Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslandseinsatz. Vereinbarung über die Höhe der Lohnfortzahlung
Orientierungssatz
Vergleichbare Rechtslage in dem mit Urteil vom 21.3.1985 6 AZR 565/82 entschiedenen Fall.
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 14.09.1983; Aktenzeichen 3 Sa 28/83) |
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 12.10.1982; Aktenzeichen 4 Ca 136/82) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger - wie vereinbart - während seiner Auslandstätigkeit im Urlaubs- und Krankheitsfall nur eine Grundvergütung beanspruchen kann, die niedriger ist als sein durchschnittliches Arbeitsentgelt unter Berücksichtigung regelmäßig geleisteter Überstunden.
Der Kläger war vom 3. Januar bis 19. Dezember 1981 als Installateur - Hilfspolier - auf einer Baustelle der Beklagten in Riyadh in Saudi Arabien tätig. Das Arbeitsverhältnis beschränkte sich ausschließlich hierauf. Die hierfür maßgebenden Arbeitsbedingungen haben die Parteien im Arbeitsvertrag vom 13. November 1980 geregelt. Nach § 3 dieses Vertrages erhielt der Kläger während seines Auslandseinsatzes eine monatliche Gesamtvergütung für eine Arbeitszeit von 208 Stunden im Monat in Höhe von 5.134,-- DM. Diese Gesamtvergütung setzte sich aus einer Grundvergütung für 173 Arbeitsstunden und 35 Überstunden von 3.334,-- DM sowie aus einer monatlichen Baustellenzulage von 1.800,-- DM zusammen. Für die über 208 Stunden im Monat hinausgehende von der Bauleitung angeordnete Mehrarbeit sollte eine zusätzliche Vergütung bezahlt werden.
Die Beklagte hat dem Kläger während seines Urlaubs und seiner Krankheit nur die Grundvergütung auf der Basis einer Arbeitszeit von 8 Stunden täglich für sechs Tage bezahlt; sie beruft sich hierzu auf folgende Vereinbarung in § 3 und § 10 des Vertrages:
"Bei Krankheit und Urlaub im Vertragszeitraum
wird die unter c) festgelegte Grundvergütung
weitergezahlt.
Bei Krankheit bis zu 4 Wochen wird auch
die Auslandsbaustellenzulage d) weiterbezahlt,
sofern der Arbeitnehmer in Saudi Arabien ver-
bleibt.
Während der Einsatzzeit in Saudi Arabien erwirbt
der Arbeitnehmer einen Urlaubsanspruch von 42
Kalendertagen (6 Wochen) pro Einsatzjahr.
Dies entspricht 3,5 Kalendertagen pro Einsatz-
monat.
Während der Urlausbzeit wird die unter c) fest-
gelegte Grundvergütung weitergezahlt (ohne Aus-
landsbaustellenzulage)."
Der Kläger ist demgegenüber der Ansicht, diese Vereinbarungen verstießen gegen zwingendes deutsches Arbeitsrecht. Er fordert daher für 13 Urlaubs- und 17 Krankheitstage seinen Durchschnittslohn unter Berücksichtigung der regelmäßig geleisteten Überstunden (Sechs-Tage-Woche x 12 Stunden täglicher Arbeitszeit). Hiernach errechnet er für die Krankheitstage über die Grundvergütung hinaus weitere 1.909,70 DM brutto sowie für den Urlaubszeitraum weitere 2.759,44 DM brutto = zusammen 4.669,14 DM. Diese Forderung ist in der Höhe unstreitig.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
DM 4.669,14 brutto nebst 11 % Zinsen
hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach ihrer Meinung sind auf das Auslandsarbeitsverhältnis mit dem Kläger das Bundesurlaubsgesetz und das Lohnfortzahlungsgesetz nicht anwendbar, denn nach § 13 des Arbeitsvertrages sollte deutsches Arbeitsrecht nur "im übrigen" gelten, also soweit keine abweichenden Regelungen erfolgt seien. Hierzu verweist die Beklagte auf folgenden Wortlaut:
"Meinungsverschiedenheiten aus diesem Vertrag
sollen grundsätzlich in gegenseitiger Aus-
sprache geklärt werden, wobei für die Klärung
von Zweifelsfragen ausschließlich die Haupt-
verwaltung der Firma G E in S
zuständig ist.
Im übrigen gelten die arbeitsrechtlichen Be-
stimmungen der BRD. Rechtsort ist hierfür
S .
