Leitsatz (redaktionell)
1. |
Wird in einem Prozeßvergleich zugunsten beider Parteien ein Widerrufsvorbehalt aufgenommen, ist damit regelmäßig eine aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit des Vergleichs vereinbart. |
2. |
Mit einem Sachurteil, das eine Leistungsklage abweist, wird festgestellt, daß die begehrte Rechtsfolge aus dem Lebenssachverhalt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt hergeleitet werden kann. |
3. |
Ist im Vorprozeß der Anspruch des Arbeitgebers nach § 9 Abs. 2 des Vorruhestandstarifvertrags auf Rückzahlung zu Unrecht empfangenen Vorruhestandsgeld abgewiesen worden, so ist das für einen bereichungsrechtlichen Anspruch des Arbeitnehmers präjudiziell, soweit dieser auf den vermeintlichen Anspruch des Arbeitgebers Rückzahlungen geleistet hat. |
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Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte zur Rückzahlung von 27.250,00 DM verpflichtet ist, die sie von dem Erblasser, ihrem ehemaligen Arbeitnehmer, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten hat.
Der am 19. Mai 1930 geborene und im Laufe des Revisionsverfahrens verstorbene Erblasser war im Bauunternehmen der Beklagten bis zum 30. November 1988 als Baumaschinenführer beschäftigt. Mit Ablauf des Monats November 1988 trat er in den tariflichen Vorruhestand und erhielt entsprechend dem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag über den Vorruhestand im Baugewerbe vom 26. September 1984 von der Beklagten Vorruhestandsgeld. In einer formularmäßigen Erklärung verpflichtete er sich, dem Arbeitgeber unverzüglich die nachträgliche Feststellung einer Schwerbehinderung mitzuteilen. Am 16. Januar 1991 erkannte das Versorgungsamt Ulm eine Behinderung an und setzte den Grad seiner Behinderung auf 50 fest. Der Arbeitnehmer unterließ die vorgeschriebene Mitteilung. Auf seinen Antrag erhielt er seit 1. November 1991 die Altersrente für Schwerbehinderte nach § 37 SGB VI. Die Beklagte zahlte weiterhin bis April 1992 das Vorruhestandsgeld. Die Beklagte forderte den Erblasser schriftlich am 8. Juli 1992 zur Rückzahlung des seit Januar 1991 bezogenen Vorruhestandsgelds auf und hat nach erfolglosem Fristablauf am 20. August 1992 Klage erhoben. In diesem Verfahren haben die Parteien am 3. Dezember 1992 vor dem Arbeitsgericht folgenden Vergleich geschlossen:
V e r g l e i c h :
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1. |
Der Beklagte bezahlt an die Klägerin DM 43.931,59 nebst 11 % Zinsen aus DM 35.112,59 ab dem 22.08.1992 und 11 % Zinsen aus weiteren DM 8.819,00 ab dem 24.09.1992. |
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2. |
Dem Beklagten wird nachgelassen, DM 26.000,00 bis längstens zum 31.12.1992 zu bezahlen.Ihm wird weiter nachgelassen, den Restbetrag in monatlichen Raten á DM 250,00 ab dem 01.01.1993 zu bezahlen. |
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3. |
Wenn einmal eine monatliche Rate nicht bis zum 15. des Folgemonats eingeht, wird der gesamte Restbetrag nebst Zinsen sofort fällig. |
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4. |
Für den Fall, daß der Beklagte bis zum 31.12.1995 seine Raten fristgemäß bezahlt, wird der gesamte Restbetrag erlassen. |
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5. |
Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt. |
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6. |
Der Kläg.-Vertr. erhält das Recht zum Widerruf dieses Vergleiches bis zum 17.12.1992. Bis zu diesem Tage muß der den Widerruf enthaltende Schriftsatz bei Gericht eingegangen sein. |
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7. |
Die Parteien vereinbaren, daß der Restbetrag auch dann fällig wird, wenn die DM 26.000,00 nicht fristgemäß eingehen. |
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Nachdem der Erblasser am 4. Dezember 1992 26.000,00 DM gezahlt hatte, hat die Beklagte den Vergleich widerrufen. Der Erblasser hat in der Folge dennoch die Raten für Januar bis Mai 1993 geleistet. In diesem Rechtsstreit hat das Landesarbeitsgericht die Klage mit rechtskräftigem Urteil vom 1. Juni 1993 mit der Begründung abgewiesen, der Rückzahlungsanspruch der Arbeitgeberin sei nach § 16 Abs. 1 BRTV-Bau verfallen.
Der Erblasser hat daraufhin die Rückzahlung von 27.250,00 DM verlangt, die er in der Hoffnung auf eine gütliche Einigung an die Beklagte gezahlt habe.
