Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezugnahme auf Tarifvertrag. Gleichstellungsabrede. Bezugnahme eines tarifgebundenen Arbeitgebers auf Tarifvertrag. Gleichstellungsabrede, Merkmale. Tarifrecht
Orientierungssatz
Mangels besonderer entgegenstehender Umstände, ist die arbeitsvertragliche Bezugnahme “auf die Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung, an die der Arbeitgeber gebunden ist”, auch dann als Gleichstellungsabrede auszulegen, wenn der Arbeitnehmer kongruent tarifgebunden ist.
Normenkette
TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
Tenor
- Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 2. August 2001 – 1 Sa 451/00, 1 (2) Sa 454/00 – aufgehoben.
- Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neustrelitz vom 17. Oktober 2000 – 4 Ca 2892/99 – unter Zurückweisung der Berufung des Klägers teilweise abgeändert.
- Die Klage wird auch insoweit abgewiesen, als der Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 259,50 DM brutto sowie 785,40 DM brutto, jeweils nebst 4 % Zinsen seit dem 3. Januar 2000, zu zahlen.
- Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab 1. Januar 1999 die tarifliche Vergütung nach dem DRK-Tarifvertrag Ost (DRK-TV-O) in der ab diesem Zeitpunkt geltenden Fassung (bis Mai 2000) zu zahlen.
Der am 2. Juni 1965 geborene Kläger trat am 9. März 1992 als Rettungssanitäter in den Dienst des beklagten Kreisverbandes des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Der Kläger ist seit Beginn des Arbeitsverhältnisses Mitglied der DAG (jetzt ver.di); der Beklagte war bei der Einstellung des Klägers Mitglied der DRK Landestarifgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern. Demzufolge waren die Parteien bei Abschluß des Arbeitsvertrages an die – auch – von der DAG und der Tarifgemeinschaft des DRK geschlossenen Tarifverträge gebunden.
In Ziff. 3 des Arbeitsvertrages der Parteien ist ua. bestimmt:
“Dem Arbeitsverhältnis liegt der Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes in der jeweils geltenden Fassung zugrunde. Sie stehen zur Einsicht zur Verfügung.
…”
Ziffer 4 des Arbeitsvertrages lautet:
“D…, E… erhält eine monatliche Vergütung nach Vergütungsgruppe VII/FG der Anlage 11 des Tarifvertrages.”
Der Beklagte nahm bei Abschluß der Arbeitsverträge stets diese tariflichen Regelungen in Bezug, ohne Feststellungen zu der Gewerkschaftszugehörigkeit der eingestellten Arbeitnehmer zu treffen.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 1997 an den DRK Landesverband Mecklenburg-Vorpommern kündigte der Beklagte seine Mitgliedschaft in der Landestarifgemeinschaft Deutsches Rotes Kreuz mit Wirkung zum 31. März 1998.
Der DRK-TV-O enthält “Bestandteile, welche mit dem BAT inhaltlich identisch oder im wesentlichen identisch sind (Katalog A)”, und solche Bestandteile, die besondere Regelungen für den Bereich der Tarifgemeinschaft des DRK enthalten.
Der Kläger erhielt vom Beklagten bis Ende 1998 die tarifliche Vergütung nach den Regelungen des DRK-TV-O, zuletzt nach VergGr. VII dieses Tarifvertrages.
Im Vergütungstarifvertrag Nr. 33 zum BAT/BL vom 5. März 1999 – nachfolgend VTV 33 – wurde für die Angestellten eine Einmalzahlung für die Monate Januar bis März 1999 in Höhe von 300,00 DM und eine Erhöhung der Grundvergütung und der Ortszuschläge ab 1. April 1999 um 3,1 % vereinbart. Diese Tarifregelung wurde durch den 9. ÄndTV vom 9. Juni 1999 zum DRK-TV-O unter Beibehaltung des Niveaus von 86,5 % übernommen (§ 1 des 9. ÄndTV). Tarifvertragspartei auf Arbeitnehmerseite war in beiden Fällen ua. die DAG.
