Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderzahlung. Gleichbehandlung
Orientierungssatz
Es widerspricht dem Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn ein Arbeitgeber eine Sonderzahlung, deren Höhe in hohem Maße durch Krankheitstage bestimmt wird und die im Hinblick auf Rückzahlungsklauseln im Falle eines Ausscheidens im Folgejahr zur Betriebstreue anreizen soll, nur solchen Arbeitnehmern gewährt, die neue, verschlechternde Arbeitsbedingungen akzeptiert haben, die sich zudem im Anspruchsjahr vergütungsmäßig nicht auswirkten.
Normenkette
BGB § 611; TzBfG § 4 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Nürnberg (Urteil vom 06.06.2007; Aktenzeichen 3 Sa 250/06) |
ArbG Bamberg (Urteil vom 31.01.2006; Aktenzeichen 4 Ca 222/05 C) |
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 6. Juni 2007 – 3 Sa 250/06 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg – Kammer Coburg – vom 31. Januar 2006 – 4 Ca 222/05 C – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.540,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. November 2004 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Sonderzahlung für das Jahr 2004.
Der Kläger ist seit dem 1. April 1979 als Maschinenschlosser bei der Beklagten zu einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37 Stunden beschäftigt.
Die Beklagte stellt Vliesstoffe und Nadelfilze her, die hauptsächlich in der Polstermöbelindustrie Verwendung finden. Sie beschäftigte Ende 2004 ca. 100 gewerbliche Mitarbeiter sowie 20 Angestellte.
Die Beklagte zahlte den Mitarbeitern bis einschließlich 2003 jährlich mit dem Novemberlohn eine Weihnachtssonderzahlung. In ähnlich lautenden Aushängen hatte sie bis zum Jahre 2003 den Arbeitnehmern jeweils mitgeteilt:
“Wir gewähren auch in diesem Jahr eine angemessene Weihnachtsgratifikation als freiwillige Leistung ohne Anerkennung einer Rechtsverpflichtung für die Zukunft. Aus der Zahlung dieser freiwilligen Weihnachtsgratifikation können keinerlei Ansprüche irgendwelcher Art, auch nicht für die Zukunft abgeleitet werden. Mit der Entgegennahme dieser Sonderzahlung wird das ausdrücklichst anerkannt.
Voraussetzung für die Zahlung ist eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von mindestens 6 Monaten, sowie Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstermin. Neue Mitarbeiter, die einen kürzeren Zeitraum als 6 Monate vorliegen haben, erhalten im angepaßten Umfange anteilig eine freiwillige Weihnachtsgratifikation. Gekündigte Arbeitsverhältnisse sind von einer Zahlung ausgenommen.
Als Bemessungsgrundlage für die Gratifikation ist ein Zeitraum von 12 Monaten gültig und zwar aus tatsächlich geleisteter Anwesenheit im Betrieb und Arbeit vom 01.11.02 bis 31.10.03. Fehltage verringern die Gratifikationshöhe entsprechend. Die Weihnachtsgratifikation wurde für jeden einzelnen Mitarbeiter individuell und exakt nach dem gleichen Schlüssel errechnet, unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für die einzelnen unterschiedlichen Arbeitsgebiete und Tätigkeiten.
Soweit die freiwillige Gratifikation mehr als € 100,-- beträgt, gilt die Rückzahlungsklausel für den Fall vereinbart, dass der betreffende Betriebsangehörige vorzeitig aus unserem Betrieb aus eigenem Ermessen ausscheidet, oder durch sein Verhalten zu einer Kündigung Anlaß gibt. Für die Rückzahlungspflicht gilt folgende gestaffelte Regelung:
Für Gratifikation mehr als € 100,--, jedoch unter € 500,--, gilt die Rückzahlungspflicht bei einem Ausscheiden bis einschließlich 31.03.2004.
