Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe von Schichtzulagen bei Teilzeitarbeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Teilzeitbeschäftigte haben nach § 24 Abs. 2 TVöD nur Anspruch auf die anteilige Zahlung der tariflichen Wechselschichtzulage in Höhe der Quote der zwischen den Parteien vereinbarten und der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit.
2. Eine Gleichbehandlung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer beim Arbeitsentgelt oder bei anderen teilbaren geldwerten Leistungen nach dem in § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG gesetzlich normierten sogenannten Pro-rata-temporis-Grundsatz schließt von vornherein eine zu rechtfertigende Ungleichbehandlung wegen der Teilzeitarbeit aus.
3. Erhalten Teilzeitbeschäftigte Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung in dem Umfang, der dem Anteil ihrer Arbeitszeit an der Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter entspricht, werden sie nicht benachteiligt im Sinne des § 3 AGG.
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3; TzBfG §§ 4, 22; AGG §§ 1, 3, 7; BeschFG 1985 § 2 Abs. 1; Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) § 7; Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) § 8; Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) § 21; Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) § 23; Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) § 24; TVöD Besonderer Teil Krankenhäuser (BT-K) § 48 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 17. Juli 2007 – 1 Sa 118/07 – aufgehoben.
2. Auf die Berufungen der Beklagten werden die Urteile des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 10. Mai 2007 – 5 Ca 5475/06 – und vom 1. März 2007 – 2 Ca 2321/06 – abgeändert:
Die Klagen werden abgewiesen.
3. Die Klägerin zu 1) hat die Kosten des Rechtsstreits zu 2/3 und die Klägerin zu 2) zu 1/3 zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob den teilzeitbeschäftigten Klägerinnen die tarifliche Wechselschichtzulage entsprechend ihrer verminderten Arbeitszeiten anteilig oder wie einer Vollzeitbeschäftigten in voller Höhe zusteht.
Die Klägerinnen sind im Klinikum der Beklagten als Krankenschwestern beschäftigt. Die Arbeitsverhältnisse richten sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin zu 1) beträgt die Hälfte und die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin zu 2) drei viertel der für Vollzeitbeschäftigte tariflich festgesetzten Arbeitszeit. Im TVöD heißt es:
Ҥ 7
Sonderformen der Arbeit
(1) Wechselschichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werden. Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. Nachtschichten sind Arbeitsschichten, die mindestens zwei Stunden Nachtarbeit umfassen.
…
§ 8
Ausgleich für Sonderformen der Arbeit
…
(5) Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine Wechselschichtzulage von 105 Euro monatlich. Beschäftigte, die nicht ständig Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine Wechselschichtzulage von 0,63 Euro pro Stunde.
…
§ 24
Berechnung und Auszahlung des Entgelts
…
(2) Soweit tarifvertraglich nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist, erhalten Teilzeitbeschäftigte das Tabellenentgelt (§ 15) und alle sonstigen Entgeltbestandteile in dem Umfang, der dem Anteil ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter entspricht.
…”
§ 48 Abs. 2 TVöD – Besonderer Teil Krankenhäuser – (BT-K) bestimmt:
Ҥ 48
Wechselschichtarbeit
…
(2) Abweichend von § 7 Abs. 1 Satz 1 ist Wechselschichtarbeit die Arbeit nach einem Schichtplan/Dienstplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen die/der Beschäftigte längstens nach Ablauf eines Monats erneut zu mindestens zwei Nachtschichten herangezogen wird.”
Die Klägerinnen leisten ständig Wechselschichtarbeit iSv. § 48 Abs. 2 TVöD-BT-K. Die Beklagte zahlt ihnen nach dem Inkrafttreten des TVöD am 1. Oktober 2005 die monatliche tarifliche Wechselschichtzulage nicht mehr in voller Höhe, sondern auf Grund ihrer Teilzeitbeschäftigungen nur noch anteilig in Höhe der Quote zwischen vereinbarter und regelmäßiger Arbeitszeit.