Der Beklagte zahlte an den Kläger ab dem 1. Januar 1999 weiterhin die Vergütung nach der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden tariflichen Regelung. Unter Hinweis auf die am 9. März 1999 beschlossene Übernahme des Ergebnisses der Tarifrunde durch das DRK machte der Kläger mit Schreiben vom 20. Mai 1999 die für das Tarifgebiet Ost vorgesehene Einmalzahlung für die Monate Januar bis März 1999 sowie die Erhöhung seiner Vergütung um 3,1 % geltend. Der Beklagte wies diese Ansprüche mit Schreiben vom 4. Juni 1999 zurück. Am 3. November 1999 trafen die Parteien eine “Einzelarbeitsvertragliche Vereinbarung hinsichtlich einer Entgelterhöhung”. Darin heißt es:
“1. Das Arbeitsentgelt von Herrn E… D… wird rückwirkend zum 01.10.1999 um 2,5 % angehoben.
Die Erhöhung bezieht sich auf
a) das Grundgehalt
b) den Ortszuschlag
c) die allgemeine Zulage.
2. Sollte das Arbeitsentgelt des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin rückwirkend angehoben werden, so wird diese andere Gehaltssteigerung vollständig auf die nunmehr erfolgende Entgelterhöhung in Höhe von 2,5 % angerechnet.
Diese Bestimmung ist nicht anzuwenden auf Gehaltssteigerungen, die auf einer Tariferhöhung, einzelarbeitsvertraglichen oder sonstigen Entgelterhöhungen beruhen, die nach dem 01.10.1999 in Kraft tritt.”
3. Weitere Ansprüche sind nicht vereinbart.
Der Kläger hat diese Vereinbarung mit dem handschriftlichen Zusatz “unter Vorbehalt rechtlicher Prüfung” unterschrieben. Der Beklagte vergütete den Kläger ab 1. Oktober 1999 entsprechend dieser Vereinbarung.
Mit seiner Klage hat der Kläger zunächst die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung der Einmalzahlung für die Monate Januar bis März 1999 und der Tariferhöhung von 3,1 % ab April 1999 begehrt. Im Verlauf des Rechtsstreits hat er seine Klage geändert und erstrebt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung der tariflichen Vergütung für die Zeit von Januar 1999 bis Mai 2000. Für die Zeit ab Oktober 1999 bis Mai 2000 verlangt er die Differenz zwischen der tariflichen Erhöhung der Vergütung um 3,1 % und der auf Grund der Vereinbarung vom 3. November 1999 tatsächlich gezahlten 2,5 %igen Gehaltsanhebung.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien bewirke, daß individualrechtlich grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten bestünden wie bei beiderseitiger Tarifgebundenheit. Mit dieser Klausel sei die Geltung des Tarifvertrages unabhängig von der Tarifgebundenheit bezweckt gewesen. Überdies gelte der Tarifvertrag auch nach dem Verbandsaustritt des Beklagten gem. § 3 Abs. 3 TVG weiter. Die “Nachwirkung” sei nicht durch den Abschluß eines neuen Tarifvertrages beendet worden. Nach wie vor gelte die Tarifautomatik des § 3 Abs. 2 der Vereinbarung über Rahmenbedingungen für den Abschluß von Tarifverträgen vom 31. Dezember 1984, wonach Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst, die – wie der Abschluß vom 5. März 1999 – den Katalog A beträfen, auf das DRK übertragen würden. Schließlich sei der Beklagte auch satzungsrechtlich an die inhaltlich mit dem DRK-TV-O übereinstimmenden DRK-Arbeitsbedingungen und somit inhaltlich letztlich an den DRK-TV-O gebunden. Durch die Vereinbarung vom 3. November 1999 habe er – der Kläger – nicht auf die ihm auf Grund des Tarifvertrages zustehende Gehaltsanhebung um weitere 0,6 % verzichtet.
