Entscheidungsstichwort (Thema)
Zumutbare Ersatztätigkeit einer schwangeren Flugbegleiterin
Leitsatz (amtlich)
1. Eine schwangere Frau, die aufgrund eines gesetzlichen Beschäftigungsverbots ihre vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringen darf, kann verpflichtet sein, vorübergehend eine andere ihr zumutbare Tätigkeit auszuüben.
2. Die Zuweisung einer anderen Tätigkeit muß billiges Ermessen wahren und darf die Schwangere nicht über Gebühr belasten.
3. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Für eine Flugbegleiterin kommt jedenfalls bis zum Beginn des sechsten Schwangerschaftsmonats auch eine auswärtige Beschäftigung in Betracht.
Leitsatz (redaktionell)
Sonst
Normenkette
MuSchG § 4 Abs. 2 Nr. 7; BGB § 315
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 23. Mai 1997 - 12 Sa 77/97 - aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 9. Oktober 1996 - 10 Ca 3733/96 - wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche der Klägerin für die Zeit vom 1. November 1994 bis zum 28. Dezember 1994. Die Klägerin hat in diesem Zeitraum wegen eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots nicht gearbeitet.
Die Beklagte betreibt eine Fluggesellschaft. Auf der Grundlage des von ihr dazu verwendeten "befristeten Anstellungsvertrags für Flugbegleiter" stellte sie die Klägerin für die Zeit vom 26. März 1994 bis zum 25. September 1995 als Flugbegleiterin ein.
§ 3 Satz 1 des Vertrags sah als sog. Einsatzort zunächst D vor. Nach Satz 2 der Regelung sollte die Beklagte berechtigt sein, den Einsatzort mit einer Ankündigungsfrist von drei Monaten abzuändern, da im Charterbetrieb ein Standortwechsel der Flugzeuge diese Maßnahme erforderlich machen könne.
Mitte September 1994 teilte die Klägerin der Beklagten mit, daß sie in der achten oder neunten Woche schwanger sei. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Oktober 1994. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage. Ende Oktober 1994 nahm die Beklagte die Kündigung zurück. Der Rechtsstreit wurde im April 1995 durch einen gerichtlichen Vergleich dahin beendet, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien ungekündigt fortbestehe.
Mit Schreiben vom 26. Oktober 1994 forderte die Beklagte die Klägerin auf, ab sofort in ihrem Büro am Flughafen Tegel in Berlin zu arbeiten. In dem Schreiben heißt es weiter:
"Die Dienstzeit ist montags 12.00 bis 17.00 Uhr, dienstags, mittwochs und donnerstags 8.00 bis 17.00 Uhr sowie freitags 8.00 bis 12.00 Uhr. Wir haben dabei berücksichtigt, daß Sie von D aus anzureisen haben.
Wir werden Sie während Ihrer Tätigkeit in Tegel im Hotel E unterbringen und Ihnen die üblichen Spesen bezahlen sowie die Fahrtkosten von und nach D ... erstatten."
Die Klägerin lehnte diese Aufforderung ab. Daraufhin stellte die Beklagte für die Zeit vom 1. November 1994 bis zum 28. Dezember 1994 - dem Tag vor Beginn des vorzeitigen Mutterschaftsurlaubs der Klägerin - die Gehaltszahlungen ein.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin ihre Vergütungsansprüche für den genannten Zeitraum geltend. Zeitgleich bezogene Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit läßt sie sich anrechnen.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, als Schwangere sei ihr eine Tätigkeit in Berlin wegen der Entfernung von ihrem Wohnort D und wegen des damit verbundenen Hotelaufenthalts nicht zuzumuten. Im übrigen habe die Beklagte die dreimonatige Ankündigungsfrist gem. § 3 Satz 2 des Arbeitsvertrags nicht eingehalten. Dazu sei sie schon deshalb verpflichtet gewesen, weil sie - unstreitig - ab dem 1. November 1994 kein Flugzeug und kein fliegendes Personal mehr in D stationiert habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.455,51 DM brutto abzüglich 277,68 DM netto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 16. November 1994 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Tätigkeit in Berlin sei der Klägerin zuzumuten gewesen. Als Flugbegleiterin habe sie wegen § 4 Abs. 2 Nr. 7 MuSchG nicht mehr eingesetzt werden dürfen. Auf eine schwangerschaftsbedingte Versetzung sei § 3 des Arbeitsvertrages nicht anwendbar. Zudem besage der dort festgelegte "Einsatzort" nichts darüber, wo die Arbeitnehmerin ihre Arbeit tatsächlich zu erbringen habe, der Einsatzort habe lediglich Bedeutung für mögliche Ansprüche auf Aufwandsentschädigung.
