Entscheidungsstichwort (Thema)
Lehrer. Dozenten. Abhängigkeit. Befristeter Arbeitsvertrag
Leitsatz (amtlich)
Dozenten an Volkshochschulen, die Sprachkurse leiten, sind in der Regel freie Mitarbeiter (im Anschluß an BAG AP Nr. 13 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten).
Normenkette
BGB §§ 611, 620; ZPO 1977 § 543 Abs. 2
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 02.11.1977; Aktenzeichen 4 Sa 675/76) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 2. November 1977 – 4 Sa 675/76 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger als Volkshochschuldozent freier Mitarbeiter war oder in einem unbebefristeten Arbeitsverhältnis steht.
Der jetzt 73 Jahre alte Kläger war von 1967 bis 1975 in der Frankfurter Volkshochschule als Kursleiter für Englisch (Grundstufe) tätig. Die Beklagte ist Träger dieser Volkshochschule. Etwa 70 Mitarbeiter sind festangestellt. Überwiegend werden Kursleiter jedoch als freie Mitarbeiter beschäftigt. Mit diesen Kursleitern schließt der Träger der Volkshochschule jeweils auf ein oder zwei Semester befristete Verträge (ein Muster dieses Vertrages ist im Urteil des Senats vom 26. Januar 1977 – 5 AZR 796/75 – AP Nr. 13 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, abgedruckt). Der letzte Mitarbeitervertrag des Klägers stammt vom 23. September 1974. In ihm verpflichtete sich der Kläger, in der Zeit vom 27. Januar bis 7. Juni 1975 drei Kurse in Englisch abzuhalten.
Im Laufe dieses Arbeitsabschnitts entstanden zwischen den Parteien Meinungsverschiedenheiten. Diese führten schließlich dazu, daß der Träger der Volkshochschule, damals noch Frankfurter Bund für Volksbildung e.V., dem Kläger am 5. Mai 1975 mitteilte, er werde für das Wintersemester 1975/76 nicht mehr verpflichtet werden. Dies begründete der damalige Träger damit, daß der Kläger mit Hörern eines früheren Kurses auf privater Basis den Kurses fortgesetzt habe, ohne die Beklagte davon zu verständigen.
Der Kläger hat behauptet, der Träger der Volkshochschule habe Zeit und Ort der Unterrichtsveranstaltung vor Abschluß des Mitarbeitervertrages festgelegt; er habe dem Mitarbeiter nur die Wahl gelassen, dieses Angebot anzunehmen oder auf die Mitarbeit zu verzichten. Auch habe der Träger der Volkshochschule für die von ihm geleiteten Sprachkurse die Lehrinhalte und die Unterrichtsmethode vor Abschluß der Verträge festgelegt. Schließlich erwarte die Volkshochschule von den Kursleitern die Teilnahme an Einführungsseminaren und Fortbildungsveranstaltungen. Wenn der Kursleiter an diesen Veranstaltungen nicht teilnehme, laufe er Gefahr, in Zukunft keine Lehraufträge mehr zu erhalten. Aus diesen Umständen leitet der Kläger eine persönliche Abhängigkeit ab. Der Kläger hat deshalb die Auffassung vertreten, er sei Arbeitnehmer der beklagten Stadt. Er hat beantragt,
festzustellen, daß das Beschäftigungsverhältnis der Parteien durch das Schreiben des Rechtsvorgängers der beklagten Stadt vom 5. Mai 1975 nicht aufgelöst worden sei.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, sie richte sich bei der zeitlichen und örtlichen Festlegung der Kurse nach den Wünschen der Kursleiter. Lediglich aus organisatorischen Gründen seien gewisse Abstimmungen erforderlich. Lehrinhalte und Methodik seien nicht vorgeschrieben. Mit den Einführungs- und Fortbildungsveranstaltungen wolle die Volkshochschule den Kursleitern nur die Durchführung der Kurse erleichtern.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revison des Klägers ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger war freier Mitarbeiter der Volkshochschule. Sein Beschäftigungsverhältnis endete mit Ablauf des Sommersemesters 1975.
I.1. Die Verfahrensrügen des Klägers, die sich gegen die Darstellung der tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung im Berufungsurteil richten, sind unbegründet.
Der Kläger rügt, das Urteil des Landesarbeitsgerichts gebe das Vorbringen der Parteien nicht zutreffend wieder. Insbesondere sei nicht erkennbar, welche Tatsachen unstreitig und welche streitig gewesen seien.