Der Kläger hat beantragt,
- den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger eine tarifliche Einmalzahlung in Höhe von 259,50 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Zustellung der Klage zu zahlen;
- den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.104,75 DM brutto Gehaltsdifferenzbeträge für die Zeiträume April 1999 bis Mai 2000, nebst 4 % Zinsen seit Zustellung der Klage, zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, er müsse weder die Einmalzahlung noch die 3,1 %ige Vergütungserhöhung an den Kläger weitergeben, weil der 9. ÄndTV, durch den ua. der VTV 33 für den Bereich des DRK-TV-O übernommen worden sei, erst nach seinem – des Beklagten – Verbandsaustritt abgeschlossen worden und in Kraft getreten sei. Die Verweisung auf den Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen des DRK in der jeweils geltenden Fassung in Ziffer 3 des Arbeitsvertrages sei als Gleichstellungsabrede zu bewerten. Durch seinen Austritt aus dem Arbeitgeberverband sei die tarifliche Vergütung des Klägers auf dem Tarifstand bei Verbandsaustritt “eingefroren”. Die mit dem Kläger am 3. November 1999 getroffene Ergänzungsvereinbarung sei rechtswirksam, sein Vorbehalt dagegen sei irrelevant.
Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage hinsichtlich der Einmalzahlung sowie der 3,1 %igen Gehaltsdifferenz für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. September 1999 stattgegeben, die Klage im übrigen abgewiesen und die Berufung für beide Parteien zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers der Klage auch hinsichtlich des den Zeitraum von Oktober 1999 bis März 2000 betreffenden Zahlungsantrags stattgegeben, die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Der Beklagte verfolgt mit der Revision weiter die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur vollen Abweisung der Klage.
Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm geforderte tarifliche Erhöhung der Vergütung nach dem DRK-TV-O ab 1. Januar 1999.
1. Eine tarifvertragliche Anspruchsgrundlage für den Klageanspruch kommt nicht in Betracht.
Es besteht keine beiderseitige Tarifgebundenheit der Parteien an die ab 1. Januar 1999 geltenden Tarifregelungen, welche gem. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG Voraussetzung für deren unmittelbare und zwingende Geltung für das Arbeitsverhältnis der Parteien ist. Zwar ist der Kläger als Mitglied der DAG (jetzt ver.di), die sowohl Tarifvertragspartei des VTV 33 als auch des 9. ÄndTV war, tarifgebunden. Nach dem Austritt des Beklagten aus dem DRK-Kreisverband zum 31. März 1998 blieb die Tarifgebundenheit des Beklagten gem. § 3 Abs. 3 TVG auch zunächst bestehen. Diese mitgliedschaftsüberdauernde Tarifgebundenheit (sog. Nachbindung) endete jedoch hinsichtlich der tariflichen Vergütungsregelung gem. § 3 Abs. 3 TVG, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, spätestens mit dem Ende des zum Zeitpunkt des Verbandsaustrittes geltenden Vergütungstarifvertrags. An die Tarifänderungen zum 1. Januar 1999 ist der Beklagte mithin nicht gem. § 3 Abs. 3 TVG gebunden. Dies gilt sowohl für die tariflichen Regelungen des 9. ÄndTV zum DRK-TV-O als auch für den VTV 33. Davon ist auch das Landesarbeitsgericht bezüglich des DRK-TV-O in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats zutreffend ausgegangen (vgl. 4. April 2001 – 4 AZR 215/00 – AP TVG § 3 Verbandsaustritt Nr. 9 = EzA TVG § 3 Nr. 21; 17. Mai 2000 – 4 AZR 363/99 – BAGE 94, 367). Insoweit greift die Revision die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auch nicht an. Für die Tarifänderung im öffentlichen Dienst durch den VTV 33, auf den der Kläger seinen Anspruch ebenfalls stützt, gilt nichts anderes. Es kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, daß der VTV 33 zu den Tarifregelungen des öffentlichen Dienstes gehört, die nach der Tarifautomatik des § 3 Abs. 2 der Vereinbarung über Rahmenbedingungen für den Abschluß von Tarifverträgen vom 31. Dezember 1984 auf das DRK übertragen werden. Denn die Tarifgebundenheit an einen dynamischen Verweisungstarifvertrag gem. § 3 Abs. 3 TVG endet nach der ständigen Rechtsprechung des Senats mit der Änderung des Bezugstarifvertrages (17. Mai 2000 – 4 AZR 363/99 – aaO; 4. April 2001 – 4 AZR 215/00 – aaO; 7. November 2001 – 4 AZR 703/00 – BAGE 99, 283). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Auch die vom Kläger angeführte Tarifautomatik führt daher nicht zur Geltung des erst nach dem Verbandsaustritt des Beklagten abgeschlossenen VTV 33 für das Arbeitsverhältnis der Parteien.
