Entscheidungsstichwort (Thema)
Versetzung. Annex. anderweitige Rechtshängigkeit
Orientierungssatz
1. Wird eine auf einen näher bezeichneten Zeitpunkt angeordnete Versetzung eines Arbeitnehmers nachfolgend durch den Arbeitgeber geringfügig auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, liegt darin nicht notwendig eine neue Versetzung. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann darin auch ein Annex in Gestalt einer marginalen zeitlichen Korrektur der ursprünglichen Versetzung gesehen werden.
2. Ist die Unwirksamkeit einer Versetzung bereits Gegenstand eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens, so ist eine während der Dauer der Rechtshängigkeit anhängig gemachte weitere Klage, die sich gegen eine Anordnung des Arbeitgebers richtet, die lediglich einen Annex zu der bereits gerichtlich angegriffenen Versetzung beinhaltet, gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO unzulässig.
Normenkette
ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. September 2015 – 17 Sa 1331/14 – aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27. Mai 2014 – 18 Ca 7246/13 – zurückgewiesen hat.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27. Mai 2014 – 18 Ca 7246/13 – teilweise abgeändert, soweit es der Klage im Hinblick auf die Klageanträge zu 1. und zu 2. stattgegeben hat.
3. Die Klage wird insoweit als unzulässig abgewiesen.
4. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, über die Versetzung des Klägers von Düsseldorf nach Frankfurt am Main mit Wirkung zum 1. Januar 2014 und um die weitere Gestellung eines kostenfreien Parkplatzes am Flughafen Düsseldorf.
Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen, als Copilot auf dem Flugzeugmuster B 737 beschäftigt und war zuletzt in Düsseldorf stationiert.
Im Arbeitsvertrag vom 3. Dezember 2005 heißt es auszugsweise:
„1. Beginn, Art und Ort der Beschäftigung
(1) Herr H wird ab dem 03.12.2005 als Flugzeugführer eingestellt. Er wird zunächst bei FRA NC/B in Frankfurt beschäftigt.
(2) L kann Herrn H auf anderen Flugzeugmustern, an anderen Orten sowie vorübergehend bei anderen Unternehmen im L Konzern einsetzen.”
Mit Schreiben vom 2. November 2006 wurde der Kläger ab dem 1. Dezember 2006 befristet bis zum 31. Dezember 2008 nach Düsseldorf versetzt. In der Folgezeit „bestätigte” die Beklagte dem Kläger jeweils schriftlich die Verlängerung seiner befristeten Stationierung in Düsseldorf bis zum 31. Dezember 2010 und bis zum 31. Dezember 2011. In einem weiteren Schreiben vom 8. November 2011 erklärte die Beklagte, sie biete dem Kläger „hiermit eine Verlängerung der befristeten Stationierung in Düsseldorf über den 31.12.2011 hinaus bis zum 31.12.2012 an”.
Unter dem 28. November 2012 übersandte die Beklagte dem Kläger zwei Schreiben mit dem Betreff „Dezentrale Stationierung – Verlängerung”. In dem einen Schreiben führte sie ua. aus, der Vorstand habe die Entscheidung getroffen, die B 737-Flotte am Standort Frankfurt am Main zu konzentrieren und die dezentrale Stationierung in Düsseldorf und Hamburg zu beenden. Der Prozess werde mit dem Weggang der letzten Maschine aus Düsseldorf am 30. September 2013 abgeschlossen sein; die Rückversetzung nach Frankfurt am Main werde erst ab 1. Oktober 2013 wirksam. Das zweite Schreiben vom 28. November 2012 enthielt ua. die Mitteilung, die befristete Stationierung in Düsseldorf werde bis zum 30. September 2013 verlängert und ende infolge der Beendigung der B 737-Stationierung in Düsseldorf in jedem Fall mit Ablauf des 30. September 2013; ab dem 1. Oktober 2013 sei Dienstort des Klägers somit wieder Frankfurt am Main.
