Leitsatz (amtlich)
1. Die Zusage, geleistete Dienste durch testamentarische Erbeinsetzung zu entgelten, kann jederzeit widerrufen werden.
2. Vom Zeitpunkt des Widerrufs an läuft für den nunmehr als unbeschränkt vereinbart geltenden Lohnanspruch die Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB.
3. Die Rechtsfolge nach Nr. 2 tritt nur ein, wenn der Widerruf unmißverständlich erklärt worden ist.
Normenkette
BGB §§ 612, 196
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 19.03.1976; Aktenzeichen 3 Sa 1323/75) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 19. März 1976 – 3 Sa 1323/75 – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Kläger sind die Großneffen der verstorbenen Frieda H…, die mit einem Onkel des Beklagten, Heinrich H…, verheiratet war. Die Eheleute H… bewirtschafteten in S… ein landwirtschaftliches Anwesen von 10,34 ha.
Die Kläger, von denen Wolfgang Dü… 1949 und Hans-Werner Dü… 1946 geboren sind, lebten bei ihren Eltern in D…. Die Entfernung zum Hof der Eheleute H… beträgt etwa 25 km. Beide Kläger arbeiteten seit der Schulentlassung auf dem Hof der Eheleute H…; über den Umfang der Arbeitsleistung besteht zwischen den Parteien Streit. Die Eheleute H…, geboren 1888 und 1899, waren kinderlos und beschäftigten auf dem Hof keine Hilfskräfte. Die Ehefrau H… ist im Juli 1971 gestorben. Ende August/Anfang September 1971 verpachtete der Ehemann H…, der am 8. November 1973 verstorben ist, den Hof an den Beklagten. Von da an arbeiteten die Kläger auf dem Hof nicht mehr. Der Beklagte wurde auf Grund eines am 7. Februar 1974 eröffneten Testaments vom 29. November 1971 Alleinerbe des Heinrich H… und erbte u.a. auch das landwirtschaftliche Anwesen.
Die Kläger verlangen mit der Klage die nachträgliche Bezahlung der auf dem Hof geleisteten Arbeit. Sie haben vorgetragen, von 1964 bis 1971 allein und vollständig den Hof bewirtschaftet und sämtliche anfallenden Arbeiten verrichtet zu haben. Die Eheleute H… seien aus Altersgründen zu einer wesentlichen Mitarbeit nicht mehr in der Lage gewesen. Die Arbeiten hätten sie während ihrer gesamten Freizeit, nach Feierabend und an Samstagen und Sonntagen und während des Urlaubs durchgeführt. Für die Arbeit hätten sie wohl freie Verpflegung, jedoch keine Barvergütung erhalten. Die Eheleute H… hätten wiederholt zugesichert, sie würden nach ihrem Tode die Kläger angemessen entschädigen. In dieser Erwartung seien die Kläger getäuscht worden. Daher sei der Anspruch auf nachträgliche Vergütung gerechtfertigt. Rechne man für die Jahre 1964 bis 1967 einen Stundenlohn von 2,– DM und für die spätere Zeit einen solchen von 4,– DM, so errechne sich für jeden Kläger ein Lohnanspruch von 11.440,– DM. Der Beklagte müsse daher jedem der Kläger mindestens je 7.500,– DM zahlen.
Die Kläger haben beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie je 7.500,– DM nebst 10 % Zinsen zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Nach seiner Darstellung haben die Kläger nur gelegentlich und nach Lust und Laune auf dem Hof etwas mitgeholfen, wenn sie zu einem verwandtschaftlichen Besuch gekommen seien. Dabei seien sie nicht nur durch Naturalien, sondern auch in Geld entschädigt worden. Eine Entschädigung im Wege einer letztwilligen Zuwendung sei ihnen niemals zugesagt worden. Die Kläger hätten schon zu Lebzeiten – nach dem Tode der Ehefrau H… – eine Vergütung in Geld gefordert. Heinrich H… habe diese Forderung zurückgewiesen und erklärt, daß er irgendwelche Ansprüche der Kläger nicht anerkennen und honorieren wolle. Der Beklagte hat ferner die Einrede der Verjährung erhoben.