2. Der 9. ÄndTV und der VTV 33 sind entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch nicht kraft der im Arbeitsvertrag der Parteien vom 9. März 1992 vereinbarten Bezugnahmeklausel schuldrechtlich auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden.
a) Die Bezugnahmeklausel in Ziff. 3 des Arbeitsvertrages ist eine Gleichstellungsabrede. Dies hat das Landesarbeitsgericht – wie die Revision zu Recht rügt – verkannt.
Bei einer arbeitsvertraglichen Gleichstellungsabrede werden die in Bezug genommenen Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung auf das Arbeitsverhältnis angewendet, solange der Arbeitgeber an diese Tarifverträge gebunden ist. Dagegen sind solche Tarifverträge bzw. deren Fassungen nicht auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden, die erst nach dem Ende der Tarifgebundenheit zustande gekommen sind (ständige Rechtsprechung des Senats 30. August 2000 – 4 AZR 581/99 – BAGE 95, 296; 26. September 2001 – 4 AZR 544/00 – BAGE 99, 120; 21. August 2002 – 4 AZR 263/01 –; 25. September 2002 – 4 AZR 294/01 – jeweils zur Veröffentlichung vorgesehen). Wegen ihres auf die Gleichstellung beschränkten Regelungszwecks gewährleistet die arbeitsvertragliche Gleichstellungsabrede dem Arbeitnehmer – gleichgültig, ob er tarifgebunden ist oder nicht –, nicht die dauernde Teilhabe an Tarifentwicklungen unabhängig von der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers.
Daher ist der Beklagte mangels Mitgliedschaft in der tarifschließenden Tarifgemeinschaft des DRK nicht an den 9. ÄndTV zum DRK-TV-O gebunden.
b) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der damals tarifgebundene Beklagte bei Abschluß des vorliegenden Arbeitsvertrages “stets” den DRK-Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung in Bezug genommen. Dieser Umstand spricht dafür anzunehmen, es handele sich um eine typische Vertragsklausel mit der Folge, daß deren Auslegung in der Revision uneingeschränkt überprüft werden darf. Doch selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, es handele sich in seinem Fall um eine Individualvereinbarung, hält die Auslegung dieser Klausel der Revision nicht stand. Die Auslegung einer Individualvereinbarung kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstößt oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat und ob sie rechtlich möglich ist (ständige Rechtsprechung des BAG, zB 15. November 2000 – 5 AZR 296/99 – BAGE 96, 237, 241, 242 mwN).
aa) Dem Landesarbeitsgericht kann insoweit gefolgt werden, als es die Bezugnahmeklausel als Verweisung auf das gesamte für das DRK (Ost) geltende Tarifwerk einschließlich der in den neuen Bundesländern geltenden tariflichen Vergütungsregelungen verstanden hat, wovon auch die Parteien übereinstimmend ausgehen. Insoweit wird die Vertragsauslegung des Landesarbeitsgerichts auch von der Revision nicht angegriffen.
bb) Zu folgen ist dem Landesarbeitsgericht auch darin, wegen der in Ziff. 4 des Arbeitsvertrages vorgesehenen Eingruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppe VII/FG und der tatsächlichen Weitergabe der jeweiligen tariflichen Vergütungserhöhungen an den Kläger sei davon auszugehen, daß die Parteien auch die tariflichen Vergütungsregelungen zum DRK-TV-O dynamisch in Bezug genommen haben. Auch dies greift die Revision nicht an.
