Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung in Fakultativstufen beim Rundfunk
Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei den Bezügen nach den Fakultativstufen 6 und 7 der VergGr. I GTV DW handelt es sich um eine tarifliche Vergütung, auf die ein tariflicher Anspruch besteht.
2. Über die Zuerkennung der Vergütung nach den Fakultativstufen hat der Arbeitgeber nach billigem Ermessen gemäß § 315 Abs. 1 BGB zu entscheiden. Seine Ermessensausübung unterliegt gerichtlicher Kontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB. Insoweit kommt dem Revisionsgericht ein unbeschränktes Überprüfungsrecht zu.
3. Im Rahmen des billigen Ermessens (§ 315 Abs. 1 BGB) können auch die Haushaltslage einer Rundfunkanstalt, deren begrenzte Budgetfreiheit und der Grundsatz sparsamer Mittelbewirtschaftung mitberücksichtigt werden.
Leitsatz (redaktionell)
Beweislast bei der Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk; BGB §§ 315, 242
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 17.10.1985; Aktenzeichen 10 Sa 718/85) |
ArbG Köln (Urteil vom 21.05.1985; Aktenzeichen 4 Ca 720/85) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 17. Oktober 1985 – 10 Sa 718/85 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der gewerkschaftlich organisierte, 58 Jahre alte Kläger steht seit dem 1. Januar 1970 als Angestellter in den Diensten der beklagten Rundfunkanstalt. Zunächst war er als Leiter der Abteilung Politik im Deutschen Programm tätig. Seit dem 1. März 1980 ist er Leiter der Intendanz. Als solcher ist er für das Büro des Intendanten zuständig. Ihm obliegt die Koordinierung der Arbeit der dem Intendanten direkt unterstellten Abteilungen, die Kontaktpflege zu den sonstigen Abteilungen unter Einschluß der Personalabteilung und des Personalrats, die Vorbereitung der regelmäßigen Sitzungen des Intendanten mit den Fachdirektoren sowie die Durchführung der dort getroffenen Entscheidungen. Außerdem hat der Kläger die Verbindung der Beklagten zur Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands aufrechtzuerhalten, wobei er an deren Hauptversammlungen und Arbeitssitzungen teilzunehmen und ggf. den Intendanten zu vertreten hat.
Der Kläger erhält Vergütung nach VergGr. I Stufe 5 des Vergütungstarifvertrages für die Deutsche Welle vom 23. Dezember 1964 in der Fassung vom 10. Juni 1977 (GTV DW). Innerhalb dieser Vergütungsgruppe steigert sich die Vergütung nach jeweils zwei Jahren von den Stufen 1 bis 5, während die nachfolgenden Stufen 6 und 7 nur nach Einzelentscheidung der Beklagten zugesprochen werden können. Hierzu hat der Verwaltungsrat der Beklagten die nachfolgenden Kriterien aufgestellt:
1. Aufstieg in die erste Fakultativstufe (Gruppe I/6)
- Nach einer Zugehörigkeit von mindestens 2 Jahren zur Vergütungsgruppe I/5
- Funktion als Abteilungsleiter besonders hervorgehobener Abteilungen (auch Programmredaktion) und besondere persönliche Qualifikationen mit der Eignung, auch an anderer Stelle des Hauses gleichermaßen erfolgreich und verantwortungsvoll zu fungieren.
2. Aufstieg in die zweite Fakultativstufe (Gruppe I/7)
- Nach einer Zugehörigkeit von mindestens 3 Jahren zur Vergütungsgruppe I/6
- Funktion als Abteilungsleiter besonders hervorgehobener Abteilungen (auch Programmredaktion) verbunden mit Aufgaben von besonders hohem Schwierigkeitsgrad und überdurchschnittlicher Verantwortung, sei es bei der Vertretung eines Direktors, als Vorgesetzter eines größeren funktionsmäßig differenzierten und verhältnismäßig hoch eingruppierten Mitarbeiterstabes oder Chef eines Außenbüros, sei es in Bonn oder Berlin.