Für Gratifikationshöhe ab € 500,--, jedoch unter € 1.000,--, gilt die Rückzahlungspflicht bei einem Ausscheiden bis einschließlich 15.05.2004.
Für Gratifikationshöhe ab € 1.000,--, jedoch unter € 1.500,--, gilt Rückzahlungspflicht bei einem Ausscheiden bis einschließlich 30.06.2004.
Für Gratifikationshöhe ab € 1.500,--, gilt Rückzahlungspflicht bei einem Ausscheiden bis einschließlich 30.09.2004.
Auf diese Weise soll analog der gestaffelten freiwilligen Gratifikationshöhe auch eine gewisse betriebliche Bindung für den betreffenden Mitarbeiter in der Folgezeit erreicht werden. Die absolute Freiwilligkeit der gewährten Weihnachtsgratifikation soll dadurch besonders unterstrichen werden. …”
In weiteren jährlich ähnlich lautenden Aushängen heißt es, zB im Jahr 2003:
“Auch in diesem Jahr gewähren wir wieder auf freiwilliger Basis eine Weihnachtsgratifikation, die die betriebliche Leistung jedes einzelnen Mitarbeiters im gewerblichen Bereich berücksichtigt.
Der Schwerpunkt liegt dabei auf einer Anwesenheitsprämie. Wer über das Jahr gesehen relativ wenig Fehltage und damit eine hohe Präsenz im Betrieb erreicht hat, muß dafür auch belohnt werden.
Wer oft gefehlt hat, hat auf der anderen Seite zur Wertschöpfung im Betrieb relativ wenig beigetragen und sogar höhere Kosten verursacht.
Die bisherige Regelung nach Anwesenheitstage besteht also weiterhin in der gewohnten Weise und wie bisher gehandhabt:
Anwesenheitstage |
Prämie à Euro/Tag = |
Euro total |
220 |
7,00 |
1540,00 |
219 |
6,80 |
1489,20 |
218 |
6,50 |
1417,00 |
217 |
6,00 |
1302,00 |
216 |
5,50 |
1188,00 |
215 |
5,00 |
1075,00 |
214 |
4,50 |
963,00 |
213 |
4,00 |
852,00 |
212 |
3,50 |
742,00 |
211 |
3,00 |
633,00 |
210 |
2,50 |
525,00 |
209 |
2,00 |
418,00 |
208 |
1,50 |
312,00 |
207 |
1,00 |
207,00 |
206 |
0,70 |
144,20 |
205 |
0,30 |
61,50 |
weniger als 205 |
0,30 |
x,xx |
Anhand dieser Aufstellung kann sich jeder leicht seine Gratifikationsprämie ausrechnen.
Hinzu kommt Samstagarbeit stundenbezogen vergütet mit Faktor 1,0 % = umgerechnet in Euro.
Vorstehende Regelung ist eine freiwillige Leistung, auf die kein Rechtsanspruch besteht und auch keine Anerkennung einer Verbindlichkeit oder Rechtspflicht für die Zukunft. Änderungen bleiben ausdrücklichst vorbehalten.
Alle anderen bisherigen Regelungen entfallen hiermit.”
Die Beklagte versuchte seit Herbst 2004, die Mitarbeiter dazu zu bewegen, neue Arbeitsverträge abzuschließen. Diese sehen neben einer Ausweitung des Direktionsrechts ua. eine Erhöhung der täglichen Arbeitszeit von 7,4 Stunden auf 7,7 Stunden bzw. bei Fernverkehrsfahrern von 9,2 auf 9,5 Stunden vor. Der über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehende Urlaub von bisher insgesamt 30 Tagen sollte nunmehr auf freiwilliger Basis ohne Rechtsanspruch gewährt werden, ebenso wie ein freiwilliges Urlaubsgeld, das bisher 25,00 Euro täglich betragen hatte. Im Jahr 2004 unterschrieben nach Darstellung der Beklagten ca. 45 Mitarbeiter einen solchen Arbeitsvertrag; im Jahr 2005 waren es noch weitere fünf Arbeitnehmer. Die zusätzliche Arbeitszeit wird mit derselben Grundvergütung entlohnt. Diejenigen Mitarbeiter, die einen solchen Arbeitsvertrag nicht unterzeichneten, arbeiteten seit dem Jahr 2005 mit den Unterzeichnern weiter in denselben Schichten, ihre über 7,4 Stunden täglich hinausgehende Arbeitszeit wurde jedoch einem Zeitkonto gutgeschrieben, das sie später abfeiern konnten. Eine Zeitkontoregelung gab es auch schon zuvor.