Der Tatbestand des angefochtenen Urteils entspricht jedoch den Anforderungen des § 543 Abs. 2 ZPO 1977. Er enthält eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes. Ergänzend hat das Berufungsgericht auf Schriftsätze der Parteien Bezug genommen. Das war zulässig; die Beurteilung des Partei Vorbringens durch das Revisionsgericht wird dadurch nicht wesentlich erschwert (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO 1977). Damit hat das Berufungsgericht den vorgetragenen Sachverhalt vollständig wiedergegeben. Entgegen der Auffassung der Revision ist auch erkennbar, welche Tatsachen unstreitig und welche streitig sind.
2. Auf die sonstigen Verfahrensrügen des Klägers kommt es nicht an. Schon das eigene Vorbringen des Klägers rechtfertigt nicht die Feststellung, er sei Arbeitnehmer der beklagten Stadt und ihres Rechtsvorgängers gewesen.
II. In der Sache selbst hat das Berufungsgericht das Rechtsverhältnis zutreffend beurteilt.
1. Das Berufungsgericht ist von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat für die Statusbeurteilung eines Volkshochschuldozenten in seinem Urteil vom 26. Januar 1977 (AP Nr. 13 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten) aufgestellt hatte. Danach kommt es für die Abgrenzung des Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters auf den Grad der persönlichen Abhängigkeit des zur Dienstleistung Verpflichteten an. Insofern gilt für Volkshochschuldozenten dasselbe wie für andere Beschäftigungsverhältnisse auch (vgl. zu I 1 der Gründe des bereits genannten Urteils). An diesen Grundsätzen hält der Senat auch für den vorliegenden Fall fest. Die Revision stellt ihn auch nicht in Frage.
2. Bei der danach erforderlichen Einzelabwägung der dieses Rechtsverhältnis charakterisierenden Umstände hält sich das Berufungsgericht ebenfalls an die im Urteil des Senats abgehandelten Kriterien. Das ist nicht zu beanstanden, obwohl der Sachverhalt des hier zu beurteilenden Rechtsstreits in einigen Punkten von der früheren Fallgestaltung abweicht. Gegenstand des damaligen Rechtsstreits war die Statusklage eines Dozenten, der in der Volkshochschule als Kursleiter für Grafik, Design und grafische Drucktechniken tätig war. Der Kläger dieses Rechtsstreits leitete Sprachkurse. Im einzelnen gilt folgendes:
a) Die für ein Arbeitsverhältnis typische persönliche Abhängigkeit ergibt sich nicht schon aus der zeitlichen Bindung, die der Kläger in seinem Vertrag eingegangen ist. Die Parteien haben ebenso wie in dem bereits erwähnten Verfahren von vornherein die Kurszeit fest vereinbart. Dabei ist die Beklagte weitgehend auf die Wünsche des Klägers eingegangen, wie das Berufungsgericht festgestellt hat. Für ein Arbeitsverhältnis ist dies untypisch. Außerhalb der festgelegten Unterrichtszeit kann die Volkshochschule über die Arbeitskraft des Klägers nicht verfügen. Insofern unterscheiden sich die Volkshochschuldozenten von Lehrern an allgemeinbildenden Schulen, die gerade wegen dieser beachtlichen zeitlichen Bindung Arbeitnehmer sein können (vgl. BAG AP Nr. 10 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten [Bl. 2] mit zust. Anm. von Söllner). Über diese zeitliche Bindung an die Kurse hinaus gab es keine weiteren Bindungen des Klägers mehr. So war der Kläger nicht verpflichtet, an den von der Volkshochschule angebotenen Informations- und Schulungsveranstaltungen teilzunehmen. Aus der vom Kläger geschilderten Praxis der „Hospitation” ergibt sich auch kein faktischer Zwang. Mit den Unterrichtsbesuchen wollte sich die Beklagte vielmehr nur davon überzeugen, ob der Kursleiter geeignet war und ob der Kurs in der vereinbarten Weise abgehalten wurde. Durch eine solche Kontrolle entsteht keine weitere persönliche Abhängigkeit des freien Mitarbeiters. Auf den erfahrenen und fachlich geeigneten Dozent übte die Beklagte damit keinen Druck aus. Im übrigen konnte jeder Dozent entscheiden, ob er an diesen Schulungsveranstaltungen teilnehmen wollte oder nicht.
