Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzschutz nach ablösender Betriebsvereinbarung
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 22.9.1987, 3 AZR 662/85.
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 07.11.1985; Aktenzeichen 10 Sa 857/85) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 08.03.1985; Aktenzeichen 12 Ca 7574/84) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 08.03.1985; Aktenzeichen 12 Ca 2354/85) |
Tatbestand
Die Kläger zu 1) und 2) sind Arbeitnehmer der Streithelferin (künftig: A ). Der Kläger zu 3) ist ein früherer Mitarbeiter der A. Sie sind Inhaber gesetzlich unverfallbarer Versorgungsanwartschaften und verlangen vom Beklagten (künftig: PSV) im Wege von Feststellungsklagen Insolvenzschutz auf der Grundlage einer älteren Versorgungsordnung der A, die später durch eine verschlechternde Versorgungsregelung abgelöst wurde.
Die betriebliche Altersversorgung bei der A war seit 1951 in einer Betriebsvereinbarung geregelt, den "Bestimmungen für die Ruhegeld-Einrichtung der A gesellschaft A" (kurz: RGE). Danach erhielten die Arbeitnehmer je nach der Anzahl ihrer Dienstjahre ein Ruhegeld in Höhe von 15/120 bis zu 45/120 des ruhegeldfähigen Einkommens. Ruhegeldfähig war der Durchschnitt der höchsten Einkünfte aus drei Kalenderjahren während der letzten zehn Dienstjahre. Es war eine Gesamtversorgungsobergrenze vorgesehen, die, wiederum nach Dienstjahren gestaffelt, auf 75 % bis zu 85 % der höchsten Bruttobezüge in den letzten drei Dienstjahren festgesetzt war.
Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage der A sowie um Überversorgungen zu vermeiden, wurden die RGE im Jahre 1981 durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung aufgehoben und durch eine neue Versorgungsordnung, die "Versorgungsbestimmungen der A gesellschaft" (kurz: VB) ersetzt. Die neue Regelung trat am 1. Juni 1981 in Kraft. Die bisher vorgesehenen Versorgungsleistungen wurden um zwei Drittel herabgesetzt, insbesondere wurden die Steigerungsraten gekürzt und die Versorgungsobergrenze auf 90 % der höchsten Nettoeinkünfte in einem der drei letzten Kalenderjahre abgesenkt.
Die VB enthalten in einer Anlage 3 zum Anhang B Besitzstandsregelungen: Nach Abs. 1 gelten die RGE fort, wenn der Versorgungsfall bis zum 31. Dezember 1985 eintrat; jedoch wurde die Obergrenze zeitlich gestaffelt bis auf 95 % des Nettoeinkommens herabgesetzt. Für die nach dem 31. Dezember 1985 eintretenden Versorgungsfälle wurde gemäß Absatz 5 die Obergrenze auf 90 % des Nettoeinkommens gesenkt. Für sämtliche Fälle des vorzeitigen Ausscheidens sieht Absatz 6 unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 BetrAVG vor, daß mindestens der Teilbetrag erhalten bleibt, der im Zeitpunkt der Neuregelung, also am 1. Juni 1981, nach den RGE zeitanteilig erdient war.
Aufgrund der sich weiter verschlechternden wirtschaftlichen Lage wurde am 31. Oktober 1982 über das Vermögen der A das gerichtliche Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses eröffnet. Durch Beschluß des Amtsgerichts Frankfurt (Main) vom 18. März 1983 wurde ein von den Gläubigern angenommener Vergleich bestätigt. Darin ist bestimmt, daß "Ansprüche auf Betriebsrenten sowie aus verfallbaren und unverfallbaren Anwartschaften auf Betriebsrenten zu den nach dem Inhalt der Zusage maßgeblichen Voraussetzungen und Terminen und in Höhe von 40 % der ohne den Vergleich zu diesen Terminen geschuldeten Beträge laufend erfüllt" werden.
Die Parteien streiten nunmehr darüber, auf welcher Grundlage der Anteil von 60 % zu ermitteln ist, für den der Beklagte als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung einzutreten hat.
