Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung der Lebensaltersstufe - Gleichbehandlungsgrundsatz
Leitsatz (redaktionell)
1. Zeiten der Ausbildung als Beratungsanwärter nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Beratungsanwärter vom 16. Juni 1972 sind bei der Festsetzung der Lebensaltersstufe nach § 27 Abs 1, Abs 2 und Abs 6 des Manteltarifvertrages für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit vom 21. April 1961 nicht zu berücksichtigen.
2. Soweit die Bundesanstalt für Arbeit in Einzelfällen Zeiten der Ausbildung als Fachanwärter nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Fachanwärter für Arbeitsvermittlung und Berufsberatung in der Bundesanstalt vom 6. Februar 1969 bei der Festsetzung der Lebensaltersstufe berücksichtigt, liegt darin kein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Normenkette
TVG § 1; BGB § 242
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 05.06.1987; Aktenzeichen 17 (16) Sa 1713/86) |
ArbG Bocholt (Entscheidung vom 24.07.1986; Aktenzeichen 3 Ca 816/86) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Festsetzung der Lebensaltersstufe des Klägers, die für die Höhe der Vergütung maßgeblich ist.
Der am 29. Juli 1947 geborene Kläger war zunächst seit dem 18. Juni 1974 bei der Beklagten im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Nachdem sich der Kläger für die Ausbildung als Beratungsanwärter beworben hatte, schlossen die Parteien unter dem 18. Juli 1977 einen Auflösungsvertrag zum 31. August 1977. Sodann stellte die Beklagte den Kläger mit Ausbildungsvertrag vom 12. August 1977 zum Zwecke der Ausbildung für eine qualifizierte Beratungstätigkeit in der Arbeitsvermittlung oder Berufsberatung ab 1. September 1977 ein. Das Ausbildungsverhältnis bestimmte sich nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Beratungsanwärter vom 16. Juni 1972 (TV-Beratungsanwärter) in der Fassung des 4. Änderungstarifvertrages vom 10. Dezember 1974. Nach § 8 Abs. 1 TV-Beratungsanwärter erhält der Beratungsanwärter für den Kalendermonat einen Grundbetrag in Höhe von jeweils 50 (später 55) v.H. oder gemäß § 8 Abs. 2 85 v.H. der Anfangsgrundvergütung (§ 27 Abs. 1 des Manteltarifvertrags für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit zum 21. April 1961 - MTA -) und des Ortszuschlages (Stufe 1) eines Angestellten der Vergütungsgruppe IV a der Anlage 1 zum MTA. Die Ausbildung des Klägers dauerte drei Jahre und bestand aus Fachstudien und berufspraktischen Studienzeiten.
Neben dieser Ausbildung als Beratungsanwärter führte die Beklagte 1977 u.a. die Ausbildung als Fachanwärter für Arbeitsvermittlung und Berufsberatung durch. Der Fachanwärter erhält entsprechend § 8 des Tarifvertrages zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Fachanwärter für Arbeitsvermittlung und Berufsberatung in der Bundesanstalt vom 6. Februar 1969 (TV-Fachanwärter) in der Fassung des 4. Änderungstarifvertrages vom 10. Dezember 1974 eine Vergütung von 90 v.H. und vom Beginn des Monats, der auf den Monat des Bestehens der zweiten Fachprüfung folgt, in Höhe von 100 v.H. der Vergütung, die er als Angestellter der Vergütungsgruppe V b nach §§ 27 bis 29, 32 MTA erhalten würde. Diese Ausbildung gliederte sich 1977 in den Besuch von Verwaltungsschulen und praktischen Ausbildungszeiten und dauerte zwei Jahre.
Nach erfolgreicher Ausbildung werden die Beratungsanwärter als Arbeitsberater und die Fachanwärter als Hauptvermittler eingestellt. Die Anfangstätigkeit des Arbeitsberaters ist in der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 5 der Anlage 1 zum MTA und die des Hauptvermittlers in der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 2 beschrieben.
Nachdem der Kläger seine Ausbildung als Beratungsanwärter bestanden hatte, stellte die Beklagte ihn mit schriftlichem Arbeitsvertrag vom 3. September 1980 als angestellten Arbeitsberater ein. Nunmehr findet auf das Arbeitsverhältnis wieder der Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit (MTA) kraft Tarifbindung und einzelvertraglicher Vereinbarung Anwendung. Dieser bestimmt in seinem § 27 u.a.:
§ 27
Grundvergütung
(1) Im Vergütungstarifvertrag sind die Grundvergütungen
in den Vergütungsgruppen nach Lebensaltersstufen
zu bemessen. Die Grundvergütung der ersten Lebens-
altersstufe (Anfangsgrundvergütung) wird vom Beginn
des Monats an gezahlt, in dem der Angestellte in den
Vergütungsgruppen III bis X das 21. Lebensjahr, in
den Vergütungsgruppen I bis II das 23. Lebensjahr
vollendet. Nach je zwei Jahren erhält der Angestell-
te bis zum Erreichen der Grundvergütung der letzten
Lebensaltersstufe (Endgrundvergütung) die Grundver-
gütung der folgenden Lebensaltersstufe.
