Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff der Leistung der betrieblichen Altersversorgung
Leitsatz (amtlich)
- Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung können durch Aufnahme des Arbeitnehmers in den Kreis der Begünstigten einer Unterstützungskasse entstehen. Es ist unschädlich, daß die Unterstützungskasse keinen Rechtsanspruch auf ihre Leistungen gewährt (§ 1 Abs. 4 BetrAVG).
- Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung können nur begründet werden, wenn mit der Leistung ein Versorgungszweck verfolgt wird, wenn der Versorgungsanspruch durch ein biologisches Ereignis (Alter, Invalidität oder Tod) ausgelöst wird und diese Leistung aus Anlaß eines Arbeitsverhältnisses zugesagt wird (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Urteil vom 10. August 1993 – 3 AZR 69/93 – AP Nr. 41 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Sieht die Satzung einer Unterstützungskasse nur einmalige oder laufende Beihilfen in außergewöhnlichen unverschuldeten wirtschaftlichen Notlagen vor, handelt es sich nicht um Zusagen auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung.
Normenkette
BetrAVG § 1 Abs. 4 S. 1, Abs. 1 Sätze 1, Abs. 1 Sätze 2, Abs. 1 Sätze 4
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 19.01.1994; Aktenzeichen 18 Sa 1177/93) |
ArbG Essen (Urteil vom 08.06.1993; Aktenzeichen 6 Ca 3863/92) |
Tenor
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 19. Januar 1994 – 18 Sa 1177/93 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten eine Betriebsrente von monatlich 200,-- DM.
Der 1928 geborene Kläger war von 1946 bis zum 31. Dezember 1975 bei der Firma W… KG beschäftigt, zuletzt als Meister. Die Firma W… KG wurde 1980 in die W… GmbH umgewandelt. Die GmbH wurde 1988 in die R… Handels GmbH umbenannt. Am 1. Oktober 1991, mit 63 Jahren, trat der Kläger in den Ruhestand.
Für die Mitarbeiter der W… KG, Essen, bestand seit dem 21. Dezember 1939 eine Unterstützungs- und Wohlfahrtskasse, die am 28. August 1940 in das Vereinsregister des Amtsgerichts in Essen eingetragen wurde. § 2 dieser Satzung bestimmt:
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Zweck der Kasse ist, außergewöhnliche, unverschuldete wirtschaftliche Notlagen von Betriebsangehörigen oder Hinterbliebenen durch einmalige oder laufende Beihilfen zu mildern, Geburtenzuschüsse zu gewähren und langjährige Mitarbeiter, die sich um den Betrieb verdient gemacht haben, durch Erholungszuschüsse oder Freiplatzspenden an KDF-Reisen und zusätzlichen Urlaub auszuzeichnen.
Der Zweck der Kasse kann nicht geändert werden.”
Der Verein hatte einen Vorstand (§ 7 der Satzung). Zu den Aufgaben des Vorstandes gehörte die
“… Festsetzung von Richtlinien für Anlage des Kassenvermögens, Beschlußfassung über Gewährung von Leistungen der Kasse, Prüfung der Jahresabrechnung und Erteilung der Entlastung an die Kassenführerin.” (§ 7 Abs. 5 der Satzung)
Leistungen mußten unter Angabe des Grundes beantragt werden. Über den Antrag entschied der Vorstand jeweils im Einzelfall. Es gab keine allgemeinen Leistungsrichtlinien.
Nach dem Ausscheiden des Klägers, im Jahre 1976, wurde die Satzung der Unterstützungs- und Wohlfahrtskasse geändert. Ihr Zweck und die Leistungen wurden erweitert. Die am 26. Oktober 1976 in Kraft getretene Satzung bestimmt u.a.:
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Zweck und Leistungen
- Der Verein ist eine soziale Einrichtung der Firma W…. Sein unabänderlicher Zweck ist die Führung einer Unterstützungskasse, die freiwillige, einmalige, wiederholte oder laufende Unterstützungen an Betriebszugehörige und ehemalige Betriebszugehörige der Firma W… sowie an deren Angehörige bei Hilfsbedürftigkeit, Erwerbs- und Berufsunfähigkeit und im Alter gewährt. Dabei soll der Begriff “Angehörige” nur in besonderen Notfällen die Ehepartner und noch nicht berufsfähige Kinder betreffen und darüber hinaus nicht ausgelegt werden.
- …
§ 14
Leistungen
- Der Verein kann Alters-, Witwen- und Waisenrenten sowie Sterbegeld gewähren.
- …
- Der Verein kann einmalige oder wiederholte Unterstützungen in Fällen der Not, Arbeitslosigkeit und Erwerbsunfähigkeit gewähren.
- Der Vorstand stellt die Richtlinien auf, nach denen die Leistungen zu verteilen sind; dabei ist der Beirat zu hören.”