Die Kläger und die A haben die Auffassung vertreten, maßgebend sei der in der Anlage 3 der VB festgeschriebene Mindestbesitzstand. Weitergehende Kürzungen seien in den Verhandlungen um die Ablösung der RGE nicht durchsetzbar gewesen. Außerdem sei die Erhaltung des erdienten Teilbetrags, der sich aus § 2 Abs. 1 BetrAVG ergebe, aus Rechtsgründen zwingend geboten. Dieser Besitzstand sei schon im Zeitpunkt der Ablösung insolvenzgesichert gewesen; er verliere diesen Schutz nicht deswegen, weil eine höhere Rente aufgrund der Neuregelung erreicht werden könne, wenn auch erst nach geraumer Zeit oder u.U. auch gar nicht.
Die Kläger haben beantragt
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet sei,
bei Eintritt des Versorgungsfalles nach den Vorschriften
der Versorgungsbestimmungen der A AG
die ihnen zu zahlende Rente so zu
berechnen, daß der Anwartschaftsanspruch aus Abs. 6
der Anlage 3 der Versorgungsbestimmungen ohne eine
ratierliche Kürzung als Mindestbetrag der unverfallbaren
Anwartschaft berücksichtigt werde.
Der Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Er hat vorgetragen: Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 in Verb. mit § 2 Abs. 1 BetrAVG müsse der Teilwert der insolvenzgesicherten Versorgungsanwartschaften nach der ratierlichen Methode berechnet werden. Günstigere Vereinbarungen könnten im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wirken, nicht aber zum Nachteil des von der Versichertengemeinschaft finanzierten Trägers der Insolvenzsicherung. Da mit den VB im Jahre 1981 eine neue Versorgungsregelung in Kraft getreten sei, müsse die im Versorgungsfall erreichbare Versorgung auch nach dieser Neuregelung berechnet und auf den Zeitpunkt des Insolvenzfalls ratierlich gekürzt werden. Die in den Vorschriften der Anlage 3 getroffene Besitzstandsregelung sei demgegenüber günstiger und damit für die Insolvenzsicherung unbeachtlich.
Das Arbeitsgericht hat die Klagen der Kläger zu 1) und 2) (B und K) abgewiesen, der Klage des Klägers zu 3) (R ) hat es stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Verfahren verbunden und im Ergebnis sämtliche Klagen abgewiesen. Dagegen haben die Kläger und die A als Streithelferin Revision eingelegt, mit der sie das Klageziel weiter verfolgen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Beklagte muß den Klägern Insolvenzschutz auf der Grundlage der Mindestbesitzstände leisten, die bei der Ablösung der RGE unverfallbar waren und garantiert wurden.
A. Die Feststellungsanträge sind zulässig (§ 256 ZPO). Da bei keinem der Kläger bisher ein Versorgungsfall eingetreten ist, bestehen noch keine fälligen Ansprüche auf Zahlung einer Betriebsrente, die sie mit einer Leistungsklage geltend machen könnten.
B. In der Sache haben alle Kläger mit ihrer Revision Erfolg. Der PSV muß für 60 % der Beträge eintreten, die am Insolvenzstichtag (31. Oktober 1982) erdient waren. Dies waren bei allen Klägern die schon am 1. Juni 1981 bei der Ablösung der RGE erdienten, zeitanteilig nach § 2 Abs. 1 BetrAVG berechneten und durch Anlage 3 der VB aufrechterhaltenen Besitzstände.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, für die zu beurteilende Rechtsfrage komme es entscheidend darauf an, ob die Besitzstandsbestimmungen der VB den Insolvenzschutz der Arbeitnehmer hätten sichern wollen. Das sei nicht der Fall. Mit der Absenkung der Versorgungsverbindlichkeiten sei die Sanierung der A bezweckt worden und nicht der Schutz von Besitzständen vor den Folgen einer Insolvenz. Schon deswegen könnten die nach den RGE erdienten Besitzstände nicht den Umfang des Insolvenzschutzes bestimmen. Diese Begründung trifft nicht die entscheidende Rechtsfrage.
Es ist unerheblich, ob die Betriebspartner die bei der Ablösung erdienten Besitzstände für den Fall einer Insolvenz sicherstellen wollten. Der gesetzliche Insolvenzschutz ist nicht disponibel. Er greift zwingend ein, wenn und soweit die Voraussetzungen eines Sicherungsfalls nach den §§ 7 ff. BetrAVG vorliegen. Vereinbarungen der Vertrags- oder Betriebspartner können ihn weder herbeiführen noch ausschließen.
