Entscheidungsstichwort (Thema)
Anpassung Betriebsrenten bei Abwicklungsgesellschaft. Betriebliche Altersversorgung. Anpassung der Betriebsrenten bei einer Abwicklungsgesellschaft. Anpassung und Berechnungsdurchgriff im Konzern. seitens eines beherrschenden Unternehmens gesetzte vertrauensbildende Sachverhalte. Anpassung und Gleichbehandlung im Konzern. Voraussetzungen der Anpassungspflicht nach § 16 BetrAVG
Orientierungssatz
- Grundsätzlich trifft auch eine Abwicklungsgesellschaft, also ein Unternehmen, das hauptsächlich mit der Nachbearbeitung ehemaliger Geschäftstätigkeit und der Betreuung von Betriebsrentnern befaßt ist, die Pflicht zur Anpassungsprüfung gemäß § 16 BetrAVG. Eine Gleichstellung unternehmerisch nicht mehr aktiver Gesellschaften mit insolventen Unternehmen ist nicht gerechtfertigt.
- Eine Anpassung an die gestiegenen Betriebsrenten kann jedoch ganz oder teilweise abgelehnt werden, wenn und soweit dadurch das Unternehmen des Versorgungsschuldners übermäßig belastet würde. Werden Unternehmenserträge aus werbender Tätigkeit nicht mehr erzielt und verfügt der Versorgungschuldner auch nicht über sonstige Einkünfte, die für eine Anpassung der Betriebsrenten herangezogen werden könnten, ist es regelmäßig nicht möglich, den Teuerungsausgleich aus den Erträgen des Unternehmens und dessen Wertzuwachs in der Zeit nach dem Anpassungsstichtag aufzubringen. Auch eine Abwicklungsgesellschaft ist nicht verpflichtet, die Kosten der Anpassung aus der Vermögenssubstanz aufzubringen.
- War bei Einstellung der werbenden Geschäftstätigkeit und dem Übergang zur Abwicklungsgesellschaft die Geschäftslage schlecht und von hohen Verlusten geprägt, so daß bereits zuvor das betriebliche Altersversorgungs-Werk geschlossen werden mußte, und wurden auch keine gewinnbringenden oder später wieder gewinnbringenden Geschäftsbereiche auf andere Konzerngesellschaften übertragen, so fehlt es für einen Berechnungsdurchgriff im Konzern an der Voraussetzung, daß sich durch die Ausübung der Leitungsmacht seitens der Konzernmutter ein konzerntypisches Risiko verwirklicht hat. Allein in der fehlenden Ausstattung der Abwicklungsgesellschaft mit Rücklagen für Anpassungen gemäß § 16 BetrAVG konnte dies im Streitfall nicht gesehen werden, denn eine Anpassungsverpflichtung hat für das beherrschende Unternehmen wegen seiner damals schlechten wirtschaftlichen Situation auch im Zeitpunkt des Übergangs zur Abwicklungsgesellschaft nicht bestanden.
- Die aus Anlaß des Übergangs zur Abwicklungsgesellschaft durchgeführte Übertragung von Geschäftsbereichen auf andere Konzerngesellschaften rechtfertigt für sich allein nicht ein schützenswertes Vertrauen der Betriebsrentner darauf, die Konzernobergesellschaft werde die Versorgungsverbindlichkeiten der Abwicklungsgesellschaft, Anpassungsleistungen eingeschlossen, so erfüllen wie die Ansprüche ihrer eigenen Betriebsrentner. Eine derartige Übertragung von Geschäftsaktivitäten schafft keinen neuen oder weiteren Anpassungsschuldner im Sinne von § 16 BetrAVG.
- Bei Sozialleistungen kommt eine unternehmensübergreifende Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Konzern allenfalls dann in Betracht, wenn vom herrschenden Unternehmen ausgehend bestimmte Leistungen üblicherweise konzerneinheitlich erbracht werden und ein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand dieser Übung bei den Begünstigten der Konzernunternehmen entstanden ist.
