Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Versicherungsfall eines Beamten bei außerdienstlicher Tätigkeit. Begrenzung der Verletztenrente auf Unfallausgleich. Ungleichbehandlung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Unfallverletzte in der gesetzlichen Unfallversicherung erhalten im Gegensatz zu Beamten die nach dem Jahresarbeitsverdienst berechnete Verletztenrente in voller Höhe nach dem Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung unabhängig von ihren sonstigen Einnahmen während ihres aktiven Erwerbslebens ausgezahlt. § 61 Abs.1 SGB VII ist eine vom Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung abweichende Sonderregelung für Beamte und ihnen gleichgestellte Personen und stellt eine Schlechterstellung gegenüber sonstigen Unfallverletzten in der gesetzlichen Unfallversicherung dar. Nach § 61 Abs.1 SGB VII wird Beamten bei außerdienstlichen Arbeitsunfällen über den Unfallausgleich (vgl. § 35 BeamtVG) hinaus nur eine Verletztenrente zugebilligt, soweit sie höher als die Dienst- oder Versorgungsbezüge ist.
Es besteht damit eine Ungleichbehandlung von Personengruppen im Sinne des Art.3 Abs.1 GG insoweit, als es eine Gruppe gibt, welche die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in voller Höhe, unabhängig von sonstigem Einkommen, erhält und eine Gruppe, die Beamten und andere zum anspruchsberechtigten Personenkreis der Unfallfürsorge gehörende Unfallopfer, die einer Sonderregelung unterliegen. Diese Ungleichbehandlung hat aber sachliche Gründe, die diese ausreichend rechtfertigen.
In § 61 Abs.1 SGB VII kommt der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, Beamte hinsichtlich des Ausmaßes ihrer Entschädigung für einen während ihrer Dienstzeit erlittenen Unfall, gleichgültig, ob es sich hierbei um einen Dienst- oder Arbeitsunfall handelt, grundsätzlich gleich zu behandeln. Die Regelung dient dazu, den Anschluss an das Beamten- und Soldatenversorgungsgesetz herzustellen und berücksichtigt, dass der Beamte, der trotz eines Unfalls dienstfähig bleibt, durch den Unfall im Allgemeinen keine wirtschaftlichen Einbußen erleidet, da ihm nach den Grundsätzen des Beamtenrechts die ihm zustehende Besoldung in der bisherigen Höhe weiter zu zahlen ist. Beamte werden hinsichtlich des Ausmaßes ihrer Entschädigung für einen während der Dienstzeit erlittenen Unfall grundsätzlich gleich behandelt, unabhängig davon ob es sich hierbei um einen Dienst- oder einen als Arbeitsunfall geltenden Unfall handelt.
Es liegen somit beachtliche Gründe vor, die die Regelung des Gesetzgebers ausreichend rechtfertigen können. Den Entscheidungen des BSG für die Vorgängervorschrift schließt sich der Senat auch für die inhaltsgleiche Regelung des § 61 SGB VII iVm § 82 Abs.4 SGB IV an. Gründe, die eine geänderte Beurteilung erforderten, sind nicht ersichtlich.
Normenkette
SGB VII § 61 Abs. 1, § 82 Abs. 1, 4; BeamtVG § 35; BVG § 31; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 1. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Auszahlung der Verletztenrente als vorläufige Entschädigung ohne Begrenzung auf den Betrag, der im Falle eines Dienstunfalls nach beamtenrechtlichen Vorschriften als Unfallausgleich beansprucht werden könnte.
Der 1973 geborene Kläger, zum Unfallzeitpunkt Beamter des Freistaats Bayern (Steueroberinspektor mit der Tätigkeit als Programmentwickler) erlitt am 12.12.2008 außerhalb seines Dienstes im Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit für die Gemeinde E. einen Verkehrsunfall mit seinem Motorrad, bei dem er sich erhebliche Verletzungen zuzog.
Die Beklagte erkannte den Unfall des Klägers als Arbeitsunfall an und gewährte Pflegegeld (Bescheide vom 09.03.2009 und vom 10.05.2010).
Mit Bescheid vom 25.08.2010 gewährte sie dem Grunde nach Rente als vorläufige Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 vom Hundert (v.H.) für die Zeit vom 22.03.2010 bis auf weiteres. Der Rentenberechnung legte die Beklagte die vom Dienstherrn des Klägers mitgeteilten ruhegehaltfähigen Dienstbezüge am Unfalltag mit 38.342,67 EUR zugrunde (§ 82 Abs.4 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII). Die (volle) Auszahlung der errechneten Rente in Höhe von 2.130,15 EUR lehnte die Beklagte ab, weil die Rente die Dienstbezüge aus dem Beamtenverhältnis des Klägers nicht übersteige. Die Rente verbleibe dem Kläger jedoch in Höhe des Betrages, der bei Vorliegen eines Dienstunfalls als Unfallausgleich zu gewähren wäre (§ 61 Abs.1 SGB VII iVm § 35 Beamtenversorgungsgesetz ≪BeamtVG≫ iVm § 31 Abs.1 bis 3 Bundesversorgungsgesetz ≪BVG≫). Der Unfallausgleich werde daher in Höhe der Grundrente nach § 31 BVG gewährt und betrage ab dem 22.03.2010 646,00 EUR.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2010 als unbegründet zurück. Da sich der Versicherungsfall bei einer außerdienstlichen (ehrenamtlichen) Tätigkeit erei...