In einer Betriebsversammlung vom 9. November 2004 teilte der Geschäftsführer der Beklagten den Mitarbeitern mit, im Jahr 2004 werde es keine freiwillige Weihnachtsgeldzahlung mehr geben. Dies wurde in Aushängen vom 17. November 2004 und vom 21. Dezember 2004 nochmals wiederholt.
In derselben Betriebsversammlung unterrichtete die Beklagte die Mitarbeiter, dass sie zwar die bisher gewährte Weihnachtsgratifikation nicht mehr erbringen wolle, jedoch an diejenigen Mitarbeiter, die den neuen Vertrag unterschrieben hätten, eine Sonderzahlung leisten werde.
Die Mitarbeiter, die die neuen Arbeitsverträge unterschrieben hatten, erhielten ein Schreiben nach folgendem Muster:
“SONDERZAHLUNG
Aufgrund der Möglichkeiten des neu geschlossenen Arbeitsvertrages zwischen der Firma
C… GmbH
und Herrn/Frau/Fräulein ***
vom
und der damit einhergehenden besonderen arbeitsvertraglichen Pflichten ist es uns möglich, für 2004 eine freiwillige Sonderzahlung ohne bindende Rechtsverpflichtung für die Zukunft – auch bei mehrmaliger Gewährung über mehrere aufeinanderfolgende Jahre –,
in Höhe von Euro
zur Auszahlung zu bringen.
Der neue Arbeitsvertrag sichert den Erhalt und Fortbestand des Produktionsstandortes und der Arbeitsplätze und ermöglicht es dem Unternehmen kurzfristig auf wirtschaftliche Schwierigkeiten zu reagieren. Hierfür möchten wir uns bedanken.
Für diese freiwillige Sonderzahlung, gilt eine Rückzahlungsklausel für den Fall vereinbart, daß der betreffende Betriebsangehörige vorzeitig aus unserem Betrieb aus eigenem Ermessen ausscheidet oder durch sein Verhalten zu einer Kündigung Anlaß gibt. Es gilt für die Rückzahlungspflicht nachfolgende gestaffelte Regelung:
bei einer Sonderzahlung von mehr als Euro 100,--, jedoch unter Euro 500,-- gilt die Rückzahlungspflicht bei einem Ausscheiden bis einschl. 31.03.2005,
bei einer Sonderzahlung ab Euro 500,--, jedoch unter Euro 1.000,-- gilt Rückzahlungspflicht bei einem Ausscheiden bis einschl. 15.05.2005,
bei einer Sonderzahlung ab Euro 1.000,--, jedoch unter Euro 1.500,-- gilt Rückzahlungspflicht bei einem Ausscheiden bis einschl. 30.06.2005,
bei einer Sonderzahlung ab Euro 1.500,-- gilt Rückzahlungsklausel bei einem Ausscheiden bis einschl. 30.09.2005.”
Mit einem weiteren Aushang vom 3. Dezember 2004 wurde Folgendes mitgeteilt:
“Angebotene neue Arbeitsverträge
Wir weisen alle Mitarbeiter/innen nochmals hiermit daraufhin, dass im eigensten Interesse unserer Betriebsangehörigen diese neuen Arbeitsverträge zwingend notwendig sind, da die alten bisherigen Regelungen größtenteils unwirksam sind.