Normenkette
BetrAVG § 16
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob und in welchem Umfang die Beklagte die Betriebsrente des Klägers anzupassen hat.
Der am 30. Oktober 1926 geborene Kläger war vom 12. Februar 1951 bis zum 31. Dezember 1984 als Arbeiter bei der P… Maschinen- und Schraubenwerke AG (P AG) beschäftigt und bezieht seit dem 1. November 1986 eine Betriebsrente iHv. 935,91 DM.
Die P… AG gehörte zunächst zum Konzern der S… AG und hatte im Jahr 1984 aus wirtschaftlichen Gründen das Versorgungswerk geschlossen. 1986/87 übertrug sie ihre Geschäftsbereiche Greifer und Turmbau, Schrauben und Autoteile, Sonderkrane, Hafentechnik und technischer Außendienst auf andere Konzerngesellschaften der S… AG, ua. die P… Umformtechnik GmbH (PUT). Unter dem 30. Juni 1987 wurde mit Wirkung zum 1. Oktober 1986 der zwischen der S… AG und der P… AG geschlossene Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag aufgehoben. Schließlich wurde am 12. Juni 1987 die P… AG in die Beklagte umgewandelt, wobei alleinige Gesellschafterin zunächst die S… AG blieb. Die Beklagte ist seither eine Abwicklungsgesellschaft mit den drei Geschäftsfeldern Bearbeitung von Haftpflichtschäden, Produktbeobachtung und Betreuung der ca. 250 Betriebsrentner, zu denen auch der Kläger zählt. Seither erzielt sie aus werbender Tätigkeit keine Erträge mehr. Die beiden Angestellten sind vornehmlich mit der Nachsorge für früher von der P… AG hergestellte weltweit vertriebene Baukräne und ähnliche Produkte beschäftigt. Die Abwicklung der Betriebsrentenverpflichtungen übernahm zunächst die S… AG, ab Juli 1988 dann die PUT.
Im Juli 1990 wurde die S… AG von der Pr… AG übernommen. Als alleinige Gesellschafterin der Beklagten beschloß die Pr… AG am 12. September 1996, deren Stammkapital von ursprünglich 24 Mio. auf 10 Mio. herabzusetzen, was im Geschäftsjahr 1997/98 vollzogen wurde und der Rückzahlung von Einlagen an die Gesellschafterin diente. Die Beklagte ließ von der PwC Deutsche Revision einen Prüfungsbericht “über das Vorhandensein eines Anpassungspotenzials zur Erhöhung der Betriebsrenten … zum 1. Januar 1996” erstellen. Danach weisen die Jahresabschlüsse jedenfalls seit dem Geschäftsjahr 1993/94 Jahresfehlbeträge in erheblicher Höhe und eine negative Eigenkapitalverzinsung aus. Der Bericht kam somit zum Ergebnis eines negativen Anpassungspotentials. Die Kosten für die betriebliche Altersversorgung machten durchschnittlich 80 – 90 % des Personalaufwandes der Beklagten aus. Daneben hatte sie erhebliche sonstige betriebliche Aufwendungen zu bestreiten, und zwar Unterhaltsaufwendungen für vermietete Grundstücke und Gebäude, Aufwendungen auf Grund von Vorsorgen für verschiedene Risiken bei der Abwicklung von Altgeschäften sowie Versicherungs- und Verwaltungsaufwendungen. Die Kosten für diese sonstigen betrieblichen Aufwendungen übertrafen häufig noch die Personalkosten (und darin enthalten die Kosten der betrieblichen Altersversorgung) der Beklagten.
Eine Anpassung der Betriebsrenten des Klägers an die Kaufkraftentwicklung erfolgte nicht, allerdings erhielt er neben der laufenden Betriebsrente im Jahr 1990 eine Einmalzahlung iHv. 250,00 DM sowie 1993 eine weitere Einmalzahlung iHv. 3.743,64 DM. Eine Betriebsrentenerhöhung zum 1. Januar 1996 lehnte die Beklagte ab.
