Leitsatz (amtlich)
Die Pfändung des Lohnes erfaßt nach § 832 ZPO den Lohn nicht nur aus dem konkreten, z.Zt. des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bestehenden Arbeitsvertrag, sondern darüber hinaus aus dem gesamten künftigen Arbeitsverhältnis, sofern es die Verkehrsauffassung – auch bei mehreren Arbeitsverträgen – als ein einheitliches ansieht.
Normenkette
ZPO § 832
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Aktenzeichen 2a Sa 58/54) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf – 2. Kammer in Köln – vom 11. Juni 1954 – 2a Sa 58/54 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Für die Klägerin ist wegen einer vollstreckbaren Unterhaltsforderung durch den der Beklagten am 2. Juli 1951 zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Köln vom 23. Juni 1951 die angebliche Forderung ihres Ehemannes gegen die Beklagte „auf Zahlung aller Bezüge an Arbeitseinkommen (ohne Rücksicht auf ihre Benennung oder Berechnungsart)” in gewisser Höhe gepfändet und ihr zur Einziehung überwiesen worden.
Vom 26. Januar 1952 bis zum 23. Juni 1952 war der Ehemann der Klägerin nicht bei der Beklagten, sondern wenigstens zeitweise bei einem anderen Arbeitgeber tätig.
Die Klägerin meint, der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß erfasse auch die Lohnforderung aus dem Arbeitsverhältnis, das seit dem 24. Juni 1952 bestanden habe, und verlangt von der Beklagten – außer einem in der Revision nicht mehr interessierenden Betrag für die frühere Zeit – die Zahlung von 514,60 DM als überwiesenen Lohn für die Zeit vom 24. Juni 1952 bis 26. Januar 1953.
Das Amtsgericht, das in erster Instanz entschieden hat, hat, die Klage dem Grunde nach zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht, an das das Landgericht den Rechtsstreit verwiesen hat, hat dagegen die Klage abgewiesen.
Mit ihrer Revision hält die Klägerin ihren Klageantrag aufrecht.
Entscheidungsgründe
1.) Das Landesarbeitsgericht geht rechtlich davon aus, daß der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß nur die Ansprüche aus dem konkreten Arbeitsverhältnis und nicht generell Ansprüche des Vollstreckungsschuldners gegen den Drittschuldner aus einem „irgendwann bestehenden” Arbeitsverhältnis umfasse. Die Revision bekämpft diese Ansicht in erster Linie im Hinblick auf § 832 ZPO und führt aus, daß danach für den Schuldner gegen den Drittschuldner entstehende Ansprüche auch bei der Neueingehung eines Arbeitsverhältnisses gepfändet seien.
Nach § 832 ZPO erstreckt sich das Pfandrecht, das durch die Pfändung einer Gehaltsforderung oder einer ähnlichen in fortlaufenden Bezügen bestehenden Forderung erworben wird, auch auf die nach der Pfändung fällig werdenden Beträge. Der Zweck dieser Vorschrift ist, die Vielheit von Pfändungen der einzelnen, jeweils nach einem bestimmten Zeitraum neu entstehenden Forderungen an Arbeitslohn und ähnlich wiederkehrenden Bezügen zu vermeiden und durch einen einzigen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß auch alle künftig fällig werdenden Bezüge zu erfassen. Daß hierunter auch der Arbeitslohn eines Arbeiters fällt, kann nicht zweifelhaft sein.
Voraussetzung für die Anwendung des § 832 ZPO ist allerdings, daß die wiederkehrenden Ansprüche aus einem einheitlichen Arbeitsverhältnis entspringen. Erforderlich ist hierfür nicht gerade, daß es sich um ein und denselben Arbeitsvertrag handelt, es genügt vielmehr, daß das Arbeitsverhältnis im wesentlichen dasselbe ist (RAG 19, 165 –174). Kurze Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses, die nach der Verkehrsauffassung die Einheitlichkeit des Arbeitsverhältnisses nicht berühren, wie sie im Baugewerbe üblich sind (NJW 54, 1125 Nr. 15), stehen der Anwendung des § 832 ZPO daher nicht entgegen. Letztlich entscheidet also die Verkehrsauffassung, ob ein aus mehreren Arbeitsverträgen zusammengesetztes Arbeitsverhältnis als ein einheitliches aufzufassen ist.
