Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Rente auf tarifliches Übergangsgeld
Leitsatz (redaktionell)
Eine Tarifnorm muß nicht schon deshalb nichtig sein, weil sie infolge einer entgegenstehenden gesetzlichen Regelung nicht in vollem Umfang anwendbar ist. § 62 Abs 4 Unterabs 2 BAT war unter der Geltung des § 42 SchwbG aF, der die Anrechnung einer auf einem Schwerbehindertenleiden beruhenden Sozialrente ausschloß, insoweit eine nicht anwendbare rechtswirksame Tarifnorm, die nunmehr nach dem Wegfall des Anrechnungsverbotes durch die Neufassung des § 42 SchwbG uneingeschränkte Anwendung findet (Abweichung vom Urteil des BAG vom 21. August 1984 - 3 AZR 565/83 - BAGE 46, 245 = AP Nr 13 zu § 42 SchwbG = EzA § 42 SchwbG Nr 14).
Normenkette
BAT § 62 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b, Abs. 4 Unterabs. 2; SchwbG § 42 Fassung 1979-10-08, § 45 Abs. 1 Fassung 1986-08-26
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 26.06.1984; Aktenzeichen 8 Sa 381/84) |
ArbG Wesel (Entscheidung vom 25.01.1984; Aktenzeichen 3 Ca 1188/83) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ein Übergangsgeld gemäß §§ 62 ff. BAT zu zahlen.
Der am 22. Juni 1924 geborene, schwerbehinderte Kläger war bei der Beklagten seit dem 16. September 1968 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Bundes-Angestelltentarifvertrag und die ihn ändernden und ergänzenden Tarifverträge Anwendung. Das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des 31. März 1982, nachdem die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte durch Bescheid vom 3. März 1982 den Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit anerkannt, und den Beginn des Rentenbezuges auf den 1. Oktober 1981 festgelegt hatte. Die Rente beruht auf einem Schwerbehindertenleiden.
Am 8. März 1982 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Zahlung des Übergangsgeldes gemäß §§ 62 ff. BAT. Mit Schreiben vom 11. März 1982 lehnte die Beklagte dies ab, weil zwischen dem Rentenbeginn und dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mehr als zwei Monate vergangen seien. Hiergegen richtete sich der vom Kläger mit Schreiben vom 28. Mai 1982 eingelegte "Widerspruch", auf den die Beklagte mit Schreiben vom 11. Juni 1982 unter Hinweis auf § 62 Abs. 4 Unterabs. 2 BAT erwiderte und dem Kläger eine gerichtliche Geltendmachung anheimstellte.
Der Kläger meint, auch für Arbeitsverhältnisse mit Schwerbehinderten, die nach dem 1. Januar 1982 beendet worden sind, scheide die Anrechnung von Rentenleistungen auf das tarifliche Übergangsgeld aus.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
9.392,32 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem
27. Juni 1983 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, nach der Neufassung des § 42 SchwbG mit Wirkung zum 1. Januar 1982 stehe dem Kläger ein Anspruch auf Übergangsgeld gemäß § 62 Abs. 4 Unterabs. 2 BAT nicht zu. Die dort genannten zeitlichen Voraussetzungen für die Nichtgewährung des Übergangsgeldes seien erfüllt. Der Gesetzgeber habe im übrigen mit der Neufassung des § 42 SchwbG das Anrechnungsverbot beseitigt.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Übergangsgeld gemäß § 62 Abs. 4 Unterabs. 2 BAT nicht zu, weil er ab 1. Oktober 1981 eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehe und am 31. März 1982 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei. Die Vorschrift des § 62 Abs. 4 Unterabs. 2 BAT komme im vorliegenden Fall zur Anwendung, weil § 42 SchwbG nach der Neufassung dieser tariflichen Bestimmung nicht mehr entgegenstehe. Zwar handele es sich beim Übergangsgeld gemäß §§ 62 ff. BAT um Arbeitsentgelt i.S. von § 42 SchwbG, doch rühre es nicht aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis. Die Verschlechterung der Rechtslage für Schwerbehinderte durch die Neufassung von § 42 SchwbG sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
II. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend einen Anspruch des Klägers auf Übergangsgeld verneint. Gemäß § 62 Abs. 4 Unterabs. 2 BAT steht ein Übergangsgeld nämlich nicht zu für den Zeitraum von Beginn des dritten Monats seit dem Beginn einer Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn das Arbeitsverhältnis vor Beginn der Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit begründet worden ist. Das am 16. September 1968 begründete Arbeitsverhältnis endete am 31. März 1982. Da die Erwerbsunfähigkeitsrente schon ab 1. Oktober 1981 gezahlt wurde, stand dem Kläger kein Übergangsgeld mehr zu.
