Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristeter Arbeitsvertrag bei MBSE-Maßnahmen

 

Orientierungssatz

1. Parallelsache zu BAG Urteil vom 28.5.1986 7 AZR 581/84.

2. Befristete Arbeitsverträge mit einer Sozialpädagogin im Rahmen des Projekts "Maßnahmen zur Berufsvorbereitung und sozialen Eingliederung junger Ausländer" (MBSE).

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 10.09.1984; Aktenzeichen 9 Sa 59/84)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 20.03.1984; Aktenzeichen 17 Ca 126/83)

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien besteht Streit, ob die Arbeitsverträge der Klägerin wirksam befristet worden sind.

Die Klägerin war seit dem 12. Februar 1981 als Sozialpädagogin im Rahmen der Durchführung von "Maßnahmen zur Berufsvorbereitung und sozialen Eingliederung junger Ausländer" (MBSE) für die Volkshochschule des Bezirkes T des beklagten Landes tätig. In diesem Projekt werden jugendliche Ausländer, die teilweise noch schulpflichtig sind und deshalb von der Schulpflicht befreit werden, in jeweils auf 12 Monate befristeten Lehrgängen mit dem Ziel unterrichtet, ihnen die Aufnahme einer Ausbildung zu ermöglichen sowie ihre gesellschaftliche Handlungsfähigkeit zu verbessern.

Das gesamte MBSE-Programm wird zu 75 % mit Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit sowie zu je 12,5 % mit Mitteln des Bundes und der einzelnen Länder finanziert. Anhand der vorhandenen Teilnehmerzahlen werden vom zuständigen Arbeitsamt zu Beginn einer Maßnahme die Personal- und Sachmittel jeweils für ein Jahr bewilligt.

Die an den Maßnahmen teilnehmenden Jugendlichen werden an der Volkshochschule T in Gruppen bis zu 15 Schülern zusammengefaßt, die montags bis freitags in der Zeit von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr insgesamt 40 Stunden wöchentlich unterrichtet werden. Darin enthalten sind acht Stunden sogenannter fachtheoretischer Unterricht, für die das Land Berlin über den Senator für Arbeit und Betriebe die Finanzierung anteilig mitträgt. Der Unterricht findet in den Räumen der Volkshochschule statt, zum Teil aber auch in den Räumen einer Grundschule, die der Volkshochschule zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt werden.

Die Klägerin, eine Sozialpädagogin, hatte im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben sämtliche Daten der Schüler, die die MBSE- Maßnahmen besuchten, in Form von Akten und Karteikarten zu erfassen. Des weiteren mußten von ihr Schülerlisten, Schüleranwesenheitslisten und ähnliches geführt sowie die Überprüfung der Anwesenheit der Schüler vorgenommen werden. Ferner hatte sie Vordrucke der verschiedensten Art zu entwerfen und zu vervielfältigen, z.B. Entschuldigungsvordrucke, Elternbriefe, Merkzettel für die Ausländerpolizei, Einladungen zu Elternabenden sowie Briefe an Firmen zur Arbeitsplatzsuche. Auch bei Unfällen sowie der Feststellung des aufenthaltsrechtlichen Status betreute die Klägerin die Schüler. Sie begleitete sie gelegentlich zur Ausländerbehörde und zum Arbeitsamt. Des weiteren leistete sie Hilfestellung bei behördlichen Angelegenheiten der Schüler in Form von Telefonaten, dem Abfassen von Briefen, Anträgen usw. Gelegentlich erteilte die Klägerin vertretungsweise Unterricht. Ferner gehörte auch die häusliche Betreuung der Schüler zu ihren Aufgaben.

Die Beschäftigung der Klägerin erfolgte auf der Grundlage mehrerer mündlich abgeschlossener Verträge für "freie Mitarbeiter", die jeweils befristet waren. Im einzelnen ist sie in folgendem Umfang beschäftigt worden:

Vom 12. Februar 1981 bis 31. August 1981

für 20 Wochenstunden,

vom 1. September 1981 bis 31. August 1982

für 40 Wochenstunden,

vom 1. September 1982 bis 31. August 1983

für 40 Wochenstunden,

vom 1. September 1983 bis 31. August 1984

für 20 Wochenstunden.