Auf Antrag des Klägers hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 30. Juli 2013 (– 18 Ca 123/13 –) die Unwirksamkeit der mit Schreiben vom 28. November 2012 ausgesprochenen Versetzung und der Befristungen der Stationierung des Klägers in Düsseldorf zum 31. Dezember 2012 und 30. September 2013 festgestellt und die Beklagte verurteilt, den Kläger über den 1. Oktober 2013 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugzeugführer (Copilot) mit Stationierungsort Düsseldorf zu beschäftigen. Dagegen hat die Beklagte Berufung zum Hessischen Landesarbeitsgericht eingelegt, wo das Verfahren unter dem Aktenzeichen – 17 Sa 1363/13 – anhängig ist und derzeit ruht.
Am 5. September 2013 vereinbarte die Beklagte mit der Gesamtvertretung des Fliegenden Personals der L AG zum Betreff „Beendigung der dezentralen Stationierung B 737 in DUS und HAM” einen Interessenausgleich/ Sozialplan (IA/SP) für das Cockpitpersonal der Beklagten. Darin heißt es auszugsweise:
„Erster Abschnitt: Interessenausgleich
§ 1 Geltungsbereich
Dieser Interessenausgleich gilt für alle in HAM und DUS stationierten B 737 Piloten, die in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit der L AG stehen und auf die der Manteltarifvertrag für das Cockpitpersonal in seiner jeweiligen Fassung Anwendung findet.
…
§ 3 Ziele und Maßnahmen
Mitte der 90-er Jahre entschied die L AG interessierten Piloten der B 737-Flotte eine dezentrale Stationierung in HAM und DUS anzubieten. Dieses Angebot stand unter der Prämisse der stetigen Überprüfung der Wirtschaftlichkeit einer solchen Stationierung. …
… Am 16.04.2012 traf das zuständige Vorstandsgremium sodann vor dem Hintergrund der strategischen Ausrichtung der L AG und der Wirtschaftlichkeit eines dezentralen Einsatzes des Musters B 737, die Entscheidung, die B 737 Flotte ab Mitte 2013 bis zum endgültigen Abbau in Frankfurt zu konzentrieren.
Die bislang in DUS und HAM stationierten Piloten der B 737-Flotte werden nach Frankfurt versetzt, ggfls. wird eine Änderungskündigung ausgesprochen. Die arbeitgeberseitige Versetzung oder Änderungskündigung erfolgt nicht vor dem 20.09.2013.
Vor diesem Hintergrund haben sich die Betriebspartner ins Benehmen gesetzt, um für die von dieser Entwicklung betroffenen Mitarbeiter sozialverträgliche und die Folgen abmildernde Lösungen wie z.B. eine Pendlerregelung bzw. eine sog. virtuelle Stationierung zu entwickeln.
Näheres regelt der Sozialplan.
§ 4 Vorgehensweise
Mit der Verlagerung der bislang in HAM und DUS stationierten B 737 endet auch die Stationierung der dort eingesetzten Piloten.
Um diesen Mitarbeitern ausreichend Zeit einzuräumen, sich für die im nachfolgenden Sozialplan vereinbarten Varianten zur Kompensation des Stationierungsortswechsels zu entscheiden und den Wechsel nach Frankfurt vorzubereiten, vereinbaren die Betriebspartner, die Stationierung der Piloten unabhängig von den eingesetzten Maschinen erst zum 31.12.2013 zu beenden. Die in HAM und DUS auf dem Muster B 737 stationierten Mitarbeiter werden somit zum 01.01.2014 nach FRA versetzt, ggfls. wird eine Änderungskündigung ausgesprochen.
Betriebsbedingte Beendigungskündigungen aus Anlass der hier geregelten Beendigung der dezentralen B 737 Stationierungen sind ausgeschlossen.
…
§ 6 Geltungsbereich
Dieser Sozialplan gilt für alle in HAM und DUS stationierten B 737 Piloten, die in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit der L AG stehen und auf die der Manteltarifvertrag für das Cockpitpersonal in seiner jeweiligen Fassung Anwendung findet.