Die neu angebotenen Verträge ersetzen also die alten laufenden Verträge. Es sind damit keinerlei Nachteile verbunden.
Im Gegenteil:
Anstelle der früheren alten freiwilligen Weihnachtsgratifikation tritt eine neue Regelung in Form einer Jahres-Sonderzahlung auf freiwilliger Basis in Kraft, für alle, die die neuen Verträge abschließen und unterzeichnen.
Wer das nicht tut, hat hierauf keinen Anspruch.
Es steht selbstverständlich jedem frei, wie er sich entscheiden will. Nur eines ist auch klar: Die alten Arbeitsverträge gelten nicht mehr und sind in der Betriebsversammlung am 09.11.04 aufgekündigt worden.
Wir sind bestrebt, unseren Produktionsstandort hier in Deutschland auch für die Zukunft aufrechtzuerhalten und zu sichern. Das ist aber nur möglich, wenn auch unsere Belegschaft am gleichen Strang mitzieht und daran interessiert ist, denn nur dann können wir unter einigermaßen auskömmlichen Bedingungen hier in Deutschland produzieren und gegen die ausländische Konkurrenz in Tschechien/Polen preislich bestehen. Ohne Mithilfe und Zugeständnisse der Belegschaft geht das leider nicht.
Deshalb haben wir überhaupt keine andere Wahl und müssen zu vernünftigen Regelungen mit unseren Betriebsangehörigen kommen. Wer dafür kein Verständnis hat und nichts dazu beiträgt, hat die Zeichen der Zeit noch nicht verstanden.
Wer also an seinem Arbeitsplatz weiterhin interessiert ist, solle sich klar entscheiden. Wir haben dazu unsere Hand gereicht.”
Dieser Aushang wurde kurze Zeit später wieder abgehängt. Aus den angeblichen Kündigungen der alten Arbeitsverträge wurden keine Rechte seitens der Beklagten hergeleitet.
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe die Sonderzahlung zwar nicht auf Grund eines Tarifvertrages oder einer betrieblichen Übung zu, jedoch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung. Mit der Sonderzahlung seien auch die Zwecke verfolgt worden, Betriebstreue und Anwesenheit zu belohnen, die die Arbeitnehmer, die den neuen Arbeitsvertrag nicht unterschrieben hätten, ebenso erfüllt hätten. Da die Veränderungen erst im Jahr 2005 wirksam geworden seien, seien im Jahr 2004 auch keine Nachteile irgendwelcher Art auszugleichen gewesen. Im Übrigen handele es sich um eine unzulässige Maßregelung, wenn nur die Mitarbeiter, die ihr Recht, die neuen Arbeitsverträge nicht zu unterschreiben, ausgeübt hätten, nicht in den Genuss der Sonderzahlung kämen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.540,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30. November 2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, sie habe 2004 an keinen Mitarbeiter eine Weihnachtsgeldgratifikationszahlung erbracht. Die Sonderzahlung für die Mitarbeiter, welche die neuen Arbeitsverträge Ende 2004 bereits unterzeichnet hätten oder aber noch unterzeichnen würden, sei eine völlig andere Leistung. Diese neue Zahlung habe die bis einschließlich 2003 geleistete Weihnachtsgratifikation nicht ersetzt. Eine Maßregelung nach § 612a BGB könne schon deshalb nicht vorliegen, weil die Maßnahme der Rechtsausübung zeitlich vorangegangen sei. Jedenfalls aber sei die Differenzierung auch sachgerecht, da die Zahlung als Anerkennung für die Unterzeichnung der Verträge durch die Mitarbeiter, die hierdurch für die Beklagte gewonnene notwendige Flexibilität und als Anreiz an andere Mitarbeiter, selbst eben solche Verträge zu unterzeichnen, gewährt worden sei. Ein rechnerisch 100-prozentiger Ausgleich für die verschlechternden Vertragsbedingungen sei nicht erforderlich. Die neuen Arbeitsverträge hätten auch nicht nur monetäre Änderungen beinhaltet. Der Kläger könne sich nicht die Vorteile der einen Regelung herauspicken und die Nachteile der anderen vermeiden. Dass der Zweck der Sonderzahlung im Anreiz des Abschlusses der neuen Arbeitsverträge liege, gehe auch aus der Auslobung der Sonderzahlung für das Jahr 2005 hervor, die bereits zu Beginn des Jahres erfolgt sei und nicht erst, wie die bisherige Weihnachtsgratifikation, mit dem Jahresende vorgenommen worden sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger den Klageantrag weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Ihm steht der geltend gemachte Anspruch zu.