Die bar ausgezahlte Stundenvergütung betrug 19,-- DM. Diesen Betrag hatte die Klägerin selbst zu versteuern. Zusätzlich erhielt sie 10,25 % als Zuschuß zur Sozialversicherung nach landeseinheitlichen Richtlinien über die sozialversicherungsrechtliche Behandlung arbeitnehmerähnlicher Personen. Die Vergütung wurde in gleichmäßigen Monatsbeträgen jeweils am Monatsende ausgezahlt, und zwar auch für den einen Monat im Laufe der einjährigen Maßnahme, in dem die Schule geschlossen war und den Schülern kein Unterricht erteilt wurde.

Mit ihrer am 15. Oktober 1983 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin u.a. die Auffassung vertreten, sie stehe zu dem beklagten Land in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis, da keine sachlichen Gründe für die Befristung ihrer Vertragsbeziehungen vorgelegen hätten.

Die Klägerin hat beantragt

1. festzustellen, daß zwischen den Parteien ein

unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht,

2. den Beklagten zu verurteilen, sie bis zum

rechtskräftigen Abschluß dieses Verfahrens

weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat u.a. die Auffassung vertreten, für die mehrfach befristeten Beschäftigungsverhältnisse habe jeweils ein sachlicher Grund vorgelegen. Die Förderung von MBSE-Maßnahmen durch das zuständige Landesarbeitsamt sei stets nur für den Zeitraum vom 1. September bis zum 31. August des folgenden Jahres erfolgt. Angesichts der seit 1982 rückläufigen Teilnehmerzahlen habe sich das beklagte Land darauf einrichten müssen, daß die Maßnahmen in einem geringeren Umfange durchgeführt und unter Umständen sogar völlig wegfallen würden.

Bei der Durchführung dieser Maßnahmen sei es sowohl für den Drittmittelgeber als auch für das beklagte Land völlig offen, ob und in welchem Umfang für ein solches Hilfsprogramm nach Ablauf eines Jahres noch Bedarf bestehe. Ob die ausländischen Jugendlichen an diesen MBSE-Maßnahmen teilnehmen, stehe in ihrem freien Ermessen, so daß ein Bedarf nicht errechnet und nicht vorhergesagt werden könne.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umfang entsprochen. Gegen dieses Urteil hat das beklagte Land Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 10. September 1984 hat das beklagte Land erklärt, es wolle nicht mehr in Abrede stellen, daß die Klägerin im Rahmen arbeitsvertraglicher Beziehungen tätig gewesen sei, und die Berufung insoweit zurückgenommen. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und festgestellt, daß zwischen den Parteien arbeitsvertragliche Beziehungen bis zum 31. August 1984 bestanden. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit der "hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit der Befristung" zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht, weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage insoweit abgewiesen, als die Klägerin die Feststellung begehrt, in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land zu stehen. Die im vierten Arbeitsvertrag vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses der Parteien ist rechtswirksam, so daß das Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf der vertraglichen Frist am 31. August 1984 beendet worden ist.

I. In der Revisionsinstanz geht es nur noch um die Frage, ob die zwischen den Parteien vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31. August 1984 wirksam ist. Da das beklagte Land die Berufung gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts, zwischen den Parteien hätten in der Zeit vom 12. Februar 1981 bis 31. August 1984 arbeitsvertragliche Beziehungen bestanden, insoweit zurückgenommen hat, steht der Arbeitnehmerstatus der Klägerin in diesem Zeitraum rechtskräftig fest. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Weiterbeschäftigung ist ebenfalls nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens, da der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat, daß sich die Revision der Klägerin nicht auf diesen Anspruch bezieht.

II. Der Annahme des Landesarbeitsgerichts, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei aufgrund wirksamer Befristung zum 31. August 1984 beendet worden, ist im Ergebnis und teilweise auch in der Begründung zu folgen.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG GS 10, 65 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; BAG 41, 110, 113 ff. = AP Nr. 72 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu B II 2 der Gründe, m.w.N. aus der früheren Rechtsprechung; ferner z. B. Senatsurteil vom 6. Juni 1984 - 7 AZR 458/82 - AP Nr. 83 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 1 der Gründe; Senatsurteil vom 22. März 1985 - 7 AZR 487/84 - AP Nr. 89 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu III 2 a der Gründe) dürfen die Parteien befristete Arbeitsverträge abschließen, wenn bei Vertragsabschluß sachliche Gründe für die Befristung vorgelegen haben. Befristungen sind unzulässig, wenn sie als Gestaltungsmittel objektiv funktionswidrig verwendet werden. Das ist anzunehmen, wenn dem Arbeitnehmer der durch die Kündigungsschutzbestimmungen gewährleistete Bestandsschutz seines Arbeitsverhältnisses ohne sachlichen Grund entzogen wird. In einem solchen Falle hätte ein verständig und sozial denkender Arbeitgeber von vornherein einen Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die befristeten Arbeitsverträge müssen also ihre sachliche Rechtfertigung so in sich tragen, daß sie die Kündigungsschutzvorschriften nicht beeinträchtigen.