Mit seiner am 1. Februar 1984 erhobenen Klage hat der Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 1983 bis 28. Februar 1985 die Beklagte auf Zahlung des Differenzbetrages zwischen den Stufen 5 und 6 der VergGr. I GTV DW in Anspruch genommen. Außerdem hat er für die Folgezeit die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, an ihn Vergütung nach Stufe 7 der VergGr. I GTV DW zu zahlen. Dazu hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte sei schon nach den vorstehenden, von ihr selbst aufgestellten Auswahlkriterien zur Erfüllung des Klagebegehrens verpflichtet. Als Leiter einer besonders hervorgehobenen Abteilung erfülle er das diesbezügliche Erfordernis. Über die entsprechende persönliche Qualifikation verfüge er aufgrund seiner Vorbildung, als Autor zeitgeschichtlicher Bücher sowie seiner früheren Tätigkeit bei der Beklagten als Leiter der Abteilung Politik. Er nehme aber auch Aufgaben wahr, die nach ihrer Schwierigkeit und nach der bei ihrer Ausführung geforderten Verantwortung die Erfordernisse der Stufe 7 erfüllten. Das habe ihm sogar der Intendant ausdrücklich mit Schreiben vom 3. September 1984 bestätigt. Faktisch sei er als Leiter der Intendanz Abwesenheitsvertreter des Intendanten für den Direktionsbereich Intendanz mit 115 unterstellten Mitarbeitern. Er genehmige Inlandsdienstreisen und entscheide über die Urlaubsanträge der dem Intendanten direkt unterstellten Abteilungsleiter, die teilweise die von ihm mit der Klage begehrte Vergütung der Endstufe der VergGr. I GTV DW bereits erhielten. Bei Stellenausschreibungen würden deren Texte mit ihm abgestimmt. Bei Differenzen unter Mitarbeitern im Direktionsbereich sei er Anlauf- und Schlichtungsstelle. Besondere Bedeutung komme seinen Kontakten zum Personalrat und zur Personalabteilung zu. Durch seine Teilnahme an den Arbeitssitzungen und Hauptversammlungen der ARD wirke er maßgeblich in der Rundfunkpolitik mit. Das Verhalten der Beklagten ihm gegenüber stelle sich als unvereinbar mit den Grundsätzen billigen Ermessens dar. Es sei tarifwidrig, wenn die Beklagte unter Berufung auf die angespannte Haushaltslage Spitzenkräfte wie ihn von einer tariflichen Gehaltsregelung ausschließe. Unmaßgeblich sei auch, daß ihm persönlich nur wenige Mitarbeiter unterstellt seien. Insoweit verstoße die Beklagte auch gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Obwohl auch diesen jeweils nur wenige Mitarbeiter unterstünden, erhielten nämlich der Leiter des Südosteuropaprogramms, der Leiter der Abteilung Transkription sowie die Leiter der Studios in Bonn und Berlin die von ihm eingeklagte Vergütung. Demgemäß hat der Kläger beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 15.542,99 DM nebst 4 v.H. Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab 1. März 1985 Vergütung nach der Stufe 7 (Endstufe) der VergGr. I GTV DW zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, für das Klagebegehren gebe es keine Rechtsgrundlage. Der Kläger werde tarifgerecht vergütet. Die Entscheidung über die Bewilligung der Fakultativstufen sei in ihr freies Ermessen gestellt. § 315 BGB komme nicht zur Anwendung, weil vorliegend die Leistung nicht nach billigem Ermessen zu bestimmen sei. Außerdem würden vom Kläger die Erfordernisse für die Stufen 6 und 7 der VergGr. I GTV DW nicht erfüllt. Er übe keine leitende Tätigkeit aus. Seine