Der Kläger hat behauptet, die Beklagte sei aus eigener Kraft in der Lage, den Teuerungsausgleich für den Anpassungszeitraum vom 1. November 1986 bis 1. Januar 1996 aufzubringen. Zwar müßten die Kosten der Anpassung aus den Erträgen und dem Wertzuwachs des Unternehmens finanzierbar sein. Dies könne aber nur für den Normaltyp des produzierenden und werbenden Unternehmens gelten, nicht jedoch für die Beklagte als “Rentnergesellschaft”. Weiter müsse im Wege des Berechnungsdurchgriffs auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Pr… AG abgestellt werden. Diese sei herrschendes Unternehmen. Die Beklagte sei aus der ursprünglichen P… AG entstanden, um ausscheidende Arbeitnehmer aufzunehmen, jedoch nicht mit Rücklagen für künftige Anpassungen der Betriebsrenten ausgestattet worden. Damit sei auf die Belange der Beklagten keine angemessene Rücksicht genommen worden. Schließlich hat der Kläger die Auffassung vertreten, auch nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sei eine Anpassung vorzunehmen, da die Betriebsrenten konzerneinheitlich ausgezahlt und angepaßt würden. Bei einer Personalleiterbesprechung im November 1995 habe der Vorstand der Pr… AG für den Anpassungstermin 1. Januar 1996 eine Betriebsrentenerhöhung um 4,5 % als Leitlinie festgelegt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.899,92 DM brutto zu zahlen und sie zu verpflichten, an ihn ab 1. Juli 1998 eine monatliche Betriebsrente iHv. 1.226,79 DM brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat sich wirtschaftlich nicht im Stande gesehen, die begehrte Anpassung vorzunehmen. Das mögliche wirtschaftliche Potential für eine Anpassung habe weder in der Vergangenheit vorgelegen, noch sei es für die Zukunft zu erwarten. Für einen Berechnungsdurchgriff auf die Pr… AG lägen die Voraussetzungen nicht vor. Ihr seien keine Betriebsrentner “zugeordnet” worden, vielmehr sei sie nur den Betriebsrentnern ihrer Rechtsvorgängerin, der P… AG, weiterhin verpflichtet. Schließlich würden die Betriebsrenten im Pr…-Konzern weder einheitlich ausgezahlt noch angepaßt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr überwiegend stattgegeben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, daß die Beklagte seine Betriebsrente entsprechend dem Kaufkraftverlust nach § 16 BetrAVG anpaßt.
Das Landesarbeitsgericht hat bei der Ermittlung des Anpassungsbedarfs des Klägers auf die vom Statistischen Bundesamt ermittelten Veränderungen des Preisindexes für die Lebenshaltung eines Vierpersonen-Arbeitnehmer-Haushaltes seit Rentenbeginn am 1. November 1986 abgestellt.
- Damit hat das Landesarbeitsgericht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats den grundsätzlich richtigen Ausgangspunkt für seine Anpassungsüberlegungen gewählt. Der Anpassungsbedarf der Versorgungsempfänger richtet sich nach dem zwischenzeitlich eingetretenen Kaufkraftverlust, den der Senat nach den Preisindexberechnungen des Statistischen Bundesamtes bestimmt (st. Rspr. seit 16. Dezember 1976 – 3 AZR 795/75 – BAGE 28, 279, 291). Bei der Anpassungsprüfung zum 1. Januar 1996 war nicht nur auf den Anpassungsbedarf der letzten drei Jahre, sondern auf die seit Rentenbeginn eingetretene Teuerung abzustellen, soweit sie nicht durch vorhergehende Anpassungen ausgeglichen wurde (BAG 23. Januar 2001 – 3 AZR 287/00 – AP BetrAVG § 16 Nr. 46 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 38; 28. April 1992 – 3 AZR 142/91 – BAGE 70, 137, 141 ff.; 17. April 1996 – 3 AZR 56/95 – BAGE 83, 1, 6 f.).