Mit der am 28. Juli 1993 erhobenen Klage hat der Erblasser beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 27.250,00 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 28. Juli 1993 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage. Nach dem Tod des Erblassers haben die Erben das Verfahren fortgesetzt.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Beklagte hat 27.250,00 DM durch die Leistung ihres früheren Arbeitnehmers ohne rechtlichen Grund erlangt (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie ist zur Herausgabe an die Erben des Arbeitnehmers verpflichtet.
1. Die Erben sind forderungsberechtigt. Nach § 1922 Abs. 1 BGB ist mit dem Tode des Erblassers dessen Vermögen auf seine Erben übergegangen. Dazu gehört auch die Forderung gegen die Beklagte. Sie ist Teil des gemeinschaftlichen Vermögens der Erben (§ 2032 Abs. 1 BGB).
2. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Beklagte von dem Erblasser im Dezember 1992 bis Mai 1993 27.250,00 DM ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Das Behaltendürfen dieser Zahlungen ist weder durch den am 3. Dezember 1992 vor dem Arbeitsgericht Ulm abgeschlossenen Vergleich noch durch eine sonstige Rechtsgrundlage gerechtfertigt.
a) Zwar schafft ein bürgerlich-rechtlicher Vergleich (§ 779 BGB) für die in ihm geregelten Leistungspflichten einen Rechtsgrund (Palandt-Thomas, BGB, 56. Aufl., § 779 Rz 11). Die am 3. Dezember 1992 vor dem Arbeitsgericht Ulm abgeschlossene Vereinbarung, mit der die Ungewißheit über die Erstattungspflicht für zu Unrecht bezogenes Vorruhestandsgeld im Wege des gegenseitigen Nachgebens beseitigt werden sollte, ist jedoch nicht wirksam geworden. Die vereinbarte Wirksamkeitsbedingung ist nicht eingetreten.
aa) Der in einem Prozeßvergleich zugunsten beider Parteien aufgenommene Vorbehalt, den Vergleich bis zum Ablauf einer bestimmten Frist zu widerrufen, enthält im Regelfall eine aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit des Vergleichs (BGHZ 46, 277; BGH Urteil vom 27. Oktober 1983 - IX ZR 68/83 - NJW 1984, 312). Der Nicht-Widerruf innerhalb der vorgesehenen Frist ist dabei das zukünftige ungewisse Ereignis i.S.v. § 158 Abs. 1 BGB, von dessen Eintritt die Wirksamkeit abhängt (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 20. Aufl., § 794 Rz 61; Zöller/Stöber, ZPO, 19. Aufl., § 794 Rz 10; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 53. Aufl., Anhang § 307 Rz 10). Soweit der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in einem Widerrufsvorbehalt ein vertraglich vereinbartes Rücktrittsrecht gesehen hat (vgl. BAG Urteil vom 4. August 1983 - 2 AZR 50/82 - n.v.), ist daran nicht festgehalten worden (BAG Urteil vom 31. Mai 1989 - 2 AZR 548/88 - AP Nr. 39 zu § 794 ZPO). Aus einem unter Widerrufsvorbehalt abgeschlossenen Vergleich sollen bindende Rechtswirkungen regelmäßig erst entstehen, wenn bei ungenutztem Ablauf der Widerrufsfrist feststeht, daß der Vergleich Bestand hat.
bb) Die vereinbarte Bedingung des Nicht-Widerrufs bis zum 17. Dezember 1992 ist nicht eingetreten. Der Vergleich kann deshalb kein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistungen sein, die der Erblasser aufgrund der im Vergleich getroffenen Verpflichtungen erbracht hat.
b) Die Beklagte hat auch keinen anderen Rechtsgrund für die empfangenen Leistungen. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Rechtskraft des im vorangegangenen Rechtsstreit ergangenen Urteils des Landesarbeitsgerichts der Annahme eines Anspruchs der Klägerin entgegensteht.
aa) Auch wenn der Erblasser der Kläger ab Februar 1991 zu Unrecht Vorruhestandsgeld erhalten hat und nach § 9 Abs. 2 des Tarifvertrags über den Vorruhestand im Baugewerbe vom 26. September 1984 (zuletzt geändert durch Tarifvertrag vom 30. April 1990) verpflichtet war, dem Arbeitgeber zu Unrecht empfangenes Vorruhestandsgeld zurückzuzahlen, muß in diesem Verfahren davon ausgegangen werden, daß der Anspruch untergegangen ist. Nach § 322 Abs. 1 ZPO ist das erkennende Gericht für die Beantwortung der Frage, ob ein Rechtsgrund i.S.d. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB besteht, daran gebunden, daß das Landesarbeitsgericht im vorangegangen Rechtsstreit die auf Rückgewähr des Vorruhestandsgelds gerichtete Leistungsklage rechtskräftig abgewiesen hat. Dabei ist es unerheblich, ob die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung, die Ausschlußfrist des § 16 BRTV-Bau sei versäumt worden, rechtlich zutreffend ist.
