Entscheidungsstichwort (Thema)
Überstundenvergütung. tarifliche Erschwerniszulage
Orientierungssatz
- Zur Begründung eines Anspruchs auf Überstundenvergütung hat der Arbeitnehmer im Einzelnen darzulegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Der Arbeitnehmer muss vortragen, von welcher Normalarbeitszeit er ausgeht und dass er tatsächlich gearbeitet hat. Ist streitig, ob Arbeitsleistungen erbracht wurden, hat der Arbeitnehmer darzulegen, welche (geschuldete) Tätigkeit er ausgeführt hat. Je nach der Einlassung des Arbeitgebers besteht eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt des Weiteren voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren.
- Fehlen im Tarifvertrag Anknüpfungspunkte zur Bestimmung des räumlichen Geltungsbereichs, kommt es grundsätzlich auf den Ort des Betriebs oder Betriebsteils an, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist. Nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des für den Betriebssitz maßgebenden Tarifvertrags seinen Schwerpunkt hat, wird das Arbeitsverhältnis von dem räumlichen Geltungsbereich des dort geltenden Tarifvertrags erfasst.
- Der Anspruch auf eine Erschwerniszulage nach § 10 Nr. 1.2 Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im Gebäudereiniger-Handwerk Berlin besteht bei Arbeiten in TBC-Krankenstationen, Isolierstationen und ähnlichen Abteilungen in Krankenhäusern wegen der Gesundheitsgefährdung in diesen Stationen und nicht als Ausgleich für die mit dem Tragen von Schutzkleidung verbundenen Erschwernisse.
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revision noch über die Vergütung von Überstunden und die Zahlung tariflicher Erschwerniszuschläge für den Zeitraum von April 2000 bis Oktober 2001.
Die Beklagte ist ein Dienstleistungsunternehmen, das Klinikdienste und Reinigungsleistungen anbietet. Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 1. September 1998 als Raumpflegerin und Stationshilfe in Berlin beschäftigt. Neben den Reinigungskräften beschäftigt die Beklagte in Berlin Bereichsleiter, Objektleiter und Vorarbeiter, die den Reinigungskräften Weisungen erteilen und Arbeitszeitnachweise entgegennehmen. Bei Vertragsschluss im September 1998 hatte die Beklagte ihren Sitz in F/Brandenburg, in der Zeit von Oktober 1998 bis einschließlich Mai 2001 in Berlin und in der Zeit von Juni 2001 bis Juni 2002 wieder in F/Brandenburg.
Die Parteien vereinbarten eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden und die Zahlung eines Stundenlohns iHv. 15,00 DM (Basistariflohn). In dem Arbeitsvertrag ist weiterhin bestimmt, dass die maßgeblichen Tarifverträge für das Gebäudereiniger-Handwerk Bestandteil des Arbeitsvertrags sind. Das Arbeitsverhältnis ist inzwischen beendet.
In der Zeit von April 2000 bis Oktober 2001 war die Klägerin als Reinigungskraft in der Klinik für M… Chirurgie in Berlin eingesetzt. Dort werden Schönheitsoperationen durchgeführt und endoskopische Eingriffe vorgenommen. Zur Reinigung des Operationssaals hatte die Klägerin einen Mundschutz, eine Kopfhaube, Gummihandschuhe, Gummischuhe und sterile Kleidung zu tragen.
Für die Zeit von April 2000 bis Oktober 2001 erstellte die Klägerin fortlaufend handschriftliche Arbeitszeitaufzeichnungen, die Angaben zum jeweiligen Arbeitsbeginn und Arbeitsende enthielten. Diese Aufzeichnungen übergab sie der zuständigen Bereichsleiterin oder Vorarbeiterin, die ihrerseits monatliche Stundenerfassungslisten erstellten. Diese Listen wichen zum Teil von den Angaben der Klägerin ab. Die Beklagte berechnete auf der Grundlage der von den Bereichsleiterinnen bzw. Vorarbeiterinnen gefertigten Listen die Vergütung der Klägerin und erstellte hierzu monatliche Lohnabrechnungen.
Mit ihrer am 12. März 2002 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin – soweit für die Revision noch von Bedeutung – die Bezahlung von Überstunden und Erschwerniszuschlägen begehrt, nachdem Sie diese Ansprüche zuvor mit Schreiben vom 21. Januar 2002 vergeblich geltend gemacht hatte.