§ 7 Abmilderung der Folgen des Stationierungsortswechsels
Zur Abmilderung des Stationierungsortswechsels können sich die betroffenen Kollegen zwischen folgenden Optionen entscheiden:
- Virtuelle Stationierung
- Umzugskostenvariante
- Pendelvariante”
Mit Schreiben vom 9. September 2013 bat die Beklagte die Gruppenvertretung der Copiloten um Zustimmung zur Versetzung der in einer dem Schreiben beigefügten Anlage aufgeführten Mitarbeiter, darunter der Kläger, nach Frankfurt am Main zum 1. Januar 2014. In der im Anschluss daran erfolgten schriftlichen Unterrichtung dieser Mitarbeiter über den Abschluss des IA/SP und die darin geregelten Kompensationsvarianten durch die Beklagte heißt es:
„…
Ein erster Vereinbarungspunkt betrifft den Ablauf bzw. Zeitpunkt der Beendigung Ihrer Stationierung.
Vor dem Hintergrund der in den letzten Monaten für Sie bestehenden Unsicherheit und um Ihnen ausreichend Zeit einzuräumen, sich mit den möglichen Kompensationsvarianten auseinanderzusetzen bzw. Ihren Wechsel nach Frankfurt vorzubereiten, haben wir vereinbart, die Stationierung der betroffenen Cockpit Crews in HAM und DUS erst zum 31.12.2013 zu beenden.
Sollten Sie sich bereits auf einen Wechsel zum 01.10.2013 eingestellt haben, steht es Ihnen selbstverständlich frei, bereits zum 01.10.2013 nach FRA zurückzukehren.
In diesem Falle bitten wir Sie um eine kurzfristige diesbezügliche schriftliche Information an FRA PD/O.
In allen übrigen Fällen erfolgt die Versetzung nach FRA erst mit Wirkung zum 01.01.2014.
Das diesbezügliche Versetzungsschreiben erhalten Sie nachgelagert zu dieser Information.
…”
Mit einem weiteren Schreiben vom 20. September 2013 teilte die Beklagte dem Kläger ua. mit:
„… mit Ablauf des 30.09.2013 verlässt nach den in HAM stationierten Maschinen nun auch die letzte B 737 den Stationierungsort DUS und beendet hiermit die dezentrale Stationierung.
Vor diesem Hintergrund haben sich die Betriebspartner zusammen gesetzt und in intensiven Verhandlungen unter Abwägung und Berücksichtigung wirtschaftlicher Nachteile und sozialer Härten der Betroffenen einen Interessensausgleich und Sozialplan geschlossen, der eine Versetzung aller in HAM und DUS stationierten B 737 Piloten nach FRA zum 01.01.2014 beinhaltet und die daraus entstehenden Nachteile angemessen kompensiert.
Der Termin zum 01.01.2014 soll Ihnen ausreichend Zeit einräumen, sich auf den bevorstehenden Wechsel vorzubereiten. Hinsichtlich der Varianten zur Kompensation der für Sie aus dem Wechsel entstandenen Nachteile, erlauben wir uns auf unser Schreiben vom 11.09.2013 zu verweisen.
Sollten Sie bereits zum 01.10.2013 die Versetzung nach Frankfurt vollziehen wollen, bitten wir um diesbezügliche kurzfristige schriftliche Mitteilung.
Andernfalls werden Sie hiermit in Anwendung der in Ihrem Arbeitsvertrag enthaltenen Versetzungsklausel und unter Bezug auf die mit Schreiben vom 28.11.2012 getroffene Befristung Ihrer Stationierung mit Wirkung zum 01.01.2014 von DUS NF/E nach Frankfurt zu FRA NF/E versetzt.”
Die Beklagte hatte dem Kläger im Parkhaus „Mietwagenzentrum” am Düsseldorfer Flughafen in einer für den öffentlichen Verkehr sonst gesperrten Zone im siebten und achten Stockwerk einen Parkplatz für dienstliche Zwecke zur Verfügung gestellt. Ab dem 1. Januar 2014 war der Kläger auf seinen Wunsch gemäß § 7 Buchst. a IA/SP „virtuell” in Düsseldorf stationiert. Er konnte seitdem nicht mehr mit seinem L-Konzernausweis auf die Parkfläche im Parkhaus „Mietwagenzentrum” fahren.
Der Kläger hat gemeint, das Schreiben vom 20. September 2013 enthalte eine unwirksame Versetzungsanordnung nach Frankfurt am Main zum 1. Januar 2014. Bereits die Befristung seiner Stationierung in Düsseldorf bis 30. September 2013 sei – ebenso wie die vorangegangenen Befristungen – unwirksam gewesen, ua. weil die Personalvertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei. Der IA/SP sei ua. wegen der darin enthaltenen Stichtagsregelungen unwirksam.