Die Klägerinnen haben gemeint, ihnen stünde die Wechselschichtzulage in voller Höhe zu. Eine nur anteilige Zahlung dieser Zulage benachteilige sie gegenüber Vollzeitbeschäftigten. Sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung teilzeit- und vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer bei der Zahlung der Wechselschichtzulage bestünden nicht. Der unterschiedliche Umfang der Arbeitsleistung sei kein sachlicher Grund für die Schlechterstellung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. Die Kürzung der Wechselschichtzulage benachteilige sie zudem aus Gründen des Geschlechts und verstoße damit gegen das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG. Da überwiegend Frauen teilzeitbeschäftigt seien, betreffe die Kürzung der Wechselschichtzulage nahezu ausnahmslos Frauen. Für die Monate Oktober 2005 bis September 2006 sowie Dezember 2006 bis März 2007 habe die Beklagte an die Klägerin zu 1) restliche Wechselschichtzulage iHv. insgesamt 840,00 Euro zu zahlen. Der Klägerin zu 2) stünde für die Monate Oktober 2005 bis September 2006 restliche Wechselschichtzulage iHv. insgesamt 314,88 Euro zu.
Die Klägerin zu 1) hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 630,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 210,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie beginnend ab dem 1. Februar 2007 (= Zulage für Februar 2007) bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen gem. § 8 Abs. 5 TVöD eine monatliche Wechselschichtzulage iHv. 105,00 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. des dritten Kalendermonats, der auf ihre Entstehung folgt, zu zahlen.
Die Klägerin zu 2) hat beantragt,
1. die Beklagte wird verurteilt,
a) an sie 86,22 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. September 2006 zu bezahlen;
b) an sie weitere 228,66 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2006 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte bei Vorliegen der Voraussetzungen gem. § 8 Abs. 5 TVöD verpflichtet ist, an sie beginnend ab dem 1. Oktober 2006 eine monatliche Wechselschichtzulage iHv. 105,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. des dritten Kalendermonats, der auf ihre Entstehung folgt, zu bezahlen.
Die Beklagte hat zu ihren Klageabweisungsanträgen die Auffassung vertreten, die Klägerinnen hätten auf Grund ihrer verminderten Arbeitszeiten nach der tariflichen Regelung nur Anspruch auf die anteilige Zahlung der Wechselschichtzulage. Ein Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer liege nicht vor. Die Klägerinnen würden auf Grund ihrer verminderten Wochenarbeitszeiten durch die Wechselschichtarbeit im Vergleich zu einer Vollzeitbeschäftigten in geringerem Umfang belastet.
Das Arbeitsgericht hat den Klagen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen der Beklagten gegen die Urteile des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Abweisung der Klagen weiter. Die Klägerinnen beantragen, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Vorinstanzen haben den Klagen zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerinnen haben keinen weitergehenden Anspruch auf die tarifliche Wechselschichtzulage.
I. Ein Anspruch der teilzeitbeschäftigten Klägerinnen auf die Zahlung der Wechselschichtzulage in voller Höhe folgt nicht aus § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD. Diese Tarifvorschrift legt den Monatsbetrag der Wechselschichtzulage für Vollzeitbeschäftigte fest, die ständig Wechselschichtarbeit leisten.
II. Die Klägerinnen haben auf Grund ihrer Teilzeitbeschäftigungen nach § 24 Abs. 2 TVöD nur Anspruch auf die anteilige Zahlung der tariflichen Wechselschichtzulage in Höhe der Quote zwischen vereinbarter und regelmäßiger Arbeitszeit. Diesen Anspruch hat die Beklagte erfüllt. Die Zahlungsklagen sind deshalb unbegründet. Mangels eines Anspruchs der teilzeitbeschäftigten Klägerinnen auf die tarifliche Wechselschichtzulage in voller Höhe gilt dies auch für die Feststellungsklagen.
1. § 24 Abs. 2 TVöD ordnet für die Berechnung des Entgelts teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer an, dass, soweit tariflich nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist, Teilzeitbeschäftigte das Tabellenentgelt (§ 15) und alle sonstigen Entgeltbestandteile in dem Umfang erhalten, der dem Anteil ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter entspricht. Die Beklagte hat den Klägerinnen in den Klagezeiträumen die tarifliche Wechselschichtzulage jeweils entsprechend der verminderten Arbeitszeiten gezahlt und damit den tariflichen Anspruch der Klägerinnen auf die Wechselschichtzulage erfüllt.