III. Zu Unrecht meint die Revision, die Vorschrift des § 62 Abs. 4 Unterabs. 2 BAT finde im vorliegenden Fall keine Anwendung und stehe dem Anspruch des Klägers auf Übergangsgeld gemäß §§ 62 ff. BAT nicht entgegen.
1. Nach § 42 SchwbG a.F. vom 29. April 1974 (BGBl. I S. 1006) i.d.F. vom 8. Oktober 1979 (BGBl. I S. 1649) durften bei der Bemessung des Arbeitsentgelts und der Dienstbezüge Renten und vergleichbare Leistungen, die wegen einer Behinderung bezogen wurden, nicht berücksichtigt werden. Daraus hat das Bundesarbeitsgericht (BAG Urteil vom 9. Dezember 1981 - 4 AZR 592/79 - BAGE 37, 245 = AP Nr. 2 zu § 42 SchwbG; BAG Urteil vom 13. Juli 1982 - 3 AZR 576/80 - AP Nr. 3 zu § 42 SchwbG; BAG Urteil vom 28. März 1984 - 5 AZR 249/82 - BAGE 45, 270 = AP Nr. 11 zu § 42 SchwbG) geschlossen, daß beim Übergangsgeld gemäß §§ 62 ff. BAT eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente nicht angerechnet werden darf, wenn die Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit auf einem Schwerbehindertenleiden beruht. Die Vorschrift des § 62 Abs. 4 BAT, nach der das Übergangsgeld aus Gründen versagt werden kann, die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintreten, sei daher unwirksam (vgl. BAG Urteil vom 13. Juli 1982, aa0).
2. Nach § 42 SchwbG i.d.F. des Art. 6 des Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1523) dürfen ab dem 1. Januar 1982 bei der Bemessung des Arbeitsentgelts und der Dienstbezüge aus einen bestehenden Beschäftigungsverhältnis Renten und vergleichbare Leistungen, die wegen der Behinderung bezogen werden, nicht berücksichtigt werden. Daraus hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hergeleitet (Urteile vom 16. November 1982 - 3 AZR 177/82 - BAGE 40, 355 = AP Nr. 8 zu § 42 SchwbG und vom 21. August 1984 - 3 AZR 565/83 - BAGE 46, 245 = AP Nr. 13 zu § 42 SchwbG), daß auch Schwerbehinderte die Anrechnung der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente, die auf einem Behindertenleiden beruht, auf das Übergangsgeld nach §§ 62 ff. BAT hinnehmen müssen, soweit das Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 1981 endet. Da mit der Novellierung von § 42 SchwbG die Kollision zwischen Gesetzesnorm und Tarifnorm wegfalle, lebe die Tarifnorm in ihrer ursprünglichen Bedeutung wieder auf, da anzunehmen sei, daß die Tarifvertragsparteien ihre Weitergeltung auch für den Fall zeitweiliger Unwirksamkeit gewollt hätten. Das folge aus §§ 309, 308 Abs. 1 BGB, die auf Tarifverträge entsprechend anwendbar seien (BAGE 46, 245 = AP Nr. 13 zu § 42 SchwbG).
3. Der nunmehr zuständige erkennende Senat schließt sich zwar nicht in der Begründung, wohl aber im Ergebnis der Auffassung des Dritten Senates an.
a) Der Dritte Senat hat in seiner Entscheidung vom 21. August 1984 (aa0) das Inkraftsetzen der tariflichen Regelungen über das Übergangsgeld (§§ 62 ff. BAT) in den Fällen der auf einer Schwerbehinderteneigenschaft beruhenden Rente nach Neufassung des § 42 SchwbG ab 1. Januar 1982 aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 309, 308 Abs. 1 BGB hergeleitet. Dem kann nicht gefolgt werden.