Das Arbeitsgericht hat der Klage - bis auf einen Teil der Zinsforderung - stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Klageabweisung.
I. Rechtliche Grundlage für Vergütungsansprüche der Klägerin ist § 11 Abs. 1 MuSchG. Danach ist Arbeitnehmerinnen, die wegen eines Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 1 MuSchG oder nach § 4 MuSchG teilweise oder völlig mit der Arbeit aussetzen, mindestens der Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate vor Beginn des Monats, in welchem die Schwangerschaft eingetreten ist, weiter zu zahlen. Die Voraussetzungen der Vorschrift sind erfüllt. Die Klägerin hat im fraglichen Zeitraum ihre vertraglich geschuldete Arbeit als Flugbegleiterin wegen eines im Gesetz aufgeführten Beschäftigungsverbots nicht erbracht. Die Klägerin durfte gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 7 MuSchG spätestens ab November 1994 nicht mehr als Flugbegleiterin tätig sein. Nach dieser Regelung dürfen werdende Mütter nach Ablauf des dritten Monats der Schwangerschaft auf "Beförderungsmitteln" nicht mehr beschäftigt werden. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß die Klägerin als Flugbegleiterin auf einem Beförderungsmittel im Sinne des Gesetzes eingesetzt war. Mit diesem Begriff sind alle Arten von Fahrzeugen erfaßt, die zu Land, zu Wasser oder in der Luft der Beförderung von Personen oder Sachen dienen (Gröninger/Thomas, Mutterschutzgesetz, 1998, § 4 MuSchG Rz 17). Es kommt nicht darauf an, ob die Arbeitnehmerin das Fahrzeug selbst führt oder ob sie während der Beförderung einer anderen Tätigkeit nachgeht (Heilmann, Mutterschutzgesetz, 2. Aufl., § 4 Rz 37). Das Verbot gilt damit auch für Stewardessen (Zmarzlik/Zipperer/Viethen, MuSchG, 7. Aufl., § 4 MuSchG Rz 50).
Im fraglichen Zeitraum (November bis Dezember 1994) war der dritte Schwangerschaftsmonat abgelaufen. Die Klägerin war laut ärztlicher Bescheinigung am 16. September 1994 in der achten oder neunten Woche schwanger. Anfang November 1994 befand sie sich demnach mindestens in der 15. Schwangerschaftswoche. Die Klägerin durfte im November und Dezember 1994 nicht mehr als Flugbegleiterin beschäftigt werden.
II. Der Anspruch ist jedoch infolge der Weigerung der Klägerin, in Berlin zu arbeiten, nicht gegeben. Der Arbeitgeber darf der von einem Beschäftigungsverbot betroffenen schwangeren Arbeitnehmerin eine zumutbare Ersatztätigkeit zuweisen. Lehnt diese eine solche Arbeit ab, geht sie ihres Anspruchs aus § 11 Abs. 1 MuSchG verlustig. Die Aufnahme der für sie vorgesehenen Ersatztätigkeit war der Klägerin zuzumuten.
1. Das Bundesarbeitsgericht hat mehrfach entschieden, daß ein Anspruch auf den Mutterschutzlohn des § 11 Abs. 1 MuSchG nur entsteht, wenn der Arbeitsausfall "wegen" eines Beschäftigungsverbots, d.h. in Beachtung und Befolgung eines solchen Verbots eingetreten ist. Das Verbot selbst muß die Ursache für den Ausfall der Arbeit und des Arbeitsentgelts sein. An dieser Kausalität fehlt es, wenn die Arbeitnehmerin verpflichtet war, eine ihr zugewiesene andere nicht verbotene Tätigkeit aufzunehmen, und sie diese abgelehnt hat. Dann ist ihre Weigerung die Ursache des Arbeits- und Verdienstausfalls und nicht das Beschäftigungsverbot. Aus § 11 Abs. 1 MuSchG besteht dann kein Anspruch (BAG Urteil vom 31. März 1969 - 3 AZR 300/68 - BAGE 21, 370 = AP Nr. 2 zu § 11 MuSchG 1968; BAG Urteil vom 8. Februar 1984 - 5 AZR 182/82 - EEK III/059; BAG Urteil vom 9. September 1971 - 3 AZR 261/70 - BAGE 23, 416 = AP Nr. 5 zu § 11 MuSchG 1968).
