Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnfortzahlung bei Arbeitnehmerweiterbildung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Einrichtung der Weiterbildung führt eine Bildungsveranstaltung im Sinne des § 9 Satz 1 ArbWeitBiG NW durch, wenn sie bestimmenden Einfluß darauf hat, ob die Veranstaltung stattfindet, wie sie inhaltlich gestaltet wird, wer unterrichtet und wer teilnimmt.
2. Sind an einer Bildungsveranstaltung zwei Einrichtungen beteiligt, so kommt es für die Frage, welche Einrichtung die Veranstaltung durchführt, auf die tatsächlichen Umstände an.
3. Soweit das DGB-Bildungswerk Nordrhein-Westfalen als anerkannte Einrichtung der Weiterbildung sich darauf beschränkt, eine Einzelgewerkschaft bei der Durchführung einer Bildungsveranstaltung organisatorisch zu unterstützen, führt es die Veranstaltung nicht selbst durch. Die Durchführung liegt vielmehr bei der Einzelgewerkschaft. Da diese nicht als Einrichtung der Weiterbildung in anderer Trägerschaft anerkannt ist, besteht ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach § 7 ArbWeitBiG NW nur, wenn die Veranstaltung durch den zuständigen Minister genehmigt ist (§ 9 Satz 1 Buchst d ArbWeitBiG NW).
4. Aus der Satzung des DGB-Bildungswerks vom 16. Dezember 1985 und daraus, daß der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen diese im Erlaß vom 5. Dezember 1986 - LZ 4 - 5810-1475 - "zum Bestandteil" der Anerkennung des Bildungswerks als Einrichtung der Weiterbildung gemacht hat, ergibt sich nicht, daß Bildungsveranstaltungen der Einzelgewerkschaften als vom Bildungswerk durchgeführt anzusehen sind.
5. Für den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach § 7 ArbWeitBiG NW ist ohne Bedeutung, daß das Land Nordrhein-Westfalen Bildungsveranstaltungen, die von Einzelgewerkschaften durchgeführt werden, nach dem Weiterbildungsgesetz finanziell fördert.
Normenkette
VwVfG § 35; WeitBiG NW §§ 23-24; ArbWeitBiG NW § 7; WeitBiG NW 1 §§ 23-24; BVerfGG § 31 Abs. 2; WeitBiG NW § 17 Abs. 3, § 22 Abs. 1, § 17 Abs. 2; WeitBiG NW 1 § 17 Abs. 3, § 22 Abs. 1; ArbWeitBiG NW § 5 Abs. 3, § 1 Abs. 1; WeitBiG NW 1 § 17 Abs. 2; ArbWeitBiG NW § 9 S. 1 Buchst. d, a
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 18.12.1986; Aktenzeichen 17 Sa 1271/86) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 04.07.1986; Aktenzeichen 3 Ca 2768/86) |
Tatbestand
Der Kläger ist Arbeitnehmer der Beklagten. Zwischen dem 21. und dem 25. April 1986 nahm er an einem Seminar teil, zu dem die IG Metall, Verwaltungsstelle L, eingeladen hatte. Das Thema lautete: "Funktionsträger I". Die Beklagte hatte den Kläger von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Die Lohnfortzahlung für die genannte Zeit lehnte sie jedoch ab.
Der Kläger verlangt, ihm für die Dauer des Seminars das Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Er stützt seinen der Höhe nach unstreitigen Anspruch auf das nordrhein-westfälische Gesetz zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung - Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz (AWbG) - vom 6. November 1984 (GV.NW. S. 678).
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
530,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem
1. Mai 1986 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, das Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz sei verfassungswidrig. Außerdem lägen die Voraussetzungen für die Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach § 7 AWbG nicht vor. Die IG Metall sei keine anerkannte Einrichtung der Weiterbildung im Sinne des § 9 Satz 1 Buchst. a AWbG; eine ministerielle Genehmigung der Veranstaltung nach § 9 Satz 1 Buchst. d AWbG liege nicht vor; das DGB-Bildungswerk Nordrhein-Westfalen (im folgenden: Bildungswerk), sei zwar eine anerkannte Einrichtung der Weiterbildung, habe aber entgegen der Auffassung des Klägers das Seminar nicht durchgeführt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Mit der Revision bittet die Beklagte um Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts für die Zeit vom 21. bis zum 25. April 1986. Das Seminar, an dem der Kläger teilgenommen hat, war keine Arbeitnehmerweiterbildung im Sinne des Gesetzes.