II. Das Berufungsgericht hat weiter die Auffassung vertreten, der PSV habe den am Insolvenzstichtag erdienten Teilbetrag gemäß §§ 7, 2 BetrAVG auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt geltenden neuen Versorgungsordnung zu berechnen; maßgebend sei mithin die nach den VB erreichbare Vollrente, die zeitanteilig auf den Insolvenzstichtag gekürzt werden müsse. Ginge man von den höheren, bei Ablösung der RGE bereits erdienten Besitzständen aus, so würde der gesetzliche Insolvenzschutz ausgeweitet. Der Insolvenzschutz vernachlässige danach bereits erdiente Besitzstände und erweise sich als lückenhaft; das sei hinzunehmen. - Auch insoweit kann dem Berufungsgericht nicht gefolgt werden. Das Landesarbeitsgericht hat den Wert von Versorgungsbesitzständen und deren Schutz gegen Verschlechterungen und Insolvenzen nicht richtig erkannt.
1. Im Betriebsrentengesetz ist nicht ausdrücklich geregelt, wie die Besitzstände zu behandeln sind, die nach zwingenden Rechtsgrundsätzen eine verschlechternde Versorgungsregelung überdauert haben, wenn im weiteren Zeitablauf ein Insolvenzfall eintritt. Gemäß § 7 Abs. 1 BetrAVG trifft dann zwar den Träger der Insolvenzsicherung die Ausfallhaftung; der PSV tritt in die Verbindlichkeit ein, die der Arbeitgeber aufgrund der Versorgungszusage zu erfüllen hätte (zum Grundsatz der Akzessorietät vgl. BAGE 34, 146, 155 = AP Nr. 9 zu § 7 BetrAVG, zu B II 2 b der Gründe, m.w.N.). Insoweit ist die gesetzliche Regelung aber unvollständig.
Ist der Arbeitnehmer vor dem Sicherungsfall mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschieden, so bestimmt sich der Insolvenzschutz gemäß § 7 Abs. 2 BetrAVG nach § 2 Abs. 1 BetrAVG, die gesicherte Anwartschaft ist also zeitanteilig bezogen auf den Zeitpunkt des Ausscheidens zu berechnen. Besteht das Arbeitsverhältnis bei Eintritt des Sicherungsfalls noch fort, so gilt ebenfalls § 2 Abs. 1 BetrAVG, jedoch gilt als Stichtag nicht das Datum des vorzeitigen Ausscheidens, sondern der Tag des Sicherungsfalles. Welcher Wert maßgebend ist, wenn vor dem Sicherungsfall eine verschlechternde Versorgungsregelung in Besitzstände eingegriffen hat, die jedoch den nach § 2 Abs. 1 BetrAVG auf den Ablösungsstichtag berechneten und in diesem Zeitpunkt insolvenzgeschützten Teilbetrag aufrecht erhalten mußte, ist nach dem Gesetzeswortlaut offen. Es kommt darauf an, welche rechtliche Bedeutung der zeitanteilig erdiente Versorgungsbesitzstand hat und welchen Schutz er genießt.
2. Besitzstände kennzeichnen eine rechtlich geschützte Position, die auf Dauer angelegt ist, die also ungeachtet der weiteren Entwicklung im Zeitablauf fortbestehen soll. Die §§ 7 und 2 BetrAVG betreffen zwar bestimmte Besitzstände und schützen diese gegen Verfallbarkeit und Insolvenz, sie enthalten aber keine abschließenden Abgrenzungen, sondern beschränken sich auf Berechnungsvorschriften, die den Wert der geschützten Anwartschaften nur zu einem bestimmten Stichtag ermitteln, nämlich zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis oder des Eintritts des Sicherungsfalls. Über das weitere rechtliche Schicksal der Anwartschaften sagen beide Vorschriften nichts aus. Insbesondere ist nicht bestimmt, wie zu verfahren ist, wenn mehrere rechtserhebliche Berechnungsstichtage aufeinander folgen, also etwa nach einem Teilwiderruf der Versorgungszusage ein gerichtlicher Vergleich folgt und noch später das Konkursverfahren eröffnet wird. Für die Berechnung der Anwartschaft geht die Frage dann dahin, ob mit dem Eintritt eines neuen Kürzungstatbestandes der bereits zeitanteilig gekürzte Teilbetrag nochmals zeitanteilig zu kürzen ist. Nach Auffassung des Senats ist das nicht der Fall. Die lückenhafte Regelung der §§ 2 und 7 BetrAVG ist aus dem System des Betriebsrentengesetzes dahin zu ergänzen, daß die zeitanteilig erdiente und ratierlich berechnete Anwartschaft auch dann bei späteren Sicherungsfällen geschützt bleibt, wenn für jüngere Anwartschaften inzwischen ungünstigere Berechnungsgrundsätze in Kraft gesetzt wurden.
