Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatzurlaub für Schwerbehinderte. Zusätzliches Urlaubsgeld
Orientierungssatz
Anspruch auf tarifliches Urlaubsgeld nach § 19 des Manteltarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte der a. Wärme-, Klima- und Gesundheitstechnik sowie des Rohrleitungsbaus in Hessen b. Heizungs-, Klima- und Sanitärtechnik sowie des Rohrleitungsbaus in Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 31.10.1979 für den nach § 44 SchwbG zu gewährenden Zusatzurlaub.
Normenkette
TVG § 1; BUrlG § 11; SchwbG § 44
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 22.08.1983; Aktenzeichen 11 Sa 98/83) |
ArbG Gießen (Entscheidung vom 01.12.1982; Aktenzeichen 2 Ca 538/82) |
Tatbestand
Der Kläger ist bei der Beklagten als Arbeiter beschäftigt. Er ist schwerbehindert. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte der a) Wärme-, Klima- und Gesundheitstechnik sowie des Rohrleitungsbaus in Hessen b) Heizungs-, Klima- und Sanitärtechnik sowie des Rohrleitungsbaus in Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 31. Oktober 1979 (MTV) anzuwenden.
Der MTV enthält zum Urlaubsanspruch u. a. folgende Regelungen:
"§ 17 Urlaubsanspruch
1. Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Urlaubsjahr
einmal Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fort-
zahlung des Entgeltes.
2. - 5. .....
§ 18 Urlaubsdauer
1. Arbeitnehmer haben Anspruch auf Urlaub.
Der Urlaub beträgt im Kalenderjahr: ...
(Es folgt eine Tabelle mit den nach Lebensalter
und Kalenderjahren gestaffelten Arbeitstagen)
2. Stichtag für die Berechnung des Lebensalters
ist der 1. Januar.
3. Schwerbehinderte erhalten einen zusätzlichen
Urlaub nach den gesetzlichen Bestimmungen.
4. ...
§ 19 Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld
A. Urlaubsentgelt
1. Während des Urlaubs ist der monatliche Gesamt-
verdienst einschließlich sämtlicher monatlich
regelmäßig wiederkehrender Vergütungen als Ur-
laubsentgelt weiterzuzahlen. Verdienstkürzungen
infolge von Kurzarbeit bleiben außer Betracht.
Dieses Urlaubsentgelt wird nur für Erholungsur-
laub gem. § 17 gewährt. ...
2. Auf Wunsch des Arbeitnehmers ist vor Beginn des
Urlaubs das Urlaubsentgelt auszuzahlen oder eine
entsprechende Vorauszahlung zu leisten.
3. Für gewerbliche Arbeitnehmer wird das Urlaubs-
entgelt wie folgt berechnet:
a) Der Arbeitnehmer erhält für jeden Urlaubstag
1/65 des Gesamtverdienstes der letzten abge-
rechneten 13 Wochen bzw. 3 Monate.
b) - e) .....
B. Urlaubsgeld
1. Der Arbeitnehmer erhält ein zusätzliches Urlaubs-
geld. Das zusätzliche Urlaubsgeld beträgt 50 %
des nach A errechneten Urlaubsentgeltes.
2. ..."
Die Beklagte gewährte dem Kläger im Juli 1982 fünf Tage und im August 1982 einen Tag Zusatzurlaub für Schwerbehinderte, weigerte sich aber, dem Kläger für diese Zeit das tarifliche Urlaubsgeld in Höhe von 390,-- DM zu zahlen. Auch nachdem dieser am 16. August 1982 den Anspruch schriftlich geltend gemacht hatte, lehnte die Beklagte die Erfüllung dieses Anspruchs am 23. September 1982 ab.
Mit seiner Klage vom 20. Oktober 1982 hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 390,-- DM brutto nebst 4 v. H. Zinsen seit 28. Oktober 1982 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die zugelassene Berufung der Beklagten war erfolglos.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungsziel weiter. Der Kläger bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Zahlung des tariflichen Urlaubsgeldes zu Recht bejaht.
Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger das tarifliche Urlaubsgeld nach § 19 Buchst. B MTV für den ihm nach § 44 SchwbG im Jahre 1982 gewährten Zusatzurlaub zu zahlen.