(2) Wird der Angestellte in den Vergütungsgruppen III
bis X spätestens am Ende des Monats eingestellt,
in dem er das 31. Lebensjahr vollendet, erhält
er die Grundvergütung seiner Lebensaltersstufe.
Wird der Angestellte zu einem späteren Zeitpunkt
eingestellt, erhält er die Grundvergütung der Le-
bensaltersstufe, die sich ergibt, wenn das bei der
Einstellung vollendete Lebensjahr um die Hälfte
der Lebensjahre vermindert wird, die der Angestell-
te seit Vollendung des 31. Lebensjahres zurückge-
legt hat. Jeweils mit Beginn des Monats, in dem
der Angestellte ein Lebensjahr mit ungerader Zahl
vollendet, erhält er bis zum Erreichen der Endgrund-
vergütung die Grundvergütung der folgenden Lebens-
altersstufe. ...
(3) - (5) ...
(6) Wird der Angestellte in unmittelbarem Anschluß an
eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst als Ange-
stellter, Arbeiter, Beamter, Soldat auf Zeit oder
Berufssoldat eingestellt, gilt als Tag der Ein-
stellung der Tag, von dem an der Angestellte un-
unterbrochen in einem dieser Rechtsverhältnisse
im öffentlichen Dienst gestanden hat.
...
Protokollnotizen zu Abs. 6:
1. ...
2. Eine Unterbrechung sowie kein unmittelbarer
Anschluß liegen vor, wenn zwischen den Rechts-
verhältnissen im Sinne des Absatzes 6 ein oder
mehrere Werktage - mit Ausnahme allgemein ar-
beitsfreier Werktage - liegen, in denen das
Angestelltenverhältnis oder das andere Rechts-
verhältnis nicht bestand. ..."
Die Beklagte hat in einer von ihr herausgegebenen Textausgabe des MTA eine Anmerkung angefügt, der sie Erlaßcharakter zuspricht. Darin heißt es:
"Bei Bediensteten, die im unmittelbaren Anschluß
an ein Rechtsverhältnis als Fachanwärter in das
Angestelltenverhältnis übernommen werden, bin ich
damit einverstanden, daß die Festsetzung der Grund-
vergütung so vorgenommen wird, als wenn die Ein-
stellung als Angestellter bereits mit dem Tage
des Beginns des Ausbildungsverhältnisses erfolgt
wäre."
Die Beklagte stufte den Kläger am 3. September 1980 gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 MTA in die 31. Lebensaltersstufe ein. Dagegen verlangt der Kläger die Festsetzung der seinem tatsächlichen Lebensalter entsprechenden 33. Lebensaltersstufe. Er hat gemeint, die Ausbildungszeit vom 1. September 1977 bis 2. September 1980 sei dabei zu berücksichtigen. Das folge unmittelbar aus § 27 Abs. 6 Satz 1 MTA. Die Ausbildungszeit als Beratungsanwärter stelle eine Angestelltentätigkeit im Sinne der tariflichen Regelung dar; er habe die Tätigkeit als Arbeitsberater im unmittelbaren Anschluß hieran aufgenommen. Des weiteren folge sein Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Wenn die Beklagte die Ausbildungszeit als Fachanwärter im Rahmen des § 27 Abs. 2 MTA nach Maßgabe des Erlasses in Anrechnung bringe, müsse auch die Ausbildungszeit als Beratungsanwärter Berücksichtigung finden.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet
ist, ihm ab Februar 1982 die entsprechende
Grundvergütung der 33. Lebensaltersstsufe,
ab 1. Juli 1982 der 35. Lebensaltersstufe und
nach je zwei Jahren bis zum Erreichen der
Grundvergütung der letzten Lebensaltersstufe
die Grundvergütung der folgenden Lebensalters-
stufe zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, nach dem Willen der Tarifvertragsparteien seien Ausbildungsverhältnisse im Rahmen des § 27 Abs. 6 MTA nicht zu berücksichtigen. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebiete bei der Bemessung der Lebensaltersstufe von ehemaligen Fach- und Beratungsanwärtern nicht die gleiche Anrechnung der Ausbildungszeiten, weil lediglich bei einzelnen ehemaligen Fachanwärtern aufgrund derselben Vergütungsstruktur im Ausbildungs- und Angestelltenverhältnis finanzielle Nachteile nach Abschluß der Ausbildung und Aufnahme der Angestelltentätigkeit eintreten könnten. Die Vermeidung einer finanziellen Benachteiligung im Übergang der Fachanwärter in das Angestelltenverhältnis rechtfertige die vorgenommene Differenzierung.