Der Auslandseinsatz fällt nicht unter die Tarif-
vertragsbestimmungen des Baugewerbes in der BRD.
Jedoch werden tarifliche Lohn- bzw. Gehaltser-
höhungen während des Auslandseinsatzes bei der
Grundvergütung des Arbeitnehmers zum gegebenen
Zeitpunkt berücksichtigt...
Gegenüber einem von den saudi-arabischen Behörden
evtl. verlangten besonderen Arbeitsvertrag haben
die Festlegungen dieses Vertrages in jedem Falle
Vorrang..."
Im Hinblick auf die letztgenannte Bestimmung hat die Beklagte ausgeführt, daß die saudi-arabischen Behörden keinen besonderen Arbeitsvertrag verlangt hätten.
Hilfsweise hat die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht, daß der Kläger sich auf seine Urlaubsgeldforderung die vereinbarungsgemäß von der Beklagten gezahlten Flugkosten für den Heimaturlaub in Höhe von zusammen 8.040,-- DM anrechnen lassen müsse.
Das Arbeitsgericht hat der Hauptforderung des Klägers entsprochen, allerdings hierauf Zinsen nur in Höhe von 4 % ab Rechtshängigkeit zuerkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht uneingeschränkt deutsches Arbeitsrecht auf das Arbeitsverhältnis angewandt.
Arbeits- und Landesarbeitsgericht sind zutreffend davon ausgegangen, daß im vorliegenden Rechtsstreit die internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte gegeben ist. Die internationale Zuständigkeit behandelt die Frage, ob ein deutsches oder ein ausländisches Gericht für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig ist. Da es um die Ausübung staatlicher Hoheitsrechte und die Belange der Gerichtsbarkeit geht, muß die internationale Zuständigkeit von Amts wegen beachtet werden. Das gilt auch für die Revisionsinstanz; einer entsprechenden Revisionsrüge bedarf es nicht (BAG Urteil vom 26. Februar 1985 - 3 AZR 1/83 - AP Nr. 23 zu Internat. Privatrecht, Arbeitsrecht sowie BAG 27, 99 = AP Nr. 12 zu Internat. Privatrecht, Arbeitsrecht).
Die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts richtet sich mangels besonderer Regeln im Recht der Bundesrepublik Deutschland im wesentlichen nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit. Ist ein deutsches Gericht nach den §§ 12 ff. ZPO örtlich zuständig, so ist es im Regelfall auch international im Verhältnis zu einem ausländischen Gericht zuständig (BAG Urteil vom 26. Februar 1985 - 3 AZR 1/83 -, aaO, sowie BAG 27, 99 = AP Nr. 12 zu Internat. Privatrecht, Arbeitsrecht). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, denn das in der Vorinstanz angerufene Gericht ist nach § 17 ZPO zuständig.
2. a) Die Revision wendet sich ohne Erfolg dagegen, daß das Berufungsgericht im Streitfall uneingeschränkt deutsches Arbeitsrecht anwendet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Rechtslehre übereinstimmt, gilt für Arbeitsverträge mit Auslandsberührung der Grundsatz der Parteiautonomie (vgl. BAG Urteil vom 10. April 1975, aaO, mit Anm. Beitzke, zu 2, jeweils m. w. N. sowie BAG Urteil vom 26. Februar 1985 - 3 AZR 1/83 -, aaO, und Urteil des erkennenden Senats vom 4. Dezember 1985 - 5 AZR 627/84 - II 1 der Gründe). Hiernach können die Vertragspartner das für ihr Rechtsverhältnis maßgebliche Recht selbst bestimmen (Grundsatz der Wahlfreiheit). Nur wenn es an einer - ausdrücklichen oder stillschweigenden - Vereinbarung eines bestimmten Rechts fehlt, so ist nicht nach subjektiven Vorstellungen, sondern nach objektiven sachlichen Anhaltspunkten der mutmaßliche Parteiwille zu ermitteln (BAG Urteil vom 10. April 1975, aaO, mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur sowie BAG Urteil vom 26. Februar 1985 - 3 AZR 1/83 - II 1 der Gründe).
