Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratstätigkeit eines Lehrers. Mehrarbeitsvergütung
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 31.10.1985 6 AZR 175/83.
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 21.12.1982; Aktenzeichen 5 Sa 593/82) |
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 17.02.1982; Aktenzeichen 7 Ca 4783/81) |
Tatbestand
Der Kläger ist bei dem Beklagten als Lehrer beschäftigt. Er trägt vor, er habe als Betriebsratsmitglied Freizeit für die Teilnahme an Sitzungen und Sprechstunden des Betriebsrats in der Zeit vom 4. März 1980 bis 9. März 1981 verwandt, da der Beklagte erklärt habe, ein Ausfall von Unterrichtsstunden und ein Freizeitausgleich für Betriebsratstätigkeit komme nicht in Betracht. Er macht deshalb einen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung gemäß § 37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gegen den Beklagten geltend und hat einen entsprechenden Zahlungsantrag gestellt. Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage zum überwiegenden Teil stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet, da der Kläger nicht rechtzeitig dem Beklagten angezeigt hat, daß er seine Betriebsratstätigkeit aus betriebsbedingten Gründen außerhalb seiner Arbeitszeit ausüben müsse.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zur Unterrichtszeit trete weitere Arbeitszeit für Vor- und Nachbereitung des Unterrichts; den Zeitpunkt dieser Tätigkeit bestimme der Lehrer selbst. Daraus könne jedoch nicht geschlossen werden, daß jede Betriebsratstätigkeit außerhalb der Unterrichtszeit des Lehrers zwangsläufig aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt werde und damit ein Freizeitausgleich bzw. Mehrarbeitsvergütung gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG zu gewähren sei. Vielmehr müsse der Lehrer in jedem Einzelfall einer Betriebsratstätigkeit darlegen, daß diese Tätigkeit aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit habe durchgeführt werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, bestehe auch kein Vergütungsanspruch. Dieser Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist jedenfalls im Ergebnis beizutreten.
2. Der Anspruch des Klägers auf Mehrarbeitsvergütung gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG hängt - sofern Arbeitsbefreiung innerhalb eines Monats aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich war - davon ab, ob die einzelnen Betriebsratstätigkeiten aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der individuellen Arbeitszeit haben durchgeführt werden müssen und dies der Kläger dem Beklagten im Einzelfall jeweils zuvor mitgeteilt hat. Diese Verpflichtung besteht nicht nur für die Abhaltung von Betriebsratssitzungen (§ 30 Satz 3 BetrVG), sondern für jede Betriebsratstätigkeit insbesondere dann, wenn die persönliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers nicht einer einheitlichen betriebsüblichen Arbeitszeit entspricht.
a) Nach § 37 Abs. 2 BetrVG ist Betriebsratstätigkeit grundsätzlich während der Arbeitszeit durchzuführen (vgl. BAG 29, 242 = AP Nr. 29 zu § 37 BetrVG 1972 und zuletzt BAG Urteil vom 19. Januar 1984 - 6 AZR 301/81 - unveröffentlicht). Insbesondere sind auch Betriebsratssitzungen in der Regel während der Arbeitszeit abzuhalten (§ 30 Satz 1 BetrVG). Demgemäß stellt § 37 Abs. 3 BetrVG darauf ab, daß eine Arbeitsbefreiung bzw. eine Mehrarbeitsvergütung zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit nur dann in Betracht kommt, wenn diese Tätigkeit aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt werden muß (vgl. BAG, aaO). Betriebsbedingte Gründe im Sinne von § 37 Abs. 3 BetrVG liegen nur dann vor, wenn bestimmte Gegebenheiten und Sachzwänge des Betriebes dazu geführt haben, daß die Betriebsratstätigkeit nicht während der Arbeitszeit durchgeführt werden kann (vgl. BAG Urteil vom 11. Juli 1978 - 6 AZR 378/75 - DB 1978, 2177). In jedem Fall hat sich das Betriebsratsmitglied beim Verlassen des Arbeitsplatzes abzumelden (vgl. BAG 43, 109 = AP Nr. 45 zu § 37 BetrVG 1972), wenn Betriebsratstätigkeit innerhalb der Arbeitszeit anfällt. Bei Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit ist dies dem Arbeitgeber mitzuteilen.
b) Diese Grundsätze bedürfen der Modifizierung, wenn die persönliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers ganz oder teilweise ihrer zeitlichen Lage nach selbstbestimmt ist und außerhalb des Betriebes abgeleistet wird. Da ein Lehrer außerhalb der Unterrichtszeit seine Tätigkeit nach Zeit, Umfang und z.T. auch Ort selbst bestimmen kann, tritt an die Stelle der sonst erforderlichen Abmeldung bei Verlassen des Arbeitsplatzes (BAG 43, 109 = AP Nr. 45 zu § 37 BetrVG 1972) gegebenenfalls die Meldung an den Arbeitgeber, daß zu einem bestimmten Zeitpunkt Betriebsratstätigkeit anfällt, die (nach seiner Auffassung) außerhalb der persönlichen Arbeitszeit für Vor- und Nachbereitung liegt. Sind sich Arbeitgeber und Betriebsratsmitglied darüber einig, so entstehen Ansprüche gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG. Verweist der Arbeitgeber aber auf die Ausübung der Betriebsratstätigkeit während der Vor- oder Nachbereitungszeit, so kommt es im Einzelfall darauf an, ob objektiv betriebsbedingte Gründe für eine Betriebsratstätigkeit außerhalb der persönlichen Arbeitszeit vorliegen. Das Betriebsratsmitglied kann nicht einseitig bestimmen, ob eine Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit betriebsbedingt ist. Diese Meldung ist bei Arbeitnehmern, die betrieblichen Arbeitszeitregelungen nicht oder nur eingeschränkt unterliegen, auch deshalb erforderlich, damit der Arbeitgeber rechtzeitig die vorrangige Arbeitsbefreiung (§ 37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG) gewähren kann.
c) Für eine derartige Mitteilung vor Ausübung der jeweiligen Betriebsratstätigkeit fehlt jeglicher Sachvortrag des Klägers, so daß das Landesarbeitsgericht einen Anspruch gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG schon aus diesem Grunde zu Recht verneint hat.
3. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann unentschieden bleiben, ob überhaupt in allen Fällen Betriebsratstätigkeit vorlag, ob die Betriebsratstätigkeit außer- oder innerhalb der Vor- bzw. Nachbereitungszeit für den Unterricht stattfand und soweit sie außerhalb dieser Arbeitszeit durchgeführt wurde, ob dies aus betriebsbedingten Gründen geschah. Schließlich kann auch dahingestellt bleiben, ob der gemäß § 37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG vorrangige Freizeitausgleich alsbald beansprucht werden muß und eine Arbeitsbefreiung binnen einem Monat aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich war.
Dr. Auffarth Dr. Jobs Dr. Leinemann
Dr. Gehrunger Stenzel
Fundstellen