Die Kläger haben demgegenüber bestritten, daß Heinrich H… zu Lebzeiten Geldansprüche endgültig abgelehnt habe. Im Herbst 1971 hätten sie zwar auf den Rat ihres Vaters die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden zusammengestellt und ausgerechnet und hätten sich in der Nachbarschaft schriftlich ihre Mitarbeit bestätigen lassen. Damit seien sie zu Heinrich H… gegangen und hätten ihn gefragt, wie es nun werden solle, nachdem er den Hof verpachtet habe. Heinrich H… habe lediglich erklärt, er habe im Moment kein Geld; er werde die Kläger jedoch in seinem Testament bedenken. Man sei daraufhin im Guten auseinander gegangen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat als erwiesen angesehen, daß die Kläger schon im Herbst 1971 Vergütung für ihre Arbeiten gefordert hätten, ein Vergütungsanspruch jedoch von Heinrich H… endgültig zurückgewiesen worden sei. Damit sei ein etwaiger Vergütungsanspruch schon 1971 fällig geworden, so daß im Zeitpunkt der Klageerhebung die Lohnansprüche bereits verjährt gewesen seien.
Auf die Berufung der Kläger hat das Landesarbeitsgericht dieses Urteil abgeändert und hat den Beklagten gemäß dem Klageantrag verurteilt.
Mit der Revision verfolgt der Beklagte den Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat mit unzureichender Begründung die Verjährungseinrede des Beklagten zurückgewiesen.
1. In rechtlicher Hinsicht hält das Landesarbeitsgericht es zunächst für unerheblich, daß der Erblasser Heinrich H…, wie vom Beklagten behauptet, die Zusage eines späteren Ausgleichs der von den Klägern geleisteten Dienste im September 1971 einseitig widerrufen habe. Die Stundung sei Teil eines Vertrages und werde durch einseitige Erklärungen nicht hinfällig; sie wirke hier daher bis zum Tode des Erblassers weiter.
Diese Rechtsansicht trifft für den Bereich der nachträglichen Vergütung geleisteter Dienste wegen Fehlgehens der ursprünglichen Vergütungserwartung nicht zu. In diesen Fällen wird ein späterer Vergütungsausgleich – regelmäßig die Zusage einer Zuwendung im Erbwege – nicht verbindlich zugesagt, sondern nur in Aussicht gestellt. Das gilt auch dann, wenn der Dienstempfänger zugunsten des Dienstleistenden ein Testament errichtet hat. Das Testament ist ungeachtet der geleisteten Dienste jederzeit widerruflich (§ 2253 Abs. 1 BGB) und ist daher nur eine rechtlich nicht bindende Zusage der Vergütung geleisteter Dienste, die als bloße Vergütungserwartung “fehlgehen” kann.
Der Senat sieht in ständiger Rechtsprechung einen nachträglichen Vergütungsanspruch nach § 612 Abs. 1 BGB für den Fall als vereinbart an, daß der zunächst beabsichtigte und rechtlich nicht abgesicherte Vergütungsausgleich scheitert (vgl. BAG AP Nr. 13 zu § 612 BGB). Dieser Anspruch kann praktisch nur Wirksamkeit erlangen, wenn man ihn als Folge der zunächst gewollten Form des Vergütungsausgleichs als gestundet betrachtet (z. B. BAG AP Nr. 27 zu § 612 BGB).
Ein beiderseitiger Wille, an der Stundung festzuhalten, ist jedoch nur solange anzunehmen, als beide Parteien noch von der Erfüllbarkeit der ursprünglichen Vergütungszusage ausgehen (vgl. BAG AP Nr. 28 zu § 612 BGB). Ist sie nicht mehr erfüllbar (“fehlgegangen”), so tritt an ihre Stelle der arbeitsrechtliche Lohnanspruch, der wie sonstige Lohnansprüche von seiner unbeschränkten Entstehung an der Verjährung unterliegt. Das “Fehlgehen” der ursprünglichen Zusage kann jederzeit eintreten, da der Empfänger der geleisteten Dienste rechtlich nicht gezwungen werden kann, den Vergütungsausgleich in der ursprünglich gewollten Form durchzuführen. Es ist daher folgerichtig, vom Zeitpunkt des Widerrufs des zunächst beabsichtigten Vergütungsausgleichs an nicht mehr an der Stundung des späteren arbeitsrechtlichen Vergütungsanspruchs festzuhalten. Ein weiterer Stundungswille läßt sich aus den Vereinbarungen, die der Leistung der Dienste zugrunde liegen, nicht herleiten. Auch die Interessenlage des Dienstleistenden gebietet es nicht, die Stundung weiter wirken zu lassen. Der oftmals schwierige Nachweis des Umfangs der geleisteten Dienste wird erheblich erschwert, wenn der Streit hierüber erst später – meist nach dem Tode des Dienstherrn – geführt wird.