Der Kläger hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, beantragt
- festzustellen, dass die mit Schreiben vom 20. September 2013 ausgesprochene Versetzung unwirksam ist;
- die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger weiterhin zu den bisherigen Bedingungen kostenfrei zu dienstlichen Zwecken einen Parkplatz im siebten und achten Stockwerk des Parkhauses „Mietwagenzentrum” zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Stationierung des Klägers in Düsseldorf habe bereits aufgrund der Befristung am 30. September 2013 geendet. Ihre unternehmerische Entscheidung, die B 737-Flotte in Frankfurt am Main zu konzentrieren und dementsprechend nicht mehr von Düsseldorf aus einzusetzen, sei weder willkürlich noch rechtsmissbräuchlich gewesen. Das Hinausschieben der Umstationierung des von dieser Maßnahme betroffenen Cockpitpersonals nach Frankfurt am Main bis zum 31. Dezember 2013 beruhe auf der Regelung in § 4 Abs. 2 IA/SP.
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass die mit Schreiben vom 20. September 2013 ausgesprochene Versetzung unwirksam ist. Es hat die Beklagte ferner zur Weiterbeschäftigung des Klägers am Stationierungsort Düsseldorf und zur Gestellung eines kostenfreien Parkplatzes im Parkhaus „Mietwagenzentrum” verurteilt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht den Weiterbeschäftigungsantrag abgewiesen und das Urteil im Übrigen bestätigt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht teilweise zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Klage, soweit in die Revision gelangt, unzulässig. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO).
I. Die Revision ist begründet. Die Klage ist in dem noch maßgeblichen Umfang unzulässig. Ihr steht das von Amts wegen zu beachtende Prozesshindernis anderweitiger Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) entgegen, weil der Kläger bereits zuvor gegen dieselbe Beklagte in derselben Streitsache die derzeit beim Hessischen Landesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen – 17 Sa 1363/13 – rechtshängige Klage beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main erhoben hat.
1. Nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ist eine Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig, wenn der Kläger bereits zuvor in derselben Streitsache gegen dieselbe Partei eine Klage erhoben hat und diese andere Klage bei der Entscheidung über die spätere Klage noch rechtshängig ist. Die anderweitige Rechtshängigkeit ist ein Prozesshindernis, das grundsätzlich von Amts wegen auch noch in der Revisionsinstanz zu beachten ist (BAG 16. Juli 2015 – 2 AZR 15/15 – Rn. 23, BAGE 152, 118). Sie liegt vor, wenn die Parteien und die Streitgegenstände beider Verfahren identisch sind (vgl. BAG 14. Dezember 2010 – 1 ABR 19/10 – Rn. 35, BAGE 136, 302).
a) Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. BAG 23. März 2016 – 5 AZR 758/13 – Rn. 33). Zum Anspruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht vorträgt (BGH 22. Oktober 2013 – XI ZR 42/12 – Rn. 15, BGHZ 198, 294).
b) Vom Streitgegenstand werden damit alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen. Das gilt unabhängig davon, ob die einzelnen Tatsachen des Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht, und auch unabhängig davon, ob die Parteien die im Vorprozess nicht vorgetragenen Tatsachen des Lebensvorgangs damals bereits kannten und hätten vortragen können (BGH 2. Dezember 2014 – XI ZB 17/13 – Rn. 16 mwN).
2. Nach diesen Maßstäben liegt den beiden Klagen im vorliegenden Verfahren und in dem vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen – 17 Sa 1363/13 – gegen dieselbe Beklagte geführten Berufungsverfahren derselbe Streitgegenstand zugrunde.
a) In beiden Verfahren ist der Lebenssachverhalt derselbe.
aa) Der Kläger hat in beiden Verfahren jeweils vorgetragen, dass er zunächst in Frankfurt am Main und sodann befristet „dezentral” in Düsseldorf stationiert gewesen sei, und dass die „dezentrale Stationierung” in Düsseldorf mehrfach jeweils vor Fristablauf verlängert und erneut befristet worden sei. Er hat in beiden Verfahren die Schreiben der Beklagten vom 28. November 2012 mit dem Betreff „Dezentrale Stationierung – Verlängerung” vorgelegt, deren Gegenstand die nochmalige Verlängerung seiner Stationierung in Düsseldorf bis zum 30. September 2013 und seine Rückversetzung nach Frankfurt am Main zum 1. Oktober 2013 wegen der bis dahin abgeschlossenen Konzentrierung der B 737-Flotte am Standort Frankfurt am Main ist.