Nach § 7 AWbG hat der Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitnehmerweiterbildung das Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Diese Bestimmung ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Dies hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluß vom 15. Dezember 1987 (- 1 BvR 563/85 -, - 1 BvR 582/85 -, - 1 BvR 974/86 -, - 1 BvL 3/86 - AP Nr. 62 zu Art. 12 GG) entschieden. Die Entscheidung hat Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 BVerfGG).
Nach § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 3 AWbG erfolgt Arbeitnehmerweiterbildung in anerkannten Bildungsveranstaltungen. Das Seminar, das der Kläger besucht hat, war keine anerkannte Bildungsveranstaltung.
I. Nach § 9 Satz 1 Buchst. a AWbG gelten Bildungsveranstaltungen als anerkannt, wenn sie von anerkannten Einrichtungen der Weiterbildung durchgeführt werden. Diese Voraussetzung erfüllt die Veranstaltung, an der der Kläger teilgenommen hat, nicht. Die IG Metall, die zu dem Seminar eingeladen hat, ist keine anerkannte Einrichtung der Weiterbildung. Das Bildungswerk ist zwar eine anerkannte Einrichtung der Weiterbildung, es hat das Seminar aber nicht durchgeführt.
1. Die IG Metall ist keine anerkannte Einrichtung der Weiterbildung.
a) Die IG Metall ist nicht durch Bescheid des zuständigen Ministers nach § 23 des Ersten Gesetzes zur Ordnung und Förderung der Weiterbildung in Lande Nordrhein-Westfalen (Weiterbildungsgesetz - WbG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Mai 1982 (GV.NW. S. 276) als Einrichtung der Weiterbildung in anderer Trägerschaft anerkannt worden. Einen ausdrücklich auf die IG Metall lautenden Anerkennungsbescheid hat der Kläger nicht behauptet und ein solcher ist ist auch sonst nicht ersichtlich.
b) Die Erlasse, durch die das Bildungswerk anerkannt wurde, wirken nicht zugunsten der IG Metall.
Die Anerkennung des Bildungswerks ergibt sich aus dem Erlaß des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen - Landeszentrale für politische Bildung - vom 5. Dezember 1986 - LZ 4 5810-1475 - in Verb. mit dem Erlaß des Ministers für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen - Landeszentrale für politische Bildung - vom 17. Juli 1975 - Z D 1 - 581-1475 - (abgedruckt bei Wahsner/Wichert, Das Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz von Nordrhein-Westfalen, S. 106 und 102). Zwar ist in diesem Verwaltungsakt als Begünstigter der "Deutsche Gewerkschaftsbund, Landesbezirk Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf - Abteilung Bildung" bezeichnet und nach § 23 WbG mit Wirkung vom 1. Januar 1975 als Einrichtung der Weiterbildung in anderer Trägerschaft anerkannt worden. Die Anerkennung umfaßt aber auch das Bildungswerk, das als Nachfolgeeinrichtung der Abteilung Bildung durch Satzung des DGB-Landesbezirksvorstandes Nordrhein-Westfalen vom 16. Dezember 1985 mit Wirkung vom 1. Januar 1986 errichtet wurde. In dem Erlaß vom 5. Dezember 1986 heißt es: "Die neue Satzung sowie der in DGB-Bildungswerk Nordrhein-Westfalen geänderte Name der Einrichtung sind Bestandteil meiner Anerkennung vom 17. Juli 1975. Damit bleibt dieser Verwaltungsakt unverändert rechtswirksam". Daraus folgt, daß die begünstigende Wirkung des Erlasses vom 17. Juli 1975 sich künftig auf das neu gegründete Bildungswerk erstreckt.