Das Arbeitsgericht hat der Klage ab April 1985 stattgegeben und sie im übrigen wegen Versäumung der tariflichen Ausschlußfrist abgewiesen. Die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil blieb ohne Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte den Klageabweisungsantrag in vollem Umfang weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur vollständigen Klageabweisung.
I. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, der Kläger könne seinen Anspruch nicht aus § 27 Abs. 6 MTA herleiten. Aus dem Tarifwortlaut und dem tariflichen Gesamtzusammenhang folge, daß es sich bei den in § 27 Abs. 6 Satz 1 MTA aufgenommenen Rechtsverhältnissen um eine abschließende Regelung handele, die die Berufsausbildungs- und Praktikantenverhältnisse nicht aufführe. Die Nichtberücksichtigung der Ausbildungszeit des Klägers als Beratungsanwärter verletze aber den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Nach ihrem Erlaß zu § 27 Abs. 2 MTA wende die Beklagte bei ehemaligen Fachanwärtern, die im unmittelbaren Anschluß an ihr Ausbildungsverhältnis in ein Angestelltenverhältnis übernommen werden, § 27 Abs. 6 MTA über den Wortlaut hinaus entsprechend für die Ausbildungszeit an. Zur Begründung verweise die Beklagte auf die Vermeidung finanzieller Nachteile, die durch die Vergütungsstruktur bei ehemaligen Fachanwärtern unstreitig eintreten können. Dieser angeführte Zweck könne grundsätzlich die Ungleichbehandlung zu den Beratungsanwärtern rechtfertigen. Jedoch trete, wie die Beklagte ausdrücklich zugestanden habe, eine generelle Vermögenseinbuße bei der Einstellung als Hauptvermittler nicht ein, sondern nur in Einzelfällen. Insoweit hätte es ausgereicht, wenn die Beklagte in ihrem Erlaß nur diese Fälle zur Anrechnung gebracht hätte. Dagegen stelle die generelle Anrechenbarkeit der Ausbildungszeit als Fachanwärter für die Lebensaltersstufe der Hauptvermittler eine unzulässige Schlechterstellung der Beratungsanwärter dar, weil letzteren im Gegensatz zu den ehemaligen Fachanwärtern ohne spätere tatsächliche Vermögenseinbuße die Anrechnung der Ausbildungszeit ohne sachlichen Grund verwehrt werde. Auch die Beratungsanwärter hätten ebenso wie die Fachanwärter bei der unmittelbaren Einstellung als Angestellte ihre Treue zum öffentlichen Dienst bewiesen. Durch die höhere Eingruppierung der Arbeitsberater werde lediglich deren längere und qualifiziertere Ausbildung honoriert, ansonsten seien Hauptvermittler und Arbeitsberater bezüglich der Anrechnung ihrer Ausbildungszeit auf die Lebensaltersstufen gleichzubehandeln.
II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Der Kläger hat keinen tariflichen Anspruch auf Anrechnung der dreijährigen Ausbildungszeit als Beratungsanwärter gemäß § 27 Abs. 6 MTA bei Ermittlung der Lebensaltersstufe nach § 27 Abs. 1 und 2 MTA. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 27 Abs. 6 MTA nicht. Das ergibt dessen Auslegung.
a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regelungen. Zunächst ist vom Wortlaut auszugehen. Es ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist jedoch der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat (BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 55, 374 = AP Nr. 5 zu § 29 BAT; BAG Urteil vom 17. März 1988 - 6 AZR 634/86 - AP Nr. 1 zu § 2 TV Rat Ang - zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung bestimmt - m.v.N.). Ferner ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm ermittelt werden kann. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages, gegebenenfalls auch eine praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAGE 46, 308, 316 = AP, aaO).
