Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplanabfindung bei Teilzeitbeschäftigung. betriebsverfassungsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz. Stichtagsregelung. Schutz von Ehe und Familie
Leitsatz (amtlich)
1. Sozialpläne können bestimmen, dass sich die Abfindungshöhe nach der zuletzt bezogenen Monatsvergütung richtet.
2. Sozialpläne können regeln, dass in Fällen, in denen sich die individuelle Arbeitszeit in der näheren Vergangenheit wesentlich geändert hat, nicht das letzte Entgelt, sondern eine die gesamte Betriebszugehörigkeit einbeziehende Durchschnittsberechnung maßgeblich ist.
Orientierungssatz
1. Nach dem Zweck eines Sozialplans ist es nicht zu beanstanden, wenn ein die Abfindungshöhe bestimmender Faktor das zuletzt bezogene individuelle Monatsentgelt ist. Dies gilt auch für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer.
2. Sozialpläne können bei Arbeitnehmern, bei denen sich die individuelle Arbeitszeit während des Verlaufs des Arbeitsverhältnisses geändert hat, auch auf eine Durchschnittsberechnung abstellen.
3. Es ist nicht zu beanstanden, wenn Sozialpläne danach unterscheiden, ob eine Änderung der individuellen Arbeitszeit in näherem zeitlichen Zusammenhang mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist oder längere Zeit zurückliegt.
Normenkette
BetrVG § 112 Abs. 1 S. 2, § 75 Abs. 1, § 113 Abs. 1 2. Halbs.; TzBfG § 4 Abs. 1 Sätze 1-2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6; KSchG § 10 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 22. Januar 2008 – 9 Sa 1116/07 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung.
Rz. 2
Die im Mai 1966 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit dem 6. Juni 1987 als Sachbearbeiterin in der Schadensabteilung beschäftigt. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 6. Juni/19. Juli 1987 heißt es ua.:
“1
Beginn des Arbeitsverhältnisses/Probezeit
Das Arbeitsverhältnis beginnt am 06. Juni 1987.
…
3
Arbeitsentgelt
Als Vergütung erhält der Arbeitnehmer ein monatliches Bruttogehalt, das sich wie folgt zusammensetzt:
Gehaltsgruppe IV, 2. Berufsjahr = DM 2.620,00.
Als Beginn der Berufsjahre gilt der 01. 08. 85. …”
Rz. 3
Die Klägerin war zunächst in Vollzeit tätig. Während ihrer Elternzeit ab dem Jahr 2002 reduzierte sie ihre Arbeitszeit auf eine Teilzeittätigkeit im Umfang von 7,6 Stunden/Woche. Dieses Arbeitszeitvolumen behielt sie in der Folgezeit bei. Ihre monatliche Bruttovergütung belief sich zuletzt auf 676,45 Euro. Die Beklagte vereinbarte mit dem Gesamtbetriebsrat am 6./10. Januar 2006 einen Sozialplan. Dieser enthält in Nr. IX 3 ua. folgende Regelungen:
“…
b) Höhe
(1) Die Arbeitnehmer erhalten eine Grundabfindung nach folgender Formel:
Lebensalter × Betriebszugehörigkeit × Brutto-Monatsverdienst : 40.
…
c) Berechnungsgrundlagen
…
(2) Maßgeblich für die Berechnung der Betriebszugehörigkeit ist der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses (einschließlich Berufsausbildungszeiten bei der Gesellschaft) einerseits und der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses andererseits. Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ruht, werden mitgerechnet. …
(3) Bei der Abfindung handelt es sich um eine Bruttozahlung. Als Brutto-Monatsverdienst im Sinne dieser Vereinbarung gilt das im letzten Monat vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer bezogene volle Brutto-Monatsgehalt einschließlich Zulagen. …
(4) Bei Arbeitnehmern, deren regelmäßige Wochenarbeitszeit sich seit dem 31. Dezember 2003 um mehr als 25 % verringert oder erhöht hat, ist für die Berechnung des Brutto-Monatsverdienstes der durchschnittliche Beschäftigungsgrad während ihrer gesamten Betriebszugehörigkeit maßgeblich. Die Höhe des Brutto-Monatsverdienstes berechnet sich in diesen Fällen wie folgt: Brutto-Monatsverdienst bei Vollzeitbeschäftigung × durchschnittlicher Beschäftigungsgrad.