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung damit begründet, dass kein Anspruch aus § 612a BGB bestehe. Es handele sich um eine sachlich zulässige Benachteiligung, da die Beklagte die Weihnachtsgratifikation wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage vollständig gestrichen habe. Auch die an die Mitarbeiter, die die neuen Arbeitsbedingungen unterzeichnet hätten, geleistete Sonderzahlung begründe keinen Anspruch aus § 612a BGB oder aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Differenzierung zwischen den Mitarbeitern sei sachgerecht. Die Sonderzahlung sei als Anerkennung für die Unterzeichnung der Verträge und als Anreiz für andere Mitarbeiter, selbst ebenso solche Verträge abzuschließen, gewährt worden. Dies sei zulässig und halte sich im Rahmen der Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien. Die durch die Nichtunterzeichnung entstandenen Nachteile seien sachgerecht und sozial adäquat. Die bisher vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fälle seien mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Der Umstand, dass die Beklagte die den Mitarbeitern mit neuen Verträgen gewährte Sonderzahlung wie zuvor von Anwesenheitszeiten abhängig gemacht habe, beziehe sich allein auf die Berechnung der Höhe. Es möge sein, dass damit auch im Jahr 2004 der Zweck verfolgt worden sei, die Mitarbeiter zur Anwesenheit anzuhalten. Auch in den Jahren zuvor sei die Weihnachtsgratifikation freiwillig und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht im Nachhinein gezahlt worden, ohne dass die Voraussetzungen vorher festgelegt waren. Die Mitarbeiter hätten sich also im Laufe des Jahres nicht darauf verlassen können, dass ihre Anwesenheitszeiten für die Gewährung der Zahlung eine Rolle spielen würden. Es überwiege die Zwecksetzung, die Mitarbeiter zum Abschluss der neuen Verträge zu bewegen.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Der Anspruch auf Zahlung der begehrten Sonderzahlung folgt aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
1. Auch wenn der Arbeitgeber auf Grund eines Freiwilligkeitsvorbehalts in seiner Entscheidung frei ist, ob und unter welchen Voraussetzungen er seinen Arbeitnehmern eine zusätzliche Leistung gewährt, ist er an den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden, wenn er nach von ihm gesetzten allgemeinen Regeln freiwillig Sonderzahlungen leistet. Er darf einzelne Arbeitnehmer nicht sachfremd gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage schlechter stellen. Gewährt der Arbeitgeber auf Grund einer abstrakten Regelung eine freiwillige Leistung nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip und legt er gemäß dem mit der Leistung verfolgten Zweck die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistung fest, darf er einzelne Arbeitnehmer von der Leistung nur ausnehmen, wenn dies sachlichen Kriterien entspricht. Arbeitnehmer werden dann nicht sachfremd benachteiligt, wenn sich nach dem Zweck der Leistung Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, diesen Arbeitnehmern die den anderen Arbeitnehmern gewährte Leistung vorzuenthalten. Die Zweckbestimmung einer Sonderzahlung ergibt sich vorrangig aus ihren tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, wobei die Bezeichnung nicht allein maßgeblich ist. Ist die unterschiedliche Behandlung nach dem Zweck der Leistung nicht gerechtfertigt, kann der benachteiligte Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmer behandelt zu werden (st. Rspr. des BAG, zuletzt 28. März 2007 – 10 AZR 261/06 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 265 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 21 mwN und 26. September 2007 – 10 AZR 569/06 – AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 205 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 13).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beklagte gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.