Die Klägerin hat unter Bezugnahme auf ihre Arbeitszeitaufzeichnungen vorgetragen, sie habe wiederholt über die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus gearbeitet. Bei Einteilung in den Frühdienst von 7.00 Uhr bis 14.30 Uhr habe sie sieben Stunden und bei Einteilung in den Spätdienst von 14.00 Uhr zumeist länger als 20.00 Uhr, in einem Fall sogar bis 2.00 Uhr gearbeitet. Die Bereichsleiterinnen bzw. Vorarbeiterinnen der Beklagten hätten die von ihr erstellten Stundenerfassungslisten ohne jegliche Beanstandungen entgegengenommen. Von den aufgelisteten Arbeitszeiten seien unberechtigt Pausen in Abzug gebracht worden, die sie nicht genommen habe. Sie habe sich auf Anweisung der Ärzte und OP-Schwestern während ihrer gesamten Arbeitszeit im OP-Bereich abrufbereit aufhalten müssen. Gemäß § 10 Nr. 1.2 des anzuwendenden Rahmentarifvertrags für das Gebäudereiniger-Handwerk Berlin stehe ihr für die Arbeit im Operationssaal ein tariflicher Erschwerniszuschlag zu.
Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Interesse – beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.419,15 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Mai 2002 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, zumindest für die Zeiten, in denen sie ihren Sitz in Brandenburg gehabt habe, sei auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der für die Bundesrepublik Deutschland außer Berlin geltendende Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereiniger-Handwerk vom 1. September 2000 (RTV Bundesrepublik) anzuwenden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage, soweit sie in der Revision noch anhängig ist, durch Versäumnisurteil abgewiesen und dieses nach rechtzeitigem Einspruch der Klägerin aufrechterhalten. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die Klägerin kann von der Beklagten für den Zeitraum von April 2000 bis Oktober 2001 weder die begehrte Überstundenvergütung noch die Zahlung eines tariflichen Erschwerniszuschlags verlangen.
I. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der mit Bekanntmachung vom 14. April 2000 zum 1. Januar 2000 für allgemeinverbindlich erklärte (BAnz. Nr. 102 vom 30. Mai 2000 S. 10095) Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im Gebäudereiniger-Handwerk Berlin vom 14. April 1989 idF vom 23. November 1999 (RTV Berlin) und nicht der Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereiniger-Handwerk Bundesrepublik Deutschland vom 1. September 2000 (RTV Bundesrepublik) Anwendung.
1. Der RTV Berlin gilt gemäß § 1 im “Gebiet des Landes Berlin in den Grenzen nach dem 3. Oktober 1990”. Demgegenüber gilt der RTV Bundesrepublik nach dessen § 1 für “das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Bundeslandes Berlin”. Sowohl der RTV Berlin als auch der RTV Bundesrepublik bestimmen in § 1 nur das Gebiet, in dem der jeweilige Tarifvertrag gelten soll. Weder dem Wortlaut noch dem tariflichen Gesamtzusammenhang beider Tarifvorschriften ist zu entnehmen, welcher Anknüpfungspunkt für den räumlichen Geltungsbereich maßgeblich sein soll. Dies kann das Unternehmen, der Betrieb oder der Einsatzort des Arbeitnehmers sein. Fehlen im Tarifvertrag Anknüpfungspunkte zur Bestimmung des räumlichen Geltungsbereichs, kommt es grundsätzlich auf den Ort des Betriebs oder Betriebsteils an, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist (BAG 3. Dezember 1985 – 4 AZR 325/84 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 5 = EzA BGB § 269 Nr. 1; 25. Juni 1998 – 6 AZR 475/96 – BAGE 89, 202, 207, zu II 2b bb (3) der Gründe). Nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des für den Betriebssitz maßgebenden Tarifvertrags seinen Schwerpunkt hat, wird das Arbeitsverhältnis von dem räumlichen Geltungsbereich des dort geltenden Tarifvertrags erfasst (BAG 26. Oktober 1983 – 4 AZR 248/81 –; 3. Dezember 1985 – 4 AZR 325/84 – aaO; 25. Juni 1998 – 6 AZR 475/96 – aaO).
2. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin hatte unabhängig vom jeweiligen Sitz der Beklagten seinen Schwerpunkt in Berlin.
a) Der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses liegt dort, wo der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht – zumindest überwiegend – zu erfüllen hat (BAG 25. Juni 1998 – 6 AZR 475/96 – BAGE 89, 202, 207, zu II 2b bb (3) der Gründe; 3. Dezember 1985 – 4 AZR 325/84 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 5 = EzA BGB § 269 Nr. 1; 26. Oktober 1983 – 4 AZR 248/81 –; 5. Mai 1955 – 2 AZR 55/53 – BAGE 2, 18, 20, zu I der Gründe). Dies ist der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine tägliche Arbeit beginnt und beendet und an dem er mindestens während der Hälfte seiner Arbeitszeit arbeitet (BAG 25. Juni 1998 – 6 AZR 475/96 – aaO S. 206, zu II 2b bb (2) der Gründe). Von Bedeutung ist weiterhin, wenn an dem jeweiligen Einsatzort das Direktionsrecht des Arbeitgebers ausgeübt, insbesondere Weisungen für die tägliche Arbeit erteilt und ggf. die Arbeitsmittel zugeteilt werden.
b) Danach lag der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses der Klägerin im Bundesland Berlin. Dort hatte die Klägerin durchgehend ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Eine Versetzung nach Brandenburg war zu keinem Zeitpunkt vorgesehen. Die Beklagte unterhält in Berlin in einzelnen Objekten Büros und eine vor Ort eingerichtete Leitungsstruktur mit Bereichs- und Objektleiterinnen sowie verschiedenen Vorarbeiterinnen. Von dort aus hat die Beklagte der Klägerin Weisungen erteilt.
II. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr verlangte Überstundenvergütung.
1. Die Klägerin hat die von ihr behaupteten Überstunden nicht schlüssig dargelegt.
a) Zur Begründung eines Anspruchs auf Überstundenvergütung hat der Arbeitnehmer im Einzelnen darzulegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Der Arbeitnehmer muss vortragen, von welcher Normalarbeitszeit er ausgeht und dass er tatsächlich gearbeitet hat. Ist streitig, ob Arbeitsleistungen erbracht wurden, hat der Arbeitnehmer darzulegen, welche (geschuldete) Tätigkeit er ausgeführt hat. Je nach der Einlassung des Arbeitgebers besteht eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast (Senat 29. Mai 2002 – 5 AZR 370/01 – EzA BGB § 611 Mehrarbeit Nr. 10, zu V 1 der Gründe). Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt des Weiteren voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren (Senat 17. April 2002 – 5 AZR 644/00 – AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 40 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 148, zu II 3 der Gründe; 29. Mai 2002 – 5 AZR 370/01 – aaO).
b) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, genügt der Vortrag der Klägerin diesen Anforderungen nicht. Die Klägerin hat zwar unter Bezugnahme auf ihre handschriftlichen Aufzeichnungen die einzelnen Tage und Tageszeiten, an denen sie gearbeitet habe, dargelegt und den Umfang der ihrer Ansicht nach vergütungspflichtigen Arbeitszeit angegeben. Ihre Behauptung, sie habe keine Möglichkeit gehabt, eine “ordnungsgemäße Pausenzeit zu nutzen”, ist jedoch nicht schlüssig. So hat die Klägerin vorgetragen, beim Frühdienst von 7.00 Uhr bis 14.30 Uhr habe die Arbeitszeit sieben Stunden betragen. Damit ist offenbar eine Pause von 30 Minuten berücksichtigt worden. Die in den handschriftlichen Arbeitszeitaufzeichnungen summarisch angegebenen Arbeitszeiten weichen zum Teil von den Dienstzeiten ohne nähere Erläuterung ab. Den Aufzeichnungen ist zu entnehmen, dass die Klägerin auch tatsächlich Pausen genommen hat. Eine Erklärung für diese Ungereimtheiten hat die Klägerin nicht gegeben. Sie hat nicht dargelegt, wann und wie lange sie an den einzelnen Tagen Pausen gemacht hat und aus welchen konkreten Gründen sie an anderen Tagen keine Pause nehmen konnte. Ein solcher Vortrag war jedoch erforderlich, weil die Beklagte nur dann die Möglichkeit gehabt hätte, die Arbeitszeitdauer nachzuprüfen.
c) Die Beklagte hat die von der Klägerin behaupteten Überstunden auch nicht gebilligt. In der zunächst widerspruchslosen Entgegennahme der von der Klägerin gefertigten Arbeitszeitaufzeichnungen durch die Bereichsleiterin oder Vorarbeiterinnen liegt keine Billigung geleisteter Überstunden. Denn die Beklagte hat mit den der Klägerin erteilten Lohnabrechnungen, in denen die Zahl der vergüteten Arbeitsstunden ausgewiesen ist, hinreichend deutlich gemacht, dass sie darüber hinausgehende Überstunden in den Arbeitszeitaufzeichnungen der Klägerin nicht anerkennt.
