Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Das Ermessen des Finanzamts, das Angebot zur Abtretung des Umsatzsteuernachforderungsanspruchs gegen den Bauträger anzunehmen, ist auf Null reduziert. Eine vorherige Erfüllung der Steuerschuld durch den Bauleistenden steht dem Anspruch gegen das Finanzamt auf Annahme der Abtretung nicht entgegen.
Sachverhalt
Im Rahmen eines klassischen Bauträgerfalles (Handwerker erbringt Bauleistungen an Bauträger und rechnet "netto" ab - wegen § 13b UStG) ist zwischen den Beteiligten strittig, ob die Klägerin gemäß § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG einen Anspruch gegen das Finanzamt auf Annahme der Abtretung ihres zivilrechtlichen Umsatzsteuernachforderungsanspruchs gegenüber der Bauträger-GmbH hat. Nach der Entscheidung des BFH vom 22.8.2013 (V R 37/10) hatte die Bauträgergesellschaft die Rückerstattung der von ihr zunächst gezahlten § 13b UStG-Umsatzsteuer für die erhaltenen Bauleistungen beim Finanzamt beantragt. Daraufhin nahm das Finanzamt die Bauleistende über die Regelung des § 27 Abs. 19 UStG in Anspruch.
Entscheidung
Nach Ansicht des Gerichts hat die Klägerin einen Anspruch auf Annahme der Abtretung des Umsatzsteuernachforderungsanspruchs gemäß § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen sind insoweit erfüllt. Außerdem ist das Ermessen des Finanzamts betreffend die Entscheidung, ob die Annahme der Abtretung anzunehmen ist, auf Null reduziert. Zwar kann nach § 399 2. Fall BGB eine Forderung nicht abgetreten werden, wenn die Abtretung durch Vereinbarungen mit dem Schuldner - wie zwischen der Klägerin und der Bauträger-GmbH geschehen - ausgeschlossen ist. Nach § 354a Abs. 1 Satz 1 HGB ist die Abtretung einer Geldforderung aber wirksam, auch wenn sie vertraglich ausgeschlossen wurde, sofern das Rechtsgeschäft, das diese Forderung begründet hat, für beide Teile ein Handelsgeschäft ist. So lagen die Dinge im Streitfall, weshalb § 354a HGB das vereinbarte Abtretungsverbot suspendiert; der Umsatzsteuernachforderungsanspruch ist deshalb abtretbar. Außerdem steht dem Anspruch der Klägerin auf Annahme der Abtretung des zivilrechtlichen Umsatzsteuernachforderungsanspruchs nicht entgegen, dass der Steueranspruch bereits erfüllt wurde.
Hinweis
Das Besprechungsurteil ist im engen Zusammenhang mit einer Entscheidung des FG Münster vom gleichen Tag (Az. 15 K 1353/15 U) zu sehen. Darin hat das Gericht bestätigt, dass § 27 Abs. 19 UStG grundsätzlich verfassungsgemäß und unionsrechtskonform ist. Es versucht aber auf Ebene der Steuererhebung Wege aufzuzeigen, eine Belastung des Bauleistenden in solchen Fällen zu vermeiden. Hierzu gibt es weitere Denkanstöße zur Rückabwicklung der Steuerschuldverlagerung und offenbart insoweit Handlungsmöglichkeiten gegenüber der Finanzverwaltung (vgl. hierzu auch Mohr/Detmerring, UR 2016, S. 457). Das Finanzgericht weist u. a. darauf hin, dass der Durchsetzung des Anspruchs auf Annahme der Abtretung nicht entgegensteht, dass die Klägerin bislang noch keine den §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung gegenüber der Bauträger-GmbH ausgestellt hat. Die Ausstellung einer Rechnung sei für das Vorliegen des Anspruchs auf Annahme der Abtretung der zivilrechtlichen Forderung gemäß § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG keine notwendige Voraussetzung. Auch ohne Ausstellung einer Rechnung bestehe ein abtretbarer zivilrechtlicher Anspruch auf Nachforderung der Umsatzsteuer.
Gegen beide Entscheidungen des Finanzgerichts Münster vom 15.3.2016 wurde Revision eingelegt (Az. des BFH VII R 11/16 und V R 16/16). Da die Rechtslage in Bauträgerfällen aufgrund zahlreicher, zum Teil divergierender FG-Urteile, Verlautbarungen des BFH (vgl. insbesondere Beschluss vom 27.1.2016, V B 87/15) und teilweise publik gewordenen Überlegungen der Finanzverwaltung sehr unübersichtlich ist, sollten betroffene Bauleistende gegen Steuerfestsetzungen Einspruch einlegen und auch außerhalb des Festsetzungsverfahrens, sprich im Erhebungsverfahren, versuchen, eine Belastung zu vermeiden. Wie sich die Finanzverwaltung aufgrund der jüngsten Entwicklungen verhält, ist derzeit noch nicht absehbar.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 15.03.2016, 15 K 3669/15 U