Entscheidungsstichwort (Thema)
Tatsachenvergleich wegen eines Anspruchs auf Invaliditätsrente
Leitsatz (redaktionell)
Ein gerichtlicher Vergleich über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf betriebliche Altersversorgung verstößt nicht gegen § 3 Abs 1 Satz 1 oder § 17 Abs 3 Satz 3 BetrAVG, wenn die Parteien hierüber zuvor ohne abschließende Klärung gestritten haben. Dies gilt auch dann, wenn im Vergleich Versorgungsansprüche gänzlich ausgeschlossen werden und stattdessen ein Abfindungsanspruch wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes erhöht wird (Bestätigung des Senatsurteils vom 18. Dezember 1984 3 AZR 125/84 = BAGE 47, 355 = AP Nr 8 zu § 17 BetrAVG.
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 26.08.1993; Aktenzeichen 5 Sa 963/93) |
ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 06.05.1993; Aktenzeichen 2 Ca 5670/92) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob der Kläger über die von der Beklagten gezahlte zeitanteilig und wegen vorgezogener Inanspruchnahme versicherungsmathematisch gekürzte betriebliche Altersrente hinaus eine ungekürzte betriebliche Invaliditätsrente verlangen kann.
Der am 2. Februar 1932 geborene schwerbehinderte Kläger wurde zum 2. Januar 1975 bei der Beklagten eingestellt und ab dem 1. Juli 1975 als Gesamtbetriebsleiter des Werkes R beschäftigt. Am 7. März 1980 sagte die Beklagte dem Kläger eine Versorgung zu. Sie schrieb u. a.:
"Es gilt für Sie mit Wirkung vom 01.10.79 folgen-
de Regelung:
1. Nach Vollendung Ihres 65. Lebensjahres und
Ausscheiden aus den Diensten unserer Firma er-
halten Sie ein lebenslängliches Ruhegehalt von
monatlich 1.800,-- DM (= jährlich
21.600,-- DM). Die Ihnen zustehende gesetzli-
che Sozialversicherungsrente wird auf diese
betriebliche Rente nicht angerechnet.
2. Sollten Sie vor Vollendung des 65. Lebensjah-
res in den Diensten unserer Firma unverschul-
det arbeitsunfähig werden, so zahlt Ihnen die
Firma eine Invaliditätsrente in gleicher Höhe
wie die unter 1. angegebene Altersrente. Die
Invaliditätsrente, die einer Erwerbsunfähig-
keitsrente im Sinne der Sozialversicherungsge-
setzgebung entspricht, wird solange gezahlt,
wie die Invalidität dauert.
..."
1985 wurde der Eintritt des Versorgungsfalles auf die Vollendung des 63. Lebensjahres vorverlegt.
Den Anspruch auf Invaliditätsrente begründet der Kläger wie folgt: Am 15. Oktober 1986 war der Kläger als Fußgänger nach dem Besuch einer Gaststätte gegen 19.00 Uhr bei Dunkelheit und regnerischem Wetter an einem Verkehrsunfall beteiligt. Er wollte bei fließendem Verkehr eine dreispurige Fahrbahn überqueren. Dabei wurde er von einem Kraftfahrzeug erfaßt und erlitt mehrere Brüche sowie Verletzungen am rechten Auge, die zu einer dauernden Verminderung der Sehfähigkeit führten. Im Anschluß an den Unfall wurde beim Kläger eine Blutalkoholkonzentration von 1,83 Promille festgestellt. Das Strafverfahren gegen den Fahrer des Kraftfahrzeuges wurde nach Einholung eines Sachverständigengutachtens gegen Zahlung einer Geldbuße von 150,00 DM nach § 153 a StPO eingestellt.
Mit Schreiben vom 8. Januar 1987 übersandte die Beklagte dem Kläger auf dessen Wunsch aus Gründen der "notwendigen Information" ein "Schema mit den Erläuterungen über die Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung". Dabei ging sie zunächst von der Annahme aus, daß das Arbeitsverhältnis am 30. Juni 1987 beendet werde. Alternativ legte sie die Möglichkeit zugrunde, "daß der Versicherungsfall eintritt, während das Beschäftigungsverhältnis noch besteht". Zur zweiten Alternative heißt es in dem Schreiben:
"Tritt die Erwerbsunfähigkeit ein, während das
Beschäftigungsverhältnis noch besteht, dann wird
die volle Höhe der Rente fällig, nämlich monat-
lich DM 1.800,--. Das gleiche gilt, wenn das 63.