Vorgesetzteneigenschaft erstrecke sich lediglich auf die drei Mitarbeiter des Intendantenbüros. Einen förmlich selbständigen Direktionsbereich „Intendant” gebe es entgegen dem Vortrag des Klägers überhaupt nicht. Der Kläger sei auch nicht Abwesenheitsvertreter des Intendanten, sondern übe im weitesten Sinne des Wortes eine Assistentenfunktion aus, wie sie etwa Büroleiter bei Vorstandsvorsitzenden von Konzernen oder Verbänden innehätten. Selbst wenn man aber einen rechtlichen Zwang zur Bestimmung nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB annähme, sei die Klage nicht begründet. Die allgemeine Haushaltslage zwinge sie seit Jahren auch bei den Personalkosten zu erheblichen Einsparungen. Die Stellenpläne seien Restriktionen unterworfen. Zudem gelte es als Ziel der Tarifpolitik, auch bei linearen Erhöhungen der Bezüge zunächst die Gehltsempfänger niedriger Vergütungsgruppen aus sozialen Erwägungen zu bevorzugen. Auch Beschlüsse ihres Verwaltungsrates zwängen sie zu Einsparungen. Demgemäß sei seit Jahren keine Fakultativstufe mehr bewilligt worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
In der Revisionsinstanz hat der Kläger seine Zinsforderung auf die den Bruttodifferenzbeträgen entsprechenden Nettobeträge beschränkt. Mit dieser Einschränkung verfolgt er mit der Revision sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Mit revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Begründung hat das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht entschieden, daß der Kläger keinen Anspruch auf Vergütung nach den Stufen 6 und 7 der VergGr. I GTV DW hat.
Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tarifbindung des Klägers gelten zwischen den Parteien unmittelbar und zwingend gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG der Manteltarifvertrag für die Deutsche Welle vom 6. Dezember 1979 in der Fassung vom 26. Juni 1980 (MTV DW) sowie der Vergütungstarifvertrag für die Deutsche Welle vom 23. Dezember 1964 in der Fassung vom 10. Juni 1977 (GTV DW).
Auszugehen ist von Pos. 512.1 MTV DW, worin bestimmt wird:
Die Grundvergütung richtet sich nach dem Vergütungstarif. Für die Eingruppierung nach dem Vergütungstarif ist die überwiegend ausgeübte Tätigkeit, mindestens aber die im Arbeitsvertrag festgelegte Tätigkeit maßgebend.
Weiter ist zu berücksichtigen Pos. 514.11 MTV DW, worin es ergänzend heißt:
Innerhalb der Vergütungsgruppe, in die der Arbeitnehmer eingruppiert ist, wird die Grundvergütung bis zur Endstufe alle zwei Jahre (Turnus) um die aus dem Vergütungstarif ersichtlichen Steigerungsbeträge erhöht. Bei der Festsetzung des turnusmäßigen Steigerungstermins ist jeweils von dem 1. des Monats auszugehen, in dem die Einstellung oder Höhergruppierung wirksam wird.
Nach VergGr. I GTV DW sind zu vergüten
Abteilungsleiter besonders hervorgehobener Abteilungen (auch Leiter von Zonenredaktionen) Leitender RedakteurOberingenieur
Die Gehaltstabelle selbst sieht innerhalb der VergGr. I GTV DW sieben Stufen vor, wobei für die Stufen 6 und 7, nach denen der Kläger vergütet zu werden begehrt, der mit dem Zeichen*) versehene Zusatz gilt:
Diese Stufen können nur durch Einzelentscheidung der DW zugebilligt werden.
Dagegen sind die Vergütungsbeträge in der Gehaltstabelle auch für die Stufen 6 und 7 der VergGr. I GTV DW wie für die anderen niedrigeren Stufen mitenthalten.