Durch die Anerkennung des Bildungswerks ist jedoch nicht zugleich die IG Metall als Träger der Weiterbildung anerkannt worden.
aa) Das Landesarbeitsgericht ist gegenteiliger Auffassung und meint, durch den Erlaß vom 5. Dezember 1986 sei das DGB-Bildungswerk "in der durch die Satzung vom 16. Dezember 1985 bestimmten Organisationsform" anerkannt worden. Durch die ab 1. Januar 1986 geltende Satzung seien die Veranstaltungen der Einzelgewerkschaften und ihrer Untergliederungen gemäß der bisherigen Bezuschussungspraxis in den Geltungsbereich der ministeriellen Anerkennung des Bildungswerks einbezogen worden. Das folge auch aus dem Erlaß des Ministerpräsidenten vom 13. Januar 1986 - LZ 4 - 5147 - (abgedruckt bei Wahsner/Wichert, aaO, S. 104/105). DGB-Landesbezirk und Anerkennungsbehörde hätten die begünstigende Wirkung des Erlasses des Ministerpräsidenten vom 5. Dezember 1986 auch auf die von den Verwaltungsstellen der IG Metall "dezentral durchgeführten" Bildungsveranstaltungen erstreckt, und zwar rückwirkend. Diese Entscheidung sei für die Gerichte für Arbeitssachen bei der Entscheidung über den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bindend, selbst wenn die Anerkennungsbehörde möglicherweise ihre Kompetenzen überschritten habe.
bb) Dem ist nicht zu folgen. Anerkannte Einrichtung der Weiterbildung ist nur das Bildungswerk, nicht aber die IG Metall als dessen Mitglied.
Nach § 1 Abs. 1 der "Satzung der Weiterbildungseinrichtung des DGB-Landesbezirks Nordrhein-Westfalen" vom 16. Dezember 1985 führt die Weiterbildungseinrichtung des DGB-Landesbezirks Nordrhein-Westfalen die Bezeichnung "DGB-Bildungswerk Nordrhein-Westfalen". Nach § 1 Abs. 2 der Satzung sind Mitglieder des Bildungswerks der DGB-Landesbezirk und die DGB-Kreise, die Gewerkschaften und Industriegewerkschaften mit ihren Untergliederungen im DGB-Landesbezirk Nordrhein-Westfalen. Nach § 3 der Satzung führt das Bildungswerk Maßnahmen, Projekte und Veranstaltungen der politischen Bildung im Lande auf örtlicher, regionaler und Landesebene durch. Aus dieser Regelung in Verbindung mit dem Anerkennungsbescheid folgt, daß nur die Weiterbildungseinrichtung des DGB selbst, also das Bildungswerk, nicht aber die Einzelgewerkschaften, Einrichtung der Weiterbildung im Sinne des Gesetzes ist. Nur das Bildungswerk selbst wird in der ministeriellen Anerkennung nach § 23 Abs. 1 WbG bezeichnet, nicht aber die Einzelgewerkschaften. Ihnen wird in der Satzung eine vereinsrechtliche Mitgliedsfunktion im Bildungswerk zugewiesen; sie können in den Formen, die die Satzung vorsieht, auf die Arbeit des Bildungswerks Einfluß nehmen, sind aber als Mitglieder des Bildungswerks nicht mit diesem identisch und somit nicht selbst Begünstigte des Anerkennungsbescheides.