Die Voraussetzungen der §§ 309, 308 Abs. 1 BGB, mit denen sich der Dritte Senat nicht näher befaßt hat, verbieten im vorliegenden Fall jedenfalls eine entsprechende Anwendung. Die Kenntnis von einem Gesetzesverstoß zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und das Bewußtsein der Behebbarkeit sind unabdingbare Voraussetzungen im Anwendungsbereich der §§ 308, 309 BGB (ebenso Kuchinke, Anm. SAE 1986, S. 68, 69). Ferner ist unabdingbar, daß die Parteien das Verbot respektieren und die Regelung erst nach Wegfall des Verbotes mit Rechtsgeltung ausstatten wollten. Der entsprechende Vertrag muß also von vornherein nur für den Fall einer die erkannte Normenkollision beseitigende Gesetzesänderung abgeschlossen sein (vgl. Staudinger/Löwisch, BGB, 12. Aufl., § 308 Rz 5, 7; Soergel/Schmidt, BGB, 10. Aufl., § 309 Rz 2; BGB-RGRK-Ballhaus, 12. Aufl., § 308 Rz 2, § 309 Rz 3; MünchKomm-Söllner, BGB, 2. Aufl., § 308 Rz 3, § 309 Rz 1, 4; Palandt/Heinrichs, BGB, 45. Aufl., § 309 Anm. 2 b; ähnlich Erman/Battes, BGB, 7. Aufl., § 308 Rz 1, § 309 Rz 2; Jauernig/Vollkommer, BGB, 3. Aufl., § 309 Anm. 1 b). Ansonsten wird ein gegen ein gesetzliches Verbot verstoßender Vertrag nicht schon dadurch wirksam, daß das Verbot nachträglich entfällt (vgl. Staudinger/Löwisch, aa0, § 308 Rz 3; Soergel/Schmidt, aa0, § 308 Rz 1; vgl. dazu auch BVerfGE 29, 11, 17; 31, 141, 145). In Anbetracht dessen fehlen wesentliche Voraussetzungen, um das automatische Wiederaufleben der durch entgegenstehendes höherrangiges Recht zunächst verdrängten Tarifnorm annehmen zu können, wenn sich nicht ein entsprechender Wille der Tarifvertragsparteien ermitteln läßt. Der Rückgriff auf den im Vertragsrecht wurzelnden Rechtsgedanken, daß der Parteiwille die Folgen gesetzlicher Verbote oder behebbaren Unvermögens einzuschränken vermag, zwingt dazu, die Grenzen des Vertragsrechts zu achten (vgl. Kuchinke, aa0). Soweit nämlich der Parteiwille als Voraussetzung des Bestandes einer Vertragsnorm Anerkennung verdient, kommt ihm unverzichtbare Bedeutung für ihre Geltung zu. Demnach ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Vorschrift des § 62 Abs. 4 Unterabs. 2 BAT einen entsprechenden Willen der Tarifvertragsparteien erkennen läßt. Dabei bietet in erster Linie der Wortlaut eine Orientierung, aber auch der wirkliche Wille ist zu erforschen und zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen hinreichend deutlich seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. BAG Urteil vom 22. Januar 1960 - 1 AZR 449/57 - AP Nr. 96 zu § 1 TVG Auslegung; BAG Urteil vom 12. September 1984 - 4 AZR 536/82 - BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung, mit weiteren Nachweisen).