2. Mit der Regelung in § 24 Abs. 2 TVöD haben die Tarifvertragsparteien eine Gleichbehandlung Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigter beim Arbeitsentgelt nach Maßgabe des in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG gesetzlich normierten sog. Pro-rata-temporis-Grundsatzes angeordnet. Danach ist einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Dieser Grundsatz findet sich in vielen Tarifverträgen und entspricht dem allgemeinen Prinzip, dass die Höhe des Entgelts bei Teilzeitbeschäftigten quantitativ vom Umfang der Beschäftigung abhängt (Laux in Laux/Schlachter TzBfG § 4 Rn. 44 mwN). Teilzeitarbeit unterscheidet sich von der Vollzeitarbeit nur in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht. Eine geringere Arbeitszeit darf daher grundsätzlich auch nur quantitativ, nicht aber qualitativ anders abgegolten werden als Vollzeitarbeit (BVerfG 27. November 1997 – 1 BvL 12/91 – BVerfGE 97, 35, 44). Der Pro-rata-temporis-Grundsatz verbietet allerdings nicht nur eine unterschiedliche Abgeltung von Teilzeit- und Vollzeitarbeit in qualitativer Hinsicht. Er erlaubt auch eine unterschiedliche Abgeltung von Teilzeit- und Vollzeitarbeit in quantitativer Hinsicht, indem er dem Arbeitgeber gestattet, das Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung für Teilzeitbeschäftigte entsprechend ihrer gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten verringerten Arbeitsleistung anteilig zu kürzen (Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz Rn. 736).
3. Die tarifliche Wechselschichtzulage ist ein sonstiger Entgeltbestandteil iSv. § 24 Abs. 2 TVöD. Das folgt bereits aus dem Wortlaut dieser Tarifvorschrift, auf den es bei der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zunächst ankommt (BAG 27. April 2006 – 6 AZR 437/05 – BAGE 118, 123, 125 mwN).
a) § 24 Abs. 2 TVöD spricht vom “Tabellenentgelt” und “allen sonstigen Entgeltbestandteilen”. Daraus wird der Wille der Tarifvertragsparteien deutlich, dass nicht nur das monatliche Tabellenentgelt Teilzeitbeschäftigter, sondern auch alle anderen Bestandteile des Entgelts Teilzeitbeschäftigter, insbesondere monatliche Zulagen, nach dem Pro-rata-temporis-Grundsatz zu berechnen sind. Ein Anhaltspunkt dafür, dass die monatliche Wechselschichtzulage nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien kein sonstiger Entgeltbestandteil ist, findet sich im Wortlaut des § 24 Abs. 2 TVöD nicht. Vielmehr haben die Tarifvertragsparteien in § 21 Satz 1 TVöD, wonach in den in dieser Vorschrift genannten Fällen der Entgeltfortzahlung das Tabellenentgelt sowie die sonstigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile weitergezahlt werden, deutlich zum Ausdruck gebracht, dass nach ihrem Verständnis die in Monatsbeträgen festgelegten Bestandteile des Entgelts ebenso wie das Tabellenentgelt grundsätzlich Entgeltbestandteile sind. Die Anordnung einer anteiligen Vergütung Teilzeitbeschäftigter erfasst damit auch die Wechselschichtzulage, für die die Tarifvertragsparteien in § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD einen Monatsbetrag festgesetzt haben.
b) Allerdings haben die Tarifvertragsparteien eine Anwendung des Pro-rata-temporis-Grundsatzes nicht ausnahmslos für angemessen gehalten. Sie haben deshalb die in § 24 Abs. 2 TVöD getroffene Regelung mit dem Vorbehalt verbunden, “soweit tarifvertraglich nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist”. Eine solche vom Pro-rata-temporis-Grundsatz abweichende ausdrückliche Regelung haben sie für die Zahlung des Jubiläumsgeldes getroffen. § 23 Abs. 2 Satz 2 TVöD bestimmt, dass Teilzeitbeschäftigte das Jubiläumsgeld in voller Höhe erhalten. Für die Zahlung der Wechselschichtzulage fehlt eine solche von § 24 Abs. 2 TVöD abweichende Regelung.