Nach § 19 Buchst. B Nr. 1 MTV erhält der Arbeitnehmer ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des nach § 19 Buchst. A MTV errechneten Urlaubsentgelts. Dieses Urlaubsentgelt wird z. T. in Abweichung von der in § 11 BUrlG gesetzlich vorgesehenen Berechnungsmethode (vgl. dazu BAG Urteil vom 19. September 1985 - 6 AZR 460/83 - zur Veröffentlichung vorgesehen) "während des Urlaubs weitergezahlt", also damit auch während des Urlaubs, der aufgrund § 44 SchwbG dem Schwerbehinderten zusätzlich zu gewähren ist. Dieser Zusatzurlaub ist Erholungsurlaub i. S. des BUrlG (BAG 37, 379 = AP Nr. 3 zu § 44 SchwbG; BAG Urteil vom 20. Oktober 1983 - 6 AZR 142/82 - AP Nr. 4 zu § 44 SchwbG). Eine Einschränkung der tariflichen Urlaubsentgeltberechnung etwa nur auf tarifliche Urlaubstage enthält § 19 Buchst. A MTV nicht. Der Entgeltanspruch erstreckt sich allgemein auf den Urlaub. Entsprechend ist auf der Berechnungsgrundlage nach § 19 Buchst. B MTV das Urlaubsgeld ohne Einschränkung in Höhe von 50 % des Urlaubsentgelts zu ermitteln.
Zu Unrecht meint die Beklagte, der Anspruch des Klägers sei durch § 19 Buchst. A Nr. 1 Satz 3 MTV ausgeschlossen. Nach dieser Tarifbestimmung wird das während des Urlaubs weiterzuzahlende Urlaubsentgelt nur für Erholungsurlaub gemäß § 17 MTV gewährt. Die Beklagte übersieht, daß auch der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte i. S. von § 44 SchwbG Erholungsurlaub i. S. von § 17 Nr. 1 MTV ist. Danach hat jeder Arbeitnehmer in jedem Urlaubsjahr einmal Anspruch auf Erholungsurlaub und auf Fortzahlung des Entgelts.
Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf abgestellt, daß § 17 Nr. 1 MTV nicht nur auf den durch den MTV geregelten Urlaubsanspruch, sondern allgemein auf den einem Arbeitnehmer zu gewährenden Erholungsurlaubsanspruch bezogen ist, damit also auch auf die Verpflichtungen, die z. B. nach dem Bundesurlaubsgesetz sowie dem Schwerbehindertengesetz dem Arbeitgeber bereits unmittelbar kraft Gesetzes auferlegt sind.
Auch die Beklagte geht davon aus, daß sie jedenfalls im Umfang des Urlaubs nach dem Bundesurlaubsgesetz tariflich durch §§ 17 ff. MTV gehalten ist, auch das in § 19 Buchst. B MTV geregelte Urlaubsgeld zu zahlen.
Soweit die Beklagte schließlich für ihre Auffassung auf § 18 Nr. 3 MTV abstellt, ergibt sich für den Anspruch des Klägers nichts anderes. § 18 MTV enthält in Nr. 1 die Regelung über die Dauer des den Arbeitnehmern gesetzlich und tarifvertraglich insgesamt zustehenden Urlaubs sowie in Nr. 3 den Hinweis auf den zusätzlichen Urlaub, den Schwerbehinderte nach den gesetzlichen Bestimmungen erhalten. Ist Gegenstand von § 18 MTV damit lediglich die Dauer des den Arbeitnehmern zustehenden Urlaubs, die sich - wie aus § 18 Nr. 3 MTV zu schließen ist - um die Urlaubstage nach § 44 SchwbG erweitern kann, wird dadurch nicht der Anspruch nach § 17 Nr. 1 MTV eingeschränkt. Damit entfällt entgegen der Auffassung der Beklagten jeder Anhaltspunkt, daß für den Zusatzurlaub nach § 44 SchwbG der Anspruch auf das tarifliche Urlaubsgeld ausgeschlossen ist.
Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer
Kleeschulte Kordus
Fundstellen