Aus dem mit dem 45. Änderungstarifvertrag zum BAT vom 31. Oktober 1979 neu eingeführten § 62 Abs. 4 Unterabs. 2 BAT kann jedoch nicht der Wille der Tarifvertragsparteien entnommen werden, das Berücksichtigungsverbot des § 42 SchwbG a.F. zu respektieren und die Regelung nur für den Fall einer Gesetzesänderung in Geltung setzen zu wollen. Allein die von der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände gegen die Entscheidung des Dritten Senats vom 13. Juli 1982 (aa0) erhobene, jedenfalls auch mit der Verletzung des Grundrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG begründete Verfassungsbeschwerde (vgl. BVerfG Beschluß vom 20. Februar 1984 - 1 BvR 1240/82 - AP Nr. 3 a zu § 42 SchwbG) macht deutlich, daß zumindest eine Tarifvertragspartei dieser Tarifnorm Geltung nicht nur für den Fall der Beseitigung eines gesetzlichen Verbotes beimessen wollte. Raum für eine Wertung, wie sie in §§ 308, 309 BGB zum Ausdruck gebracht ist, bleibt demnach nicht.
b) Obwohl § 42 SchwbG a.F. die Anrechnungsmöglichkeit von Sozialrenten auf das Übergangsgeld ausschloß, soweit sie auf einem Schwerbehindertenleiden beruhen, haben die Tarifvertragsparteien mit § 62 Abs. 4 Unterabs. 2 BAT keine teilweise rechtsunwirksame Regelung getroffen. Wenn § 42 SchwbG a.F. regelt, daß auf das tarifliche Übergangsgeld gemäß §§ 62 ff. BAT Renten, die auf einem Schwerbehindertenleiden beruhen, nicht angerechnet werden dürfen, so bedeutet dies nach Auffassung des Senats lediglich eine Nichtanwendbarkeit von § 62 Abs. 4 Unterabs. 2 BAT im Bereich des Schwerbehindertenrechts.
Abgesehen von den übrigen Voraussetzungen für die Nichtgewährung eines Übergangsgeldes (für den Zeitraum von Beginn des dritten Monats seit Beginn einer Rente ..., wenn das Arbeitsverhältnis vor Beginn der ... begründet worden ist), setzt § 62 Abs. 4 Unterabs. 2 BAT den Bezug von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit voraus. Soweit diese tarifliche Regelung außerhalb des Schwerbehindertenrechts den Bezug des Übergangsgeldes also zeitlich einschränkt, wenn eine Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit bezogen wird, kollidiert sie nicht mit höherrangigem Recht. Insbesondere bestehen keine anderen konkurrierenden Rechtssätze, so daß diese Tarifnorm grundsätzlich rechtsverbindlich ist. In einem solchen Fall der grundsätzlichen Geltung einer Tarifnorm, kann aber nicht ohne weiteres eine teilweise Rechtsunwirksamkeit bzw. Nichtigkeit angenommen werden, soweit die speziellere höherrangige Norm des § 42 SchwbG a.F. die niederrangige Norm des § 62 Abs. 4 Unterabs. 2 BAT teilweise einschränkt.
Die gegenüber dem § 42 SchwbG a.F. rangniedrigere Norm des § 62 Abs. 4 Unterabs. 2 BAT ist durch den 45. Änderungstarifvertrag zum BAT vom 31. Oktober 1979 eingefügt worden. Eine ähnliche Situation findet sich im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung der Art. 72, 74 GG, wenn der Landesgesetzgeber Regelungen erläßt, denen bereits Bundesrecht entgegensteht. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 29, 11; 31, 141) ging von der Nichtigkeit der mit dem höherrangigen Bundesrecht kollidierenden landesrechtlichen Regelungen aus. Die Nichtigkeit wurde auch nicht durch die spätere Änderung des Bundesrechts zugunsten landesrechtlicher Regelungen beseitigt.