2. Das Landesarbeitsgericht hat im Ausgangspunkt zur Frage der Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugrundegelegt. Im einzelnen hat es sodann im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Es könne dahingestellt bleiben, ob das beklagte Land in den jeweiligen MBSE-Programmen ausschließlich Lehrer beschäftigt habe, die vor ihrer Einstellung arbeitslos gewesen seien, was das beklagte Land behaupte, die Klägerin jedoch bestreite. Die fraglichen Maßnahmen dienten jedenfalls in erster Linie der beruflichen und sozialen Eingliederung junger Ausländer. Selbst wenn aufgrund von Richtlinien der Bundesanstalt für Arbeit eine entsprechende Vorgabe bestünde, im Rahmen dieser Programme ausschließlich oder überwiegend arbeitslose Lehrer zum Einsatz zu bringen, könne es keinem Zweifel unterliegen, daß die fraglichen Maßnahmen von vornherein nur ein Übergangsstadium darstellten, wobei die Weiterbeschäftigung der betroffenen Beschäftigten nicht nur von der Verfügbarkeit entsprechender Haushaltsmittel abhängig sei, sondern auch und vor allem von den wechselnden Teilnehmerzahlen. Das beklagte Land begrenze die jeweiligen Arbeitsverträge nicht deshalb auf jeweils ein Jahr, weil der Haushaltsplan auch jeweils für ein Jahr Mittel hierfür ausweise, sondern weil sowohl für den Drittmittelgeber als auch für den Beklagten völlig ungewiß sei, ob und in welchem Umfange für ein solches Sonderprogramm nach Ablauf eines Jahres noch ein entsprechender Bedarf bestehe.

a) Soweit dieser Würdigung tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen, ist der Senat hieran gemäß § 561 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO gebunden, da sie weder mit Tatbestandsberichtigungsanträgen noch mit begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind. Der Senat hat die von der Klägerin erhobene Rüge, das angefochtene Urteil enthalte einen Verstoß gegen § 286 ZPO, geprüft und für unbegründet erachtet. Von einer Begründung der Entscheidung sieht der Senat insoweit gemäß § 565 a ZPO ab.

b) Der letzte zwischen den Parteien abgeschlossene Arbeitsvertrag war rechtswirksam auf die Zeit vom 1. September 1983 bis zum 31. August 1984 befristet.

aa) Der Senat hat in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 8. Mai 1985 - 7 AZR 191/84 - unter Aufgabe seiner bisherigen gegenteiligen Rechtsprechung (vgl. insbesondere Urteil vom 7. März 1980 - 7 AZR 177/78 - AP Nr. 54 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) entschieden, daß es für die Frage, ob die Befristung des Arbeitsverhältnisses mangels eines die Befristung sachlich rechtfertigenden Grundes unwirksam ist, grundsätzlich nur auf den zuletzt abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrag ankommt. An diesem Standpunkt hält der Senat fest.

Da die Klägerin beim Abschluß des letzten befristeten Arbeitsvertrages keinen Vorbehalt hinsichtlich der Wirksamkeit der Befristungen der früheren Arbeitsverträge erklärt hat, kommt es mithin auf die sachliche Berechtigung der Befristungen des ersten und des zweiten Arbeitsvertrages nicht mehr an. Maßgebend war allein der letzte Arbeitsvertrag, für dessen Befristung ein sachlicher Grund bestand, so daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch Fristablauf am 31. August 1984 beendet worden ist.

bb) Der Senat hat bereits in zwei nicht veröffentlichten Urteilen vom 8. Mai 1985 (7 AZR 182/84 und 7 AZR 183/84), denen ähnlich gelagerte Sachverhalte zugrunde lagen, entschieden, daß die von einem Projektträger nicht zu beeinflussende Unsicherheit über die Durchführung weiterer MBSE-Maßnahmen Befristungen des Arbeitsverhältnisses von Lehrkräften und sozialpädagogischen Betreuern für die Dauer des jeweiligen Kurses sachlich rechtfertigen. An dieser Auffassung hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest. Auch die im Streitfall vorliegenden Besonderheiten führen nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung. Im einzelnen gilt folgendes:

Der Senat hat in dem Urteil vom 22. März 1985 - 7 AZR 487/84 - (AP Nr. 89 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, unter III 2 a der Gründe) darauf hingewiesen, daß es sich - anders als etwa bei gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen - bei der von der Rechtsprechung vorgenommenen Typenbildung sachlich gerechtfertigter Befristungen nicht um eine abschließende Aufzählung der Voraussetzungen handelt, unter denen Befristungen rechtswirksam sind. Weist eine als Befristungsgrund vorgetragene Fallgestaltung gewichtige rechtserhebliche Besonderheiten auf, die ihre nahtlose Einordnung in die bisher anerkannten Typen von Befristungsgründen unmöglich machen, so ist eine eigene rechtliche Bewertung dieser Fallgestaltung erforderlich und dabei zu prüfen, ob bei ihr nach den Wertungsmaßstäben der bisherigen Rechtsprechung ein sachlicher Grund für eine Befristung anzuerkennen ist (BAG 42, 203, 208 = AP Nr. 76 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, unter II 3 der Gründe).

Bei der vorliegenden Fallgestaltung handelt es sich um einen Tatbestand, der nicht zwanglos in die seitherige Typologie von anerkannten Befristungsgründen einzuordnen ist. Die als sachlicher Grund für die Befristung in Betracht kommenden Umstände ergeben sich teilweise aus dem Aspekt der Drittmittelfinanzierung, teilweise aus der Bedarfsabhängigkeit der MBSE-Maßnahmen. Die Revision verkennt, daß auch ein derartiger "Mischtatbestand" dazu geeignet ist, die zwischen den Parteien vereinbarte Befristung sachlich zu rechtfertigen.

Die Durchführung von MBSE-Maßnahmen stellt für das beklagte Land keine ihm vom Gesetzgeber zugewiesene staatliche Daueraufgabe dar; es handelt sich vielmehr um die Wahrnehmung einer von der Bundesanstalt für Arbeit jeweils befristet übertragenen sozialstaatlichen Sonderaufgabe von begrenzter Dauer. Dabei ist zu beachten, daß das beklagte Land insoweit gleichsam als "Erfüllungsgehilfe" für die mit der Durchführung von MBSE-Maßnahmen betraute Bundesanstalt für Arbeit tätig wird. Sowohl der nur vorübergehende Charakter als auch die Fremdbestimmtheit dieser Maßnahmen äußern sich u.a. darin, daß die Bundesanstalt für Arbeit in eigener Autonomie darüber entscheiden kann, welche öffentlichen oder privaten Einrichtungen sie mit der Durchführung von MBSE-Maßnahmen jeweils betraut, und daß sie die finanziellen Mittel für die projektbedingten Aufwendungen (Personal- und Sachkosten) nur jeweils kursbezogen dem jeweiligen Projektträger zur Verfügung stellt. Die weitgehende Fremdbestimmtheit der von dem beklagten Land wahrgenommenen Aufgaben zeigt sich weiterhin darin, daß die Bundesanstalt für Arbeit in einem Runderlaß vom 4. Dezember 1979 (Dienstblatt der Bundesanstalt für Arbeit Nr. 339/79) genaue Richtlinien über die Aufgabe, Ziele, Inhalt und Organisation der MBSE-Maßnahmen, über den teilnahmeberechtigten Personenkreis sowie über die Fortbildung der Lehrkräfte aufgestellt hat, an deren Einhaltung der jeweilige Projektträger gebunden ist. Die einem Arbeitgeber typischerweise zustehende personelle Planungskompetenz wird durch den oben erwähnten Runderlaß (aaO) maßgeblich eingeschränkt, indem die Bewilligung der projektbedingt anfallenden Personalmittel nach einem bestimmten Personalschlüssel erfolgt. In Ziffer 6 Abs. 2 der Anlage 1 zum Runderlaß vom 4. Dezember 1979 (aaO) ist folgende Regelung enthalten:

"In den Maßnahmen werden Gruppen von jeweils

12 - 15 Teilnehmern gebildet. Je Gruppe ist

ein Ausbilder hauptamtlich tätig. Für den

Sprachunterricht mit Allgemeinbildung sind

weitere zwei Lehrkräfte für 3 Gruppen ein-

zusetzen. Die Lehrkräfte übernehmen ferner Auf-

gaben im Rahmen der sozialpädagogischen Be-

gleitung. Darüber hinaus steht für jeweils 3

Gruppen eine hauptamtliche sozialpädagogische

Fachkraft zur Verfügung."

