Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bei einem im Hauptberuf selbstständigen Rechtsanwalt, der nebenberuflich noch selbstständig als juristischer Repetitor tätig ist
Leitsatz (amtlich)
1. Eine selbstständige Tätigkeit als juristischer Repetitor ist nach § 2 S 1 Nr 1 SGB VI versicherungspflichtig, auch wenn im Hauptberuf als Rechtsanwalt keine Versicherungspflicht besteht.
2. Die Befreiung eines dem Grunde nach versicherungspflichtigen Rechtsanwalts (hier aufgrund des Bezugs von Existenzgründungszuschuss nach § 421l SGB III aF) von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung erstreckt sich nicht auf eine Nebentätigkeit als juristischer Repetitor.
3. Eine Erstreckung der Befreiung nach § 6 Abs 5 SGB VI ist nicht möglich, wenn die Nebentätigkeit im Zeitpunkt der Entscheidung über die Befreiung bereits seit über einem Jahr und zukunftsoffen weiterhin ausgeübt wird.
4. Die Unsicherheit, ob in der Nebentätigkeit als Repetitor jeweils Nachfolgekurse zustande kommen, führt nicht dazu, dass es sich um eine ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzte Tätigkeit handelt.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom
Januar 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für eine neben seiner selbstständigen Anwaltstätigkeit ausgeübte Tätigkeit als juristischer Repetitor vom 19.03.2008 bis 26.01.2011 nach § 6 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI).
Der 1973 geborene Kläger war nach dem Abschluss seines Studiums und dem Zweiten Juristischen Staatsexamen zunächst arbeitslos, bezog bis zum 31.10.2005 Arbeitslosengeld und machte sich ab 01.11.2005 mit Hilfe eines Existenzgründungszuschusses der Agentur für Arbeit München selbstständig als Rechtsanwalt bei gleichzeitiger Pflichtmitgliedschaft in der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung und der Rechtsanwaltskammer. Am 07.11.2005 beantragte er bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, die mit zwei Bescheiden vom 09.03.2006 erteilt wurde. Für die Zeit ab 12.10.2005 (Beginn der Pflichtmitgliedschaft in ‚Rechtsanwaltskammer und -versorgung) erfolgte eine Befreiung als arbeitsloser Rechtsanwalt. Für die Zeit ab 01.11.2005 befreite die Beklagte den Kläger für seine "Tätigkeit als Rechtsanwalt bei § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI". Der Bescheid enthält dazu u.a. folgende Hinweise:
"Die Befreiung gilt für die oben genannte Beschäftigung/Tätigkeit, solange hierfür eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung unter Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft in der Berufskammer besteht und solange Versorgungsabgaben bzw. Beiträge in gleicher Höhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen wären. Die anliegende Stellen- und Funktionsbeschreibung ist Bestandteil dieses Bescheides. Sie sind verpflichtet, uns einen Wechsel des Aufgabenfeldes bei Ihrem Arbeitgeber oder einen Wechsel des Arbeitgebers sowie im Falle einer bestehenden Arbeitslosigkeit die Aufnahme einer Beschäftigung/Tätigkeit unverzüglich mitzuteilen."
Unter Bezugnahme auf die erteilte Befreiung stellte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Oberbayern mit Bescheid vom 31.03.2006 fest, dass die Voraussetzungen für den Eintritt der Versicherungspflicht bei Bezug des Existenzgründungszuschusses nicht erfüllt seien. Der Bescheid enthält einen Hinweis dahingehend, dass sich die Befreiung nur auf die geförderte Tätigkeit als Rechtsanwalt bezieht.
Am 23.05.2007 beantragte der Kläger die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für eine seit 06.03.2007 neben der Rechtsanwaltstätigkeit ausgeübte Tätigkeit als Dozent. Er bereite als freier Mitarbeiter eines juristischen Repetitoriums im Umfang von etwa vier bis neun Wochenstunden Studenten auf das Erste Staatsexamen vor. Das Entgelt betrage derzeit 400 € monatlich zuzüglich einer Umsatzbeteiligung, die aber bisher aufgrund der Teilnehmerzahl noch nicht zur Auszahlung gekommen sei. Ab Oktober 2007 sei mit einer Erhöhung und höheren Einkünften zu rechnen. Die Beklagte erließ daraufhin am 16.08.2007 einen weiteren Bescheid, mit dem festgestellt wurde, dass nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI selbständige Lehrer, Erzieher und Pflegepersonen versicherungspflichtig sind, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigten. Im Falle des Klägers bestehe ab dem 06.03.2007 Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 SGB VI, weil nur eine geringfügige selbständige Tätigkeit ausgeübt werde. Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, seine Lehrtätigkeit stehe in engem Zusammenhang mit seiner Anwaltstätigkeit, die vom Auftraggeber auch als Eignungsvoraussetzung verlangt werde. Auch würden der Inhalt des zu vermittelnden Wisse...