Die Rechtslage im Streitfall kann allerdings nicht wie der verfassungsrechtliche Kompetenzstreit beurteilt werden. Zwischen dem Gesetzgeber und den Tarifvertragsparteien besteht, obwohl letztere nach der ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift des § 1 Abs. 1 TVG Rechtsnormen setzen, nicht unbedingt ein zwischen Bund und Land vergleichbares Verhältnis insoweit, als dort ein Bundesgesetz die landesrechtliche Regelung der gleichen Materie ausschließt. Denn in verfassungsrechtlichen Konfliktsituationen fehlt es dem Landesgesetzgeber an der Gesetzgebungszuständigkeit. Mit dieser Problematik ist eine teilweise Kollision zwischen Gesetzesrecht und einer Tarifnorm nicht vergleichbar. Es geht nicht um die Kompetenz zur Rechtssetzung, die im Bereich der Frage der Anrechnung von Rentenleistung auf das Übergangsgeld auch den Tarifvertragsparteien zusteht, sondern um die Wahrung des Vorranges der höherrangigen zwingenden gesetzlichen Regelung. In diesem Rangverhältnis ist aber davon auszugehen, daß sich beide Normen nur insoweit ausschließen, als sie nicht beide zur gleichen Zeit den gleichen konkreten Sachverhalt regeln können. Die Voraussetzungen für eine Anwendung der Tarifnorm sind nicht gegeben, soweit die höherrangige zwingende Gesetzesnorm dem entgegensteht. Die Rechtsordnung verbietet nicht die tarifliche Gestaltungsmöglichkeit, sondern läßt sie insoweit lediglich nicht zur Anwendung kommen (vgl. Flume, Das Rechtsgeschäft, 3. Aufl., § 17 Ziff. 3; Buchner, AR-Blattei, Anm. zu "Schwerbehinderte: Entsch. 79"), weil der Erhaltung der grundsätzlich adäquaten tariflichen Norm der Vorzug gebührt.
Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die gesetzliche Regelung auch in einem Teilbereich einer tariflichen Norm so ausschließlich und erschöpfend gelten soll, daß der Gesetzesnorm rechtlich die Sanktion des Verbotes zu entnehmen ist. Das ist hier jedoch nicht der Fall.
Schon aus dem Wortlaut des § 42 SchwbG "dürfen ... nicht" kann nicht ohne weiteres gefolgert werden, daß damit ein Verbotsgesetz gegeben ist (vgl. dazu MünchKomm-Mayer-Maly, BGB, 2. Aufl., § 134 Rz 41). Nicht jede vom Gesetzgeber geregelte direkte Einwirkung auf eine Tarifnorm bedeutet schon deren Unwirksamkeit. Die Rechtsunwirksamkeit einer Tarifnorm kann grundsätzlich nur soweit reichen, wie es der Sachzusammenhang der gesetzlichen Regelung unbedingt erfordert. Vorliegend handelt es sich um keine die Tarifvertragsparteien begrenzende Vorschrift in dem Sinne, die die getroffene inhaltliche Regelung ausschließt, sondern nur um eine solche, die bei einer konkreten Sach- und Rechtslage die Anwendung der Tarifnorm, soweit sie höherrangigem Recht nicht entspricht, teilweise untersagt. Zweck der Vorschrift des § 42 SchwbG ist es, im aktiven Arbeitsleben Renten bei der Bemessung des Arbeitsentgelts nicht zu berücksichtigen. Da dies eigentlich selbstverständlich ist, sollte damit weiter klargestellt werden, daß Renten, die gewährt werden, um die Minderung der Leistungsfähigkeit auszugleichen auch in den Fällen, in denen kraft Tarifvertrags der Lohn nach der Leistungsfähigkeit gezahlt wird, nicht zur Lohnminderung führen können (vgl. Wilrodt/Neumann, SchwbG, 6. Aufl., § 42 Rz 6). Angesichts solcher Zusammenhänge, die eine Koordination von Entgeltansprüchen und Renten verlangen, hat der Gesetzgeber das Interesse zu verdeutlichen, daß von vornherein ein Irrtum über die Anrechnungsmöglichkeit von Renten auch in diesen Fällen ausgeschlossen wird. Damit liegt aber keine die generelle inhaltliche Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien begrenzende, sondern nur eine die Rechtsfolgewirkungen bei Schwerbehinderteneigenschaft bestimmende Vorschrift dahingehend vor, daß Regelungen über die Anrechnung der Renten insoweit nicht möglich sind. Die Anrechnungsmöglichkeit wird damit tatbestandlich ausgeschlossen. Nur insoweit wird kraft Gesetzes das Verhältnis von Arbeitsentgelt und Rente, die auf einer Schwerbehinderteneigenschaft beruht, klargestellt. Die daraus folgende Nichtanwendbarkeit einer Tarifnorm bei Kollision mit dem Schwerbehindertenrecht bedeutet damit aber zugleich, daß sie nach ihren Voraussetzungen wieder anwendbar wird, wenn das Schwerbehindertenrecht derart geändert wird, daß die Kollision entfällt. Dies war mit der Neufassung des § 42 SchwbG ab 1. Januar 1982 der Fall, so daß § 62 Abs. 4 Unterabs. 2 BAT ab diesem Zeitpunkt auch für Renten, die auf Schwerbehindertenleiden beruhen, wieder anwendbar war.