…”
Rz. 4
Mit Schreiben vom 20. Februar 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin betriebsbedingt zum 30. September 2006. Sie zahlte an die Klägerin unter Berücksichtigung von Aufstockungsleistungen wegen ihrer beiden Kinder eine Gesamtabfindung iHv. 20.058,49 Euro. Dabei legte sie ihrer Berechnung eine Betriebszugehörigkeit seit dem 6. Juni 1987 sowie das von der Klägerin zuletzt erzielte Bruttomonatsgehalt von 676,45 Euro zugrunde.
Rz. 5
Mit der Klage hat die Klägerin weitere 46.970,01 Euro brutto verlangt. Sie hat die Ansicht vertreten, bei der Berechnung der Abfindung sei von einer Betriebszugehörigkeit ab dem 1. August 1985 auszugehen. Außerdem sei nicht die zuletzt für ihre Teilzeitbeschäftigung bezahlte Vergütung von 676,45 Euro, sondern das Bruttomonatsgehalt für eine Vollzeitbeschäftigung multipliziert mit einem Beschäftigungsgrad von 0,83 maßgebend. Die Stichtagsregelung in Nr. IX 3 Buchst. c (4) Satz 1 des Sozialplans führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung und sei unwirksam.
Rz. 6
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 46.970,01 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 30. September 2006 zu zahlen.
Rz. 7
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Dem hat das Arbeitsgericht entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 8
Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Ansprüche der Klägerin aus dem Sozialplan sind erfüllt. Die Beklagte hat die Ansprüche der Klägerin zutreffend errechnet. Die Bestimmungen des Sozialplans halten einer Rechtmäßigkeitskontrolle stand. Dies gilt entgegen der Auffassung der Klägerin auch für die Regelung in Nr. IX 3 Buchst. c (4) Satz 1 des Sozialplans und den darin enthaltenen Stichtag.
Rz. 9
I. Die Beklagte hat bei der Berechnung der Abfindung als maßgeblichen Beginn der Betriebszugehörigkeit zu Recht nicht den 1. August 1985, sondern den 6. Juni 1987 zugrunde gelegt. Nach Nr. IX 3 Buchst. c (2) des Sozialplans ist für die Berechnung der Betriebszugehörigkeit der “Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses (einschließlich Berufsausbildungszeiten bei der Gesellschaft)” maßgeblich. Dies war ausweislich der Nr. 1 des Arbeitsvertrags der 6. Juni 1987. Zu diesem Tag begann auch die tatsächliche Beschäftigung der Klägerin bei der Beklagten. Der in Nr. 3 des Arbeitsvertrags als “Beginn der Berufsjahre” vereinbarte 1. August 1985 ist, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nicht der für die Berechnung der Abfindung maßgebliche “Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses” im Sinne der Nr. IX 3 Buchst. c (2) des Sozialplans. Der “Beginn der Berufsjahre” betrifft nicht die Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten, sondern erfasst auch Beschäftigungszeiten bei anderen Unternehmen und hat ausschließlich Bedeutung für die Höhe der tariflichen Vergütung.
Rz. 10
II. Die Beklagte hat bei der Berechnung der Abfindung zu Recht das von der Klägerin als Teilzeitkraft zuletzt erzielte Bruttomonatsgehalt zugrunde gelegt. Die Regelung in Nr. IX 3 Buchst. c (3) des Sozialplans ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, so behandelt zu werden, wie diejenigen Arbeitnehmer, deren regelmäßige Arbeitszeit sich nach dem 31. Dezember 2003 um mehr als 25 % verändert hat und bei denen daher gemäß Nr. IX 3 Buchst. c (4) des Sozialplans der durchschnittliche Beschäftigungsgrad während der gesamten Betriebszugehörigkeit maßgeblich ist. Die Stichtagsregelung in Nr. IX 3 Buchst. c (4) des Sozialplans hält einer Rechtmäßigkeitskontrolle stand.
Rz. 11
1. Sozialpläne unterliegen, wie andere Betriebsvereinbarungen, der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Dabei ist es nicht Aufgabe der Gerichte, bessere Lösungen als die Betriebsparteien zu finden, sondern lediglich, rechtswidrige Sozialplangestaltungen zu verhindern. Dementsprechend sind Sozialpläne daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht wie insbesondere dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sind.