- Auch als Abwicklungsgesellschaft ist die Beklagte verpflichtet, gemäß § 16 BetrAVG eine Anpassungsprüfung vorzunehmen und gegebenenfalls die Betriebsrenten nach dem zwischenzeitlich eingetretenen Kaufkraftverlust anzupassen. Dies hat der Senat bereits für den Fall einer Rentnergesellschaft bejaht, also für ein Unternehmen, das liquidiert wurde und dessen einzig verbliebener Gesellschaftszweck die Abwicklung seiner Versorgungsverbindlichkeiten war (23. Oktober 1996 – 3 AZR 514/95 – BAGE 84, 246). Auch den Erben eines ehemals einzelkaufmännisch tätigen früheren Arbeitgebers treffen die Pflichten nach § 16 BetrAVG, selbst wenn er das Geschäft des Erblassers nicht weiterführt (BAG 9. November 1999 – 3 AZR 420/98 – BAGE 92, 349 ff.). Der Gesetzgeber hat die Anpassungslast auch dem Arbeitgeber zugewiesen, der sich nicht mehr unternehmerisch betätigt, wie auch § 4 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG in der ab 1. Januar 1999 geltenden Fassung bestätigt. Eine Gleichstellung unternehmerisch nicht mehr aktiver Gesellschaften mit insolventen Unternehmen ist nicht gerechtfertigt. Entscheidend für die Befreiung insolventer Unternehmen vom Anpassungsanspruch ist nicht, daß sie sich vom Markt zurückgezogen haben, sondern daß sie nicht in der Lage sind, die zusätzlichen Anpassungslasten aufzubringen. Dagegen ist der Zusagende als Versorgungsschuldner – nicht etwa nur in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber oder als Unternehmer – verpflichtet, den realen Wert der eingegangenen Versorgungsverbindlichkeiten zu erhalten, es sei denn, auf Grund seiner wirtschaftlichen Lage ist es ihm als Schuldner nicht mehr zumutbar, die sich hieraus ergebenden Mehrbelastungen zu tragen. Dies muß grundsätzlich um so mehr für die Beklagte gelten, die als Abwicklungsgesellschaft zwar – insoweit vergleichbar einer Rentnergesellschaft oder einem liquidierten Unternehmen – nicht mehr werbend am Markt tätig ist, jedoch über die Betriebsrentnerbetreuung hinaus im Bereich der Geschäftsabwicklung noch unternehmerisch aktiv ist, wobei das Volumen dieses Geschäftsbereiches in einzelnen Jahren noch die Summe der Betriebsrentenleistungen übertroffen hat.
Das Landesarbeitsgericht hat allerdings zu Unrecht angenommen, die Beklagte sei zur Anpassung der Betriebsrenten in der Lage.
Eine Anpassung an die gestiegenen Lebenshaltungskosten kann der Versorgungsschuldner ganz oder teilweise ablehnen, wenn und soweit dadurch sein Unternehmen übermäßig belastet würde. Das ist dann der Fall, wenn es mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus den Erträgen des Unternehmens und dessen Wertzuwachs in der Zeit nach dem Anpassungsstichtag aufzubringen. Sind Einbußen in der Unternehmenssubstanz zu befürchten, steht die gebotene Rücksichtnahme auf die Belange des Arbeitgebers und – bei werbenden Unternehmen – diejenigen der aktiven Arbeitnehmer einer Anpassung entgegen (st. Rspr. des Senats seit dem 16. Dezember 1976 – 3 AZR 795/75 – BAGE 28, 279 ff.; zuletzt 21. August 2001 – 3 AZR 589/00 – AP BetrAVG § 16 Nr. 47 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 39).