b) Eine persönliche Abhängigkeit folgt auch nicht aus der Art und Weise, in der der Kläger seine Kurse zu halten hatte. Zwar gibt es insoweit Unterschiede zwischen den Kursen des Grafikers und den hier zu beurteilenden Sprachkursen des Klägers. Diese sachlichen Unterschiede rechtfertigen aber keine andere rechtliche Beurteilung des Rechtsverhältnisses. Im Rechtsstreit des Grafikers hatte das Berufungsgericht festgestellt, daß der Dozent in der Gestaltung der Kurse weitgehend frei war und inhaltlich an den von ihm selbst entworfenen Lehrplan gebunden war. Das ist hier anders, wenn man von den Behauptungen des Klägers ausgeht und sie als richtig unterstellt. Dann wurde der Lehrgegenstand im einzelnen durch das Lehrbuch, an das der Kläger gebunden war, festgelegt, so daß die Kursinhalte „exakt vorgegeben” waren, wie der Kläger immer wieder betont hat.
Daraus folgt aber noch keine weitergehende persönliche Abhängigkeit des Klägers. Ebenso wie im Fall des Grafikers wurde der Kläger damit nur an einen vertraglich vereinbarten Kursinhalt gebunden. Es macht rechtlich keinen Unterschied, ob der Dozent den Lehrplan selbst entwirft und sich dann verpflichtet, diesen Lehrplan in dem beschriebenen Umfang und in der vereinbarten Weise einzuhalten, oder ob der Gegenstand der vertraglichen Leistung im voraus vom Träger der Volkshochschule bestimmt und dem Dozenten angeboten wird, der danach die Verpflichtung eingeht, diesen Lehrgegenstand so wie vereinbart in seinen Kursen zu behandeln. Auch der Umstand, daß der Kläger englische Sprachkurse unterrichtete, deren Teilnehmer sich einer Prüfung stellen konnten, besagt nichts über seine persönliche Abhängigkeit. Auch insoweit wurde nur der Gegenstand der vertraglich geschuldeten Leistung genauer bestimmt.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die der Kläger nicht angegriffen hat, hat der Träger der Volkshochschule dem Kläger darüber hinaus keine weiteren methodischen und didaktischen Anweisungen zur Gestaltung des Unterrichts erteilt. Insofern unterscheidet sich der Kläger nicht von dem Dozenten, der als Grafiker beschäftigt wurde. Auch der Kläger hat danach nur allgemeine Hinweise und Anregungen erhalten.
c) Schließlich folgt aus der Bindung an einen bestimmten Ort, an dem der Kläger seine Verpflichtungen zu erfüllen hatte, keine für ein Arbeitsverhältnis typische persönliche Abhängigkeit. Der Senat hat diesen Umstand schon in dem mehrfach erwähnten Urteil vom 26. Januar 1977 als für die Statusbeurteilung eines Volkshochschuldozenten unerheblich bezeichnet. Daran hält er auch für den vorliegenden Fall fest. Der Kläger hat nicht deutlich machen können, wie aus dieser Bindung eine persönliche Abhängigkeit entstehen könnte. Das Berufungsgericht ist deshalb zu Recht dieser vom Senat zuvor schon vertretenen Auffassung gefolgt.
3. Ebenfalls zu Recht hat sich das Berufungsgericht auch die Auffassung des Senats zu eigen gemacht, an Volkshochschulen sei die Beschäftigung von Kursleitern als freie Mitarbeiter allgemein üblich und sachlich berechtigt. Der Senat hatte dazu ausgeführt:
„Die Volkshochschulen des Landes Hessen richten sich in ihrem Bildungsangebot nach den Interessen der angesprochenen Bevölkerung. Kurse und sonstige Lehrveranstaltungen finden nur statt, wenn sich genügend Hörer finden. Im Gegensatz zu anderen staatlichen Bildungseinrichtungen können die Volkshochschulen ihre Veranstaltungen nicht auf längere Dauer planen. Sie sind deshalb gezwungen, auf einen festen Mitarbeiterkreis zu verzichten. Von ihrem Verständnis und von ihren finanziellen Möglichkeiten her können es sich die Volkshochschulen nicht leisten, festangestellte Dozenten auf Dauer zu beschäftigen, auch wenn für die angebotenen Veranstaltungen kein ausreichendes Interesse besteht. Dieses Interesse muß in jedem Semester neu geprüft werden.