Die aufgrund dieser Satzung erlassenen Richtlinien sahen die laufenden Unterstützungen für Betriebsangehörige mit einer Betriebszugehörigkeit von mehr als 25 Jahren ab dem Zeitpunkt des Ruhestandes vor. Die Höhe der Leistung der laufenden Unterstützung sollte sich nach der Tätigkeit im Betrieb richten. Für Meister war eine Unterstützung von monatlich 200,-- DM vorgesehen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe nach Eintritt in den Ruhestand Anspruch auf eine laufende Unterstützung von monatlich 200,-- DM, da er dem Betrieb mehr als 25 Jahre angehört habe. Außerdem hat er behauptet, Mitarbeiter der Beklagten hätten ihm Leistungen der Unterstützungskasse mehrmals zugesagt, als er eine übertarifliche Bezahlung und eine besondere Vergütung für Mehrarbeit verlangt habe. Mindestens drei Arbeitnehmer hätten auch vor 1976 Leistungen von der Beklagten oder einem früheren Arbeitgeber erhalten. Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 1. Oktober 1991 bis 31. Oktober 1993 rückständige Rente in Höhe von 5.000,-- DM zu zahlen,
- an ihn ab dem 1. November 1993 eine monatliche Altersversorgung von 200,-- DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, erst nach dem Ausscheiden des Klägers seien aufgrund der neuen Satzung aus dem Jahre 1976 Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung für ihre Mitarbeiter begründet worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht dieses Urteil abgeändert; es hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Bei seinem Ausscheiden aus dem Betrieb seines früheren Arbeitgebers hatte der Kläger keine Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erworben. Deshalb konnte auch kein Anspruch auf Versorgungsleistungen entstehen.
1. Der Kläger konnte als Begünstigter der Unterstützungskasse keine Anwartschaft erwerben. Zwar sind die Begünstigten einer Unterstützungskasse denjenigen Arbeitnehmern gleichgestellt, denen der Arbeitgeber Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unmittelbar zusagt (§ 1 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG). So können Anwartschaften entstehen, obwohl der Arbeitnehmer auf die Leistungen einer Unterstützungskasse keinen Rechtsanspruch hat (§ 1 Abs. 4 Satz 1 BetrAVG). Die Entstehung von Anwartschaften setzt aber voraus, daß dem Arbeitnehmer und Begünstigten der Unterstützungskasse Leistungen der betrieblichen Altersversorgung versprochen werden (§ 1 Abs. 4 und § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG). Das war bis zum Ausscheiden des Klägers nicht der Fall.
Die Satzung der Unterstützungskasse, die bis zum Ausscheiden des Klägers im Jahre 1975 galt, sah keine Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vor. Welche Leistungen solche der betrieblichen Altersversorgung sind, ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG. Dem Arbeitnehmer und dem Begünstigten einer Unterstützungskasse müssen Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlaß eines Arbeitsverhältnisses zugesagt werden. Merkmale der betrieblichen Altersversorgung sind deshalb der Versorgungszweck, ein den Versorgungsanspruch auslösendes biologisches Ereignis (Alter, Invalidität oder Tod) sowie die Zusage aus Anlaß eines Arbeitsverhältnisses (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. u.a. BAGE 65, 215 = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung; Urteil des Senats vom 10. August 1993 – 3 AZR 69/93 – AP Nr. 41 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen).
Die ursprüngliche Satzung der Unterstützungskasse sah nur einmalige oder laufende Beihilfen in außergewöhnlichen, unverschuldeten wirtschaftlichen Notlagen vor. Die Ansprüche wurden nicht durch biologische Ereignisse, wie das Erreichen eines Alters, die Invalidität oder den Tod des Arbeitnehmers ausgelöst. Die Leistungen dienten auch nicht der Versorgung. Leistungen, die im Notfall gewährt werden, werden auch von der Literatur nicht zu den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gerechnet (Blomeyer, BB 1980, 789, 791 f., unter III 1; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rz 62; Höhne in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, BetrAVG, Bd. I, 2. Aufl., § 1 Rz 27; Höfer/Reiners/Wüst, BetrAVG, Bd. I, 3. Aufl., Stand: Juni 1993, ART 69; MünchArbR – Ahrend/Förster, § 101 Rz 19). Auch der Senat ist in anderem Zusammenhang davon ausgegangen, daß Hilfeleistungen, die in Notfällen gewährt werden, keine Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sind (vgl. Urteil des Senats vom 5. Februar 1981 – 3 AZR 748/79 – AP Nr. 188 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu II 2 der Gründe).
