Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausgleich unter Gesamtschuldnern
Leitsatz (redaktionell)
Erwirbt ein Gesamtschuldner durch Rechtsgeschäft die Forderung des Gläubigers gegen die Gesamtschuldner, so muß er den auf ihn entfallenden Ausgleichsbetrag abziehen, wenn er die Forderung gegen einen anderen Gesamtschuldner geltend macht.
Normenkette
BGB §§ 421-422, 424-425, 611, 840, 389; ZPO §§ 308, 322; BGB § 426 Abs. 2, 1
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 16.03.1984; Aktenzeichen 6 Sa 1038/83) |
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 14.09.1983; Aktenzeichen 4 Ca 213/83) |
Tatbestand
Der Kläger war von Oktober 1980 bis Ende März 1983 bei der Beklagten als Gipsergeselle beschäftigt. Er führte zusammen mit den Arbeitnehmern H und S auf der Baustelle des Altenwohnheims der Diözese S (im folgenden: Diözese) in L Naßputzarbeiten durch. Mit der am 17. Mai 1983 erhobenen Klage begehrt der Kläger restlichen Lohn für den Monat März 1983 in Höhe von 3.499,14 DM brutto und ein tarifliches Urlaubsgeld in Höhe von 1.143,90 DM brutto. Beide Beträge sind der Höhe nach unstreitig.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
4.643,04 DM brutto zuzüglich 4 % Zin-
sen seit dem 19. Mai 1983 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, widerklagend, den Kläger als Gesamtschuldner zusammen mit R S und F H zu verurteilen, an sie 16.000,-- DM nebst 4 % Zinsen zu zahlen.
Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, die drei Arbeitnehmer hätten es trotz wiederholter Aufforderungen absichtlich unterlassen, die Holzfensterelemente des Neubaus der Diözese mit Folie abzudecken. Das habe dazu geführt, daß die Fenster bei Durchführung der Naßputzarbeiten erheblich verschmutzt worden seien. Dies habe der Architekt He in seiner schriftlichen Mängelrüge vom 7. September 1982 festgestellt. Der Kläger und seine beiden Kollegen hätten sich geweigert, die Fenster zu reinigen. Sie habe daher andere Arbeiter ihres Unternehmens mit der Säuberung beauftragen müssen. Dadurch seien ihr Kosten in Höhe von 11.000,-- DM entstanden. Außerdem habe die Firma M ihr für weitere Reinigungsarbeiten 5.000,-- DM in Rechnung gestellt. Insgesamt sei also durch die Schlechtarbeit ein Schaden von 16.000,-- DM entstanden. Auch die Diözese habe wegen der Beschädigung der Fenster einen Schadenersatzanspruch in Höhe von 5.000,-- DM gegen den Kläger erlangt. Diesen habe sie am 14. September 1983 an sie - die Beklagte - abgetreten. Sowohl mit ihrem eigenen als auch mit dem durch die Abtretung erworbenen Anspruch rechne sie gegen die Klageforderung auf.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie jedoch nur die Abweisung der Klage begehrt hat. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen, weil etwaige Gegenansprüche der Beklagten wegen Versäumung der Ausschlußfrist nach § 16 Abs. 1 BRTV-Bau verfallen seien. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
I. Dem Kläger steht aus seiner Tätigkeit für die Beklagte im Monat März 1983 nach § 611 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf restlichen Lohn in Höhe von 3.499,14 DM brutto und für die Jahre 1981 und 1982 auf restliches tarifliches Urlaubsgeld in Höhe von 1.143,90 DM zu. Diese Ansprüche sind nicht durch die Aufrechnung der Beklagten erloschen.
II. Die Beklagte hat mit dem ihr angeblich zustehenden Schadenersatzanspruch aus Schlechtleistung des Klägers und seiner Kollegen in Höhe von 16.000,-- DM im Schriftsatz vom 6. Juni 1983 die Aufrechnung gegen die Klageforderung erklärt. Dies führt nicht dazu, daß die Forderungen nach § 389 BGB als erloschen gelten.
1. Zwar mag die Beklagte berechtigt gewesen sein, mit einem Schadenersatzanspruch gegen den Klageanspruch aufzurechnen, wenn man davon ausgeht, daß sie diesen gegen den Kläger erworben hatte. Im Zeitpunkt der Aufrechnung bestand der Anspruch jedoch nicht mehr. Er war dadurch, daß die Beklagte die zweimonatige Ausschlußfrist für seine schriftliche Geltendmachung nach § 16 Abs. 1 BRTV-Bau versäumt hatte, erloschen. Dies steht zwischen den Parteien rechtskräftig fest. Daran ist der Senat gebunden.