Lebensjahr erreicht wird und das Arbeitsverhält-
nis noch besteht."
Die Beklagte kündigte dem Kläger am 20. Januar 1987. Im Anschluß hieran schlossen die Parteien am 18. Februar/5. Mai 1987 eine Vereinbarung, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung vom 20. Januar 1987 am 31. März 1987 bei Zahlung einer Abfindung in Höhe von 40.000,00 DM enden sollte.
Der Kläger bezieht aufgrund der Folgen des Verkehrsunfalls vom 15. Oktober 1986 seit dem 1. Februar 1987 eine gesetzliche Erwerbsunfähigkeitsrente. Er verlangte in einem Vorprozeß (Arbeitsgericht Wuppertal - 4 Ca 3404/88 -) von der Beklagten, daß sie an ihn ab diesem Zeitpunkt die betriebliche Invaliditätsrente in Höhe von 1.800,00 DM monatlich zahle. Die Beklagte lehnte dies ab, weil der Kläger den Unfall vom 15. Oktober 1986 und damit seine Erwerbsunfähigkeit selbst verschuldet habe. Am 15. März 1990 schlossen die Parteien hierüber einen gerichtlichen Vergleich. Im Sitzungsprotokoll heißt es:
"Diese schließen sodann unter vollständiger Auf-
rechterhaltung ihrer Sach- und Rechtsauffassung
und allein zu dem Zweck der Vermeidung weiteren
Kosten- und Zeitaufwandes u. a. infolge weiter
durchzuführender Beweisaufnahme auf Vorschlag der
Kammer folgenden
V e r g l e i c h
1. Die Beklagte zahlt an den Kläger zur Beendi-
gung des Rechtsstreits über die in Ziffer 2
der Vereinbarung vom 18. Februar/5. Mai 1987
vereinbarte Abfindung hinaus eine weitere Ab-
findung gem. §§9, 10 KSchG, 3 Ziffer 9, 24,
34 EStG in Höhe von DM 48.000,-- (i. W. acht-
undvierzigtausend).
2. Von der in Ziffer 1 genannten Abfindung blei-
ben unberührt die Ansprüche des Klägers gegen
die Beklagte auf betriebliche Altersrente,
welche frühestens ab dem 1. März 1992 in An-
spruch genommen werden kann."
Der Kläger bezieht seit dem 1. März 1992 vorgezogenes Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Seither zahlt die Beklagte an den Kläger monatlich eine betriebliche Altersrente in Höhe von 801,54 DM. Über die Berechnung dieser Rente besteht zwischen den Parteien kein Streit.
Mit seiner Klage hat der Kläger den Standpunkt vertreten, ihm stehe ab März 1992 eine ungekürzte betriebliche Versorgungsleistung in Höhe von 1.800,00 DM monatlich zu. Er hat dazu behauptet, die Beklagte habe seinen Anspruch auf volle Invaliditätsrente in zwei Schreiben vom 8. Januar und 2. Juni 1987 anerkannt, die entsprechende mündliche Zusagen bestätigt hätten. Im gerichtlichen Vergleich vom 15. März 1990 habe man sich nur darauf geeinigt, daß der Kläger seine Ansprüche für die Zeit bis zum 29. Februar 1992 nicht mehr weiter verfolgen werde. Die Beklagte schulde dem Kläger deshalb ab dem 1. März 1992 die Betriebsrente ebenso ungekürzt wie sie als Invaliditätsrente zu zahlen gewesen wäre. Er habe die eingetretene Erwerbsunfähigkeit auch nicht verschuldet. Er sei von dem Führer des Kraftfahrzeuges, als er am 15. Oktober 1986 die Straße überquert habe, frühzeitig zu erkennen gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Be-
trag in Höhe von 9.984,60 DM zu zahlen;
2. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, begin-
nend ab Januar 1993, ihm eine monatliche be-
triebliche Altersrente von 1.800,00 DM zu zah-
len, abzüglich der gewährten betrieblichen Al-
tersrente von 801,54 DM.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, sie habe dem Kläger keine ungekürzte Invaliditätsrente versprochen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein Anspruch des Klägers auf Invaliditätsrente sei aufgrund des Vergleichs vom 15. März 1990 insgesamt ausgeschlossen. Dies entspreche auch dem tatsächlichen Willen der am damaligen Vergleich Beteiligten, wie sich aus einem Schreiben der Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 3. Januar 1990 ergebe. Im übrigen hat die Beklagte unverändert den Standpunkt vertreten, daß der Kläger den Unfall und die daraus folgende Erwerbsunfähigkeit selbst verschuldet habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision strebt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung an.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf betriebliche Versorgungsleistungen, die über den von der Beklagten gezahlten Betrag hinausgehen.
I. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob dem Kläger ein Anspruch auf betriebliche Invaliditätsrente nach Nr. 2 der Versorgungszusage vom 7. März 1980 zusteht. Ein ungekürzter Rentenanspruch kommt nur nach dieser Bestimmung in Betracht. Altersrente kann der Kläger wegen seines vorzeitigen Ausscheidens nur zeitanteilig und wegen vorzeitiger Inanspruchnahme (Vollendung des 60. Lebensjahres) nur mit versicherungsmathematischen Abschlägen beziehen. Die vom Kläger behaupteten und als Anerkenntnisse gewerteten Erklärungen und Schreiben des Geschäftsführers der Beklagten beziehen sich nicht auf die Altersrente, sondern nur auf den Rentenanspruch wegen unfallbedingter Invalidität. Den Anspruch auf Altersrente erfüllt die Beklagte. Gegen die Berechnung dieser Rente (801,54 DM monatlich) hat der Kläger keine Einwendungen erhoben.
II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine betriebliche Invaliditätsrente. Die Parteien haben über einen etwaigen Anspruch mit dem Vergleich vom 15. März 1990 einen wirksamen Erlaßvertrag geschlossen.
1. Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger die tatsächlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Invaliditätsrente erfüllt. Ein Anspruch besteht jedenfalls nicht mehr, nachdem die Parteien sich im Vorprozeß hierüber abschließend verglichen haben. Die Parteien wollten mit dem Vergleich den Streit darüber beenden, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf betriebliche Invaliditätsrente vorliegen. Sie einigten sich, daß der Kläger keinen Anspruch auf Invaliditätsrente hat, vereinbarten aber im Hinblick auf das bestehende Prozeßrisiko die Zahlung einer weiteren Abfindung von 48.000,00 DM.
a) Für dieses Auslegungsergebnis sprechen Wortlaut und Systematik des Vergleichs.
Nach Nr. 2 des Vergleichs bleiben nur Ansprüche des Klägers auf betriebliche Altersrente von der in Nr. 1 getroffenen Regelung unberührt. Dem Kläger sollen mithin die Rechte erhalten bleiben, die in Nr. 1 der Versorgungszusage vom 7. März 1980 geregelt sind. Da der Vergleich im übrigen nur die Abfindungsvereinbarung enthält, soll hiermit offenbar der Streit über die in Nr. 2 der Versorgungszusage geregelte Invaliditätsrente endgültig in dem vom Landesarbeitsgericht angenommenen Sinn beendet werden.