Auch die Vergütung nach den Stufen 6 und 7 der VergGr. I GTV DW ist, wie der Senat bereits in seinem ebenfalls die Beklagte betreffenden Urteil vom 1. Oktober 1986 – 4 AZR 483/85 – (unveröffentlicht) ausgeführt hat, eine tarifliche Vergütung. Das ergibt sich bereits aus der Verweisung auf den GTV DW in den Positionen 512.1 und 514.11 MTV DW, aber auch aus der ausdrücklichen Erwähnung der Stufen 6 und 7 der VergGr. I GTV DW im tariflichen Gehaltsschema und der darin von den Tarifvertragsparteien vorgenommenen Bestimmung der Höhe der Gehaltssätze auch für diese Stufen. Diese Rechtsfolge ergibt sich damit eindeutig aus dem Tarifwortlaut und dem gleichermaßen berücksichtigungspflichtigen tariflichen Gesamtzusammenhang (vgl. BAG 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Der gezogenen Rechtsfolgerung steht nicht entgegen, daß Vergütung nach den Stufen 6 und 7 der VergGr. I GTV DW den Angestellten nach ausdrücklicher tariflicher Bestimmung „nur durch Einzelentscheidung der DW” zugebilligt werden kann. Es ist nämlich rechtlich unbedenklich möglich, daß in tariflichen Bestimmungen dem Arbeitgeber das Recht eingeräumt werden kann, einseitig die Höhe von Vergütungen oder Vergütungsbestandteilen zu bestimmen (vgl. die Urteile des Senats vom 25. Januar 1978 – 4 AZR 509/76 – AP Nr. 10 zu § 611 BGB Croupier, 28. September 1977 – 4 AZR 743/76 – AP Nr. 4 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk und 23. Mai 1973 – 4 AZR 484/72 – AP Nr. 1 zu § 39 TV Ang Bundespost).
Aus dem Tarifwortlaut, dem tariflichen Gesamtzusammenhang sowie der Tarifgeschichte leitet das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Beklagten her, die Zubilligung der Fakultativstufen an Angestellte der Beklagten liege in deren freiem Ermessen und demgemäß bestehe ein Zwang zur Bestimmung nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB nicht. Das ergebe sich daraus, daß die Stufe 5 der VergGr. I GTV DW nach dem Willen der Tarifvertragsparteien die letzterreichbare allgemeine Endstufe sei, während der Aufstieg in die höheren Stufen 6 und 7 von den Tarifvertragsparteien nicht mehr normiert werde. Eine „Einzelentscheidung” des Arbeitgebers, von der die Tarifvertragsparteien in den Stufen 6 und 7 sprächen, könne schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nur eine von irgendwelchen Beschränkungen freie Entscheidung des Arbeitgebers sein. Eine derartige tarifliche Regelung sei auch unbedenklich möglich.
Dieser übereinstimmenden Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten vermag der Senat nicht zu folgen. Vielmehr hat die Beklagte, wie der Senat bereits in dem Urteil vom 1. Oktober 1986 – 4 AZR 483/85 – (unveröffentlicht) näher ausgeführt hat, die Entscheidung über die Zuerkennung der Vergütung nach den Stufen 6 und 7 der VergGr. I GTV DW nach billigem Ermessen gemäß § 315 Abs. 1 BGB zu treffen. Dabei teilt der Senat insoweit die Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts, als auch er eine tarifliche Regelung für rechtlich möglich hält, die der Beklagten das Recht einräumt, im Rahmen freien Ermessens Angestellten Vergütung in bestimmter Höhe zu gewähren. Eine solche tarifliche Regelung würde sich jedoch schon deswegen weitgehend als überflüssig und zweckwidrig erweisen, weil es der Beklagten wie jedem Arbeitgeber ohnehin freisteht, über die tariflichen Mindestbedingungen hinaus Vergütung oder Vergütungsbestandteile gleich welcher Art zu gewähren. Abgesehen von diesen praktischen Erwägungen, auf die bei der Tarifauslegung auch abzustellen ist (vgl. die Urteile des Senats vom 19. März 1986 – 4 AZR 642/84 – und 13. November 1985 – 4 AZR 269/84 –, beide zur Veröffentlichung vorgesehen, mit weiteren Nachweisen auf die ständige Rechtsprechung des Senats) wäre eine derartige Tarifnorm auch ungewöhnlich und hätte schon deswegen einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung bedurft. Das gilt erst recht deswegen, weil vorliegend die Beklagte zugleich Arbeitgeber und Tarifvertragspartei ist. Handelt es sich aber aus den vorstehenden Rechtsgründen auch bei den Bezügen nach den Stufen 6 und 7 der VergGr. I GTV DW um eine tarifliche Vergütung und fehlt es an einer tariflichen Regelung, die die Gewährung dieser tariflichen Vergütung in das freie Ermessen der Beklagten als Arbeitgeber stellt, dann muß gemäß § 315 Abs. 1 BGB die Entscheidung über die Zuerkennung der Vergütung nach den Stufen 6 und 7 der VergGr. I GTV DW jeweils nach billigem Ermessen getroffen werden.