Seit der Übertragungs ihrer operativen Geschäftsbereiche um die Jahreswende 1986/1987 und der Umwandlung in eine GmbH mit Wirkung zum 12. Juni 1987 ist die Beklagte nicht mehr werbend am Markt tätig. Sie erzielt somit bereits vor dem ersten Anpassungsstichtag keine Unternehmenserträge aus werbender Tätigkeit mehr. Aus den vorgelegten Jahresabschlüssen, dem Prüfungsbericht der PwC Deutsche Revision und den sonstigen von der Beklagten in Bezug genommenen Zahlenwerken, deren Richtigkeit und Vollständigkeit der Kläger nicht in Frage gestellt hat, ergibt sich, daß die Beklagte auch über sonstige Einkünfte, die für eine Anpassung der Betriebsrenten herangezogen werden könnten, nicht verfügt. Dagegen weisen diese Unterlagen seit dem Geschäftsjahr 1993/94 Jahresfehlbeträge in erheblicher Höhe, eine negative Eigenkapitalverzinsung sowie ein negatives Anpassungspotential aus. Die Beklagte ist daher nicht in der Lage, die Betriebsrente aus selbst erwirtschafteten Erträgen an die Kaufkraftentwicklung anzupassen.
- Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, die Kosten der Anpassung aus ihrer Vermögenssubstanz aufzubringen, wie dies das Landesarbeitsgericht angenommen hat. Im Urteil zur Rentnergesellschaft vom 23. Oktober 1996 (– 3 AZR 514/95 – aaO, zu II 1c der Gründe) hatte der Senat zwar die Frage, ob sich bei einer solchen Gesellschaft deren Anpassungsfähigkeit ausschließlich nach den von ihr erzielten Erträgen richtet oder ob in einem solchen Fall zur Finanzierung des Anpassungsbedarfs auch ein angemessener Eingriff in die Vermögenssubstanz des Versorgungsschuldners zumutbar sein kann und billigem Ermessen entspricht, noch offen gelassen. In seinem Urteil vom 9. November 1999 (– 3 AZR 420/98 – BAGE 92, 349, 355 ff.) hat der Senat jedoch entschieden, daß auch nach Einstellung seiner unternehmerischen Aktivitäten der Versorgungsschuldner nicht verpflichtet ist, die Anpassungslasten durch Eingriffe in die Vermögenssubstanz zu finanzieren und daß er darüber hinaus wie ein aktiver Unternehmer eine angemessene Verzinsung seines Eigenkapitals in Anspruch nehmen kann, bevor er zusätzliche Versorgungslasten durch Anpassung der Betriebsrenten an die Kaufkraftentwicklung übernimmt. Daran hält der Senat fest. Sinn und Zweck des § 16 BetrAVG erfordern auch bei Abwicklungsgesellschaften keinen Eingriff in die Vermögenssubstanz. Das Gesetz sichert nur einen Anspruch auf Anpassungsprüfung, welche auch die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners berücksichtigt, nicht dagegen einen in der ursprünglichen Versorgungszusage angelegten Rechtsanspruch auf unbedingte Anpassung. Gesetzlich ist also lediglich eine von der Leistungsfähigkeit des Versorgungsschuldners abhängige Anpassungschance vorgesehen (Kemper Anm. zu AP BetrAVG § 16 Nr. 36, zu 2.5). Eine Anpassungsgarantie, die im Fall der Einstellung der unternehmerischen Aktivitäten einen Eingriff in die Vermögenssubstanz verlangt, gewährt dagegen § 16 BetrAVG nicht. Zudem bestünde bei einem Substanzverzehr die Gefahr, daß wenigstens langfristig der Versorgungsschuldner auch die laufenden Rentenzahlungen nicht mehr erbringen kann. Im Insolvenzfall müßte dann der Pensionssicherungsverein die laufenden Renten einschließlich der aus Vermögenssubstanz erbrachten Anpassungen gemäß § 7 Abs. 1 BetrAVG übernehmen, obwohl er selbst eine Anpassung nach § 16 BetrAVG nicht vorzunehmen hat (vgl. Andresen/Förster/Rößler/Rühmann Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung Stand Mai 2002 Teil 11 B Rn. 1453). Ausgenommen davon wären nur Rentenerhöhungen, die im letzten Jahr, oder, nach dem Betriebsrentengesetz in der Fassung ab 1. Januar 1999, in den letzten beiden Jahren vor Eintritt des Insolvenzfalles vorgenommen worden wären (BAG 26. April 1994 – 3 AZR 981/93 – BAGE 76, 299), wie sich aus § 7 Abs. 5 Satz 3 1. Halbsatz BetrAVG ergibt.