a) Die grundlegenden Überlegungen hierzu hat der Senat bereits im Urteil vom 10. März 1972 (BAGE 24, 177, 184 f. = AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu A II 2 der Gründe, mit zustimmender Anmerkung von Weitnauer) dargelegt: Die für den Versorgungsfall versprochene Betriebsrente stellt eine Gegenleistung dar: das Entgelt für die erwartete Betriebstreue des Arbeitnehmers insgesamt. Scheidet ein Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis aus, so hat er die von ihm erwartete Gegenleistung teilweise erbracht. In der Zeit der Betriebstreue hat er sich eine Versorgungsanwartschaft erdient, die einen vom Recht geschützten Vermögenswert darstellt und nicht entschädigungslos entzogen werden kann. Auf dieser Wertung ist das Betriebsrentengesetz aufgebaut. In der Gesetzesbegründung heißt es: Es sei rechtlich und sozial nicht vertretbar, daß ein Arbeitnehmer bei seinem Ausscheiden vor Eintritt des Versorgungsfalls seine gesamte Versorgungsanwartschaft verliere, nachdem er längere Zeit betriebstreu gewesen sei. Für die Besitzstandswahrung spreche auch die notwendige Mobilität der Arbeitskräfte, der eine unbegrenzte Verfallbarkeit von Versorgungsversprechen unerwünscht entgegenwirke (BT-Drucks. 7/1281 S. 20; BT-Drucks. 7/2843 S. 4). Um die betriebliche Altersversorgung auch gegen die wirtschaftlichen Wechselfälle des Unternehmens zu sichern, hat der Gesetzgeber darüber hinaus die gesetzliche Insolvenzsicherung von Renten und unverfallbaren Versorgungsanwartschaften angeordnet; der Umfang der Insolvenzsicherung von Anwartschaften soll sich nach den gesetzlichen Voraussetzungen der Unverfallbarkeit richten (BT-Drucks. 7/2843 S. 5 und 8) und damit aus der gleichen Grundwertung ableiten.
Der Senat hat in zahlreichen Entscheidungen in der Folgezeit bei der Überprüfung einseitiger, einzelvertraglicher oder kollektivvertraglicher Verschlechterungen von Versorgungsregelungen die dargelegte Wertung des Betriebsrentengesetzes herangezogen. Er hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß in den erdienten Teilbetrag einer Versorgungsanwartschaft nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen eingegriffen werden kann; grundsätzlich ist die erdiente Anwartschaft, zu deren Berechnung auf § 2 BetrAVG zurückzugreifen ist, gegen Eingriffe gesichert. Ergänzend hat der Senat darauf hingewiesen, daß der Arbeitnehmer im Zeitablauf einen eigentumsähnlich geschützten Vermögenswert erwirbt, in den grundsätzlich nicht eingegriffen werden darf (statt aller: BAGE 29, 379, 387 f. = AP Nr. 177 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu III 2 b der Gründe; zuletzt Urteil vom 17. März 1987 - 3 AZR 64/84 -, zu II 1 der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen). Im Schrifttum hat sich diese Auffassung weitgehend durchgesetzt (W. Blomeyer, DB 1984, 926, 927; Blomeyer/Otto, BetrAVG, 1984, Einleitung Rz 365; Höfer/Abt, BetrAVG, Bd. I, 2. Aufl. 1982, ArbGr Rz 206 ff.; Löwisch, DB 1983, 1709, 1712; Reuter, SAE 1983, 201, 203; Richardi, RdA 1983, 201, 204; Stumpf in Festschrift für Wilhelm Herschel, 1982, S. 409, 418 f.).