b) Nach seinem Wortlaut führt § 27 Abs. 6 Satz 1 MTA als anrechnungsfähige Rechtsverhältnisse für die Berechnung der Lebensaltersstufe bei der Beklagten Tätigkeiten im öffentlichen Dienst als Angestellter, Arbeiter, Beamter, Soldat auf Zeit oder Berufssoldat auf. Diese Aufzählung umfaßt berufliche Tätigkeiten in einem privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen (Voll-) Dienstverhältnis, wenn sie dem Bediensteten Lebensinhalt waren und zum Erwerb seines Lebensunterhaltes dienten (vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Bd. 1, Stand August 1989, § 20 Rz 4, für die inhaltliche Aufzählung bei der Anrechnung von Dienstzeiten im öffentlichen Dienst). § 27 Abs. 6 MTA hat damit wie die wortgleiche tarifliche Regelung im BAT den Sinn, die Einheit des öffentlichen Dienstes zu gewährleisten und die Treue zum öffentlichen Dienst zu honorieren, wenn der Angestellte entweder ununterbrochen im öffentlichen Dienst verbleibt und den Status oder den Arbeitgeber wechselt oder nach einer zeitlichen Unterbrechung in den öffentlichen Dienst zurückkehrt (vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, aaO, § 27 Rz 75). Privatrechtliche Ausbildungsverhältnisse nach den entsprechenden Tarifverträgen bei der Beklagten werden in der enumerativen und abschließenden Aufzählung nicht genannt (in diesem Sinne für § 27 BAT: Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Bd. 1, Stand Juni 1989, § 27 Abschn. A - Grundvergütung Bund, Länder, Erl. 19 unter Hinweis auf das angegriffene Berufungsurteil). Diese Rechtsverhältnisse sind im Gegensatz zu den Arbeitsverhältnissen im engeren Sinn nicht auf den Austausch von Arbeitsleistungen gegen Entgelt angelegt, sondern sollen dem Auszubildenden eine entsprechende ordnungsgemäße Ausbildung zuteil werden lassen (BAG Urteil vom 13. Dezember 1972 - 4 AZR 89/72 - AP Nr. 26 zu § 611 BGB Lehrverhältnis; BAG Urteil vom 20. Oktober 1983 - 6 AZR 590/80 - AP Nr. 5 zu § 47 BAT; Natzel, Berufsbildungsrecht, 3. Aufl., S. 132, 136).
2. Der Kläger kann die Anrechnung auch nicht aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verlangen.
a) Nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ist es dem Arbeitgeber bei gleichliegenden Sachverhalten verwehrt, in seinem Betrieb einzelne oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen des Arbeitsverhältnisses auszunehmen und schlechterzustellen (BAGE 49, 346 = AP Nr. 76 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAGE 45, 76 = AP Nr. 67 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAGE 45, 86 = AP Nr. 68 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAGE 39, 132 = AP Nr. 51 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAGE 33, 57 = AP Nr. 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, bei freiwilligen Leistungen die Leistungsvoraussetzung so abzugrenzen, daß kein Arbeitnehmer hiervon aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen bleibt (BAGE 39, 132, 135; 33, 57, 59 = AP, jeweils aaO; BAGE 28, 14 = AP Nr. 40 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAG Urteil vom 11. September 1974 - 5 AZR 567/73 - AP Nr. 39 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). Er ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für eine Differenzierung nicht finden läßt.
Die Beurteilung darüber, ob eine Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist oder nicht, richtet sich nach dem Zweck der Leistung (BAGE 45, 86, 89 = AP, aaO). Dieser ist vom Arbeitgeber frei zu bestimmen. Jedoch bleibt auch insoweit zu prüfen, ob der mit den Leistungen verfolgte Zweck als solcher sachwidrig ist und die Differenzierung deshalb nicht gerechtfertigt ist (BAGE 45, 86, 89 = AP, aaO).