Auch die Vorschrift des § 903 ZPO, wonach der Vollstreckungsschuldner den Offenbarungseid auch vor dem Ablauf von 3 Jahren erneut zu leisten hat, wenn glaubhaft gemacht ist, daß sein bisheriges Arbeitsverhältnis aufgelöst ist, rechtfertigt es nicht, wie die Revision meint, den § 832 ZPO dahin auszulegen, daß in jedem Falle ein neues Arbeitsverhältnis mit dem früheren Arbeitgeber als die Fortsetzung eines alten Arbeitsverhältnisses, das mit dem früheren Arbeitgeber früher einmal bestanden hat, angesehen werden muß, wenn es nur unter den alten Bedingungen wieder aufgenommen wird. Allerdings soll der § 903 ZPO, wie die Revision richtig ausführt, den Vollstreckungsschuldner vor einer häufigen Leistung des Offenbarungseides schützen. Diesen Schutz versagt aber das Gesetz eben gerade für den Fall, daß das bisher bestehende Arbeitsverhältnis des Vollstreckungsschuldners durch den neuen Offenbarungseid erfahren dürfen. Wenn ein früherer Arbeitgeber (Drittschuldner) dem Vollstreckungsgläubiger den von ihm gepfändeten und ihm überwiesenen Lohn des Vollstreckungsschuldners nicht mehr gezahlt hat, weil das bisherige Arbeitsverhältnis aufgelöst sei, so liegt ja gerade ein Bedürfnis vor, daß der Vollstreckungsgläubiger erneut etwa bei dem früheren Arbeitgeber Arbeit gefunden hat. Ein solches Bedürfnis entfällt eben nur für den Fall, daß die Verkehrsauffassung in dem alten und dem neuen Arbeitsverhältnis ein einheitliches Arbeitsverhältnis erblickt.
2.) Ein solches wirtschaftlich nach der Verkehrsauffassung zusammenhängendes Arbeitsverhältnis sieht das Landesarbeitsgericht als nicht vorhanden an. Allerdings geht, was die Revision mit Recht rügt, seine hierbei angestellte Erwägung, das neue seit dem 24. Juni 1952 bestehende Arbeitsverhältnis beruhe „auf einem anderen Arbeitsvertrag” und werde deshalb von dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß nicht erfaßt, ihrem Wortlaut fehl; denn es kommt eben für die Frage, wieweit die Pfändung des Lohnes nach § 832 ZPO reicht, nicht darauf an, ob ein einheitlicher Arbeitsvertrag vorliegt, sondern allein darauf, ob die Verkehrsauffassung ein aus mehreren Arbeitsverträgen zusammengesetztes Arbeitsverhältnis noch als ein einheitliches betrachtet. Indes lassen die weiteren Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ersehen, daß es sich nur unvollkommen ausgedrückt, aber offenbar das Richtige gemeint hat. Denn es führt weiter aus, daß die Parteien ein „gänzlich neues Arbeitsverhältnis” vereinbart hätten, nachdem der Vollstreckungsschuldner nicht etwa nur eine verhältnismäßig kurze Zeit, sondern fast 5 Monate lang aus dem Betriebe der Beklagten ausgeschieden war, und daß das Arbeitsverhältnis nicht etwa infolge einer Beurlaubung oder Krankheit des Vollstreckungsschuldners oder wegen vorübergehender Betriebsstillegung geruht habe. Damit hat es offenbar verneinen wollen, daß die Verkehrsauffassung in dem Arbeitsverhältnis, das bis zum 26. Januar 1952 bestand, und dem, das am 24. Juni 1952 neu begann, ein einheitliches sieht.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts bewegen sich im übrigen auf dem Gebiete der tatsächlichen Würdigung uns lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen.
3.) Das Landesarbeitsgericht legt den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß dahin aus, daß er nicht irgendwann einmal entstehende Forderungen aus einem noch gar nicht bestehenden Arbeitsverhältnis, sondern nur die Forderungen aus dem zur Zeit der Pfändung bestehenden Arbeitsverhältnis habe erfassen wollen; mit der Beendigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses sei der Pfändungsbeschluß aber gegenstandslos geworden. Seine Wirkung lebe nicht wieder auf, wenn der Vollstreckungsschuldner später ein ganz neues Arbeitsverhältnis mit dem gleichen Arbeitgeber schließe.
Dieser Auslegung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, die von dem Revisionsgericht frei nachzuprüfen ist (Stein-Jonas, ZPO, 18. Aufl., § 549 Erl. III B 5), ist entgegen der Ansicht der Revision beizustimmen. Der Wortlaut des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses läßt durch nichts erkennen, daß er über die in § 832 ZPO gezogenen Grenzen hinaus das Arbeitseinkommen aus jedem künftigen Arbeitsverhältnis hat erfassen wollen, sondern beschränkt sich offenbar auf den Arbeitslohn aus dem z.Zt. des Erlasses des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bestehenden Arbeitsverhältnis. Es braucht daher auf die Rechtsfrage, wie weit Ansprüche aus einem künftig möglicherweise entstehenden Arbeitsverhältnis überhaupt der Pfändung unterliegen, hier nicht eingegangen werden.
4.) Eine böswillige Schädigungsabsicht, auf die die Klägerin weiterhin ihren Anspruch stützt, hält das Landesarbeitsgericht nicht für erwiesen. Diese auf tatsächlichem Gebiet liegende Feststellung läßt einen Rechtsirrtum nicht erkennen; daß die böswillige Schädigungsabsicht ohne weiteres, wie die Revision ohne nähere Begründung vorträgt, aus dem Verhalten des Vollstreckungsschuldners zu folgern sei, ist nicht ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 613628 |
BAGE, 199 |
NJW 1957, 439 |