Die Literatur ist dieser Auffassung ganz überwiegend gefolgt (Gröninger/Thomas, aaO, § 3 MuSchG Rz 7, 9; Meisel/Sowka, Mutterschutz und Erziehungsurlaub, 4. Aufl., vor § 3 MuSchG Rz 11; Zmarzlik/Zipperer/Viethen, aaO, vor § 3 MuSchG Rz 5; Bulla/Buchner, MuSchG, 5. Aufl., Vorbem. zu §§ 3 bis 8 Rz 27; Woelk/Dalheimer, Mutterschaftshilfe und Mutterschutz, Stand März 1997, vor § 3 MuSchG - K 6; Weiler, AuR 1981, 142). Die Vorbehalte von Heilmann (aaO, Vorbem. vor §§ 3 bis 8 Rz 19 f.) richten sich weniger gegen die Grundsätze dieser Rechtsprechung als gegen zu weit gesteckte Zumutbarkeitsgrenzen. Auch die Klägerin hat Angriffe gegen die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht vorgebracht. Der Senat hält an ihr ausdrücklich fest.
2. Bei der Zuweisung einer Ersatztätigkeit hat der Arbeitgeber nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 315 BGB). In diesem Rahmen ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Einerseits gebietet die vertragliche Treuepflicht der Arbeitnehmerin, daran mitzuwirken, die finanziell nicht unerheblichen Folgen eines Beschäftigungsverbots für den Arbeitgeber möglichst gering zu halten. Sie muß deshalb für die absehbare Zeit bis zum Beginn der Mutterschutzfrist des § 3 Abs. 2 MuSchG unter Umständen auch solche - mutterschutzrechtlich erlaubten und zumutbaren - Tätigkeiten ausüben, zu denen sie im Wege des Direktionsrechts nicht angewiesen werden könnte (BAG Urteil vom 31. März 1969, aaO). Andererseits muß die angebotene Ersatzarbeit auf den besonderen Zustand der Schwangeren und deren berechtigte persönliche Belange auch außerhalb der unmittelbaren Arbeitsbeziehung Rücksicht nehmen. Dies kann im Einzelfall bedeuten, daß sogar eine aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers an sich zulässige Zuweisung veränderter Arbeitsaufgaben für die schwangere Arbeitnehmerin unzumutbar ist (BAG Urteil vom 31. März 1969, aaO; BAG Urteil vom 9. September 1971, aaO; BAG Urteil vom 14. April 1972 - 3 AZR 395/71 - AP Nr. 6 zu § 11 MuSchG 1968).
3. Von diesen Grundsätzen ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß sich Zumutbarkeitsbedenken aus der Art und dem Inhalt der von der Klägerin verlangten Ersatztätigkeit nicht ergeben. Die Klägerin sollte Aufgaben einer Büroangestellten in der Bodenstation der Beklagten in Berlin-Tegel wahrnehmen. Dies mag außerhalb des Berufsbildes einer Flugbegleiterin liegen, und die Aufforderung der Beklagten mag daher von ihrem allgemeinen Weisungsrecht nicht gedeckt gewesen sein. Die vorgesehene Tätigkeit als solche ist aber mutterschutzrechtlich erlaubt. Sie ist auch in ihrer sozialen Wertigkeit mit der einer Flugbegleiterin vergleichbar. Sie ist in keiner Weise maßregelnd oder kränkend. Ebensowenig unterliegt die vorgesehene Lage der Arbeitszeit einem mutterschutzrechtlichen Verbot.
4. Das Landesarbeitsgericht hat die Klägerin gleichwohl als nicht verpflichtet angesehen, die Tätigkeit in Berlin aufzunehmen. Seine Ansicht hat es damit begründet, daß § 3 des Arbeitsvertrags für eine Änderung des Einsatzortes eine Ankündigungsfrist von drei Monaten vorsehe. Diese Bestimmung diene dem Schutz der Arbeitnehmerin, die ausreichend Zeit erhalten solle, sich in ihren persönlichen Verhältnissen auf einen neuen Einsatzort einzurichten. Zwar beziehe sich die vertragliche Regelung auf die Tätigkeit einer Flugbegleiterin und gehe von einem möglicherweise länger andauernden Wechsel des Einsatzortes aus. Dennoch sei im Streitfall eine vergleichbare Situation gegeben. Der Lebensmittelpunkt der Klägerin verschiebe sich zu einem Zeitpunkt und in einer Situation, in der sie besonders schutzbedürftig sei. Wolle man gerade in solchen Fällen die dreimonatige Ankündigungsfrist nicht gelten lassen, komme es zu einem Wertungswiderspruch.