Hat aber der Arbeitgeber seine diesbezügliche Entscheidung nach billigem Ermessen im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB zu treffen, so gestattet ihm das Gesetz keineswegs nur eine einzigmögliche Regelung. Vielmehr wird dem Arbeitgeber nach § 315 Abs. 1 BGB ein bis an die Grenze der Billigkeit heranreichender Ermessens- und Gestaltungsspielraum eröffnet, so daß die einseitige Leistungsbestimmung des Arbeitgebers dann der Billigkeit entspricht, wenn sie alle wesentlichen Umstände und die Interessen beider Parteien angemessen berücksichtigt (vgl. das Urteils des Senats vom 28. September 1977 – 4 AZR 743/76 – AP Nr. 4 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk im Anschluß an BAG 11, 318, 325 = AP Nr. 84 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; BGHZ 28, 149, 152 mit weiteren Nachweisen).
Die Ermessensausübung durch den Arbeitgeber unterliegt gerichtlicher Kontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB. Dabei kommt dem Senat als Revisionsgericht hinsichtlich der Anwendung des § 315 BGB durch die Instanzgerichte ein unbeschränktes Überprüfungsrecht zu (vgl. die Urteile des Senats vom 28. September 1977 – 4 AZR 743/76 – AP Nr. 4 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk, 25. Januar 1978 – 4 AZR 509/76 – AP Nr. 10 zu § 611 BGB Croupier und 26. Oktober 1977 – 4 AZR 336/76 – AP Nr. 4 zu § 33 BAT). Das ist schon deswegen geboten, weil sich das einseitige Bestimmungsrecht des Arbeitgebers in Fragen der tariflichen Vergütung der Arbeitnehmer praktisch ähnlich auswirkt wie typische Arbeitsverträge und allgemeine Geschäftsbedingungen, deren volle Überprüfung durch das Revisionsgericht, obwohl sie nicht Rechtsnormen sind, allgemein anerkannt ist. Diese Beurteilung des Senats entspricht, worauf die Revision mit Recht verweist, auch der anderer Senate des Bundesarbeitsgerichts (vgl. das Urteil des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Juni 1985 – 5 AZR 57/84 – AP Nr. 11 zu § 4 BAT) und des Bundesgerichtshofes (vgl. dessen Urteil I ZR 133/59 vom 21. März 1961, NJW 1961, 1251, auch Staudinger/Mayer-Maly, BGB, 12. Aufl., § 315 Rz 79).
Obwohl das Landesarbeitsgericht der Beklagten das Recht zuerkennt, im Rahmen freien Ermessens darüber zu entscheiden, ob Arbeitnehmer Vergütung nach den Stufen 6 und 7 der VergGr. I GTV DW erhalten oder nicht, bedarf es nicht der Zurückverweisung der Sache. Das Landesarbeitsgericht hat nämlich vorliegend eine Doppelbegründung gegeben und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise erkannt, daß die Beklagte die Grundsätze billigen Ermessens (§ 315 BGB) gegenüber dem Kläger nicht verletzt hat.