cc) Gleichwohl ist der Auffassung des Landesarbeitsgerichts darin nicht zuzustimmen, daß der Kläger auf Grund der dynamischen Bezugnahme einen vertraglichen Anspruch auf die Tarifgehaltserhöhung ab 1. Januar 1999 hat. Denn die Bezugnahmeklausel ist gem. §§ 133, 157 BGB als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen, nach der der Arbeitnehmer nur während der Dauer der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an der Tarifentwicklung der in Bezug genommenen Tarifregelung teilnimmt. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt, wie die Revision zu Recht rügt.
Eine dynamische Verweisung auf den einschlägigen Tarifvertrag in einem vom tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag ist nach der Rechtsprechung des Senats eine Gleichstellungsabrede. Der Senat hat dies in seiner Entscheidung vom 26. September 2001 (– 4 AZR 544/00 – BAGE 99, 120) ausführlich begründet. Auf diese in verschiedenen nachfolgenden Entscheidungen (zB Senat 20. Februar 2002 – 4 AZR 524/00 – nv.; 21. August 2002 – 4 AZR 263/01 –; 25. September 2002 – 4 AZR 294/01 – und 16. Oktober 2002 – 4 AZR 467/01 – sämtlich zur Veröffentlichung vorgesehen) bekräftigte Rechtsprechung nimmt der Senat Bezug.
dd) Die gegen diese Auffassung vom Landesarbeitsgericht vorgebrachten Bedenken vermögen den Senat nicht zu überzeugen.
(1) Zunächst ist es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht von Bedeutung, ob eine Bezugnahmeklausel bei beiderseitiger Tarifgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses deklaratorisch oder – wie das Landesarbeitsgericht annimmt – konstitutiv wirkt. Solange beide Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden sind, gilt der einschlägige Tarifvertrag gem. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG für diese unmittelbar und zwingend. Daß der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber sich zugleich auf eine konstitutiv wirkende dynamische Verweisung berufen können, ist zwar zutreffend, aber nicht von praktischer Bedeutung. Nach Beendigung der Mitgliedschaft des Arbeitgebers im Arbeitgeberverband und seiner Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG wirken die vormals unmittelbar und zwingend für das Arbeitsverhältnis geltenden Tarifverträge nach § 4 Abs. 5 TVG nach. Sie haben für dieses aber keine zwingende Wirkung mehr. Die nach wie vor geltende arbeitsvertragliche Vereinbarung, der Arbeitnehmer werde so gestellt, als wäre er tarifgebunden, führt auch bei konstitutiver Wirkung derselben nicht zur Teilnahme des Arbeitnehmers an den nach Verbandsaustritt des Arbeitgebers vereinbarten und in Kraft getretenen Tarifverträgen bzw. Tarifänderungen. Denn mangels der Mitgliedschaft des Arbeitgebers im tarifschließenden Verband fehlt die Voraussetzung der beiderseitigen Tarifgebundenheit (§ 4 Abs. 1 TVG). Diesbezüglich trifft die Gleichstellungsabrede keine ersetzende Regelung (Senat 26. September 2001 – 4 AZR 544/00 – aaO, zu Ziff. II 1c bb (3) der Gründe). Dies verkennt das Landesarbeitsgericht.