Der Wert und der Bestandsschutz der durch Betriebstreue erdienten Anwartschaft ist somit besonders hoch. Bestandsschutz und Insolvenzschutz sind nach dem Betriebsrentengesetz eng verbunden. Eine Kürzungsmaßnahme, die der wirtschaftlichen Sanierung eines Unternehmens dienen soll, jedoch den gesetzlichen Insolvenzschutz schmälert, ist unzulässig. Nach dem Willen des Gesetzes sollen versorgungsberechtigte Arbeitnehmer in Höhe des insolvenzgeschützten Teils ihrer Versorgungsanwartschaft keine eigenen Opfer zur Sanierung eines Unternehmens beitragen müssen (BAGE 48, 258, 267 f. = AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen).
b) Diese Grundsätze gelten auch für die Frage des vorliegenden Rechtsstreits. Unverfallbare Anwartschaften müssen auch nach der Verschlechterung einer Versorgungsregelung für den in der Vergangenheit erdienten Teil insolvenzgeschützt bleiben. Da der Träger der Insolvenzsicherung nach dem insolventen Arbeitgeber akzessorisch haftet, muß er die vom Arbeitnehmer erlangte und umfassend geschützte Rechtsposition sichern. Der Grundsatz, daß der erdiente Teilbetrag nur insoweit geschmälert werden darf, wie der Insolvenzschutz eingreift, ist umkehrbar. Der Insolvenzschutz greift ein, wenn der Arbeitgeber zur Schmälerung des einmal erdienten Teilbetrags gezwungen ist.
Der PSV macht demgegenüber geltend, der zeitanteilig erdiente Besitzstand sei bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses wie eine Festrente zu behandeln. Ein Arbeitnehmer, der eine Festrentenzusage in Höhe des unverfallbaren und insolvenzgeschützten Anwartschaftsbetrages erhalten hätte, müsse ja auch im Falle einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder der Insolvenz eine zeitanteilige Kürzung des versprochenen Festbetrags hinnehmen. Dieser Einwand verkennt, daß die Wahrung des zeitanteilig erdienten Versorgungsbesitzstandes sich grundsätzlich unterscheidet vom Versprechen einer Festrente. Der Betrag der Festrente ist erst mit dem Erreichen des Versorgungsfalles in voller Höhe erdient. Dagegen ist der unverfallbare und insolvenzgeschützte Teilbetrag einer Versorgungsanwartschaft in Erwartung einer weitaus höheren Vollrente bereits in der Vergangenheit erdient worden und nicht mehr von weiterer Betriebstreue abhängig. Auch wenn aufgrund einer neuen Versorgungsordnung die Möglichkeit ausgeschlossen wird, weitere Betriebstreue versorgungswirksam zu leisten, kommt eine zeitanteilige Kürzung nicht mehr in Betracht. Genau dies besagt auch die Besitzstandsklausel in Anlage 3 der VG, die lediglich zwingende Grundsätze des Betriebsrentengesetzes wiedergibt. Es trifft nicht zu, daß diese Besitzstandsklausel ungünstiger wäre als die Regelung für neu eintretende Arbeitnehmer. Die Besitzstandsklausel garantiert die erdienten Teilwerte alter Anwartschaften solange, bis aufgrund der Neuregelung höhere Beträge erdient werden können und damit eine Gleichstellung älterer und jüngerer Anwartschaften eintritt. Der Schutz der alten Besitzstände bewirkt darüber hinaus, daß eine nochmalige zeitanteilige Kürzung ausscheidet.
Die gegenteilige Auffassung des PSV liefe praktisch darauf hinaus, daß Besitzstandsklauseln in ablösenden Versorgungsregelungen, wie sie nach der Rechtsprechung des Senats zwingend geboten sind, für den Insolvenzschutz stets wirkungslos blieben: Beim Ausscheiden eines Arbeitnehmers vor Erreichen von Steigerungsbeträgen nach der neuen Versorgungsordnung würde der garantierte Besitzstand im Sicherungsfall gekürzt; beim Ausscheiden nach dem Erwerb von Steigerungsbeträgen würde er hingegen ohnehin überschritten und damit bedeutungslos. Auswirken könnte sich die Besitzstandsklausel also niemals. Für eine solche Abweichung vom Prinzip der Akzessorietät des Insolvenzschutzes gibt es keinen Grund und im Gesetz keine Stütze.