Dabei unterstellt das Landesarbeitsgericht zugunsten des Klägers, daß bei ihm entgegen dem Vortrag der Beklagten die allgemeinen Voraussetzungen der VergGr. I GTV DW erfüllt sind. Ob das zutrifft, ist indessen bereits zweifelhaft. Das Arbeitsgericht hat nämlich mit näherer Begründung beim Kläger das Vorliegen dieser allgemeinen Voraussetzungen verneint, wobei das Landesarbeitsgericht an anderer Stelle seiner Entscheidungsgründe zu verstehen gibt, daß es sich bei diesen Rechtsausführungen des Arbeitsgerichts um beachtliche Gesichtspunkte handele. Im übrigen geht das Landesarbeitsgericht unter Hinweis auch auf die entsprechende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vom zutreffenden Rechtsbegriff des billigen Ermessens nach § 315 BGB aus, wovon es auch bei seiner Subsumtion nicht abweicht. Insbesondere sind die Interessen beider Parteien angemessen berücksichtigt und abgewogen worden, wobei dem Landesarbeitsgericht als Tatsachengericht hinsichtlich der Einzelheiten auch ein Beurteilungsspielraum zukommt (vgl. auch dazu das unveröffentlichte Urteil des Senats vom 1. Oktober 1986 – 4 AZR 483/85 –).
Zutreffend und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, zwar habe die Beklagte die im Tatbestand dargestellten abstrakten Kriterien für die Zuerkennung der Stufen 6 und 7 der VergGr. I GTV DW eingeführt, diese enthielten aber keine Regelungen über einen bei der Zuerkennung jeweils einzuhaltenden zeitlichen Abstand. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist auch der Hinweis des Landesarbeitsgerichts darauf, dem Kläger sei der Zugang zu diesen Stufen selbst nach dem Vortrag der Beklagten und der Aussage ihres Intendanten bei dessen Vernehmung als Partei keineswegs endgültig und schlechthin versagt worden. Entgegen der Meinung der Revision ist es weiterhin rechtsfehlerfrei, wenn das Landesarbeitsgericht im Rahmen seiner Überprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB die Haushaltslage der Beklagten, ihre beschränkte Budgetfreiheit, das Gebot sparsamer Mittelbewirtschaftung, die entsprechenden Beanstandungen des Bundesrechnungshofes, den Gesichtspunkt des Vorzuges niedriger vergüteter Arbeitnehmer aus sozialen Erwägungen sowie die entsprechenden Beschlüsse des Verwaltungsrates mitberücksichtigt hat. Es ist auch zutreffend, wenn das Landesarbeitsgericht näher ausführt, im Hinblick auf § 315 Abs. 1 BGB habe keine Rechtspflicht der Beklagten bestanden, anstelle des Leiters des Südosteuropaprogramms bzw. des Leiters der Abteilung Transkription dem Kläger Vergütung nach den Stufen 6 und 7 der VergGr. I GTV DW zuzuerkennen. Auch die rechtlichen Voraussetzungen, auf denen diese Erwägungen des Landesarbeitsgerichts beruhen, sind frei von Rechtsfehlern. Zwar weist das Landesarbeitsgericht unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 30. Juni 1969 – VII ZR 170/67 – (AP Nr. 11 zu § 315 BGB sowie LM Nr. 9 zu § 315 BGB) mit Recht darauf hin, daß grundsätzlich diejenige Partei, die die Leistung bestimmt hat, darzulegen und zu beweisen hat, daß ihre Bestimmung gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB der Billigkeit entspricht. Dennoch wäre es vorliegend, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend näher darlegt, zunächst Sache des Klägers gewesen, Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, die den rechtlichen Schluß gerechtfertigt hätten, daß er den Leitern anderer Abteilungen hätte vorgezogen werden müssen. An derartigem Vortrag des Klägers fehlt es indessen. Erst wenn entsprechender Vortrag vorliegt, ist Raum für die Anwendung der vom Bundesgerichtshof dargelegten zutreffenden Grundsätze zur Beweislast.