Die Beklagte schuldet die begehrte Anpassung auch nicht nach den Grundsätzen des Berechnungsdurchgriffs im Konzern.
- Es kann dahingestellt bleiben, ob die nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats zum Berechnungsdurchgriff notwendige verdichtete Konzernverbindung zwischen der Beklagten als Versorgungsschuldnerin und der Pr… AG als herrschendem Unternehmen besteht (Senat 4. Oktober 1994 – 3 AZR 910/93 – BAGE 78, 87, 100 ff.; 17. April 1996 – 3 AZR 56/95 – BAGE 83, 1, 5 f.; 23. Oktober 1996 – 3 AZR 514/95 – BAGE 84, 246, 253 f.). Zwar wurde der frühere Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen der P… AG als der Rechtsvorgängerin der Beklagten und der S… AG schon mit Wirkung zum 1. Oktober 1986 aufgehoben, also noch vor dem Beginn der Rentenzahlung an den Kläger. Es ist aber als ausreichend angesehen worden, daß ein konzernangehöriges Unternehmen die Geschäfte des Versorgungsschuldners tatsächlich umfassend und nachhaltig führt. Das wäre in Betracht zu ziehen, wenn die Pr… AG von der S… AG deren zumindest bei der Umwandlung 1986/87 ausgeübte umfassende und nachhaltige Leitungsmacht übernommen hätte.
- Es fehlt jedenfalls an der zweiten Voraussetzung für den Berechnungsdurchgriff gemäß der Senatsrechtsprechung, weil der Kläger keine Tatsachen dafür vorgetragen hat, daß sich durch die Ausübung der Leitungsmacht ein konzerntypisches Risiko verwirklicht hat. Es ist vorliegend nicht ersichtlich, daß durch das herrschende Unternehmen (S… AG oder Pr… AG) die Konzernleitungsmacht in einer Weise ausgeübt worden ist, die auf die Belange des abhängigen Tochterunternehmens (P… AG oder die Beklagte) keine angemessene Rücksicht genommen und so die mangelnde Leistungsfähigkeit des Versorgungsschuldners verursacht hat (Senat 23. Oktober 1996 – 3 AZR 514/95 – aaO). Dies wäre nur anzunehmen, wenn das herrschende Unternehmen das beherrschte Unternehmen veranlaßt hat, gewinnbringende Geschäftsbereiche auszugliedern und verlustbringende Geschäftsbereiche zu behalten, nicht jedoch, wenn ein bisher verlustreicher Geschäftsbereich ausgegliedert wird oder wenn neugebildete Gesellschaften zur Gewinnabführung an das den Geschäftsbereich abgebende Unternehmen verpflichtet werden (BAG 14. Dezember 1993 – 3 AZR 519/93 – AP BetrAVG § 16 Nr. 29 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 26, zu III 3b der Gründe). Der Kläger hat in den Tatsacheninstanzen weder behauptet, daß die 1986/87 auf andere Konzerngesellschaften der S… AG übertragenen Geschäftsbereiche gewinnbringend gewesen seien, noch, daß sie in der Folgezeit Gewinne erwirtschaftet hätten. Dagegen hat er selbst eingeräumt, daß die betriebliche Altersvorsorge bei der P… AG im Jahr 1984 auf Grund deren schlechten wirtschaftlichen Lage geschlossen werden mußte. Dem vom Kläger nicht bestrittenen Prüfungsbericht der PwC Deutsche Revision ist weiter zu entnehmen, daß die P… AG Ende 1985 bestimmte Fertigungsbereiche einstellen und in ihrem letzten Geschäftsjahr 1985/86 hohe Verluste hinnehmen mußte. Da die Einstellung der Fertigung nicht zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation geführt hätte, sei das Konzept der Anbindung von Unternehmensaktivitäten an andere Konzerngesellschaften beschlossen worden. Dies hat der Kläger nicht bestritten. Soweit er mit der Revision erstmals pauschal behauptet, die gewinnbringenden Teile des Geschäftsbetriebes seien übertragen worden, handelt es sich um unbeachtliches neues Vorbringen (§ 561 ZPO aF). Soweit er darüber hinaus die fehlende Rücksichtnahme darin gesehen hat, daß die Beklagte oder die PUT nicht mit Rücklagen für Anpassungen gemäß § 16 BetrAVG ausgestattet worden seien, handelt es sich nicht um die Verwirklichung eines konzerntypischen Risikos. Denn eine solche Verpflichtung hätte für das beherrschende Unternehmen wegen seiner wirtschaftlichen Lage auch dann nicht bestanden, wenn die 1986/1987 durchgeführte Neustrukturierung nicht erfolgt wäre. Schließlich stellt auch die Herabsetzung des Stammkapitals von 24 Mio. auf 10 Mio. im Geschäftsjahr 1997/98 vorliegend kein konzerntypisches Risiko im Sinne einer provozierten Anpassungsunfähigkeit dar. Zum einen erfolgte sie erst nach dem Termin, zu dem der Kläger die Anpassung begehrt, zum anderen entstanden auch in Zeiten des ungeschmälerten Stammkapitals überwiegend Jahresfehlbeträge, ein Gesamtverlust für den Anpassungszeitraum iHv. 460.000,00 DM und die Eigenkapitalverzinsung lag deutlich unterhalb von 9 %. Es kann daher auch nicht angenommen werden, die Eigenkapitalherabsetzung habe strukturell etwas mit der Anpassungsunfähigkeit der Beklagten zu tun.
- Auf die wirtschaftliche Lage eines anderen konzernrechtlich verbundenen Unternehmens kann es nach der Senatsrechtsprechung auch dann ankommen, wenn dieses Unternehmen Erklärungen abgegeben oder Verhaltensweisen gezeigt hat, die ein schützenswertes Vertrauen darauf begründen konnten, es werde sichergestellt, daß die Versorgungsverbindlichkeiten durch den Versorgungsschuldner ebenso erfüllt werden wie die Ansprüche der eigenen Betriebsrentner. In einem solchen Fall muß die Betriebsrente auch bei einer ungünstigen wirtschaftlichen Lage des Versorgungsschuldners an die Kaufkraftentwicklung angepaßt werden, soweit die wirtschaftliche Situation des herrschenden Unternehmens eine Anpassung ermöglicht (BAG 4. Oktober 1994 – 3 AZR 910/93 – BAGE 78, 87, 100 ff.). Der Kläger hat jedoch keinen Sachverhalt vorgetragen, der auf vertrauensbildende Erklärungen oder Verhaltensweisen der beherrschenden Unternehmen schließen ließe. Dahingehende ausdrückliche Erklärungen sind dem Kläger gegenüber nicht abgegeben worden. Die Übertragung der Geschäftsbereiche mit allen Aktiva und Passiva von der ehemaligen P… AG auf andere Konzerngesellschaften 1986/87 rechtfertigt für sich genommen nicht das schützenswerte Vertrauen darauf, die Konzernobergesellschaft werde die Versorgungsverbindlichkeiten der P… AG (oder später der Beklagten) so erfüllen wie die Ansprüche ihrer eigenen Betriebsrentner. Eine derartige Übertragung von Geschäftsaktivitäten schafft allein keinen neuen oder weiteren Anpassungsschuldner iSv. § 16 BetrAVG. Dies bleibt auch weiterhin der Arbeitgeber, der das Versorgungsversprechen