c) Soweit der PSV Besonderheiten aus § 36 Abs. 2 VglO herleiten will, vermag ihm der Senat ebenfalls nicht zu folgen. Diese Vorschrift bestimmt, inwieweit Forderungen aus gegenseitigen Verträgen am Vergleich teilnehmen. Teilbare Leistungen, für die der Gläubiger die ihm obliegende Gegenleistung teilweise vor Eröffnung des Vergleichsverfahrens noch nicht erbracht hat, sind auf die Zeit vor und nach der Vergleichseröffnung aufzuteilen. Hieraus will der PSV schließen, die Betriebsrente der Kläger müsse in der Weise auf die Zeit vor und nach Eröffnung des Vergleichsverfahrens aufgeteilt werden, daß für die Berechnung der Vergleichsforderung nur die durch die VB geminderte Vollrente zugrundegelegt werden dürfe. Der PSV übersieht auch in diesem Zusammenhang, daß die Arbeitnehmer die Betriebstreue für ihre Anwartschaften, um die hier gestritten wird, schon bei der Ablösung der RGE, also längst vor der Eröffnung des Vergleichsverfahrens, erbracht hatten. Soweit sie weiter für die Beklagte tätig waren, wirkte sich das auf den bei der Ablösung bereits erdienten und deshalb garantierten Besitzstand nicht mehr aus. Der Fehler des PSV beruht darauf, daß er auch bei der Anwendung der Vergleichsordnung den erdienten Versorgungsbesitzstand wie eine Festrentenzusage behandelt wissen will. Das ist jedoch, wie vorstehend ausgeführt wurde, falsch.
III. Der Beklagte beruft sich schließlich darauf, daß die RGE zu einer erheblichen Überversorgung der Arbeitnehmer geführt hätten; deshalb wäre es zulässig gewesen, bei der Ablösung der von Rechts wegen zu wahrenden Besitzstände den zeitanteilig erdienten Teilbetrag zu unterschreiten; auch die Eintrittspflicht des Trägers der gesetzlichen Insolvenzsicherung könne nicht weitergehen als die Schutzwürdigkeit der Versorgungsbesitzstände. Diese Argumentation überzeugt ebenfalls nicht.
Der Senat hat allerdings wiederholt entschieden, daß der Vertrauensschutz der Arbeitnehmer gegenüber verschlechternden Neuregelungen schwächer ist, wenn es nur um den Abbau von Überversorgungen geht, die Arbeitnehmer nach dem Inhalt der Versorgungsordnung nicht mit einer Überversorgung rechnen durften und auch nicht erwarten konnten, daß Fehlentwicklungen unverändert aufrecht erhalten würden (BAGE 36, 327, 342 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu III 2 b der Gründe; 37, 217, 227 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, zu III 3 c der Gründe; zuletzt Urteil vom 9. Juli 1985 - 3 AZR 546/82 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Fraglich ist aber, ob das auch für planmäßig überversorgende Regelungen gilt. Selbst wenn man das einmal unterstellt, hilft es dem Beklagten hier nicht: Auch der Besitzstand aus einer Versorgungszusage, die sehr großzügig ist und zu Überversorgungen führt, wird unverfallbar und erhält Insolvenzschutz. Selbst wenn der Arbeitgeber oder die Betriebspartner berechtigt wären, hier einzugreifen, ergäbe sich daraus keine Rechtspflicht. Ein entsprechender Eingriff läßt sich auch nicht fingieren. Eine solche Fiktion liefe darauf hinaus, die gesetzliche Insolvenzsicherung auf angemessene Obergrenzen zu beschränken, ein Standpunkt den der PSV selbst nicht einnehmen will. Ob eine Besitzstandsklausel den Mißbrauchstatbestand des § 7 Abs. 5 BetrAVG erfüllen kann, muß hier nicht geprüft werden. Es bestehen im Streitfall keine Anhaltspunkte für eine solche Fallgestaltung.
Zugleich für den zum Richter Griebeling
des Bundesverfassungsgerichts
ernannten Prof. Dr. Dieterich
Schaub
Heimann Zilius
Fundstellen
BB 1988, 833-834 (T) |
BetrAV 1988, 177-179 (T) |
VersR 1988, 1195 (K) |