Der Senat folgt diesen Überlegungen des Landesarbeitsgerichts nicht.
a) Soweit es um die Auslegung des Arbeitsvertrags geht, handelt es sich um einen von der Beklagten ständig benutzten, typischen Vertrag. Der Senat kann daher den Vertrag selbst auslegen (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG Urteil vom 20. Juni 1985 - 2 AZR 427/84 - AP Nr. 33 zu § 112 BetrVG 1972, zu G I 2 der Gründe, m.w.N.). Das Revisionsgericht ist auch nicht gehindert, die Einhaltung des "billigen Ermessens" im Sinne des § 315 BGB daraufhin zu überprüfen, ob das Berufungsgericht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt oder - umgekehrt - bestimmte Umstände zu Unrecht herangezogen hat (BAG Urteil vom 29. August 1991 - 2 AZR 220/91 (A) - AP Nr. 32 zu § 622 BGB, m.w.N.).
b) Einer Umsetzung der Klägerin aus Gründen des Mutterschutzes steht die dreimonatige Ankündigungsfrist nicht entgegen. Der Einsatzort nach § 3 Satz 1 des Arbeitsvertrages betrifft lediglich die Tätigkeit der Klägerin als Flugbegleiterin. Dies folgt aus dem Gesamtzusammenhang der vertraglichen Regelungen. In § 2 des Vertrages wird das Aufgabengebiet der Klägerin "als Flugbegleiterin" genannt. Im unmittelbar anschließenden § 3 wird bestimmt, der Einsatzort sei zunächst D ; dies bezieht sich eindeutig auf die zuvor genannte Tätigkeit einer Flugbegleiterin. Dieser Bezug wird dadurch verstärkt, daß es in § 3 Satz 3 des Vertrages heißt, die Mitarbeiterin sei sich bewußt, daß im Charterbetrieb ein Standortwechsel der Flugzeuge den Wechsel des Einsatzortes erforderlich machen könne. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, dient die mit einem solchen Wechsel verbundene dreimonatige Ankündigungsfrist den Interessen der Arbeitnehmer. Sie sollen Gelegenheit erhalten, sich in ihren persönlichen und häuslichen Verhältnissen auf die Änderung des Einsatzortes und die damit verbundenen tatsächlichen und möglichen finanziellen Auswirkungen einzustellen. Ersichtlich gingen die Arbeitsvertragsparteien davon aus, daß ein Wechsel des Einsatzortes für den Arbeitgeber seinerseits längerfristig planbar sei, da ihm in der Regel bestimmte unternehmerische Konzepte zugrunde liegen. Dies macht eine dreimonatige Ankündigungsfrist zu einer beidseits interessengerechten Regelung.
Diese Konstellation ist aber nicht gegeben, wenn eine Flugbegleiterin ihre reguläre Tätigkeit wegen eines gesetzlichen Beschäftigungsverbots vorübergehend nicht mehr ausüben kann und sie allein deshalb andernorts eingesetzt werden soll. Ihr Einsatzort als Flugbegleiterin im Sinne der vertraglichen Vereinbarungen wird von einer solchen Maßnahme nicht tangiert und durch sie nicht geändert. Der Einhaltung der vertraglich vereinbarten Ankündigungsfrist bei einem Wechsel des Einsatzortes bedarf es aus diesem Grunde in Fällen wie dem vorliegenden nicht. Die Frage, ob der Klägerin die ihr angebotene Tätigkeit in Berlin zugemutet werden konnte, ist unabhängig von § 3 Satz 2 des Arbeitsvertrags der Parteien zu beantworten. Der vom Landesarbeitsgericht gesehene Wertungswiderspruch besteht daher nicht.
Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil die Beklagte seit November 1994 in D keine Flugzeuge und kein Flugpersonal mehr stationiert hatte. Nur wenn die Parteien mit dem Einsatzort den Leistungsort im Sinne des § 269 BGB hätten bestimmen wollen, so brauchte die Klägerin ihre Arbeit als Flugbegleiterin eventuell allein in D und in einem dort startenden Flugzeug anzutreten. Wenn in D - seit dem 1. November 1994 Flugzeuge nicht mehr stationiert wurden, wäre ihr dies unmöglich geworden. Ein zeitgleich einsetzendes Beschäftigungsverbot nach § 4 Abs. 2 Nr. 7 MuSchG könnte sich dann in der einzuhaltenden Zeit bis zum Wechsel des Einsatzortes nicht zu Lasten der Klägerin auswirken (§ 324 Abs. 1 BGB). Ein solches Verständnis des vertraglich vereinbarten Einsatzortes entspricht aber nicht dem wirklichen Willen der Vertragsparteien. Die Beklagte hat vorgetragen, daß der vertraglich festgelegte Einsatzort lediglich darüber entscheide, von welchem Ort und Zeitpunkt an die Flugbegleiter in Bezug auf ihre Arbeitszeit, Vergütung, Aufwandsentschädigungen u.ä. so behandelt würden, als befänden sie sich bereits im Dienst. Darüber, von welchem Flughafen aus und auf welchen Flugstrecken sie ihre Arbeit als Flugbegleiter tatsächlich aufzunehmen hätten, besage die Regelung nichts. Die Klägerin ist dem nicht entgegengetreten. Das Landesarbeitsgericht hat eigene Feststellungen hierzu nicht getroffen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Parteien streitlos gestellt, daß die Klägerin in der Vergangenheit mehrfach ihre Arbeit als Flugbegleiterin von anderen Flughäfen als D aus angetreten hat, und übereinstimmend erklärt, der Einsatzort sei lediglich als "home-base" der Flugbegleiter zu verstehen. Damit entscheidet der Einsatzort im Sinne des § 3 Satz 2 des Arbeitsvertrages der Parteien nicht darüber, wo die Klägerin ihre Arbeit als Flugbegleiterin tatsächlich aufzunehmen hat. Auch nach der Aufgabe von D als Stationierungsort für Flugzeuge und Flugpersonal hätte die Beklagte die Klägerin auf anderswo beginnenden Flugstrecken einsetzen dürfen. Dem Einsatz als Flugbegleiterin stand deshalb nicht ein - erst nach Fristablauf zulässiger - Wechsel des Einsatzortes, sondern das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot entgegen.
c) Das Landesarbeitsgericht hat die Frage, ob es der Klägerin zumutbar war, die angebotene Arbeit in Berlin aufzunehmen, mit Rücksicht auf die Regelung in § 3 Satz 2 des Arbeitsvertrages verneint. Eine Würdigung der tatsächlichen Umstände hat es nicht vorgenommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin erklärt, weitere Tatsachen als bereits aktenkundig in diesem Zusammenhang nicht vortragen zu können. Der Senat ist deshalb nicht gehindert, selbst zu beurteilen, ob es billigem Ermessen im Sinne von § 315 BGB entsprach, ihr eine Arbeit in Berlin zuzuweisen.
Die Frage ist zu bejahen. Am Ende des streitbefangenen Zeitraums befand die Klägerin sich im fünften, allenfalls zu Beginn des sechsten Schwangerschaftsmonats. Daß die Schwangerschaft ihr besondere Beschwerden verursacht habe oder risikoreich verlaufen wäre, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Sie sollte von Montagmittag bis Freitagmittag während normaler Tagesarbeitszeiten Bürotätigkeiten in Berlin-Tegel wahrnehmen. Um Berlin-Tegel von D aus zu erreichen, hätte sie sich einer Zugverbindung mit etwa 1,5 Stunden Fahrtdauer bedienen können. In Berlin wäre sie zwar während der Woche im Hotel untergebracht gewesen. Welche besonderen Unzuträglichkeiten damit für sie in ihrem Zustand verbunden gewesen wären, hat die Klägerin aber nicht vorgetragen. Nach aller Erfahrung muß angenommen werden, daß mit ihrer Arbeit als Flugbegleiterin Hotelaufenthalte regelmäßig verbunden waren. Gegenteiliges hat die Klägerin nicht behauptet. Weder die vorgesehene Tätigkeit als solche noch die Umstände, unter denen sie zu verrichten war, begründen deshalb im Streitfall durchgreifende Einwände gegen die Zumutbarkeit einer Tätigkeit der Klägerin in Berlin.
Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, daß die Aufforderung der Beklagten Maßregelungscharakter besitze, weil die Klägerin sich gegen die zuvor ausgesprochene Kündigung gewehrt habe, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Daß die Beklagte das Arbeitsverhältnis zunächst gekündigt hatte, hat die Arbeitsaufnahme in Berlin für die Klägerin noch nicht unzumutbar gemacht.
Die Klägerin war somit gehalten, die Ersatztätigkeit in Berlin aufzunehmen. § 99 Abs. 1 BetrVG ist nicht verletzt. Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellt, daß bei der Beklagten ein Betriebsrat nicht gewählt ist.
Unterschriften
Griebeling Reinecke Kreft Anthes Ackert
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 22.04.1998 durch Clobes, Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436436 |
BAGE, 279 |
DB 1998, 1920 |
ARST 1998, 230 |
FA 1998, 294 |
FA 1998, 314 |
NZA 1998, 936 |
RdA 1998, 380 |
SAE 1999, 113 |
ZTR 1998, 518 |
AP, 0 |
AuA 1998, 400 |
AuA 1999, 183 |
MDR 1998, 1295 |