bb) Das Schreiben vom 20. September 2013, gegen das sich der Kläger in dem vorliegenden Verfahren wendet, ist zwar erst nach Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung im Verfahren – 17 Sa 1363/13 – verfasst worden. Gleichwohl gehört es zu demselben Tatsachenkomplex, den der Kläger bereits in der vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen – 17 Sa 1363/13 – geführten Streitsache dem Gericht vorgetragen hat, weil darin keine eigenständige Versetzung angeordnet, sondern lediglich die bereits erfolgte um drei Monate verlängert wurde. Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt.
(1) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung, wonach es sich bei dem Schreiben vom 20. September 2013 um eine erneute Versetzung handelte, hält einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand. Da das Schreiben vom Senat voll überprüfbare typische, in einer Vielzahl von Fällen in gleiche Formulierungen gekleidete Willenserklärungen enthält, alle übrigen insoweit wesentlichen Umstände festgestellt sind und weiterer Vortrag nicht zu erwarten ist, kann der Senat die Auslegung selbst vornehmen (vgl. BAG 19. Januar 2011 – 10 AZR 738/09 – Rn. 19).
(2) Die zutreffende Auslegung ergibt, dass das Schreiben der Beklagten vom 20. September 2013 lediglich einen Annex in Gestalt einer geringfügigen Korrektur der bereits zum 1. Oktober 2013 angeordneten Versetzung des Klägers nach Frankfurt am Main beinhaltet (zu den Voraussetzungen für einen Annexvertrag vgl. BAG 24. Februar 2016 – 7 AZR 182/14 – Rn. 21). Diese Korrektur orientiert sich erkennbar am selben Sachgrund – der Konzentrierung der B 737-Flotte in Frankfurt am Main – und war erforderlich geworden, weil der ursprünglich vorgesehene Endzeitpunkt der dezentralen Stationierung aufgrund der Regelungen in § 4 Abs. 2 IA/SP angepasst werden musste.
(a) Durch die ausdrückliche Bezugnahme auf die beiden Schreiben vom 28. November 2012, in denen die Beklagte als Grund für die „Rückversetzung” des Klägers nach Frankfurt am Main zum 1. Oktober 2013 die Beendigung der Stationierung der B 737-Maschinen in Düsseldorf zum 30. September 2013 genannt hatte, und durch den Hinweis auf die Vereinbarung im IA/SP vom 5. September 2013 zur Verlängerung der Stationierung in Düsseldorf um weitere drei Monate besteht bereits nach dem Wortlaut des Schreibens vom 20. September 2013 kein begründeter Zweifel daran, dass die Beklagte damit lediglich das Ende der dezentralen Stationierung des Klägers mit der erst kurz vor dem ursprünglichen Versetzungstermin vereinbarten Regelung in § 4 Abs. 2 IA/SP in Übereinstimmung bringen wollte. Diese Intention kommt ebenfalls in der in dem Schreiben enthaltenen Bitte an den Kläger zum Ausdruck, er möge eine „kurzfristige schriftliche Mitteilung” an die Beklagte richten, falls er die Versetzung nach Frankfurt am Main gleichwohl bereits zum 1. Oktober 2013 vollziehen wolle. Dementsprechend wird die „Versetzung” zum 1. Januar 2014 ausdrücklich nur „andernfalls”, dh. für den Fall ausgesprochen, dass der Kläger nicht schon ab 1. Oktober 2013 wieder in Frankfurt am Main stationiert zu sein wünsche.
(b) Auch der zeitliche Zusammenhang des Schreibens vom 20. September 2013 mit der unmittelbar zuvor erfolgten schriftlichen Unterrichtung aller von der Versetzung betroffenen Mitarbeiter spricht für dieses Auslegungsergebnis. Bereits in dieser Unterrichtung hat die Beklagte die Gründe für die Beendigung der Stationierung „erst zum 31.12.2013” und die nach dem IA/SP vom 5. September 2013 bestehenden Kompensationsangebote ausführlich erläutert und erklärt, ein Wechsel nach Frankfurt am Main bereits zum 1. Oktober 2013 stehe jedem betroffenen Mitarbeiter „selbstverständlich frei”.