abgegeben hat oder dessen Rechtsnachfolger. Auch wurden der Beklagten keine Betriebsrentner “zugeordnet”, sondern die Beklagte hat für die Betriebsrentenansprüche, die auch schon gegenüber der P… AG als ihrer Rechtsvorgängerin bestanden, im Wege der Rechtsnachfolge einzustehen. Daraus, daß ab 1. November 1987 zunächst die S… AG, später die PUT die Abwicklung der Betriebsrentenverpflichtungen übernommen hatten, kann der Kläger ebenfalls kein Vertrauen bezüglich der Betriebsrentenanpassung nach § 16 BetrAVG ableiten. Insoweit handelt es sich ersichtlich um eine bloße Dienstleistung für die Beklagte oder ihre Rechtsvorgängerin, die P… AG. Zwar hat die PUT im Begleitschreiben zur Sonderzahlung 1990 auch gegenüber dem Kläger, der damals 250,00 DM erhielt, auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der S… AG und die wirtschaftliche Situation des S…-Konzerns hingewiesen. Sie hat jedoch ebenso unmißverständlich eine Anpassung nach § 16 BetrAVG, also eine Erhöhung der Werksrenten abgelehnt wie sie ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß mit der Sonderzahlung Rechtsansprüche, auch solche für die Zukunft, nicht anerkannt werden sollten. Auch insoweit konnte sich also beim Kläger kein entsprechendes Vertrauen bilden.
Schließlich kann der Kläger einen Anspruch auf Betriebsrentenanpassung wenigstens iHv. 4,5 % nicht auf eine unternehmensübergreifende Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes stützen.
Ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Konzern besteht jedenfalls nicht ohne Weiteres. Die Rechtspflicht, Verteilungsgerechtigkeit herbeizuführen, hängt davon ab, inwieweit Verteilungsbefugnisse ausgeübt werden. Im Konzern kommt deshalb eine unternehmensübergreifende Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei Sozialleistungen allenfalls dann in Betracht, wenn vom herrschenden Unternehmen ausgehend bestimmte Leistungen üblicherweise konzerneinheitlich erbracht werden und auf den Fortbestand dieser Übung ein schützenswertes Vertrauen für die Arbeitnehmer der Konzernunternehmen entstanden ist (BAG 4. Oktober 1994 – 3 AZR 910/93 – BAGE 78, 87, 96 f.). Dies hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt. Er hat lediglich behauptet, auf einer konzernweiten Personalleiterbesprechung sei am 1. November 1995 eine konzerneinheitliche Erhöhung der Renten zum 1. Januar 1996 “für sinnvoll erachtet” worden, was der Vorstand der Pr… AG zustimmend zur Kenntnis genommen und mit entsprechenden “Anweisungen” und “Empfehlungen” versehen habe. Dem kann allenfalls entnommen werden, daß die Konzernobergesellschaft einen einheitlichen Anpassungsbedarf angenommen hat. Dafür, daß im Pr…-Konzern die Anpassung der Betriebsrenten üblicherweise konzerneinheitlich erfolgt, hat der Kläger ebensowenig vorgetragen wie dafür, daß zum 1. Januar 1996 in den anderen Konzerngesellschaften eine Erhöhung um 4,5 % tatsächlich vorgenommen worden ist.
Unterschriften
Reinecke, Bepler, Breinlinger, Kaiser, Platow
Fundstellen
AiB 2003, 514 |
ARST 2003, 183 |
EWiR 2003, 399 |
NZA 2003, 520 |
AP, 0 |
EzA-SD 2003, 18 |
EzA |
NJOZ 2003, 1488 |