Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld: Ermittlung des Leistungsentgeltes bei einem Lohnsteuerklassenwechsel von Ehegatten
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen eines Steuerklassenwechsels.
Orientierungssatz
1. Bei einem Lohnsteuerklassenwechsel von Ehegatten gilt, dass die als Lohnsteuerabzugsmerkmal neu gebildeten Lohnsteuerklassen von dem Tag an, an dem sie wirksam werden, nur dann zu berücksichtigen sind, wenn die neuen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen (§ 153 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III) oder sich auf Grund der neuen Lohnsteuerklassen ein Arbeitslosengeld ergibt, das geringer ist als das Arbeitslosengeld, das sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklassen ergäbe (§ 153 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III).
2. Bei der Wahl der Steuerklassen kommt es allein darauf an, Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen der Ehegatten Rechnung zu tragen, die durch objektive Gegebenheiten geboten und zweckmäßig erscheinen (vgl. BSG, 28. November 2002, B 7 AL 36/01 R ), d.h. wenn die bisherige Steuerklassenkombination unzweckmäßig war, weil sie zu einem zu hohen Lohnsteuerabzug führte (vgl. BSG, 27. September 1989, 11 RAr 57/88).
3. Hierbei ist nicht die tatsächliche Auswirkung des Steuerklassenwechsels auf die zu zahlende Lohnsteuer zu prüfen (steuerrechtliche Zweckmäßigkeit), sondern es ist zu prüfen, wie hoch der gemeinsame Lohnsteuerabzug wäre, wenn beide Ehegatten das der zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Steuerklassenwechsels jeweiligen Entgeltersatzleistung "zugrundeliegende" Entgelt (arbeitsförderungsrechtliche Tunlichkeit) weiter erzielen würden (vgl. BSG, 04. September 2001, B 7 AL 84/00 R).
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 06.12.2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist noch die Lohnsteuerklasse der Klägerin, die der Berechnung ihres Anspruches auf Arbeitslosengeld (Alg) zugrunde zu legen ist.
Die Klägerin meldete sich für die Zeit nach der Beendigung ihres Erziehungsurlaubes mit Wirkung zum 01.07.2012 arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg. Die zu Beginn des Jahres 2012 auf der Lohnsteuerkarte der Klägerin eingetragene Steuerklasse V hatte sie für die Zeit ab dem 01.06.2012 auf Steuerklasse IV ändern lassen.
Nachdem die Klägerin in der maßgeblichen Rahmenfrist keine 150 Tage eines Versicherungspflichtverhältnisses mit Bezug von Arbeitsentgelt nachweisen hatte können, ermittelte die Beklagte das der Bewilligung zugrunde zu legende Bemessungsentgelt fiktiv nach der Qualifikationsgruppe III. Unter Beachtung des sich hieraus ergebenden (monatlichen) Bemessungsentgeltes von 2.135.- € (= 366 Tage x 70 € : 12 Monate) sei im Hinblick auf das Bruttoarbeitsentgelt des Ehemannes mit 3.229,88 € sei die Wahl der Steuerklassenkombination IV/IV nicht zweckmäßig. Daraufhin bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 05.07.2012 Alg in Höhe 25,92 € täglich. Bei der Berechnung des Leistungssatzes legte sie ein Bemessungsentgelt von 70.- € sowie die Lohnsteuerklasse V zugrunde. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin zusätzlich geltend, dass für die Ermittlung des Bemessungsentgeltes die Qualifikationsgruppe II heranzuziehen sei. Hieraus ergebe sich ein zu berücksichtigendes Einkommen 2.650.- €, so dass der Lohnsteuerklassenwechsel ungeachtet weiterer Überlegungen zweckmäßig sei. Darüber hinaus bedeute die Weigerung, die Steuerklasse frei wählen zu können eine Benachteiligung gegenüber unverheirateten Eltern. Die gesetzliche Wahl, auf den Zeitpunkt des Jahresbeginns abzustellen, sei willkürlich. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2012 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die fiktive Bemessung nach der Qualifikationsgruppe III sei unter Beachtung der Ausbildung der Klägerin zutreffend. Bei der Ermittlung des Alg- Anspruches sei die Lohnsteuerklasse V zugrunde zu legen. Zu Beginn des Jahres 2012 sei diese Lohnsteuerklasse eingetragen gewesen, und ein Wechsel sei bei Beachtung der Einkommensverhältnisse nicht zweckmäßig, denn die Lohnsteuerklassenkombination V/III führe für die Klägerin und ihren Ehemann zum geringsten Lohnsteuerabzug.
Mit der hiergegen zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst die Neuberechnung des Alg- Anspruches unter Beachtung der Lohnsteuerklasse IV auf der Grundlage eines nach der Qualifikationsgruppe II ermittelten Bemessungsentgeltes geltend gemacht. Der Begriff "entsprechen", der in der Regelung des § 153 Abs 3 Satz 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (idF des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011; BGBl. 2854 - SGB III) Verwendung finde, müsse nicht zwingend zu einem geringeren Lohnsteuerabzug führen; geringfügig höhere Abzüge seien hinzunehmen; die Regelung solle nur offenkundigen Missbrauch verhindern. Zudem sei eine verfassungskonforme Auslegung unter Beachtung des Gle...