahme seiner Leistungen durch die Beklagte auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Dies genügt nicht, denn bei unstreitigem Bestand einer öffentlich-rechtlich geregelten Beziehung beinhaltet allein die behauptete Entgegennahme von Arbeitsleistungen weder ein ausdrückliches noch ein konkludentes Angebot der Beklagten, jede über acht Stunden täglich hinausgehende Tätigkeit als in einem Arbeitsverhältnis erbracht zu werten.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Laux, W. Hinrichs, Heyn
Fundstellen
Haufe-Index 1998611 |
DB 2008, 2085 |
NJW 2008, 2143 |
FA 2008, 245 |
NZA 2008, 760 |
ZTR 2008, 502 |
AP, 0 |
EzA-SD 2008, 16 |
EzA |
HzA aktuell 2008, 6 |