4. Sinn und Zweck der Regelung geben entgegen der Ansicht der Klägerinnen kein anderes Auslegungsergebnis vor.
a) Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich darin frei, in Ausübung ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten autonomen Regelungsmacht den Zweck einer tariflichen Leistung zu bestimmen (BAG 11. Dezember 2003 – 6 AZR 64/03 – BAGE 109, 110, 115 mwN). Fehlt eine ausdrückliche Zweckbestimmung der Tarifvertragsparteien, ist der Zweck der Leistung im Wege der Auslegung der Tarifnorm zu ermitteln. Auf den Leistungszweck kann aus den jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen oder den Ausschluss- oder Kürzungstatbeständen geschlossen werden (BAG 11. Dezember 2003 – 6 AZR 64/03 – aaO mwN).
b) Tarifliche Schicht- und Wechselschichtzulagen sollen dem Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich dafür gewähren, dass die Schicht- und die Wechselschichtarbeit erheblich auf seinen Lebensrhythmus einwirken und ihr Beginn und ihr Ende außerhalb der allgemein üblichen Arbeits- und Geschäftszeiten liegen (BAG 20. April 2005 – 10 AZR 302/04 – AP BMT-G II § 24 Nr. 3 mwN). Dieses Ziel eines Ausgleichs hatten auch die Tarifvertragsparteien des TVöD vor Augen. Sie haben die Höhe der Wechselschichtzulage in § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD unter der Überschrift “Ausgleich für Sonderformen der Arbeit” geregelt. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht der Zweck, mit Wechselschichtarbeit verbundene Belastungen und Erschwernisse auszugleichen, einer Gleichbehandlung teilzeit- und vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer bei der Zahlung der Wechselschichtzulage nach dem Pro-rata-temporis-Grundsatz nicht entgegen. Die Einschätzung der Tarifvertragsparteien, dass die sich aus Wechselschichtarbeit ergebenden Erschwernisse einen Teilzeitbeschäftigten im Vergleich zu einem Vollzeitbeschäftigten proportional geringer belasten, überschreitet nicht die Grenzen ihrer autonomen Regelungsmacht. Dass die Tarifvertragsparteien die Höhe der Wechselschichtzulage an die sich aus der Wechselschichtarbeit jeweils ergebende Belastung binden wollten und die Wechselschichtzulage nach ihrem Willen einem Beschäftigten nicht unabhängig vom Umfang der von ihm geleisteten Wechselschichtarbeit in voller Höhe zustehen sollte, wird auch aus der Regelung in § 8 Abs. 5 Satz 2 TVöD deutlich. Nach § 8 Abs. 5 Satz 2 TVöD erhalten Beschäftigte, die nicht ständig Wechselschichtarbeit leisten, nicht den in § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD festgesetzten Monatsbetrag, sondern eine Wechselschichtzulage iHv. 0,63 Euro/Stunde.
III. Entgegen der Ansicht der Klägerinnen und des Landesarbeitsgerichts verstößt eine anteilige Zahlung der Zulagen in Höhe der Quote zwischen vereinbarter und regelmäßiger tariflicher Arbeitszeit nicht gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand September 2008 § 8 Rn. 53; Sponer/Steinherr TVöD Stand September 2008 § 8 Rn. 124; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand April 2008 § 8 Rn. 71; Peter ZTR 2007, 646).
1. Diese Bestimmung konkretisiert das allgemeine Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG für den Bereich des Entgelts oder einer anderen teilbaren geldwerten Leistung (BAG 5. November 2003 – 5 AZR 8/03 – AP TzBfG § 4 Nr. 6 = EzA TzBfG § 4 Nr. 6; vgl. zur Konkretisierung des allgemeinen Diskriminierungsverbots des § 4 Abs. 2 Satz 1 TzBfG durch § 4 Abs. 2 Satz 2 TzBfG für den Bereich des Entgelts bei befristet beschäftigten Arbeitnehmern BAG 11. Dezember 2003 – 6 AZR 64/03 – BAGE 109, 110, 114). Sie verbietet eine Abweichung vom Pro-rata-temporis-Grundsatz zum Nachteil des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers, ohne dass dafür ein sachlicher Grund vorliegt (BAG 5. November 2003 – 5 AZR 8/03 – aaO). Auch tarifliche Regelungen müssen mit § 4 TzBfG vereinbar sein. Die in dieser Vorschrift geregelten Diskriminierungsverbote stehen nach § 22 TzBfG nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien (BAG 11. Dezember 2003 – 6 AZR 64/03 – BAGE 109, 110, 113 mwN). Nach § 22 Abs. 1 TzBfG sind von diesem Gesetz abweichende Vereinbarungen, außer in den dort genannten Ausnahmen, zu denen § 4 nicht gehört, nur zugunsten der Arbeitnehmer möglich (BAG 24. September 2003 – 10 AZR 675/02 – BAGE 108, 17, 21).