Dies entspricht auch der Auslegungsregel, wonach durch einen Prozeßvergleich regelmäßig der Streit über den Gegenstand des vorangegangenen Verfahrens insgesamt beigelegt wird (BAG Urteil vom 7. Mai 1968 - 5 AZR 234/67 - AP Nr. 14 zu § 794 ZPO, zu 1 b der Gründe). Der Vergleich vom 15. März 1990 beendete einen Rechtsstreit, in dem es darum ging, ob der Kläger überhaupt einen Anspruch auf Invaliditätsrente hat. Die zwischen den Parteien umstrittene Frage lautete, ob der Kläger seine Invalidität selbst verschuldet hatte und deshalb ein Anspruch auf Invaliditätsrente insgesamt ausgeschlossen war. Dementsprechend hatte der Kläger im Vorprozeß auch beantragt, die Beklagte auf unbestimmte Zeit zur Zahlung von 1.800,00 DM zu verurteilen. Hätten die Parteien hiernach den Streit um das Bestehen eines Anspruchs auf Invaliditätsrente nur für eine bestimmte Zeit beseitigen wollen, hätte es nahegelegen, dies durch eine entsprechende Vergleichsformulierung deutlich zu machen. Dies gilt um so mehr, als der gerichtliche Vergleichsvorschlag, der dem Vergleichsabschluß vorangegangen war, noch vorgesehen hatte, daß die Beklagte bis zum Zeitpunkt der vorzeitigen Inanspruchnahme der gesetzlichen Rente monatlich 700,00 DM zahlen sollte. Obwohl also den Parteien die Möglichkeit einer nur zeitweisen Regelung des Streitstoffes bekannt war, haben sie im Vergleich wegen der Invaliditätsrente ab dem 1. März 1992 keinen Vorbehalt vereinbart, sondern stattdessen den Umfang der Leistungen gegenüber dem gerichtlichen Vorschlag nicht unerheblich erweitert.
b) Dafür, daß die Parteien mit dem gerichtlichen Vergleich die Frage, ob dem Kläger eine Invaliditätsrente zusteht, abschließend und nicht nur für die Zeit bis zum 1. März 1992 regeln wollten, sprechen auch die Erklärungen der Parteien zum Zweck des Vergleichs. Es ging den Parteien darum, den Kosten- und Zeitaufwand einer ansonsten durchzuführenden Beweisaufnahme zu vermeiden. Dieses Ziel wäre im Ergebnis verfehlt worden, wäre die Frage offen geblieben, ob dem Kläger nicht zumindest ab dem 1. März 1992 eine Invaliditätsrente zusteht; denn dann hätte die Frage des Verschuldens in einem späteren Verfahren geklärt werden müssen. Die Beweisaufnahme wäre nicht vermieden, sondern nur auf eine spätere Zeit verschoben worden.
c) Die zwischen den Parteien vor Abschluß des Vergleichs vom 15. März 1990 gewechselten Schriftsätze unterstützen das Auslegungsergebnis. Kurz vor Vergleichsschluß hatten die Prozeßbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 3. Januar 1990 gegenüber der Beklagten klargestellt, daß der Vergleich den Zweck habe, "den Fall der Erwerbsunfähigkeit des Klägers und die daraus resultierende Betriebsrente abschließend zu regeln. Die betriebliche Altersrente sollte ausdrücklich von dem Vergleich nicht berührt werden".
Ohne Bedeutung für die Auslegung des Vergleichs sind demgegenüber die Bemühungen der Beklagten vor Vergleichsschluß, in Nr. 2 des Vergleichs eine andere Formulierung zu erreichen. Es kann dahinstehen, ob es der Beklagten hier nur um die Höhe der betrieblichen Altersrente ging, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat. Möglicherweise befürchtete die Beklagte auch Nachwirkungen des Streites um die Invaliditätsrente bei Eintritt des Klägers in den vorzeitigen Ruhestand. Etwaige Bedenken hätte der Kläger jedenfalls vor Vergleichsschluß durch das Schreiben vom 3. Januar 1990 ausgeräumt.
2. Der gerichtliche Vergleich vom 15. März 1990 ist rechtswirksam. Er verstößt weder gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB), noch ist er sittenwidrig (§ 138 BGB).
a) Die Parteien haben einen Tatsachenvergleich abgeschlossen. Sie haben mit ihrem Vergleich die Ungewißheit über das Vorliegen von Tatsachen im Hinblick auf die streitig gebliebenen näheren Umstände des Unfalls des Klägers und dessen sich daraus ergebendes Verschulden beseitigen wollen. Sie haben sich gerade wegen der bestehenden Unsicherheit darauf geeinigt, daß dem Kläger keine Invaliditätsrente zustehen soll, und stattdessen eine erhöhte Abfindung vereinbart.
b) Dieser Tatsachenvergleich verstößt nicht gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 oder § 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG.