2. Das Bildungswerk hat die Veranstaltung, an der der Kläger teilgenommen hat, nicht durchgeführt. Die Durchführung lag vielmehr bei der IG Metall.
a) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts werden die "Funktionsträger"-Seminare von der IG Metall erarbeitet und angeboten. Die IG Metall ermittelt die Nachfrage, stellt Einladung und Teilnahmebestätigung aus und bestellt auch die Referenten. Das Bildungswerk, das aufgrund seines Personalbestandes nicht in der Lage ist, selbst zu überwachen, ob die durchführende Stelle die gesetzlichen Vorschriften einhält, prüft die ihm vorgelegten Veranstaltungen im Planungsstadium darauf, ob das Seminar den gesetzlichen Anforderungen, insbesondere den Förderrichtlinien nach dem Weiterbildungsgesetz entspricht und leitet die in seine Gesamtplanung aufgenommene Veranstaltung dem zuständigen Regierungspräsidenten zu. Der durchführenden Stelle teilt das Bildungswerk mit der Genehmigungsnummer mit, daß die Veranstaltung durchgeführt werden kann. Später rechnet die durchführende Stelle mit dem Bildungswerk ab und erhält nach Überprüfung die Auszahlung des Zuschusses.
Dieser Einfluß, den das Bildungswerk auf die einzelne Veranstaltung ausübt, reicht nicht, diese als von dem Bildungswerk durchgeführt anzusehen. Im Wortsinne durchgeführt wird eine Veranstaltung von dem, der sie "verwirklicht" oder "in die Tat umsetzt" (vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Ausgabe 1986, S. 369). Dies setzt voraus, daß der Durchführende bestimmenden Einfluß darauf hat, ob die Veranstaltung stattfindet, wie sie inhaltlich gestaltet wird, wer unterrichtet und wer teilnimmt. Dafür, daß das Gesetz den Begriff "durchgeführt werden ... von" in § 9 Satz 1 Buchst. a AWbG in diesem wörtlichen Sinne versteht, sprechen die in § 23 Abs. 2 WbG geregelten Anerkennungsvoraussetzungen, die eine Bildungsstätte erfüllen muß. Diese kann ohne den genannten Einfluß nicht nach Art und Umfang ihrer Tätigkeit die Gewähr der Dauer bieten (§ 23 Abs. 2 Nr. 1 WbG), das vorgeschriebene Mindestangebot auf dem Gebiet der Weiterbildung garantieren (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 WbG), sicherstellen, daß ihre Tätigkeit sich auf den Zweck der Weiterbildung beschränkt (§ 23 Abs. 2 Nr. 3 WbG) und verhindern, daß das Lehrangebot vorrangig den Zwecken einzelner Betriebe (§ 23 Abs. 2 Nr. 4 WbG) oder der Gewinnerzielung (§ 23 Abs. 2 Nr. 5 WbG) dient. An diesem tatsächlichen Einfluß auf die Veranstaltung des Seminars fehlte es nach den getroffenen Feststellungen dem Bildungswerk. Indem dieses sich darauf beschränkte, die Veranstaltung im Planungsstadium daraufhin zu prüfen, ob sie den gesetzlichen Vorschriften und den Förderrichtlinien nach dem Weiterbildungsgesetz entsprach, sie dem Regierungspräsidenten mitzuteilen und später abzurechnen, verzichtete es darauf, die Bildungsveranstaltung in einem Maße zu bestimmen, das es rechtfertigt, das Bildungswerk als die Einrichtung anzusehen, die das Seminar durchführte. Das Bildungswerk überließ es vielmehr der IG Metall zu bestimmen, ob das Seminar stattfand und mit welchem Inhalt, wer teilnahm und wer unterrichtete. Seine Funktion war nur eine unterstützende. Die IG Metall war somit die Einrichtung, die das Seminar durchführte, nicht das Bildungswerk.
Dies gilt jedenfalls für die festgestellte Form der tatsächlichen Zusammenarbeit zwischen IG Metall und Bildungswerk. Der Rechtsstreit veranlaßt den Senat nicht, dazu Stellung zu nehmen, ob bei anderen denkbaren Formen des Zusammenwirkens zwischen einer Einzelgewerkschaft und dem Bildungswerk dieses als Einrichtung angesehen werden könnte, die die Veranstaltung im Sinne des § 9 Satz 1 AWbG durchführt.
b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann das Seminar auch nicht aufgrund der Rechtsbeziehungen zwischen Einzelgewerkschaft und Bildungswerk als von diesem durchgeführt angesehen werden. Dies läßt sich weder aus der Satzung des Bildungswerks vom 16. Dezember 1985 noch aus dieser in Verbindung mit dem Erlaß des Ministerpräsidenten vom 5. Dezember 1986 entnehmen.