Rz. 12
a) Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichstellung von Personen in vergleichbarer Lage sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblicher Sachgrund für eine Gruppenbildung ist regelmäßig der mit der jeweiligen Regelung verfolgte Zweck. Dementsprechend müssen sich Gruppenbildungen in Sozialplänen an deren Funktion orientieren (BAG 20. Januar 2009 – 1 AZR 740/07 – Rn. 11, 12 mwN, NZA 2009, 495). Sozialpläne haben nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar, sondern sollen gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die künftigen Nachteile ausgleichen oder abmildern, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können (11. November 2008 – 1 AZR 475/07 – Rn. 19 mwN, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 196 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 30). Bei der Ausgestaltung von Sozialplänen haben die Betriebsparteien Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume. Diese schließen Typisierungen und Pauschalierungen ein. Gleiches gilt für Stichtagsregelungen. Die mit diesen häufig verbundenen Härten müssen im Interesse der Rechtssicherheit hingenommen werden, wenn sich die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist und das auch auf die zwischen den Gruppen gezogenen Grenzen zutrifft (BAG 20. Januar 2009 – 1 AZR 740/07 – Rn. 14 mwN, aaO).
Rz. 13
b) Die Betriebsparteien haben außerdem besondere Diskriminierungsverbote und die in Art. 6 GG enthaltenen Wertungen zu beachten.
Rz. 14
2. Hiernach ist weder das in Nr. IX 3 Buchst. c (3) Satz 2 des Sozialplans grundsätzlich vorgesehene Anknüpfen an das zuletzt bezogene Bruttomonatsgehalt noch die Differenzierung in Nr. IX 3 Buchst. c (4) des Sozialplans zu beanstanden.
Rz. 15
a) Die Regelung in Nr. IX 3 Buchst. c (3) Satz 2 des Sozialplans, nach der für die Berechnung der Abfindung grundsätzlich der letzte Bruttomonatsverdienst maßgeblich ist, verstößt weder gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen das in § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG normierte Verbot der Diskriminierung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. Auch eine Verletzung des durch Art. 6 GG gewährleisteten Schutzes von Ehe und Familie ist mit der Regelung nicht verbunden.
Rz. 16
aa) Die Regelung verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Das Anknüpfen an die zuletzt bezogene Vergütung ist nach dem Zweck eines Sozialplans sachlich gerechtfertigt. Der durch die Sozialplanleistung auszugleichende oder abzumildernde wirtschaftliche Nachteil wird maßgeblich bestimmt durch die in dem bisherigen Arbeitsverhältnis bezogene Vergütung. Daher ist es gerechtfertigt, diese zur Bezugsgröße für die in dem Sozialplan vorgesehenen Überbrückungsleistungen zu machen. Auch der Gesetzgeber stellt in § 10 Abs. 3 KSchG für Abfindungen sowie in § 113 Abs. 1 2. Halbs. BetrVG beim Nachteilsausgleich nicht auf absolute Beträge, sondern auf den letzten Monatsverdienst des einzelnen Arbeitnehmers ab. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die zu unterschiedlichen Abfindungsleistungen führenden Unterschiede bei der zuletzt bezogenen Vergütung ihre Ursache in unterschiedlichen Tätigkeiten, Vergütungsvereinbarungen oder Arbeitszeiten oder einer Kombination dieser Faktoren haben.
Rz. 17
bb) Die Regelung in Nr. IX 3 Buchst. c (3) Satz 2 des Sozialplans verstößt nicht gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG. Auch wenn der sich auf die Abfindungshöhe auswirkende geringere Bruttomonatsverdienst auf einer Teilzeitbeschäftigung des Arbeitnehmers beruht, führt das Anknüpfen an diesen Verdienst nicht zu einer unzulässigen Diskriminierung des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers (vgl. BAG 28. Oktober 1992 – 10 AZR 129/92 – zu II 2c der Gründe, BAGE 71, 280). Dieser wird iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG nicht wegen der Teilzeit schlechter behandelt als vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer. Vielmehr steht es mit § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG in Einklang, wenn ein Arbeitnehmer eine Abfindung in dem Umfang erhält, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.
Rz. 18
cc) Die Regelung in Nr. IX 3 Buchst. c (3) Satz 2 des Sozialplans widerspricht nicht den in Art. 6 GG enthaltenen Wertungen.