Die erforderliche Auslandsberührung ist hier gegeben; sie ist nämlich anzunehmen, wenn entweder eine Partei des Rechtsstreits Ausländer ist (daran fehlt es hier) oder der Arbeitsvertrag ausschließlich im Ausland erfüllt werden soll (vgl. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 6 S. 17). Die letztgenannte Voraussetzung ist hier unstreitig erfüllt.
b) Hiernach konnten die Parteien die uneingeschränkte Anwendung deutschen Arbeitsrechts im Arbeitsvertrag vereinbaren. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die unter § 13 des Arbeitsvertrages getroffene Regelung dahin ausgelegt, daß deutsches Recht anzuwenden sei. Hierbei handelt es sich um eine sog. typische Vertragsklausel, weil sie in einem Formularvertrag enthalten ist, den die Beklagte für eine größere Zahl gleichartiger Rechtsverhältnisse verwendet (vgl. BAG Urteile vom 15. Dezember 1956 - 2 AZR 364/56 - AP Nr. 4 zu § 549 ZPO; vom 30. September 1958 - 2 AZR 356/56 - AP Nr. 7 zu § 550 ZPO und BAG Urteil vom 21. März 1985 - 6 AZR 565/82 - AP Nr. 11 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit). Trotz der danach stattfindenden uneingeschränkten Überprüfung der Auslegung ist dem Landesarbeitsgericht zu folgen. Nach § 13 des Arbeitsvertrages sollen nämlich - über die vertraglichen Regelungen hinaus - "im übrigen die arbeitsrechtlichen Bestimmungen der BRD" gelten und "Rechtsort ist hierfür S ". Hieraus hat das Berufungsgericht zutreffend entnommen, daß vereinbarungsgemäß deutsches Recht gelten sollte. Im übrigen folgt der Senat den Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts zur Auslegung der gleichlautenden Vertragsbestimmungen im Urteil vom 21. März 1985 - 6 AZR 565/82 -, aaO, und nimmt auf diese Bezug.
c) Ist danach von der uneingeschränkten Anwendung deutschen Arbeitsrechts auszugehen, so schließt das sowohl die Anwendung des Bundesurlaubsgesetzes wie des Lohnfortzahlungsgesetzes ein.
3. Nach den vorgenannten gesetzlichen Bestimmungen ist die Klage sowohl hinsichtlich der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nach §§ 1, 2 LohnFG wie des Urlaubsentgelts nach §§ 1, 11 Abs. 1 BUrlG begründet. Da der Kläger die Urlaubsvergütung für einen Urlaub begehrt, der den gesetzlichen Mindesturlaub nicht erreicht, konnten die Parteien nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG keine von § 11 Abs. 1 Satz 2 BUrlG zu Lasten des Klägers abweichende Vereinbarung treffen (vgl. dazu BAG Urteil vom 21. März 1985 - 6 AZR 565/82 - aaO). Die rechnerische Höhe der Klageforderung ist im übrigen unstreitig.
4. Die Beklagte hat hilfsweise ausgeführt, die dem Kläger kraft vertraglicher Vereinbarung (§ 10 Abs. 4 des Anstellungsvertrages) zustehenden Flugreisekosten für zwei Heimflüge seien als Teil der Urlaubsvergütung anzusehen und auf diese anzurechnen. Hierzu hat jedoch schon das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt, daß keinerlei Anhalt für einen Einfluß der übernommenen Reisekosten auf das Urlaubsentgelt ersichtlich ist. Die Beklagte hat diese Frage in der Berufungsinstanz nicht mehr aufgegriffen. Daher ist auch ihre in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge unzulässig.
5. Soweit allerdings das Arbeitsgericht im Urteil vom 12. Oktober 1982 in diesem Rechtsstreit die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger 4 % Zinsen auf den zuerkannten Bruttobetrag zu zahlen, bedurfte es einer Klarstellung im Urteilstenor: Ein Arbeitnehmer kann bei einer gerichtlichen Geltendmachung von Vergütungsansprüchen Zinsen nur aus den Nettobeträgen verlangen, die den zuerkannten Bruttobeträgen entsprechen (vgl. BAG 42, 244, 258 = AP Nr. 2 zu § 21 TVAL II; BAG Urteil vom 13. Februar 1985 - 4 AZR 295/83 - AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Presse; sowie das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil vom 5. Februar 1986 - 5 AZR 632/84 -, zu 4 der Gründe).
Dr. Thomas Schneider Dr. Olderog ist durch
Urlaub an der Unter-
schrift verhindert
Dr. Thomas
Nitsche Dr. Schönherr
Fundstellen