aa) In der nach § 23 Abs. 2 Nr. 10 WbG als Voraussetzung für die Anerkennung vorgeschriebenen Satzung einer Bildungsstätte sind insbesondere Stellung und Aufgabenbereich des Leiters und der Mitarbeiter der Einrichtung sowie Art und Umfang der Mitwirkungsrechte festzulegen, die den Mitarbeitern und den Teilnehmern der Lehrveranstaltungen einzuräumen sind (§ 17 Abs. 2 und 3 WbG). Das Bildungswerk hat in der Satzung vom 16. Dezember 1985 über diese Regelungen hinaus bestimmt, daß seine Mitglieder der DGB-Landesbezirk und die DGB-Kreise, die Gewerkschaften und Industriegewerkschaften mit ihren Untergliederungen im DGB-Landesbezirk Nordrhein-Westfalen seien. Es hat sich damit eine körperschaftliche Verfassung gegeben. Das hat aber nicht zur Folge, daß die Bildungsveranstaltungen, die die Mitglieder des Bildungswerks durchführen, zu solchen des Bildungswerks werden. Durchgeführt wird eine Bildungsveranstaltung durch das Bildungswerk nur, wenn sie von diesem, d. h. von seinem zuständigen Organ, also dem Landesbildungssekretär (§ 6 Abs. 1 der Satzung), der nach § 6 Abs. 2 Buchst. b der Satzung für die Lehrgangsgestaltung und deren Durchführung verantwortlich ist, durchgeführt wird, wenn dieser also bestimmt, ob die Veranstaltung stattfindet, mit welchem Inhalt, welchen Teilnehmern und welchen Referenten. Die Mitglieder des Bildungswerks gehören jedoch nicht zu den durchführenden Organen. Sie sind im Verhältnis zu dem Bildungswerk Dritte. Wird ein Seminar von Bildungswerk und Mitglied gemeinsam veranstaltet, kann nur anhand der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls festgestellt werden, wer es im Sinne des Gesetzes durchführt. Zu dieser Prüfung besteht gerade im Verhältnis Bildungswerk - Einzelgewerkschaft Veranlassung, weil die Einzelgewerkschaften satzungsgemäß eigene Bildungsveranstaltungen durchführen (vgl. z. B. Satzung der IG Metall, gültig ab 1. Januar 1975, § 2 Nr. 9).
bb) Daran ändert nichts, daß im Erlaß vom 5. Dezember 1986 auf die Satzung des Bildungswerks Bezug genommen wurde.
Die behördliche Anerkennung bezieht sich auf eine Einrichtung, nicht auf deren Satzung. Auch regelt die Anerkennung nicht, ob die Einrichtung, auf die sie sich bezieht, eine bestimmte Veranstaltung durchführt. Der Begriff der Durchführung ist ein tatsächlicher, kein rechtlicher.
Mit dem Bescheid vom 17. Juli 1975 wurde die Vorgängerin des Bildungswerks, die Abteilung Bildung, als Einrichtung der Weiterbildung in anderer Trägerschaft anerkannt. Wie sich aus dem letzten Absatz des Bescheids ergibt, geschah dies unter dem Vorbehalt, daß der Anerkennungsbehörde die nach § 17 WbG erforderliche Satzung nachgereicht wird. Zu Unrecht schließt das Berufungsgericht daraus, daß sich der Umfang der begünstigenden Wirkung des Anerkennungsbescheids nach der im Anerkennungsverfahren vorgelegten Satzung bestimme und demgemäß der Erlaß vom 5. Dezember 1986 das Bildungswerk auch im Umfang der Satzung vom 16. Dezember 1985 anerkenne, also die Veranstaltungen der Mitglieder des Bildungswerks in die Anerkennung einbeziehe.