4. Das Übergangsgeld gemäß §§ 62 ff. BAT kann nicht als Arbeitsentgelt aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 42 SchwbG angesehen werden. Die auf den Schwerbehindertenleiden beruhende Erwerbsunfähigkeitsrente fällt daher unter die Vorschrift des § 62 Abs. 4 Unterabs. 2 BAT. Denn entgegen der Auffassung der Revision entsteht das Übergangsgeld nämlich nicht am letzten Tag vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses.
Der Dritte Senat (Urteile vom 13. Juli 1982, aa0; vom 16. November 1982 - 3 AZR 177/82 - BAGE 40, 355 = AP Nr. 8 zu § 42 SchwbG und - 3 AZR 160/82 - AP Nr. 9 zu § 42 SchwbG; vom 21. August 1984 - 3 AZR 565/83 - BAGE 46, 245 = AP Nr. 13 zu § 42 SchwbG) und dem folgend der Siebte Senat des BAG (Urteil vom 11. Dezember 1985 - 7 AZR 254/84 - unveröffentlicht) haben aus dem Zweck des Übergangsgelds, die finanzielle Lage des Arbeitnehmers bei seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben zu sichern, geschlossen, daß ein Anrechnungs- und Berücksichtigungsverbot für solche Entgeltleistungen wie das Übergangsgeld, die nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig und für Zeiten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers, der in der neugefaßten Vorschrift des § 42 SchwbG hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen sei, mit Wirkung zum 1. Januar 1982 nicht mehr bestehe. Dem schließt sich der erkennende Senat an.
Die Revision verkennt, daß von der Zugehörigkeit des Übergangsgeldes zum Arbeitsentgelt und den Dienstbezügen aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis nicht ausgegangen werden kann. Auch wenn der Anspruch auf Übergangsgeld als einheitlicher Anspruch erwächst, also ein einheitlicher Kapitalanspruch vorausgesetzt wird (vgl. BAG Urteil vom 16. November 1982 - 3 AZR 177/82 - aa0, zu III 3 der Gründe) und dieser am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses, also vor Eintritt des Beendigungstatbestandes entsteht, kann dies nicht zu einer Bewertung als Entgelt aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis führen. Übergangsgeld wird für das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gezahlt und bezweckt dessen Erleichterung bei Aufrechterhaltung des sozialen Status jedenfalls für einen bestimmten Zeitraum. Auch wenn es demnach durch den Bestand des Arbeitsverhältnisses in der Vergangenheit erdient wurde, ist es doch untrennbar mit dessen Beendigung verbunden und wird in erster Linie dadurch ausgelöst. Dies wollte der Gesetzgeber erreichen, als er sich für den Wortlaut in der ab 1. Januar 1982 gültigen Fassung des § 42 SchwbG entschied, um Doppelleistungen auszuschließen.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Röhsler Dr. Jobs Dörner
Ramdohr Dr. Hoffmann
Fundstellen
Haufe-Index 440851 |
BAGE 53, 371-380 (LT1) |
BAGE, 371 |
DB 1987, 2049-2050 (LT) |
RdA 1987, 311 |
USK, 86244 (ST1) |
ZTR 1987, 214-215 (LT) |
AP § 62 BAT (LT), Nr 11 |
AR-Blattei, ES 1440 Nr 90 (LT1) |
AR-Blattei, Schwerbehinderte Entsch 90 (LT1) |
EzA § 42 SchwbG, Nr 15 (LT) |
EzBAT § 62 Abs 4 BAT, Nr 2 (LT) |
PersV 1991, 189 (K) |