a) Die Beklagte hat zwei Gruppen von Arbeitnehmern gebildet, und zwar die Gruppe derjenigen, die die neuen Arbeitsverträge abgeschlossen haben und die Gruppe derjenigen, die dies nicht getan haben. Der einen Gruppe wurde eine zusätzliche Leistung unter den dargestellten Bedingungen angeboten, der anderen nicht. Es bestehen bei der Beklagten nicht etwa zwei Entgeltsysteme, sondern ab dem Jahr 2005 – bzw. seit dem jeweiligen Vertragsschluss Ende des Jahres 2004 – gibt es Arbeitnehmer mit unterschiedlich langer Arbeitszeit bei gleicher Grundvergütung sowie unterschiedlichen Urlaubsregelungen. Die Anknüpfung an diese Gruppenbildung bei der Leistungsgewährung stellt eine eigenständige Gruppenbildung dar (BAG 14. März 2007 – 5 AZR 420/06 – Rn. 23, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 204 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 12). Damit sind die Regelungen am Gleichbehandlungsgrundsatz zu messen.
b) Gründe, die es nach dem Zweck der Leistung unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitnehmergruppe die der anderen Arbeitnehmergruppe gewährte Leistung vorzuenthalten, bestehen nicht.
aa) Nachdem unstreitig ist, dass die Leistung auch im Jahr 2004 in derselben Staffelung wie in den Vorjahren nach der Zahl der Anwesenheitstage differenziert, ist sie vorrangig eine Anwesenheitsprämie, wie dies die Beklagte auch zuletzt in ihren Aushängen aus dem Jahr 2003 ausgedrückt hat. Bereits nach 15 Fehltagen beträgt die Prämie nicht mehr 1.540,00 Euro monatlich, sondern nur noch 61,50 Euro. Sie vermindert sich ab dem 16. Fehltag entsprechend auf 0,30 Euro/Tag. Bei dieser starken Staffelung handelt es sich entgegen der Ansicht der Beklagten und des Landesarbeitsgerichts nicht um eine bloße minder bedeutende Berechnungsvorschrift, sondern um einen starken Anreiz zu gesundheitsbewusstem und -förderndem Verhalten, der ua. leichtfertige Krankmeldungen unterbinden soll.
Weiterhin ist in dem Schreiben an die Mitarbeiter, die die neuen Arbeitsverträge unterzeichnet haben, eine Rückzahlungsklausel für den Fall enthalten, dass der betreffende Betriebsangehörige vorzeitig aus dem Betrieb aus eigenem Ermessen ausscheidet oder durch sein Verhalten zu einer Kündigung Anlass gibt. Darauf, dass die für das Jahr 2004 aufgeführten Staffelungen nicht den durch die Rechtsprechung entwickelten zulässigen Bindungsfristen entsprechen dürften, kommt es nicht an, da der Kläger hieraus keine Ansprüche herleitet. Aus der Regelung wird aber deutlich, dass die Zahlung neben der Honorierung der Anwesenheit im Jahr 2004 auch die Betriebstreue für die Zukunft bezweckt.
Damit unterscheidet sich die zugesagte Sonderleistung in ihren Zwecken und Voraussetzungen nicht wesentlich von den in den Vorjahren gewährten Zahlungen. Der Umstand, dass die Mindestbetriebszugehörigkeit von sechs Monaten nicht mehr gefordert wird, tritt demgegenüber zurück. Im Übrigen war auch in den Vorjahren ausweislich der Aushänge stets die Zahlung anteilig zugesagt worden, wenn Mitarbeiter erst in diesem Jahr eingetreten und noch nicht sechs Monate beschäftigt waren.