(c) Der Umstand, dass die Beklagte mit dem Schreiben vom 20. September 2013 zu erkennen gegeben hat, die Arbeitsleistung des Klägers trotz der zum 1. Oktober 2013 angeordneten Versetzung nach Frankfurt am Main in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2013 weiterhin vom Stationierungsort Düsseldorf aus annehmen zu wollen, spricht nicht gegen diese Auslegung. Die Beklagte war dazu bereits aufgrund ihrer gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrags Personalvertretung für das Bordpersonal vom 15. November 1972 bestehenden Verpflichtung zur Durchführung der in § 4 Abs. 2 IA/SP enthaltenen Regelung gehalten, wonach die extern stationierten Piloten nicht gegen ihren Willen vor dem 1. Januar 2014 in Frankfurt am Main stationiert werden sollten.
(d) Dem Kläger als Empfänger des Schreibens vom 20. September 2013 musste vor diesem Hintergrund verständigerweise klar sein, dass die Beklagte keinen neuen Entschluss in Bezug auf die Rückversetzung nach Frankfurt am Main gefasst hatte, sondern nur darum bemüht war, die Dauer der dezentralen Stationierung des Klägers mit dem in § 4 Abs. 2 IA/SP vereinbarten Endzeitpunkt in Einklang zu bringen, und dass sie ihm ausschließlich aus diesem Grund die Option einräumen wollte, seine dezentrale Stationierung in Düsseldorf über den 30. September 2013 hinaus um weitere drei Monate bis zum 31. Dezember 2013 fortzusetzen.
(e) Dass die Beklagte nicht mehr an der bis zum 30. September 2013 befristeten Stationierung in Düsseldorf und an einer Versetzung zum 1. Oktober 2013 nach Frankfurt am Main festhalten oder sich nicht mehr auf eine entsprechende Änderung der Arbeitsbedingungen berufen wolle, konnte der Kläger bereits angesichts des noch nicht beendeten Berufungsverfahrens – 17 Sa 1363/13 – vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht nicht ernsthaft annehmen.
(3) Damit gehörte das Schreiben vom 20. September 2013 als unselbständiger Nachtrag der zum 1. Oktober 2013 erfolgten Rückversetzung des Klägers nach Frankfurt am Main zum selben Grundsachverhalt, an dem sich nichts geändert hatte. Lediglich der ursprünglich vorgesehene Endzeitpunkt für die Stationierung in Düsseldorf – 30. September 2013 – wurde zeitlich angepasst und nach hinten verschoben. Diese geringfügige Korrektur des ursprünglich vorgesehenen Endzeitpunkts orientierte sich an demselben Grund, den die Beklagte bereits für die vorangegangene Maßnahme angegeben hatte, nämlich die B 737-Flotte in Frankfurt am Main zu konzentrieren.
cc) Auch dem erstmals im Ausgangsverfahren zum hiesigen Revisionsverfahren gestellten weiteren Antrag des Klägers auf Verurteilung der Beklagten, ihm ab dem 1. Januar 2014 weiterhin einen Parkplatz am Flughafen Düsseldorf zur Verfügung zu stellen, liegt derselbe Lebenssachverhalt zugrunde, den der Kläger zur Stützung seiner Klageanträge im Verfahren – 17 Sa 1363/13 – vorgetragen hat. Es hat in der Zwischenzeit keine „neue” Versetzung oder sonstige Maßnahme der Beklagten gegeben, durch die dieser Anspruch hätte beeinträchtigt werden können.
b) Die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge im vorliegenden Streitverfahren und im Ausgangsverfahren zu dem Verfahren – 17 Sa 1363/13 – vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht ist identisch.