2. Der Kläger hat auch bis zu seinem Ausscheiden keine Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung aufgrund einer besonderen Zusage seines Arbeitgebers erworben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG). Zwar kann der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zusagen, die über die Leistungen der von ihm eingerichteten Unterstützungskasse hinausgehen. Die Behauptungen des Klägers sind jedoch, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausführt, zu unbestimmt. Nach den Behauptungen des Klägers hat der Arbeitgeber Leistungen seiner Unterstützungskasse für den Ruhestand versprochen. Maßgebend sollten nach dieser Behauptung des Klägers die Leistungen der Unterstützungskasse sein. Darüber hinausgehende Leistungen hat der Arbeitgeber gerade nicht versprochen. Er hat nur auf die in der Satzung vorgegebenen Möglichkeiten verwiesen. Hätte der Kläger darüber hinausgehende Zusagen auf eine Altersversorgung über Leistungen der Kasse hinaus erhalten, hätte er die näheren Umstände angeben müssen, unter denen ihm eine solche Leistung zugesagt worden wäre. Die Zusage wäre außergewöhnlich gewesen. Es sind aus dem Vorbringen des Klägers keine Anhaltspunkte ersichtlich, weshalb ihm und nur ihm eine Altersrente zugesagt worden sein soll. Auch darauf hat das Landesarbeitsgericht zu Recht hingewiesen.
3. Die Anwartschaft ist auch nicht durch einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen Arbeitnehmern entstanden. Zwar kann sich eine Versorgungsverpflichtung aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung ergeben (§ 1 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG). Die vom Kläger zur Begründung eines Anspruchs auf Gleichbehandlung behaupteten Tatsachen reichen jedoch nicht aus, eine solche Versorgungsverpflichtung zu begründen. Der Kläger hatte nur behauptet, er wisse von drei Arbeitnehmern, die vor 1976 Zahlungen von der Beklagten oder vom Arbeitgeber unmittelbar erhalten hätten. Er hat aber nicht einmal behauptet, daß es sich hierbei um Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gehandelt habe. Deshalb ist nicht auszuschließen, daß es sich bei den Zahlungen um Beihilfen in Notfällen gehandelt hat, die nach der damals geltenden Satzung möglich waren.
4. Auf die erst nach seinem Ausscheiden in Kraft getretene Satzung kann sich der Kläger zur Begründung seines Anspruches auf Versorgungsleistungen nicht berufen. In dieser Satzung sind zwar erstmals Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vorgesehen. Zweck der Kasse war die Unterstützung der Betriebsangehörigen bei Erwerbs- und Berufsunfähigkeit und dem Alter (§ 2 Nr. 1 der Satzung). Deshalb konnte die Kasse nach § 14 Nr. 1 ihrer Satzung auch Alters-, Witwen- und Waisenrenten gewähren.
Zu den Begünstigten dieser Unterstützungskasse gehörten aber nur die Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens in einem Arbeitsverhältnis zum Trägerunternehmen standen. Die Versorgungszusage gilt nach § 1 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG in dem Zeitpunkt als erteilt, von dem an der Arbeitnehmer zum Kreis der Begünstigten der Unterstützungskasse gehört. Zum Kreis der Begünstigten einer Unterstützungskasse, die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vorsieht, gehörte der Kläger nach seinem Ausscheiden nicht mehr. Er war 1976 nicht mehr bei dem Trägerunternehmen tätig.
Das Landesarbeitsgericht hat weiter geprüft, ob die spätere Satzung und die auf ihr beruhenden Leistungsrichtlinien auch bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer begünstigen und in den Kreis der Anspruchsberechtigten einbeziehen wollten. Eine solche rückwirkende Begünstigung ist nicht von vornherein auszuschließen. Sie muß sich aber zweifelsfrei aus der Versorgungsregelung ergeben. Im Regelfall wird die Versorgung nur denjenigen zugesagt, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Versorgungsregelung auch Arbeitnehmer des Trägerunternehmens sind (vgl. BAGE 45, 178, 182 = AP Nr. 10 zu § 1 BetrAVG, zu II 1 der Gründe). Zwar werden in § 2 Nr. 1 Satz 2 der Satzung von 1976 auch ehemalige Betriebsangehörige als Begünstigte der Unterstützungskasse genannt. In dieser Vorschrift wird aber nur der Zweck der Unterstützungskasse bestimmt. Damit wird nur die Möglichkeit geschaffen, Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auch an frühere Arbeitnehmer, die ihre Anwartschaft während der Geltung der Satzung erworben haben, erbringen zu können. Die Bestimmung sagt nichts darüber, daß die bereits vor Inkrafttreten der Satzung ausgeschiedenen Arbeitnehmer noch rückwirkend begünstigt werden sollen. Dafür bestand aus der Sicht des Arbeitgebers kein Grund.
Gegen den Ausschluß der bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmer von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung aufgrund der Satzung von 1976 bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Regelung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer im Betrieb. Mit Leistungen der betrieblichen Altersversorgung will der Arbeitgeber in der Regel zukünftige Betriebstreue seiner Arbeitnehmer belohnen. Dieser Zweck der Zusage rechtfertigt die Unterscheidung.
Unterschriften
Heither, Kremhelmer, Bepler, Schmidt, Paul
Fundstellen
Haufe-Index 856755 |
BB 1995, 573 |
NZA 1995, 373 |
ZIP 1995, 409 |