2. Wegen der Nichtgewährung der gesetzlichen Pausen steht der Klägerin kein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 4 ArbZG zu. Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin hierdurch ein ersatzfähiger Schaden entstanden sein könnte, bestehen nicht. Der entstandene Verlust an Freizeit stellt als solcher keinen Schaden im Sinne von §§ 249 ff. BGB dar (Senat 28. Januar 2004 – 5 AZR 530/02 – AP BGB § 611 Bereitschaftsdienst Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitsbereitschaft Nr. 2, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu IV 4 der Gründe; 28. September 1972 – 5 AZR 198/72 – AP AZO § 12 Nr. 9 = EzA AZO § 12 Nr. 1, zu 3a der Gründe). Auch ein sonstiger wirtschaftlicher Verlust ist nicht ersichtlich. Weder nach dem Arbeitsvertrag, noch nach dem Tarifvertrag (§ 4 Nr. 1 RTV Berlin) waren der Klägerin Pausen zu vergüten. Zu einer möglichen Gesundheitsbeeinträchtigung hat sie nichts vorgetragen.
III. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung eines tariflichen Erschwerniszuschlags.
1. In § 10 Nr. 1.2 RTV Berlin ist Folgendes bestimmt:
Ҥ 10
Erschwerniszuschläge
1. Arbeitnehmer haben für die Zeit, in der sie mit Arbeiten nachstehender Art beschäftigt sind, Anspruch auf Erschwerniszuschlag:
…
1.2 bei Arbeiten in TBC-Krankenstationen, Isolierstationen und ähnlichen Abteilungen in Krankenhäusern, neben den Leistungen des Seuchengesetzes 10 %
…”
2. Der Operationssaal der Klinik für M… Chirurgie (im Folgenden: Klinik für MIC) einschließlich der ggf. dazugehörigen Funktionsräume ist keine TBC-Krankenstation oder Isolierstation und auch keine Krankenhausabteilung, die einer TBC-Krankenstation oder Isolierstation ”ähnlich” ist.
a) Im Operationssaal der Klinik für MIC werden Schönheitsoperationen und endoskopische Eingriffe in den Fachgebieten der Chirurgie, der Gynäkologie, der Mammachirurgie, der Wirbelsäulenchirurgie und HNO durchgeführt. Behandelt werden insbesondere Erkrankungen in den Bereichen Dickdarm, Magen sowie Leistenbrüche, Narbenbrüche, Adhäsionen, Cholezystektomien, Adipositas, Strumen, Myome, supracervicale Hysterektomie, Endometriose, Senkungsbeschwerden und Zysten. Weder der Operationssaal noch die Klinik ist daher eine Krankenstation zur Behandlung von Menschen, die an Tuberkulose erkrankt sind, noch eine Isolierstation im Sinne von § 10 Nr. 1.2 des RTV Berlin.
b) Der Operationssaal der Klinik für MIC ist auch keine den TBC-Krankenstationen oder Isolierstationen ”ähnliche Abteilung”.
aa) Unter einer Isolierstation versteht man allgemein die Abteilung eines Krankenhauses zur Isolierung, Behandlung und Beobachtung Infektionskranker bzw. von Verdachtsfällen (vgl. Meyers Enzyklopädisches Lexikon Bd. 12, Stichwort: Isolierstation; Pschyrembel Klinisches Wörterbuch Stichwort: Isolierungsstation). Isolation bzw. Isolierung bedeutet Absonderung, Abtrennung, Getrennthaltung, zB Unterbringung eines Kranken bei ansteckender Krankheit in einem Isolierzimmer. Die TBC-Krankenstation ist eine selbständige Abteilung eines Krankenhauses, die der diagnostischen Klärung frischer Erkrankungsfälle und zur operativen und konservativen stationären Behandlung Tuberkulosekranker dient (vgl. Meyers Neues Lexikon 1976 Stichwort: Tuberkulosebehandlungsstätte, stationäre).
bb) Prägende Merkmale der TBC-Krankenstationen und Isolierstationen sind sowohl die dort geltenden besonderen Hygieneanforderungen und die dadurch bedingten Anforderungen an das Tragen von Schutzkleidung (vgl. zB Durchführungsanweisung zu § 7 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschriften für den Gesundheitsdienst vom 1. Oktober 1982 idF vom 1. Januar 1997 – Spinnarke/Schork ASiR Nr. 7103 S. 10), als auch die von den dort behandelten Patienten ausgehende, besonders hohe Gesundheitsgefährdung für Dritte. Beide Gesichtspunkte sind denkbare Anknüpfungspunkte für die Zahlung von Erschwerniszulagen.