Rz. 19
(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats haben die Betriebsparteien gemäß § 75 Abs. 1 BetrVG auch die in Art. 6 GG enthaltenen Wertungen zu beachten (6. November 2007 – 1 AZR 960/06 – Rn. 27 mwN, BAGE 124, 335). Sie dürfen daher keine Regelungen treffen, die geeignet sind, Ehe und Familie zu diskriminieren und Arbeitnehmer wegen ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft oder der Wahrnehmung von Rechten und Pflichten gegenüber Kindern zu benachteiligen (6. November 2007 – 1 AZR 960/06 – Rn. 28 mwN, aaO). Insbesondere verstößt es gegen die Wertungen in Art. 6 GG, wenn Arbeitnehmer bei ihrer Entscheidung, Elternzeit in Anspruch zu nehmen, damit rechnen müssen, dass diese Zeiten bei der Bemessung von Sozialplanansprüchen nicht als Beschäftigungszeit mitzählen (21. Oktober 2003 – 1 AZR 407/02 – zu I 3a der Gründe mwN, BAGE 108, 147). Andererseits ergibt sich aber aus Art. 6 GG für die Betriebsparteien nicht die Pflicht, verheiratete Arbeitnehmer oder solche, die mit ihren Kindern in häuslicher Gemeinschaft leben, gegenüber unverheirateten, kinderlosen Arbeitnehmern zu bevorzugen (6. November 2007 – 1 AZR 960/06 – aaO).
Rz. 20
(2) Nr. IX 3 Buchst. c (3) Satz 2 des Sozialplans ist keine Regelung, die geeignet ist, Ehe und Familie zu diskriminieren und Arbeitnehmer wegen ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft oder der Wahrnehmung von Rechten und Pflichten gegenüber Kindern zu benachteiligen. Die Regelung führt nicht etwa dazu, dass Erziehungszeiten bei der Berechnung der Sozialplanabfindung unberücksichtigt blieben. Sie hat lediglich zur Folge, dass sich die Höhe der Abfindung auch bei teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern nach deren zuletzt erzieltem Arbeitsentgelt richtet. Grund und Anlass der Teilzeitbeschäftigung sind dabei nicht von Bedeutung und müssen es aus Rechtsgründen auch nicht sein.
Rz. 21
b) Auch die in Nr. IX 3 Buchst. c (4) des Sozialplans getroffene Regelung hält der Rechtmäßigkeitskontrolle stand. Durch diese Bestimmung werden diejenigen Arbeitnehmer besonders behandelt, bei denen sich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit seit dem 31. Dezember 2003 um mehr als 25 % verringert oder erhöht hat. Die Differenzierung verstößt weder gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen das in § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG normierte Verbot der Benachteiligung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer noch gegen andere Diskriminierungsverbote.
Rz. 22
aa) Die mit der Regelung vorgenommene Gruppenbildung ist mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar.
Rz. 23
(1) Die Betriebsparteien haben einen erheblichen Gestaltungsspielraum, ob und inwieweit sie bei der Höhe von Sozialplanabfindungen in der Vergangenheit liegende Veränderungen der Arbeitszeit und der damit korrespondierenden Vergütung der einzelnen Arbeitnehmer berücksichtigen. Es gibt insoweit nicht nur eine dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gerecht werdende Lösung (vgl. zu unterschiedlichen Ausgestaltungen des “pro-rata-temporis-Grundsatzes” BAG 28. Oktober 1992 – 10 AZR 129/92 – BAGE 71, 280; 14. August 2001 – 1 AZR 760/00 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 142 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 108; 13. Februar 2007 – 9 AZR 729/05 – BAGE 121, 205). Innerhalb dieses Gestaltungsspielraums der Betriebsparteien liegt es, bei denjenigen Arbeitnehmern, bei denen innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Abschluss des Sozialplans eine wesentliche Veränderung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eingetreten ist, nicht auf das letzte Bruttomonatsgehalt, sondern auf eine die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses einbeziehende Durchschnittsberechnung abzustellen. Dadurch werden Härten und Privilegierungen vermieden, die sich eher zufällig daraus ergeben, dass sich in nahem zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausscheiden der Arbeitnehmer die individuelle Arbeitszeit wesentlich geändert hat. Dabei kann sich die für diesen Fall vorgesehene Durchschnittsberechnung sowohl zugunsten als auch zu Lasten der Arbeitnehmer auswirken.