2. Das Landesarbeitsgericht hat in einer weiteren selbständiger Begründung nicht als erwiesen angesehen, daß der Erblasser im September 1971 es endgültig abgelehnt habe, die Kläger für die geleisteten Dienste testamentarisch zu bedenken. Auch diese Begründung trägt nicht das angefochtene Urteil.
Das Landesarbeitsgericht geht zwar zutreffend davon aus, daß der Widerruf des zunächst gewollten Vergütungsausgleichs durch den Empfänger der geleisteten Dienste hinreichend deutlich und unmißverständlich ausgesprochen werden muß; der Dienstleistende muß den Zeitpunkt klar erkennen können, von dem an er mit der Erfüllung der ihm gegebenen Zusagen nicht mehr rechnen kann und nunmehr allein auf einen arbeitsrechtlichen Lohnanspruch angewiesen ist. Ebenso ist richtig, daß im Streitfall hierfür den Empfänger der geleisteten Dienste die Beweislast trifft.
Die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hierzu beruhen jedoch auf einer nicht völlig ausgeschöpften Beweisgrundlage. Die Revision hat in gehöriger Form gerügt, daß das Landesarbeitsgericht nicht die im Schriftsatz vom 22. Januar 1976 (Bl. 101 ff. [110] d.A.) genannten Zeugen B…, Br…, K… und Kö… vernommen habe. Diesen Zeugen soll der Erblasser nach der Behauptung des Beklagten nach September 1971 erklärt haben, die Kläger seien für ihre Tätigkeit hinreichend entlohnt und bekämen nichts weiter. Zwar waren nach dieser Darstellung die Kläger bei den behaupteten Erklärungen nicht zugegen. Die Beweisüberlegungen des Landesarbeitsgerichts gebieten es jedoch, auch Erklärungen des Erblassers gegenüber Dritten nicht außer acht zu lassen.
Über die Erklärungen des Erblassers im September 1971 gegenüber den Klägern selbst liegen die entgegengesetzten Aussagen der Zeuginnen Marie B… (Bl. 55 ff. d.A.) und Elfi Dü… (Bl. 131 ff. d.A.) vor. Das Landesarbeitsgericht ist offenbar der für den Beklagten günstigen Aussage der Zeugin B…, auf der das Urteil des Arbeitsgerichts beruht hatte, nicht gefolgt, weil der Erblasser noch nach September 1971 auch Dritten gegenüber erklärt habe, er wolle den Klägern das Sparbuch geben. Dies hat das Landesarbeitsgericht aus der Aussage der Zeugin Margarete H… gefolgert. Wenn das Landesarbeitsgericht schon Erklärungen des Erblassers gegenüber Dritten – im gegebenen Fall zugunsten der Kläger – wesentlich mitberücksichtigt, kann es an entgegengesetzten Beweisantritten des Beklagten nicht vorbeigehen. Das Übergehen der bezeichneten Beweisantritte des Beklagten ist daher mit der Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts (§ 286 ZPO) nicht zu vereinbaren; es ist nicht auszuschließen, daß das Beweisergebnis des Landesarbeitsgerichts in der Verjährungsfrage hierauf beruht.
Das angefochtene Urteil war somit aufzuheben. Zugleich war der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Siara, Dr. Heither, Dr. Seidensticker, Paetsch, Döring
Fundstellen
Haufe-Index 2628936 |
NJW 1978, 444 |