Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
1.1.1 Definition der Werklieferung
Im Baugewerbe überwiegen Werklieferungen, da im Regelfall der leistende Unternehmer den von ihm benötigten Hauptstoff selbst beschafft und diesen dann mit dem Grundstück oder anderen Gebäudeteilen verbindet. Dabei ist es ausreichend, wenn der leistende Unternehmer von mehreren Hauptstoffen nur einen Hauptstoff oder auch nur einen Teil eines Hauptstoffs bei der Ausführung der Leistung selbst beschafft. Eine Werklieferung liegt nur dann nicht vor, wenn der leistende Unternehmer bei der Ausführung seiner Leistung nur Nebensachen oder Zutaten oder vom Leistungsempfänger gestelltes Material verwendet.
Werklieferung
Fliesenleger F hat den Auftrag übernommen, in einem Einfamilienhaus die Küche neu zu fliesen. Der Auftraggeber hat noch Bodenfliesen, die bei der Ausführung der Arbeiten verwendet werden; die Wandfliesen besorgt F. Es handelt sich bei der Leistung des F um eine Werklieferung nach § 3 Abs. 4 UStG, da F auch an der Beschaffung des Hauptstoffs mit beteiligt ist.
Grundsätzlich ist nach der Rechtsprechung des BFH darauf abzustellen, ob aus der Sicht eines Durchschnittsbetrachters die Leistung eher als Lieferung oder eher als eine sonstige Leistung anzusehen ist.
Qualitative Abgrenzung
Die Abgrenzung, ob eine Werklieferung oder eine Werkleistung vorliegt, hat dabei nicht quantitativ (wurde für das Material oder für die Arbeitsleistung mehr berechnet), sondern qualitativ (was gibt der Leistung das Gepräge) zu erfolgen.
Werden von einem Unternehmer Reparaturarbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen (z. B. Reparaturen an nicht fest in einem Gebäude eingebauten Geräten) ausgeführt und entfällt vom Gesamtentgelt mehr als 50 % auf das bei der Ausführung der Leistung verwendete Material, kann aus Vereinfachungsgründen von einer Werklieferung ausgegangen werden.
1.1.2 Ort der Leistung bei einer Werklieferung
Der Ort einer Werklieferung bestimmt sich grds. nach den Vorschriften, die für die Bestimmung eines Orts der Lieferung anzuwenden sind. Im Baugewerbe wird sich der Ort einer solchen Werklieferung im Regelfall immer nach den Grundsätzen über unbewegte ("ruhende") Lieferungen i. S. d. § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG bestimmen, da bei einer Bauleistung der Gegenstand der Lieferung nach Fertigstellung (Einbau) nicht mehr befördert oder versendet wird. Damit bestimmt sich der Ort einer solchen Bauleistung nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG mit dem Ort, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Die Verfügungsmacht wird bei Bauleistungen im Regelfall mit der Abnahme des Werks verschafft.
Leistungsort bei einer Werklieferung
Tischlermeister T aus Chemnitz hat den Auftrag erhalten, für einen Neubau in Dresden Zimmertüren zu liefern und die Zimmertüren auch einzubauen. Es handelt sich um eine einheitliche Leistung, da T Verfügungsmacht an den Türen verschafft, darüber hinaus aber auch Dienstleistungen (Einbauarbeiten) ausführt. Da er den Hauptstoff stellt, handelt es sich nach § 3 Abs. 4 UStG um eine Werklieferung. Der Ort der Lieferung bestimmt sich nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG mit dem Ort, an dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht nach dem Einbau (Abnahme) befinden; die Leistung ist in Dresden ausgeführt.
Vorübergehende Verwendung
Transportiert ein Bauunternehmer Baumaterial aus Deutschland in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, um es bei einer in dem anderen Mitgliedstaat ausgeführten Werklieferung zu verwenden, liegt kein innergemeinschaftliches Verbringen nach § 3 Abs. 1a sowie § 1a Abs. 2 UStG vor. Es liegt eine der Art nach vorübergehende Verwendung vor.
In Ausnahmefällen kann sich der Ort einer Werklieferung im Baugewerbe aber auch nach den Vorschriften über Beförderungslieferungen nach § 3 Abs. 6 UStG bestimmen, wenn der Leistungsempfänger ein Bauteil in die Werkstatt des leistenden Unternehmers bringt und anschließend dort wieder abholt.
Beförderungslieferung
Hausmeister H baut ein defektes Fenster in einem Mehrfamilienhaus aus und bringt es zur Neuverglasung zu Glasermeister G in dessen Werkstatt. Nach der Neuverglasung holt H das Fenster in der Werkstatt ab und baut es wieder ein. Es handelt sich um eine Werklieferung, da G mit dem Fensterglas den Hauptstoff stellt und ein Gegenstand des Leistungsempfängers bearbeitet wird. Es handelt sich um eine Beförderungslieferung, da der Gegenstand der Lieferung vom Abnehmer befördert wird. Die Lieferung ist damit dort ausgeführt, wo die Warenbewegung beginnt (Werkstatt des G).