2. In seinem Urteil vom 14. September 1983 (- 4 Ca 213/83 Zw.P. -) hat das Arbeitsgericht die Widerklage, mit der die Beklagte für den Fall, daß ihre Aufrechnung nicht durchgreifen würde, die Verurteilung des Klägers zum Ersatz des ganzen Schadens in Höhe von 16.000,-- DM begehrt hatte, als unbegründet abgewiesen. Dagegen hat die Beklagte keine Berufung eingelegt. Sie ist vielmehr im Berufungsverfahren nur dem Klageanspruch entgegengetreten. Dadurch ist die Entscheidung, durch die der Widerklageanspruch abgewiesen wurde, rechtskräftig geworden (§ 322 Abs. 1 ZPO). Aufgrund dieser Entscheidung des Arbeitsgerichts steht somit fest, daß der Widerklageanspruch erloschen ist, weil die Beklagte ihn nicht innerhalb von zwei Monaten nach dem 7. September 1982, dem Zeitpunkt, in dem ihr die Mängelrüge des Architekten He zuging, geltend gemacht hat. Dies hat das Arbeitsgericht rechtskräftig festgestellt.
3. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht vorgetragen, die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Widerklage betreffe nicht den ganzen Schadenersatzanspruch in Höhe von 16.000,-- DM, weil sie vor dem Arbeitsgericht den Widerklageantrag ermäßigt habe. Darauf kommt es nicht an. Soweit die Beklagte damit rügt, das Arbeitsgericht habe § 308 ZPO verletzt, verkennt sie, daß sie dies nach Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Urteils nicht mehr geltend machen kann. Im übrigen hat die Beklagte, wie sich aus dem Sitzungsprotokoll vom 14. September 1983 ergibt, ihren Widerklageantrag nicht ermäßigt. Sie hat dort erklärt, mit der abgetretenen Forderung werde nur in Höhe des Klagebetrags aufgerechnet, der übersteigende Teil werde nicht zur Begründung der Widerklage herangezogen. Damit hat die Beklagte zwar verhindert, daß die Rechtskraft der Entscheidung des Arbeitsgerichts sich auch auf die Forderung erstreckte, die sie durch Abtretung der Diözese erlangt haben will. Daran, daß die eigene Schadenersatzforderung der Beklagten gegen den Kläger in Höhe von 16.000,-- DM und damit in vollem Umfang Gegenstand der Widerklage blieb und somit von der Rechtskraft der diese Klage abweisenden Entscheidung erfaßt wurde, änderte dies nichts.
III. Auch aufgrund der Forderungsabtretung durch die Diözese hat die Beklagte keinen Anspruch erlangt, mit dem sie gegen die Klageforderung aufrechnen konnte.
1. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, daß der Diözese ein Anspruch auf Schadenersatz nicht mehr zustand, weil die Beklagte zwischenzeitlich den entstandenen Schaden bereits ersetzt hatte. Den dieser Fallgestaltung entgegenstehenden späteren Vortrag der Beklagten, die Firma M habe im Auftrag der Diözese einen Teil der Schäden beseitigt, in Höhe der Werklohnforderung dieser Firma über 5.000,-- DM sei die Diözese somit im Zeitpunkt der Abtretung noch geschädigt gewesen, hat das Landesarbeitsgericht als verspätet zurückgewiesen, ohne festzustellen, ob es sich dabei um streitigen Vortrag handelte.
Es kann dahinstehen, ob das Landesarbeitsgericht dadurch rechtsfehlerfrei zu der Feststellung gelangt ist, die Forderung der Diözese gegen den Kläger habe im Zeitpunkt der Abtretung nicht mehr bestanden. Selbst wenn man unterstellt, daß die Diözese den Anspruch noch besaß, konnte dieser nicht auf die Beklagte übergehen.
2. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, waren die Parteien gegenüber der Diözese für die an den Fensterrahmen des Neubaus entstandenen Schäden als Gesamtschuldner nach § 421 BGB verpflichtet. Durch die Abtretung an die Beklagte als einen der beiden Gesamtschuldner erlosch der Anspruch der Diözese nach § 425 BGB infolge der Vereinigung der Forderung mit der Schuld nur gegenüber der Beklagten. Da nach dieser Bestimmung andere als die in den §§ 422 bis 424 BGB bezeichneten Tatsachen nur für und gegen den Gesamtschuldner wirken, in dessen Person sie eintreten, hatte der Übergang der Forderung auf die Beklagte nicht zugleich die Schuldbefreiung des Klägers zur Folge.