Hierin äußert sich eine Bindung des beklagten Landes in der Weise, daß ihm eine eigenständige Personalplanung sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht wegen der verbindlichen Vorgaben der Bundesanstalt im Rahmen der Durchführung von MBSE-Maßnahmen nicht möglich ist. Die Bindung an einen nach quantitativen und qualitativen Merkmalen ausgestalteten Personalschlüssel sowie die hierdurch bedingte Einschränkung der personellen Planungskompetenz unterstreichen den Sonderprogrammcharakter der MBSE-Maßnahmen.

Eine weitere Besonderheit der hier zu beurteilenden Fallgestaltung liegt darin, daß die Durchführung von MBSE-Maßnahmen bedarfsabhängig ist. Abgesehen davon, daß außer dem beklagten Land auch private Einrichtungen in dem hier maßgeblichen Zeitraum (Kursjahr 1983/84) mit der Durchführung von MBSE- Maßnahmen von der Bundesanstalt für Arbeit betraut worden sind, bestand für das beklagte Land auch insofern eine Ungewißheit über die künftige Fortsetzung der MBSE-Maßnahmen, als die Anzahl der Teilnehmer nicht konstant blieb. Der Umstand, daß das beklagte Land durch eigene Werbemaßnahmen versuchte, einen möglichst großen Teilnehmerkreis zu erhalten, ändert nichts an der Tatsache, daß die Bundesanstalt für Arbeit jeweils unter Beachtung der persönlichen Förderungsvoraussetzungen (§ 40 Abs. 2 AFG) die Teilnehmer dem beklagten Land für ein bestimmtes Kursjahr zugewiesen hat. Dabei kann offenbleiben, ob das beklagte Land aufgrund von nicht unerheblichen Sachmittelinvestitionen der Bundesanstalt für Arbeit davon ausgehen konnte, daß es vorrangig mit der Durchführung von MBSE-Maßnahmen beauftragt werden würde. In rechtlicher Hinsicht bestand jedenfalls für die Bundesanstalt für Arbeit keine Verpflichtung, das beklagte Land vorrangig mit der Durchführung von MBSE-Maßnahmen zu betrauen. Das beklagte Land befand sich daher in dem hier fraglichen Zeitraum in einem "Konkurrenzverhältnis" gegenüber den betreffenden privaten Einrichtungen. Da die Durchführung von MBSE-Maßnahmen jeweils gewisse Mindestgruppenstärken voraussetzte, war der Personalbedarf für das beklagte Land nicht langfristig vorhersehbar, zumal die Möglichkeit bestand, gegebenenfalls mehrere Gruppen ausbildungswilliger Jugendlicher, die ansonsten von verschiedenen Maßnahmeträgern unterrichtet würden, in einer förderungsfähigen Gruppe zusammenzufassen.

Angesichts der hier vorliegenden Umstände ist es gerechtfertigt, in jeder kursjahrbezogenen Einzelmaßnahme des seitens der Bundesanstalt für Arbeit mittelfristig angelegten Gesamtprojekts der MBSE-Maßnahmen jeweils ein im wesentlichen durch Drittmittel (87,5 %) finanziertes Sonderprogramm zu sehen. Für das beklagte Land bedeuteten die kursjahrbezogenen Einzelmaßnahmen jeweils die Durchführung von sozialstaatlichen Sonderaufgaben von begrenzter Dauer. Der projektbedingt verursachte personelle Mehrbedarf stellt daher angesichts der weitgehend fremdbestimmten Personalvorgaben sowie wegen der für das beklagte Land in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht bestehenden Unsicherheit über die Durchführung weiterer MBSE-Maßnahmen einen sachlichen Grund dar, die Arbeitsverhältnisse der projektbezogen beschäftigten Arbeitnehmer (z.B. Lehrkräfte oder Sozialpädagogen) für die Dauer des jeweiligen Kursjahres zu befristen. Unabhängig davon, ob die Teilnehmer dieser berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme von dem einzelnen Maßnahmeträger aufgrund eigener Werbemaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit zur Förderung vorgeschlagen werden oder nicht, handelt es sich bei jeder kursjahrbezogenen MBSE-Maßnahme um ein Sonderprogramm, dessen jeweilige Durchführung für den einzelnen Maßnahmeträger wegen der Abhängigkeit von der Zusage einer Projektvergabe seitens der Bundesanstalt für Arbeit ungewiß ist.