b) Im Streitfall liegen bereits ungleiche Sachverhalte vor, die eine ungleiche Behandlung rechtfertigen. Die Unterschiede sind in der andersartigen Vergütungsstruktur während der Ausbildung der Beratungsanwärter und der Fachanwärter begründet. Der Kläger erhielt nach § 8 TV-Beratungsanwärter einen an der Anfangsvergütung eines Angestellten der Vergütungsgruppe IV a orientierten festen Grundbetrag, nicht jedoch einen an seinem Lebensalter orientierten variablen Betrag. Das hatte zur Folge, daß er nach Abschluß seiner Ausbildung in jedem Fall eine effektiv höhere Grundvergütung als während der Ausbildungszeit erhielt. Das geschah unabhängig davon, ob die Beklagte nach den tariflichen Bestimmungen die Lebensaltersstufe entsprechend dem tatsächlichen Lebensalter festsetzte (§ 27 Abs. 2 Satz 1 MTA) oder bei der Vergütungsberechnung ein fiktives herabgesetztes Lebensalter (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 1987 - 6 AZR 123/85 -, nicht veröffentlicht) zugrunde legte (§ 27 Abs. 2 Satz 2 MTA). Anders verhält es sich bei den Fachanwärtern. Diese erhielten nach Bestehen der zweiten Fachprüfung eine Vergütung in Höhe von 100 v.H. der Vergütung, die sie als Angestellte der Vergütungsgruppe V b nach Maßgabe der §§ 27 bis 29, 32 MTA erhalten würden. Nach Beendigung der Ausbildung bekam ein Fachanwärter somit dieselbe Vergütung wie in seiner Ausbildung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 MTA, soweit er das 33. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. In diesem Fall erhielt er bei Anwendung der Halbierungsregelung des § 27 Abs. 2 Satz 2 MTA als Angestellter weniger als in der Ausbildung. Denn bei der Einstellung eines älteren Arbeitnehmers werden die ein bestimmtes Lebensalter übersteigenden Lebensjahre lediglich zur Hälfte in Ansatz gebracht (Senatsurteil vom 17. Dezember 1987 - 6 AZR 123/85 -). Dieses Ergebnis verhindert der sogenannte Erlaß, in dem er für die Gruppe dieser ehemaligen Fachanwärter die Berücksichtigung des tatsächlichen Lebensalters gestattet. Die Bundesanstalt für Arbeit regelt mit ihm also keine "Anrechnung" der Ausbildungszeit, sondern will für die Gruppe der im späteren Lebensalter ihre Ausbildung beendenden Facharbeiter den "Besitzstand" erhalten und ein Absinken unter das bisherige Vergütungsniveau verhindern. Das wird erreicht durch die uneingeschränkte Anwendung des in § 27 Abs. 2 Satz 1 MTA niedergelegten Prinzips unter Nichtberücksichtigung der Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 2 MTA.
c) Soweit das Landesarbeitsgericht meint, die Beklagte habe deshalb gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, weil es ausgereicht hätte, wenn die Beklagte in ihrem Erlaß entsprechend der tariflichen Festsetzung der Beschäftigungszeit nach § 19 Abs. 1 Satz 3 MTA die Anrechenbarkeit der Ausbildungszeit auf die Lebensaltersstufe bei Hauptvermittlern in unbilligen Härtefällen vorgesehen hätte, unterliegt es einem Irrtum. Das Landesarbeitsgericht übersieht, daß die Beklagte mit ihrem Erlaß keineswegs eine für alle Fachanwärter gültige Vergünstigung anstelle einer Regelung für unbillige Härtefälle geschaffen hat. Auch wenn der Erlaßtext sprachlich nicht differenziert, betrifft er doch nur die wenigen Fachanwärter, die ihre Tätigkeit als Hauptvermittler nach Vollendung des 33. Lebensjahres aufnehmen. Er findet daher, wie das Landesarbeitsgericht gefordert hat, nur in den von ihm sogenannten Härtefällen Anwendung. Unter diesen Voraussetzungen folgt aus dem Erlaß ein übertariflicher Anspruch. Er verändert die tarifliche Rechtslage in allen anderen Fällen jedoch nicht. Die Fachanwärter, die bis zur Vollendung ihres 33. Lebensjahres ihre Ausbildung beendet haben, bekommen ihre Vergütung entsprechend der tariflichen Regelung nach der mit ihrem tatsächlichen Lebensalter identischen Lebensaltersstufe. Die sogenannte "Anrechnung" der Ausbildungszeit hat bei ihnen keinerlei Auswirkungen. Wird damit nicht die gesamte Angestelltengruppe der ehemaligen Fachanwärter gegenüber der Angestelltengruppe der ehemaligen Beratungsanwärter begünstigt, verbietet sich ein Gruppenvergleich insgesamt, wie ihn das Landesarbeitsgericht im Ergebnis durchgeführt hat. Vergleichbar sind nur die älteren ehemaligen Beratungsanwärter und die älteren ehemaligen Fachanwärter. Da sie in der Ausbildung eine Vergütung nach differenzierten Regelungen erhalten haben und der ungleiche Sachverhalt in der Ausbildung im Angestelltenverhältnis fortwirkt, durfte die Beklagte dem Rechnung tragen und eine ungleiche Regelung im Angestelltenverhältnis treffen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Dr. Röhsler Schneider Dörner
Ramdohr Möller-Lücking
Fundstellen
Haufe-Index 440838 |
EBE/BAG 1990, 12-15 (LT1-2) |
RdA 1990, 125 |
ZTR 1990, 111-113 (LT1-2) |
AP § 27 MTA (LT1-2), Nr 1 |
EzBAT § 27 BAT Abschnitt A - Bund/Länder, Nr 2 (LT1-2) |
PersR 1990, 116 (L) |