2. Die Regelung zur Berechnung des Tabellenentgelts und aller sonstigen Entgeltbestandteile in § 24 Abs. 2 TVöD behandelt Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte beim Tabellenentgelt und allen sonstigen Entgeltbestandteilen proportional gleich. Sie gewährleistet damit, dass ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer die Wechselschichtzulage in dem Umfang erhält, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Eine Gleichbehandlung beim Arbeitsentgelt oder bei anderen teilbaren geldwerten Leistungen nach dem Pro-rata-temporis-Grundsatz schließt von vornherein eine zu rechtfertigende Ungleichbehandlung wegen der Teilzeitarbeit aus (vgl. Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz Rn. 737).
IV. Auch der Hinweis der Klägerinnen auf das Verbot einer Benachteiligung aus Gründen des Geschlechts (§§ 1, 3, 7 AGG) hilft ihnen nicht weiter.
1. In Betracht kommt nur eine mittelbare Diskriminierung. Die Kürzung der Wechselschichtzulage knüpft nicht an das Geschlecht, sondern an die Teilzeitbeschäftigung an. Eine mittelbare Diskriminierung liegt nach § 3 Abs. 2 AGG vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Die dem Anschein nach neutralen Vorschriften, Kriterien oder Verfahren müssen dabei einen wesentlich höheren Anteil der Angehörigen des anderen Geschlechts betreffen. Das Vorliegen einer mittelbaren Benachteiligung wird durch den statistischen Vergleich zweier Gruppen festgestellt (BAG 13. Februar 2007 – 9 AZR 729/05 – AP TzBfG § 4 Nr. 13 = EzA TzBfG § 4 Nr. 11; BAG 18. Mai 2006 – 6 AZR 631/05 – BAGE 118, 196).
2. Daran gemessen fehlt es bereits an einer Benachteiligung iSv. § 3 AGG. Erhält eine Teilzeitbeschäftigte Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung wie die tarifliche Wechselschichtzulage in dem Umfang, der dem Anteil ihrer Arbeitszeit an der Arbeitszeit einer vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten entspricht, wird sie nicht benachteiligt. In einem solchen Fall der Gleichbehandlung nach dem Pro-rata-temporis-Grundsatz wird nur berücksichtigt, dass Teilzeitarbeit sich von Vollzeitarbeit in quantitativer Hinsicht unterscheidet.
V. In seinem Urteil vom 23. Juni 1993 (– 10 AZR 127/92 – BAGE 73, 307) hat der Senat allerdings angenommen, dass die anteilige Kürzung einer monatlichen Wechselschichtzulage bei Teilzeitbeschäftigten gegen das Diskriminierungsverbot in § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 verstößt und den in Wechselschichten eingesetzten teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern die Wechselschichtzulage in voller Höhe zusteht, wenn sie die tariflichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Die Entscheidung betraf jedoch nicht nur einen anderen Sachverhalt. Sie ist auch zu einer anderen tariflichen Regelung der Anspruchsvoraussetzungen für die Wechselschichtzulage ergangen. Jene Tarifvorschriften knüpften den Anspruch auf die Wechselschichtzulage anders als § 8 Abs. 5 TVöD iVm. § 7 Abs. 1 TVöD und § 48 Abs. 2 TVöD-BT-K an die Leistung einer bestimmten Mindestzahl von Nachtschichtstunden innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Mit der Wechselschichtzulage sollten damit nicht nur die mit der Wechselschichtarbeit verbundenen Erschwernisse, sondern auch die durch die Arbeit im Nachtdienst begründete Belastung abgegolten werden. Wurde der Teilzeitbeschäftigte in Wechselschichten eingesetzt und leistete er dabei die erforderliche Mindestzahl von Nachtdienststunden innerhalb des tariflich festgesetzten Zeitraums, hatte er nach der Einschätzung der Tarifvertragsparteien jener tariflichen Regelung dieselben Erschwernisse wie ein Vollzeitbeschäftigter.
Unterschriften
Dr. Freitag, Marquardt, Brühler, Thiel, Zielke
Fundstellen
Haufe-Index 2079162 |
AP, 0 |