Die notwendige Flexibilität wird bei Festanstellung nicht gesichert, auch wenn man bei nachlassendem Interesse die Möglichkeit einer betriebsbedingten Kündigung in Betracht zieht. Einmal könnte der Volkshochschulträger nicht unmittelbar von Semester zu Semester mit Anstellung und Kündigung reagieren; das ginge allein schon wegen der Kündigungsfristen nicht. Zum anderen müßte nach allgemeinem Kündigungsrecht auch immer geprüft werden, ob ein festangestellter Dozent oder Kursleiter nicht auch anderweit eingesetzt werden könnte. Sinnvoll ist unter diesen Umständen allein die Beschäftigung als freier Mitarbeiter.” (Urteil vom 26. Januar 1977 – zu I 3 der Gründe.)
Das gilt auch heute noch. Es mag zwar richtig sein, daß das Interesse der Hörer an Sprachkursen in der Vergangenheit ständig zugenommen hat, wie der Kläger behauptet.
Das läßt aber entgegen der Auffassung des Klägers keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung zu. Schon bei geringfügig nachlassendem Interesse könnten die Sprachkurse nicht mehr im bisherigen Umfang angeboten und durchgeführt werden. Betriebsbedingte Kündigungen wären unvermeidlich, die notwendige Flexibilität der Volkshochschulen wäre nicht gewährleistet. Auch der Hinweis des Klägers, ein Grundbedarf sei praktisch immer vorhanden, hilft da nicht weiter. Die Volkshochschulen könnten zwar insoweit zur Deckung dieses voraussehbaren Grundbedarfs feste Arbeitsverträge abschließen. Dann bliebe nur noch ein kleiner Teil der Dozenten, der sich mit dem Status eines freien Mitarbeiters begnügen müßte. Eine solche Differenzierung ist aber aus Rechtsgründen nicht zulässig. Was dem Kläger, der den Status eines Arbeitnehmers erstrebt, recht wäre, müßte anderen Kursleitern billig sein.
4. Mit hauptamtlichen festangestellten Kursleitern kann sich der Kläger nicht vergleichen. Es ist richtig, daß diese Mitarbeiter als Kursleiter dieselbe Tätigkeit verrichten wie der Kläger. Darüber hinaus gibt es jedoch wesentliche Unterschiede: Die festangestellten Mitarbeiter sind einmal verpflichtet, Kurse zu den Zeiten abzuhalten, zu denen sie vom Träger der Volkshochschule eingeteilt werden. Dafür kann ein Bedürfnis bestehen, etwa bei Vertretungen oder wenn sich trotz einer Nachfrage aus dem Hörerkreis kein freier Mitarbeiter finden läßt. Insoweit kann der Träger der Volkshochschule über die Arbeitskraft dieser Mitarbeiter über die eigentliche Kurszeit hinaus verfügen. Darin liegt ein erheblicher Unterschied zum Kläger und zu den anderen als freie Mitarbeiter beschäftigten Kursleitern. Es kommt hinzu, daß diese Mitarbeiter auch mit Verwaltungsaufgaben beschäftigt werden. Sie unterliegen insoweit in zeitlicher und fachlicher Hinsicht den Weisungen des Volkshochschulträgers. Auch das begründet eine weitergehende persönliche Abhängigkeit.
III. Gegen die Befristung dieses Mitarbeiterverhältnisses auf ein Semester bestehen keine Bedenken. Nur die Befristung eines Arbeitsverhältnisses kann unwirksam sein. Ein freier Mitarbeiter, der keinen Kündigungsschutz in Anspruch nehmen kann, kann sich nicht darauf berufen, die Befristung sei sachlich nicht gerechtfertigt und der Kündigungsschutz werde deshalb in unzulässiger Weise umgangen (vgl. Urteil des Senats vom 9. September 1981 – 5 AZR 477/79 – [demnächst] AP Nr. 38 zu § 611 BGB Abhängigkeit – auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt –; zur Befristung im Arbeitsverhältnis vgl. BAG [GS] 10, 65 [71 ff.] = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag [zu II C 2 der Gründe]; BAG AP Nr. 33 und 35 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Heither, Michels-Holl, Dr. Krems, Schleinkofer
Fundstellen
Haufe-Index 662654 |
BAGE, 58 |