Die Beklagte beruft sich zu Unrecht darauf, dass eine Anreizfunktion zur möglichst vollständigen Anwesenheit und weiterer Betriebstreue im Jahr 2004 nicht habe entstehen können, weil sie die Voraussetzungen erst am Jahresende festgelegt habe und die Mitarbeiter sich also nicht im vorhinein darauf hätten einstellen können. Dies war in allen Vorjahren nicht anders, in denen sich die Beklagte immer vorbehalten hatte, die Leistung freiwillig zu erbringen, und dennoch von “Anwesenheitsprämien” sprach. Die Mitarbeiter hatten jeweils Anlass zur Hoffnung, durch wenige Abwesenheitszeiten zumindest die Chance einer zusätzlichen Leistung zu erhalten.
bb) Auch die Arbeitnehmer, die der Vertragsänderung nicht zugestimmt haben, erfüllen diese Zwecke, wenn sie wenig fehlen, sich gesundheitsbewusst verhalten, weiterhin bei der Beklagten verbleiben und keinen Anlass zur Kündigung geben. Der von der Beklagten beanspruchte angebliche Hauptzweck der Leistung, nämlich als Anreiz für den Abschluss neuer Verträge einen Ausgleich von Nachteilen dafür zu schaffen, rechtliche und tatsächliche Nachteile in der Zukunft auf sich zu nehmen, kann von vornherein nur bei solchen Arbeitnehmern eintreten, die keine oder wenige Fehltage haben. Ein Ausgleich von Nachteilen im Entgeltbereich kommt im Jahre 2004 ohnehin nicht oder nicht messbar in Betracht. Auch die nicht monetären Änderungen konnten sich im Jahr 2004 noch nicht auswirken. Insoweit ist auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. März 2007 (– 5 AZR 420/06 – AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 204 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 12) nicht einschlägig. Im dort entschiedenen Sachverhalt ging es dem Arbeitgeber ausschließlich um den Ausgleich von Vergütungsnachteilen. Weitere Zwecke wurden nicht verfolgt.
3. Im Übrigen widerspricht die Verweigerung der Sonderzahlung an die Mitarbeiter, die ihre bisherige Arbeitszeit beibehalten haben, dem Gebot des § 4 Abs. 1 TzBfG, wonach Arbeitnehmer nicht wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung benachteiligt werden dürfen. Wenn die Beklagte die regelmäßige Arbeitszeit im Betrieb erhöht hat, ist dies die nunmehr geltende Vollarbeitszeit. Mitarbeiter, die regelmäßig eine geringere Arbeitszeit leisten, sind demzufolge Teilzeitkräfte. Soweit die Differenzierung bei der Gewährung der Sonderzahlung an die Nichtbereitschaft zur längeren Arbeitszeit anknüpft, werden die Mitarbeiter wegen ihrer geringeren Arbeitszeit benachteiligt.
4. Es kann dahinstehen, ob auch das Maßregelungsverbot gem. § 612a BGB verletzt ist und der Anspruch dem Kläger auch aus diesem Grund zusteht.
5. Die Beklagte hat die Höhe der geltend gemachten Forderung nicht beanstandet. Ein möglicher Verstoß gegen § 4a Satz 2 EFZG kann dahinstehen, da der Kläger seine Forderung in Übereinstimmung mit der im Betrieb geltenden Regelung berechnet hat.
Unterschriften
Dr. Freitag, Marquardt, Brühler, Staedtler, Trümner
Fundstellen
Haufe-Index 2063404 |
BB 2008, 2401 |
DB 2009, 67 |
FA 2009, 25 |
NZA 2008, 1412 |
AP, 0 |
EzA-SD 2008, 8 |
EzA |
AUR 2008, 455 |
ArbRB 2008, 362 |
NJW-Spezial 2009, 19 |
SPA 2009, 4 |