aa) Im Ausgangsverfahren zu dem Verfahren – 17 Sa 1363/13 – vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht wendet sich der Kläger ua. gegen die Befristung seiner Stationierung in Düsseldorf bis zum 30. September 2013 und die zum 1. Oktober 2013 ausgesprochene Versetzung nach Frankfurt am Main. Im Ausgangsverfahren zum hiesigen Revisionsverfahren hat er die Feststellung der Unwirksamkeit der mit Schreiben vom 20. September 2013 angeordneten Rückversetzung nach Frankfurt am Main zum 1. Januar 2014 begehrt, bei der es sich, wie oben ausgeführt wurde, lediglich um einen unselbständigen Annex zu der zunächst zum 1. Oktober 2013 angeordneten Rückversetzung des Klägers nach Frankfurt am Main handelte.
bb) Soweit der Kläger im Ausgangsverfahren zum hiesigen Revisionsverfahren darüber hinaus die Verurteilung der Beklagten zu seiner Weiterbeschäftigung über den 1. Januar 2014 hinaus verlangt hat, war diese Rechtsfolge bereits von dem im Verfahren – 17 Sa 1363/13 – gestellten Weiterbeschäftigungsantrag umfasst, da es zwischenzeitlich keine „neue” Versetzung oder andere Maßnahme der Beklagten gegeben hat, durch die dieser Anspruch hätte beeinträchtigt werden können. Diesen Antrag hat das Landesarbeitsgericht im Ausgangsverfahren zum hiesigen Revisionsverfahren rechtskräftig abgewiesen. Diesen Umstand wird das Landesarbeitsgericht im Verfahren – 17 Sa 1363/13 – nach dessen Wiederaufnahme zu beachten haben (vgl. BAG 20. Februar 2014 – 2 AZR 864/12 – Rn. 34; Zöller/Greger ZPO 31. Aufl. § 261 Rn. 11).
cc) Der im Ausgangsverfahren zum hiesigen Revisionsverfahren gestellte Antrag auf Verurteilung der Beklagten, ihm weiterhin einen kostenfreien Parkplatz im „Mietwagenzentrum” zur Verfügung zu stellen, hängt von der innerprozessualen Bedingung des Obsiegens mit den gegen die Befristung seiner Stationierung in Düsseldorf bis zum 30. September 2013 und gegen die zum 1. Oktober 2013 ausgesprochene Versetzung nach Frankfurt am Main gerichteten Feststellungsanträgen ab und ist daher ebenfalls Gegenstand des Verfahrens – 17 Sa 1363/13 – vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht. Der Kläger hat den Leistungsantrag zwar nicht ausdrücklich als unechten Hilfsantrag verfasst. Dennoch ist ein Eventualverhältnis zu den Feststellungsanträgen anzunehmen, weil der Kläger explizit vorgetragen hat, er falle „deshalb”, nämlich infolge der unwirksamen Versetzung, unter den Anwendungsbereich der Betriebsvereinbarung über die Parkplatzordnung. Aus seinem übrigen Vorbringen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass er die Verurteilung der Beklagten zur Gestellung eines kostenfreien Parkplatzes im „Mietwagenzentrum” auch für den Fall des Unterliegens mit den Feststellungsanträgen begehrt und ihn nicht von deren Erfolg abhängig machen will.
c) Die identische Klage wurde im vorliegenden Verfahren erst nach der am 30. Juli 2013 erfolgten Verkündung des erstinstanzlichen Urteils im Verfahren – 17 Sa 1363/13 – vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht erhoben. Da dieses Verfahren nicht beendet ist, bildet es ein Prozesshindernis, so dass das Landesarbeitsgericht die im hiesigen Verfahren erhobene Klage als unzulässig hätte abweisen müssen.
3. Danach hat das angefochtene Urteil keinen Bestand; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt – hinsichtlich des in die Revision gelangten Teils – zur Stattgabe der Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts und zur Abweisung der Klage.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.
Unterschriften
Linck, W. Reinfelder, Brune, R. Baschnagel, D. Kiel
Fundstellen
Haufe-Index 10332122 |
BB 2017, 564 |
FA 2017, 126 |
NZA 2017, 451 |
ZTR 2017, 249 |
AP 2017 |
EzA-SD 2017, 16 |
EzA 2017 |
NZA-RR 2017, 5 |
AUR 2017, 178 |
ArbRB 2017, 105 |
ArbR 2017, 153 |
AP-Newsletter 2017, 65 |