(2) Soweit das Landesarbeitsgericht ferner darauf verweist, gerade der gewerkschaftsangehörige Arbeitnehmer habe ein Interesse daran, die Geltung der einschlägigen Tarifverträge festzuschreiben, und daraus das Verbot folgert, die Verbandsmitgliedschaft des Arbeitgebers als stillschweigend zu Grunde gelegte Geschäftsgrundlage arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklauseln anzusehen, verkennt es die typischerweise bei Vertragsschluß gegebenen Bedingungen. Der – tarifgebundene – Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer bei Abschluß des Arbeitsvertrages nicht nach seiner Gewerkschaftszugehörigkeit fragen. Wenn er von sich aus die Anwendung der einschlägigen Tarifverträge anbietet, erfolgt das typischerweise deshalb, weil er auf Grund seiner Verbandszugehörigkeit daran gebunden ist und eine Gleichstellung der tarifgebundenen und der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer erreichen will. Wenn keine entgegenstehenden Anhaltspunkte vorliegen, muß der Arbeitnehmer davon ausgehen und damit rechnen, daß eine Bezugnahmeklausel, die von der Arbeitgeberseite angeboten wird, als Gleichstellungsabrede gemeint ist. Darauf muß der Arbeitgeber entgegen der Ansicht des Klägers weder gesondert hinweisen noch muß er die Klausel “eindeutig auf seine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband beschränkt … formulieren”. Dem Arbeitnehmer, der eine Geltung der von seiner Gewerkschaft vereinbarten Tarifverträge unabhängig von der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers festgeschrieben haben will und diesbezüglich – wie der Kläger in der Revisionserwiderung weiter argumentiert – “Rechtssicherheit sicherstellen” möchte, steht es frei, den Arbeitgeber bei Vertragsschluß nach seiner Verbandszugehörigkeit zu fragen und zu klären, ob die Bezugnahmeklausel auch nach einem etwaigen Verbandsaustritt oder -wechsel des Arbeitgebers weiterhin dynamisch gilt.
c) Bei der Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich um eine Gleichstellungsabrede iSd. vorstehend dargelegten Grundsätze. Denn der von dem seinerzeit tarifgebundenen Beklagten vorformulierte Arbeitsvertrag enthält eine – dynamische – Verweisung auf den einschlägigen Tarifvertrag. Umstände, die eine davon abweichende Auslegung der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien gebieten, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.
d) Als Gleichstellungsabrede führt die Bezugnahmeklausel in Ziffer 3 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages nicht zur Anwendbarkeit des 9. ÄndTV und des VTV 33. Beide Tarifverträge sind erst nach dem Ende der Verbandszugehörigkeit des Beklagten abgeschlossen worden und haben deshalb für den Beklagten keine Rechtswirkungen entfaltet.
e) An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, daß der Beklagte den ebenfalls nach seinem Verbandsaustritt abgeschlossenen 8. ÄndTV zum DRK-TV-O vom 1. Oktober 1998 noch umgesetzt hat. Denn aus dieser einmaligen Anwendung eines nach der Bezugnahmeklausel nicht anwendbaren Tarifvertrages auf das Arbeitsverhältnis des Klägers ist kein Rückschluß auf einen generellen Verpflichtungswillen des Beklagten zu ziehen, alle Tarifänderungen nach seinem Verbandsaustritt zu vollziehen. Hierzu fehlt es an entsprechenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Der Kläger hat seinen Anspruch auch nicht auf diesen Umstand und ein etwa dadurch bei ihm begründetes Vertrauen gestützt.
f) Auf die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Unwirksamkeit der “Einzelvertraglichen Vereinbarung” vom 3. November 1999 kommt es mangels eines Anspruchs des Klägers auf die Tariferhöhung ab 1. Januar 1999 nicht an. Ob diese Vereinbarung wirksam ist, kann auch deshalb dahinstehen, weil der Beklagte sich daran gehalten hat und etwaige Ansprüche des Klägers aus dieser Vereinbarung nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind.
3. Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht mit Erfolg auf eine Bindung des Beklagten an die DRK-Arbeitsbedingungen stützen, die inhaltsgleich mit dem DRK-TV-O sind. Diese Bindung ist allenfalls eine satzungsrechtliche, die keine Drittwirkung gegenüber Außenstehenden entfaltet. Der Kläger könnte daraus allenfalls dann Rechte herleiten, wenn sein Arbeitsvertrag die DRK-Arbeitsbedingungen in Bezug genommen hätte. Das ist nicht der Fall.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schliemann, Wolter, Bott, J. Ratayczak
Der ehrenamtliche Richter Fieberg ist infolge Ausscheidens aus dem Amt an der Unterschrift verhindert.
Schliemann
Fundstellen