Die begünstigende Wirkung des Erlasses vom 17. Juli 1975 wurde nicht durch den Erlaß vom 5. Dezember 1986 auf die von den Verwaltungsstellen der IG Metall durchgeführten Bildungsveranstaltungen "erstreckt". Es erscheint schon zweifelhaft, ob der Erlaß vom 5. Dezember 1986 überhaupt eine Regelung im Sinne des § 35 VwVfG trifft. Sein letzter Absatz, in dem es heißt, der Verwaltungsakt vom 17. Juli 1975 bleibe unverändert rechtswirksam, deutet nicht darauf hin. Daß nach ihm "die neue Satzung ... Bestandteil meiner Anerkennung vom 17. Juli 1975" wird, hat nicht zur Folge, daß die Bildungsveranstaltungen von Einzelgewerkschaften zu anerkannten Bildungsveranstaltungen des Bildungswerks werden. Ob eine Bildungsveranstaltung des Bildungswerks nach § 9 Satz 1 AWbG als anerkannt gilt, richtet sich allein danach, ob das Bildungswerk sie tatsächlich durchführt.
cc) Das Seminar kann auch nicht aufgrund behördlicher Entscheidung als von dem Bildungswerk durchgeführt angesehen werden. In Betracht kommt hier das Schreiben vom 13. Januar 1986 - LZ 4 - 5147 -, das der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen - Landeszentrale für politische Bildung - an den Deutschen Gewerkschaftsbund, Landesbezirk Nordrhein-Westfalen, gerichtet hat (abgedruckt bei Wahsner/Wichert, aaO, S. 104/105). Darin wird gebilligt, daß die politische Bildungsarbeit des DGB-Landesbezirks in drei Ebenen durchgeführt wird. Daraus folgt, daß dem DGB-Landesbezirk für die Bezuschussung mit öffentlichen Mitteln auch Veranstaltungen zugerechnet werden, die nicht er, sondern die DGB-Kreise oder die Bezirke und Ortsverwaltungen der Gewerkschaften und Industriegewerkschaften durchgeführt haben. Für die Entscheidung des Senats über den Lohnfortzahlungsanspruch des Klägers ist dies jedoch ohne Bedeutung. Es ist Sache der zuständigen Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen zu entscheiden, welche Veranstaltungen sie einbeziehen, wenn sie eine Einrichtung der Weiterbildung in anderer Trägerschaft nach § 22 Abs. 1, § 24 WbG fördern. Die Lohnfortzahlungspflicht nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz hängt von dieser Entscheidung nicht ab. Für sie kommt es allein darauf an, daß die Veranstaltung von der anerkannten Einrichtung der Weiterbildung in anderer Trägerschaft im Sinne des § 9 Satz 1 Buchst. a AWbG durchgeführt wurde. Dies müssen die Gerichte für Arbeitssachen in eigener Zuständigkeit prüfen. Dabei sind sie an Verwaltungsentscheidungen über die staatliche Förderung nach dem Weiterbildungsgesetz nicht gebunden.
II. Das von der IG Metall durchgeführte Seminar war unstreitig auch nicht durch den zuständigen Minister genehmigt worden. Es galt somit auch nicht nach § 9 Satz 1 Buchst. d AWbG als anerkannte Bildungsveranstaltung.
Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer
Dr. Meyer Wittendorfer
Fundstellen
BAGE 61, 168-176 (LT1-5) |
BAGE, 168 |
DB 1989, 1674-1675 (LT1-5) |
EzB AWbG, NRW § 7 Nr 35 (LT1-5) |
EWiR 1989, 1159-1159 (L1-5) |
NZA 1989, 753-755 (LT1-5) |
RdA 1989, 310 |
SAE 1990, 31-34 (LT1-5) |
ZAP, EN-Nr 303/89 (S) |
ZIP 1989, 1273 |
ZIP 1989, 1273-1276 (LT1-5) |
AP § 9 BildungsurlaubsG NRW (LT1-5), Nr 2 |
AP, 0 |
AR-Blattei, Arbeitnehmerweiterbildung Entsch 2 (LT3-5) |
AR-Blattei, ES 130 Nr 2 (LT3-5) |