bb) Ein klageabweisendes streitiges Urteil erkennt den behaupteten Anspruch schlechthin ab. Es ist ein Feststellungsurteil über das Nichtbestehen der Leistungspflicht (MünchKomm ZPO-Gottwald, § 322 Rz 163; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 322 Rz 114; BAG Urteil vom 10. Dezember 1997 - 4 AZR 221/96 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen; BAG Urteil vom 16. April 1997
- 4 AZR 270/96 - AP Nr. 1 zu § 22 MT Ang-LV; BAG Urteil vom 18. Juli 1990 - 4 AZR 25/90 - AP Nr. 151 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Es ist in Rechtskraft erwachsen. Damit kann die begehrte Rechtsfolge aus demselben Lebenssachverhalt auch in einem anderen Prozeß unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt hergeleitet werden (BGH Urteil vom 17. März 1995 - V ZR 178/93 - LM Nr. 142 zu § 322 ZPO; BAG Urteil vom 10. Dezember 1997 - 4 AZR 221/96 - aaO). cc) Die Rechtskraft der Entscheidung hat für die dort unterlegene Beklagte zur Folge, daß die im Vorprozeß abgelehnte Rechtsfolge auch im anhängigen Verfahren verneint werden muß. Denn der rechtskräftig verneinte Rückgewähranspruch der Beklagten bildet nach materiellem Recht eine Voraussetzung für die hier zu treffende Entscheidung über den Rechtsgrund. Die Rechtskraft der Erstentscheidung hindert daran, die Vorfrage, ob ein Anspruch der Klägerin auf die Zahlung der 27.250,00 DM bestand, neu zu beurteilen (sog. Präjudizialität, vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl., § 154). Das Wiederholungsverbot ("ne bis in idem") zwingt das Gericht, die präjudizielle Wirkung der Vorentscheidung ohne erneute sachliche Prüfung zu beachten (vgl. BGHZ 123, 137, 139; BGHZ 93, 287, 288; BGH Urteil vom 17. März 1995 - V ZR 178/93 - LM Nr. 142 zu § 322 ZPO).
3. Die auf die Erben übergangenen bereichungsrechtlichen Ansprüche des Erblassers gegen die Beklagte bestehen noch. Sie sind nicht nach § 16 BRTV-Bau verfallen.
Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, daß die bereicherungsrechtlichen Ansprüche des Erblassers, die erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden sind, nicht den tariflichen Bestimmungen über Ausschlußfristen in § 16 BRTV-Bau unterliegen. Zwar verfallen nach § 16 BRTV-Bau auch Ansprüche, "die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen", wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Ansprüche, die mehrere Jahre nach Beendigung des aktiven Arbeitsverhältnisses entstehen, werden aber davon nicht erfaßt. Die Ausschlußfristen des BRTV-Bau sollen die kurzfristige Abwicklung der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sicherstellen (BAG Urteil vom 5. September 1995 - 9 AZR 533/94 - BAGE 81, 1 = AP Nr. 24 zu § 1 TVG Vorruhestand; BAG Urteil vom 19. April 1983 - 3 AZR 4/81 - AP Nr. 6 zu § 6 BetrAVG). Im Streitfall bestand keine Verbindung mehr zu dem bereits am 30. November 1988 beendeten Arbeitsverhältnis. Verbindung bestand lediglich zu Ansprüchen aus dem Vorruhestandsverhältnis, auf die die Bestimmungen des § 16 BRTV-Bau keine Anwendung finden (vgl. BAG Urteil vom 5. September 1995 - 9 AZR 533/94 - aaO). Für diese Ansprüche gelten nämlich die besonderen, abschließenden Regelungen über das Erlöschen und Ruhen des Anspruches auf Vorruhestandsgeld in § 8 des Tarifvertrages über den Vorruhestand im Baugewerbe vom 26. September 1984 und die Verjährungsbestimmungen des § 19 des Tarifvertrages über das Verfahren für den Vorruhestand im Baugewerbe vom 12. Dezember 1984 (vgl. BAG Urteil vom 5. September 1995 - 9 AZR 533/94 - aaO).
II. Die Beklagte hat nach § 291 Satz 1, § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB die Geldschuld vom Eintritt der Rechtshängigkeit mit vier vom Hundert für das Jahr zu verzinsen.
III. Die Kosten der erfolglosen Revision sind von der Beklagten nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Fundstellen
BB 1998, 1800 |
DB 1998, 1924 |
ARST 1998, 264 |
FA 1998, 290 |
FA 1998, 297 |
NZA 1998, 1126 |
RdA 1998, 380 |
AP, 0 |