§ 3 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG verbietet die Abfindung einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft durch eine einmalige Zahlung, wenn die Anwartschaft auf einer Versorgungszusage beruht, die mindestens 10 Jahre vor dem Ausscheiden gegeben wurde. § 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG verhindert allgemein einzelvertragliche Regelungen, durch die von den Mindestbedingungen des Betriebsrentengesetzes zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden soll. Beide Verbote greifen nur dann, wenn unstreitig Rechte aus einer Versorgungszusage bestehen. Ist zwischen den Parteien streitig, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für einen Versorgungsanspruch vorliegen, können sich die Parteien hierüber im Wege gegenseitigen Nachgebens vergleichen. Das praktische Bedürfnis nach einer gütlichen Einigung ist rechtlich anzuerkennen. Es muß eine Möglichkeit geben, die Ungewißheit oder den Streit über das Bestehen gegenseitiger Rechte und Pflichten einvernehmlich beizulegen. Das gilt auch für Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Das BetrAVG hat zwar die Verfügungsbefugnis für erdiente Anwartschaften eingeschränkt und die Freiheit der Vertragspartner den Grenzen des Günstigkeitsprinzips unterworfen. Es hat aber nicht die Befugnis der Parteien eingeschränkt, sich über die tatsächlichen Voraussetzungen von Ruhegeldansprüchen und -anwartschaften zu vergleichen. Derartige Tatsachenvergleiche werden vom Schutzzweck der gesetzlichen Regelungsverbote nicht erfaßt. Sie sind auch in der betrieblichen Altersversorgung möglich (BAGE 47, 355, 358 ff. = AP Nr. 8 zu § 17 BetrAVG, zu B I der Gründe, mit zustimmender Anmerkung von Hansjörg Weber; Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 17 Rz 204). Bei Unsicherheit über das Bestehen eines Versorgungsanspruchs ist auch eine vergleichsweise Einigung dahin statthaft, daß keine Versorgungsansprüche bestehen und eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes erhöht wird (BAG, aaO).
c) Der Vergleich vom 15. März 1990 ist auch nicht wegen Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) nichtig. Angesichts des erheblichen Prozeßrisikos des Klägers im Vorprozeß und eines zusätzlichen Abfindungsbetrages von 48.000,00 DM stehen das Nachgeben des Klägers und der Beklagten bei Vergleichsschluß nicht in einem auffälligen Mißverhältnis zueinander. Es kann deshalb dahinstehen, ob die übrigen Voraussetzungen des § 138 BGB erfüllt sind und ob diese Bestimmung auf Vergleiche anwendbar ist, die auf gerichtlichen Vorschlag abgeschlossen werden.
III. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf ungekürzte betriebliche Invaliditätsrente aufgrund eines Anerkenntnisses der Beklagten.
Sowohl die behaupteten Erklärungen des Geschäftsführers der Beklagten als auch die Schreiben der Beklagten vom 8. Januar und 2. Juni 1987 liegen erhebliche Zeit vor dem Abschluß des Prozeßvergleichs, durch den der Anspruch des Klägers auf Invaliditätsrente abschließend geregelt wurde. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Erklärungen des Geschäftsführers der Beklagten und die genannten Schreiben einen weitergehenden Erklärungsinhalt hatten als denjenigen, den Kläger über die bestehende Rechtslage zu informieren. Auch ein etwaiges Anerkenntnis würde durch die neuere, umfassende Regelung im Prozeßvergleich vom 15. März 1990 verdrängt.
Dr. Heither Griebeling Bepler
Gebert Großmann
Fundstellen
Haufe-Index 438777 |
BB 1994, 2500 |
DB 1995, 52 (LT1) |
FamRZ 1995, 295 (L) |
NZA 1995, 421 |
NZA 1995, 421-423 (LT1) |
AP § 3 BetrAVG ((LT1), Nr 3 |
AR-Blattei, Nr 460 Nr 299 (LT1) |
EzA-SD 1994, Nr 25, 22-24 (LT1) |
EzA § 3 BetrAVG, Nr 4 (LT1) |
PersF 1995, 237 (K) |
VersR 1995, 562-563 (LT) |