Auch die weiteren von der Revision erhobenen Einwendungen, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erläutert und vertieft hat, greifen nicht durch. Soweit die Revision noch näher auf die allgemeinen Merkmale der VergGr. I GTV DW eingeht, wird von ihr übersehen, daß das Landesarbeitsgericht deren Erfüllung zugunsten des Klägers unterstellt hat. Entgegen den weiteren Ausführungen der Revision kann der Kläger aus dem Schreiben des Intendanten der Beklagten an ihn vom 3. September 1984, das Bestandteil der Vorakten ist (Bl. 40), keine Rechte herleiten. Die darin vertretene Rechtsauffassung ist unmaßgeblich, während dem Inhalt des Schreibens jeglicher Anerkenntnischarakter fehlt. Soweit die Revision näher auf die Tarifgeschichte eingeht, wird vom Kläger übersehen, daß es darauf schon deswegen nicht ankommt, weil bereits Tarifwortlaut und tariflicher Gesamtzusammenhang zu einer eindeutigen Auslegung führen (vgl. das Urteil des Senats vom 23. Oktober 1985 – 4 AZR 119/84 – AP Nr. 33 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie mit weiteren Nachweisen). Demgemäß hat auch das Landesarbeitsgericht vorliegend die Tarifgeschichte nur zur Stützung und Bestätigung seiner aufgrund des Tarifwortlautes und des tariflichen Gesamtzusammenhanges gewonnenen Tarifauslegung herangezogen. Anhaltspunkte dafür, daß das Landesarbeitsgericht den Begriff der Billigkeit des § 315 Abs. 3 BGB verkannt hätte, sind nicht ersichtlich. Auf anderweitige Einsatzmöglichkeiten des Klägers auf der einen und sonstiger Angestellter auf der anderen Seite hat das Landesarbeitsgericht entgegen den weiteren Ausführungen der Revision nicht abgestellt und auch nicht abzustellen brauchen.
Auch die prozessualen Rügen der Revision führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Die auf § 286 ZPO gestützten prozessualen Rügen des Klägers greifen schon deswegen nicht durch, weil der Sachverhalt unstreitig und deswegen für die Anwendung dieser Verfahrensvorschrift kein Raum ist (vgl. BAG 46, 292, 307 = AP Nr. 93 zu §§ 22, 23 BAT 1975 sowie das Urteil des Senats vom 23. April 1986 – 4 AZR 128/85 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, mit weiteren Nachweisen). Die entsprechenden „Beweisangebote” des Klägers betrafen zudem ausschließlich Rechtsfragen.
Ergänzend beruft sich der Kläger auch noch auf eine Verletzung des dem Arbeitsvertragsrecht angehörenden arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Aber auch im Hinblick darauf ist die Klage nicht begründet. Ein rechtserheblicher Verstoß gegen diesen Grundsatz liegt nur dann vor, wenn von einem Arbeitgeber gleichliegende Fälle aus unsachlichen oder sachfremden Gründen ungleich behandelt werden und deswegen eine willkürliche Ungleichbehandlung vorliegt (vgl. BAG 38, 221, 227 = AP Nr. 64 zu §§ 22, 23 BAT 1975 sowie das weitere Urteil des Senats vom 18. September 1985 – 4 AZR 75/84 – AP Nr. 20 zu § 23 a BAT, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, mit weiteren Nachweisen auf die ständige Senatsrechtsprechung). Diese Voraussetzungen sind vorliegend schon deswegen nicht erfüllt, weil die Tätigkeit des Klägers mit denen der von ihm zum Vergleiche herangezogenen sonstigen Angestellten mit Leitungsfunktion (Leiter der Abteilung Osteuropa, Studio Bonn, Studio Berlin, Rechtsabteilung, Betriebsverwaltung und Transkription) überhaupt nicht verglichen werden kann, sondern ganz anderer Art ist.
Die Kosten seiner erfolglosen Revision trägt der Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Neumann, Dr. Etzel, Dr. Feller, Polcyn, Dr. Koffka
Fundstellen