Rz. 24
(2) Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Differenzierung zwischen den Arbeitnehmern, bei denen die wesentliche Änderung der Arbeitszeit nach dem 31. Dezember 2003 eingetreten ist, und denjenigen bei denen eine solche bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgte. Die Rechtfertigung für die Differenzierung und den gewählten Stichtag folgt allerdings entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bereits aus dem Verwaltungsaufwand, der für diese damit verbunden wäre, für alle Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit sich irgendwann einmal wesentlich geändert hat, den Beschäftigungsgrad für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses zu errechnen. Der dem Arbeitgeber entstehende Verwaltungsaufwand ist, ebenso wie sonstige betriebliche Belange, nach dem Zweck eines Sozialplans kein Sachgrund für Differenzierungen bei den Sozialplanleistungen (vgl. BAG 6. November 2007 – 1 AZR 960/06 – Rn. 19, BAGE 124, 335; 19. Februar 2008 – 1 AZR 1004/06 – Rn. 31, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 191 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 26). Die Differenzierung und der gewählte Stichtag sind aber deshalb sachgerecht, weil typisierend davon ausgegangen werden kann, dass sich eine längere Zeit zurückliegende Veränderung der Arbeitszeit und die damit verbundene Änderung des Einkommens regelmäßig bereits verfestigt und sich ein Arbeitnehmer in seinem Lebensstandard hierauf eingestellt hat. Der von den Betriebsparteien insoweit gewählte Zeitraum von etwa zwei Jahren vor Abschluss des Sozialplans, der sich für die einzelnen Arbeitnehmer noch um die Zeit bis zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses verlängerte – bei der Klägerin war dies ein dreiviertel Jahr –, ist nicht zu beanstanden. Dies macht auch die gesetzliche Wertung des § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB III deutlich, nach der für die Ermittlung des für die Höhe des Arbeitslosengeldes maßgeblichen Bemessungsentgelts bei Teilzeitvereinbarungen ein Referenzzeitraum von dreieinhalb Jahren vor der Entstehung des Anspruchs zugrunde zu legen ist.
Rz. 25
bb) Die mit Nr. IX 3 Buchst. c (4) des Sozialplans verbundene Differenzierung verstößt nicht gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG.
Rz. 26
(1) § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG betrifft in erster Linie das Verhältnis von teilzeit- zu vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern. Das Verbot gilt allerdings auch dann, wenn eine Gruppe teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wie vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer behandelt und die andere Gruppe der Teilzeitbeschäftigten von einzelnen Leistungen ausgeschlossen wird (BAG 25. April 2007 – 6 AZR 746/06 – Rn. 22 mwN, BAGE 122, 215). Die unterschiedliche Behandlung bedarf dann einer sachlichen Rechtfertigung. Hierfür gelten dieselben Maßstäbe wie für die Anwendung des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes, ist doch das Verbot der schlechteren Behandlung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer ebenso wie der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz Ausdruck des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BAG 25. April 2007 – 6 AZR 746/06 – Rn. 23, aaO).
Rz. 27
(2) Hier wird durch Nr. IX 3 Buchst. c (4) des Sozialplans die Gruppe der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, bei der die Änderung der Arbeitszeit um mehr als 25 % seit dem 31. Dezember 2003 eingetreten ist, anders behandelt als die Gruppe der Teilzeitbeschäftigten, bei denen die wesentliche Änderung bereits früher erfolgte. Diese unterschiedliche Behandlung ist aber, wie ausgeführt, nach dem Zweck des Sozialplans sowie unter Berücksichtigung der Gestaltungsfreiheit der Betriebsparteien sachlich gerechtfertigt.
Rz. 28
cc) Die mit Nr. IX 3 Buchst. c (4) des Sozialplans verbundene Differenzierung verstößt schließlich auch nicht gegen andere Diskriminierungsverbote. Insbesondere ist nicht erkennbar, inwiefern mit der besonderen Behandlung derjenigen Arbeitnehmer, bei denen innerhalb der letzten zwei Jahre eine wesentliche Änderung des Umfangs ihrer Arbeitszeit eingetreten ist, eine auf dem Geschlecht beruhende Benachteiligung derjenigen Arbeitnehmer verbunden sein soll, bei denen eine derartige erhebliche Änderung nicht oder bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten ist.
Unterschriften
Schmidt, Koch, Linsenmaier, Federlin, Klebe
Fundstellen
Haufe-Index 2257790 |
BAGE 2011, 132 |
BB 2010, 640 |
DB 2009, 2664 |