Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustellung eines Urteils an Prozeßbevollmächtigten
Orientierungssatz
Zustellungen, die in einem anhängigen Rechtsstreit bewirkt werden sollen, müssen an den für den Rechtszug bestellten Prozeßbevollmächtigten erfolgen.
Normenkette
ZPO §§ 176, 516; ArbGG § 64 Abs. 6
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 04.05.1988; Aktenzeichen 12 Sa 85/88) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 08.12.1987; Aktenzeichen 5 Ca 3905/87) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Berufung. Der Kläger will in diesem Rechtsstreit festgestellt wissen,
1. daß die Beklagte ihm gemäß § 1 BetrAVG
aus der Versorgungszusage vom 17./23.
März 1978 in Verbindung mit der Versor-
gungsordnung vom 18. Dezember 1981 eine
Versorgungsanwartschaft aufrechtzuer-
halten hat;
2. daß die Beklagte aus der aufrechtzuer-
haltenen Versorgungsanwartschaft ab
Vollendung des 65. Lebensjahres eine
lebenslängliche Rente in Höhe von mo-
natlich nachschüssig 1.278,12 DM zu
zahlen hat.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hatte im erstinstanzlichen Verfahren einer Mitarbeiterin, Frau Dr. A C. Z, Prozeßvollmacht erteilt, die Frau Dr. Z dem Gericht in der Güteverhandlung am 28. August 1987 vorgelegt hat. Das Arbeitsgericht hat im erstinstanzlichen Verfahren mehrfach Schriftstücke und Ladungen an Frau Dr. Z zustellen lassen. Frau Dr. Z wurde auch im Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf als Prozeßbevollmächtigte der Beklagten bezeichnet.
Das der Klage stattgebende Urteil wurde der Beklagten am 15. Dezember 1987 in der Weise zugestellt, daß es im Geschäftslokal der Beklagten der Bediensteten Anne W übergeben wurde. Anschließend machte die Beklagte das Gericht darauf aufmerksam, daß der Ausfertigung des zugestellten Urteils die Seite 3 fehlte. Eine vollständige Ausfertigung des erstinstanzlichen Urteils wurde Frau Dr. Z am 23. Dezember 1987 zugestellt.
Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 8. Dezember 1987 ging am 18. Januar 1988 beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf ein. Das Landesarbeitsgericht hat diese Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Es hat die Auffassung vertreten, trotz des Fehlens einer Seite, auf der die Anträge des Klägers wiedergegeben waren, sei das Urteil vollständig gewesen. Das Arbeitsgericht habe das Urteil zu Recht der Partei selbst zugestellt; Frau Dr. Z sei keine Prozeßbevollmächtigte gewesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten. Sie will erreichen, daß die Klage abgewiesen wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts rechtzeitig eingelegt worden. Die Berufungsfrist begann mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils an die Prozeßbevollmächtigte der Beklagten (§ 64 Abs. 6 ArbGG in Verb. mit §§ 176, 516 ZPO). Das war der 23. Dezember 1987.
Die Zustellung des Urteils an die Beklagte vom 15. Dezember 1987 war nicht in Ordnung. Diese Zustellung hat die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt. Zustellungen, die in einem anhängigen Rechtsstreit bewirkt werden sollen, müssen an den für den Rechtszug bestellten Prozeßbevollmächtigten erfolgen (§ 176 ZPO). Frau Dr. Z war zur Prozeßbevollmächtigten bestellt worden.
Das Landesarbeitsgericht meint zwar, die Beklagte habe Frau Dr. Z nur die Vollmacht erteilt, sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht zu vertreten (Terminsvollmacht). Schriftsätze habe die Beklagte auch nach der Bestellung von Frau Dr. Z unter ihrem allgemeinen Briefkopf eingereicht. Sie habe damit zum Ausdruck gebracht, daß der Inhalt nicht von einem Prozeßbevollmächtigten, sondern von ihr selbst verantwortet werde.
Dieser Auffassung kann der Senat jedoch nicht folgen. Die Beklagte hat Frau Dr. Z ausdrücklich Prozeßvollmacht erteilt. Die Urkunde läßt keinen Zweifel an ihrem Inhalt zu. Die Erklärung befindet sich auf einem Formblatt der Hans-Soldan-Stiftung, das Rechtsanwälte, die zu Prozeßbevollmächtigten bestellt werden, häufig vorlegen. Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Erklärung der Beklagten, sie wolle Frau Dr. Z Prozeßvollmacht erteilen, auch so verstanden. Es hat Frau Dr. Z im Urteil vom 8. Dezember 1987 als Prozeßbevollmächtigte bezeichnet. Das vollständige Urteil ist Frau Dr. Z auch am 23. Dezember 1987 zugestellt worden. Bei dem Zustellungsversuch vom 15. Dezember 1987 kann es sich daher - aus der Sicht des Arbeitsgerichts - nur um ein Versehen handeln. Die Bestellung eines Prozeßbevollmächtigten hindert die Partei nicht, Schriftsätze in eigenem Namen einzureichen. Deshalb lassen sich aus diesem Umstand keine Rückschlüsse auf fehlende Prozeßvollmacht ziehen.
Danach kommt es auf die Frage, ob das Urteil vollständig im Sinne von § 516 ZPO war, nicht mehr an. Der Rechtsstreit muß zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden. Eine Sachentscheidung ist dem Senat nicht möglich. Das Landesarbeitsgericht hat sich in der Sache selbst mit den Anträgen des Klägers noch nicht befaßt.
Dr. Heither Schaub Griebeling
Oberhofer Dr. Jesse
Fundstellen