cc) Mit der Anerkennung der hier vorliegenden Fallgestaltung als Befristungsgrund setzt sich der Senat entgegen der Meinung der Revision in Widerspruch zu seinem Urteil vom 25. Januar 1980 - 7 AZR 69/78 - (AP Nr. 52 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, unter 3 der Gründe). Dort hat der Senat ausgesprochen, daß das öffentliche Haushaltsrecht keinen unmittelbaren Einfluß auf die Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst hat und daß deshalb auch bei den sogenannten Drittmittelfinanzierungen im Hochschulbereich die Unsicherheit, ob der nächste Haushaltsplan Mittel für eine bestimmte Stelle vorsieht, kein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses sein kann. Der zugrundeliegende Fall betraf die Befristung des Arbeitsvertrages eines wissenschaftlichen Universitätsangestellten der Freien und Hansestadt Hamburg, dessen Stelle eine von 140 Stellen für wissenschaftliche Angestellte war, die die Hamburger Bürgerschaft seit mehreren Jahren im Rahmen eines Sonderprogramms zur Deckung eines vorübergehenden Mehrbedarfs der Universität Hamburg zur Verfügung gestellt hatte. Es ging dabei also um die haushaltsmäßige Bereitstellung eigener Mittel des beklagten öffentlichen Arbeitgebers für seine Universität, für die er selbst die finanzielle Verantwortung trägt. Die Ausführungen in dem genannten Senatsurteil beziehen sich auf derartige Fallgestaltungen. Die Besonderheit der hier zu beurteilenden Fallgestaltung liegt dagegen darin, daß das beklagte Land bei den MBSE-Maßnahmen keine eigenen staatlichen Daueraufgaben, sondern im Auftrage eines anderen, von ihm unabhängigen öffentlichen Rechtsträgers projektbezogene und im wesentlichen mit fremden Mitteln finanzierte Sonderaufgaben von jeweils begrenzter Dauer unter Beachtung von quantitativen und qualitativen personellen Vorgaben der Bundesanstalt für Arbeit wahrnimmt. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt auch maßgeblich von einem Wirtschaftsunternehmen (z.B. Straßenbau-Unternehmen), das ausschließlich oder überwiegend von staatlichen Aufträgen abhängig ist. Abgesehen davon, daß ein derartiges Unternehmen erwerbswirtschaftlich orientiert ist, während das beklagte Land bei der Durchführung von MBSE-Maßnahmen im Bereich der staatlichen Vorsorge tätig wird, begibt sich ein derartiges Wirtschaftsunternehmen nicht in eine personelle Planungsabhängigkeit des Staates. Das von Staatsaufträgen abhängige Wirtschaftsunternehmen kann durch eine entsprechende Preiskalkulation die mit Bestandsschutz- und Abfindungsrisiken verbundenen finanziellen Lasten ausgleichen. Es ist darüber hinaus nicht verpflichtet, sein Personal auftragsbezogen unter Beachtung eines an quantitative und qualitative Merkmale anknüpfenden Personalschlüssels einzusetzen. Bei einer derartigen Sachlage ist es daher, trotz der Unsicherheit der Vergabe von staatlichen Anschlußaufträgen, sachlich nicht gerechtfertigt, die Arbeitnehmer jeweils auftragsbezogen befristet zu beschäftigen.

dd) Die Anwendung der oben (II 2 b bb der Gründe) dargestellten Grundsätze führt im Streitfall zu dem Ergebnis, daß der auf das Kursjahr 1983/84 befristete letzte Arbeitsvertrag sowohl dem Grunde als auch der Dauer nach sachlich gerechtfertigt ist. Das Landesarbeitsgericht hat daher im Ergebnis zu Recht festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch Fristablauf am 31. August 1984 beendet worden ist.

III. Die Revision der Klägerin war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Dr. Seidensticker Dr. Steckhan Dr. Becker

Seiler Dr. Johannsen

 

Fundstellen

Dokument-Index HI441369

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