Dennoch kann die Beklagte vom Kläger nicht Zahlung auf der Grundlage des abgetretenen Rechts verlangen. Im Falle der Vereinigung von Forderung und Schuld in der Person eines Gesamtschuldners kann dieser von den anderen Gesamtschuldnern nicht mehr verlangen, als ihm diesen gegenüber zusteht. Auch als Rechtsnachfolger des Gläubigers muß er den auf ihn nach § 426 Abs. 1 BGB entfallenden Ausgleichsbetrag von der Forderung abziehen (BGH NJW 1983, 749; vgl. auch Palandt/Heinrichs, BGB, 45. Aufl., § 425 Anm. 2 f; MünchKomm-Selb, BGB, 2. Aufl., § 425 Rz 10).
Nach § 426 Abs. 1 BGB sind die Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Teilen verpflichtet. Dies gilt jedoch nur, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Vorliegend kann die Beklagte vom Kläger keinen Ausgleich verlangen.
a) Eine anderweite Bestimmung kann sich aus einem zwischen den Gesamtschuldnern bestehenden Rechtsverhältnis ergeben, wobei nicht nur eine besondere vertragliche Regulierungsvereinbarung, sondern auch das Rechtsverhältnis in Betracht kommt, das für die Gesamtschuldnerschaft ursächlich war (vgl. Jauernig/Schlechtriem/Stürner/Teichmann/Vollkommer, BGB, 3. Aufl., § 426 Anm. 2).
Der Kläger schuldet der Beklagten keinen Ausgleich. Nach der rechtskräftigen Abweisung der Widerklage durch das Arbeitsgericht steht fest, daß die Beklagte gegenüber dem Kläger als ihrem Arbeitnehmer wegen Versäumung der tarifvertraglichen Ausschlußfrist keinen Anspruch auf Ersatz des ihr angeblich durch das Verhalten des Klägers entstandenen Schadens hat. Sie muß daher ihren als erloschen festgestellten Anspruch gegen den Kläger von dem vom Kläger auszugleichenden Teil des abgetretenen Anspruchs abziehen. Dies führt dazu, daß der abgetretene Anspruch entfällt.
b) Diese Rechtsfolge ergibt sich auch im Hinblick auf die Regelung des § 840 Abs. 2 BGB. Danach ist der Verrichtungsgehilfe im Innenverhältnis zu dem als Gesamtschuldner mithaftenden Geschäftsherrn zwar allein verpflichtet. Aber auch aufgrund dieser Regelung steht der Beklagten kein Anspruch zu. Dieser stünde im Sinne des § 16 Abs. 1 BRTV-Bau "mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung". Auch in bezug auf ihn wäre daher rechtskräftig festgestellt, daß er durch Fristablauf erloschen ist.
IV. Schließlich konnte die Beklagte, wenn man von deren ursprünglichem Vortrag ausgeht, wonach sie den Schadenersatzanspruch der Diözese gegen die Parteien erfüllt hat, auch mit diesem Anspruch nicht gegen die Klageforderung aufrechnen. Der Schadenersatzanspruch der Diözese wäre in diesem Fall nicht durch Erfüllung auf die Beklagte übergegangen.
Die Voraussetzungen für einen gesetzlichen Forderungserwerb nach § 426 Abs. 2 BGB lagen nicht vor. Nach dieser Bestimmung geht, soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang des Schadenersatzanspruchs der Diözese gegen den Kläger auf die Beklagte hätte also vorausgesetzt, daß diese von dem Kläger Ausgleichung verlangen konnte. Dies war jedoch nicht der Fall. Auch hier ist entscheidend, daß ein etwaiger Anspruch der Beklagten gegen den Kläger aus dem Arbeitsverhältnis und aus § 840 Abs. 2 BGB durch Versäumung der Ausschlußfrist erloschen war, wie das Arbeitsgericht rechtskräftig festgestellt hat.
Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer
Dr. Blaeser Bea
Fundstellen
Haufe-Index 441680 |
BAGE 52, 14-19 (LT) |
BAGE, 14 |
NJW 1986, 3104 |
NJW 1986, 3104-3105 (LT1) |
RdA 1986, 338 |
ZIP 1986, 1333 |
ZIP 1986, 1333-1334 (LT1) |
AP § 426 BGB (LT), Nr 7 |
AR-Blattei, Baugewerbe VIII Entsch 77 (LT) |
AR-Blattei, ES 370.8 Nr 77 (LT) |
AR-Blattei, ES 840 Nr 9 (LT) |
AR-Blattei, Gruppenarbeit Entsch 9 (LT) |