cc) Der tarifliche Gesamtzusammenhang lässt erkennen, dass § 10 Nr. 1.2 RTV Berlin nicht wegen des Tragens von Schutzkleidung, sondern wegen der Gesundheitsgefährdung in diesen Stationen eine Zulage vorsieht. Der Verweis auf die “Leistungen des Seuchengesetzes” bzw. (sinngemäß) des seit 1. Januar 2001 geltenden Infektionsschutzgesetzes (IfSG) verdeutlicht dies. Diese Gesetze bezwecken, wie nunmehr § 1 Abs. 1 IfSG ausdrücklich bestimmt, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. Zudem regelt der RTV Berlin in § 10 Nr. 1.8 (1.8.1 bis 1.8.5) die Zahlung eines Erschwerniszuschlags für das Tragen von Schutzvorrichtungen ausdrücklich. Zwar betrifft dies nach § 10 Nr. 1.8.1 RTV Berlin grundsätzlich nur Arbeitnehmer, die in strahlengefährdeten Bereichen oder in Kontrollbereichen offener oder umschlossener Radioaktivität beschäftigt werden. Die Überschrift dieses Abschnitts “Arbeiten mit Schutzvorrichtungen” macht aber deutlich, dass außerhalb dieses Abschnitts das Tragen von Schutzkleidung für sich genommen nicht die Verpflichtung zur Zahlung eines Erschwerniszuschlags begründet.
dd) Dieses Auslegungsergebnis wird durch einen Vergleich mit § 9 Nr. 2.8 RTV Bundesrepublik bestätigt. Danach fällt ein Erschwerniszuschlag an bei Arbeiten in “Isolier-, Intensiv-, Operationsräumen und sonstigen geschlossenen Krankenstationen wie TBC-Krankenstationen, Isotopenlabors, Bestattungseinrichtungen”. Diese Regelung ist sprachlich weiter gefasst als § 10 Nr. 1.2 RTV Berlin. Dies lässt erkennen, dass der Tarifvertrag in Berlin für die Zahlung eines Erschwerniszuschlags nach § 10 Nr. 1.2 RTV Berlin durch die beispielhafte Nennung lediglich der TBC-Kranken- und Isolierstationen strengere Anforderungen an die geforderte Gesundheitsgefährdung stellt und Arbeiten in Intensiv- und Operationsräumen nur bei Vorliegen vergleichbarer Risiken zuschlagspflichtig sind.
ee) Für den Operationssaal der Klinik für MIC besteht keine den TBC-Krankenoder Isolierstationen ähnliche Gesundheitsgefährdung. ”Ähnlich” bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch “in entsprechenden (oder bestimmenden) Merkmalen übereinstimmend”. Der Bezugspunkt der vergleichenden Betrachtung wird durch die in der Tarifvorschrift beispielhaft aufgeführten TBC-Krankenstationen und Isolierstationen vorgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat für den Operationssaal der Klinik für MIC keine Gesundheitsgefährdung festgestellt, die der Gefährdung auf TBC-Kranken- oder Isolierstationen vergleichbar wäre. Hieran ist der Senat gebunden (§ 559 Abs. 2 ZPO). Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen ändern daran nichts. Soweit die Klägerin rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht genügend berücksichtigt, dass sie die gleiche Arbeitsschutzkleidung getragen habe, wie sie für Reinigungsarbeiten auch auf TBC-Kranken- oder Isolierstationen verlangt werde, kann hieraus nicht auf eine gleiche Gesundheitsgefährdung geschlossen werden. Auch das Landesarbeitsgericht ist von einer erhöhten Infektionsgefahr bei Reinigungsleistungen im Operationssaal ausgegangen. Es hat diese allerdings im Hinblick auf die Art der dort durchzuführenden Operationen und Behandlungen nicht als mit der auf einer TBC-Kranken- oder Isolierstation bestehenden Gefährdung vergleichbar angesehen. Soweit die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe den Schriftsatz vom 30. April 2003 nicht berücksichtigt, hat sie nicht dargelegt, welchen konkreten Sachvortrag dieses mehrseitigen Schriftsatzes das Landesarbeitsgericht nicht gewürdigt hat. Die Rüge ist damit unzulässig (Senat 7. Oktober 1987 – 5 AZR 116/86 – AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 15, zu V 1 der Gründe).
IV. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Müller, Reinders
Fundstellen
DB 2005, 2826 |
NZA 2005, 1432 |
ZTR 2006, 138 |
AP, 0 |
EzA-SD 2005, 4 |
AUR 2005, 464 |
AUR 2005, 466 |
NJOZ 2005, 5093 |
SPA 2006, 7 |