Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenversicherung: Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Gewährung einer Ausbildungsbeihilfe. Voraussetzung der Bewilligung einer Ausbildungsbeihilfe als Vorleistung bei Nichterfüllung einer Unterhaltspflicht. Erstattung zu viel gewährter Leistungen bei vorläufiger Leistungsgewährung
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage einer rückwirkenden Vorausleistung nach § 72 Abs 1 Satz 1 SGB III aF (seit 01.04.2012: § 68 Abs 1 Satz 1 SGB III) nach einer vorangegangenen, gemäß § 328 Abs 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III vorläufigen Bewilligung von Ausbildungsgeld.
Orientierungssatz
1. Eine - auch rückwirkende - Vorausleistung von Berufsausbildungsbeihilfe als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die Bundesagentur für Arbeit setzt bei einer verweigerten Unterhaltsleistung der Eltern auch voraus, dass die betroffene Auszubildende rechtzeitig gegenüber dem Leistungsträger erklärt, dass Unterhaltsleistungen nicht geleistet werden. Eine solche Rechtzeitigkeit ist jedenfalls dann nicht mehr anzunehmen, wenn eine solche Erklärung erstmals ein Jahr nach Kenntnis der relevanten Umstände erfolgt.
2. Wurde eine Ausbildungsbeihilfe durch vorläufigen Bescheid festgesetzt, sind nach Erlass eines endgültigen Bescheides, der eine geringere Leistungshöhe festsetzt, die zu viel erbrachten Leistungen zu erstatten.
3. Wurde eine Leistung nach zuvor vorläufiger Bewilligung nunmehr endgültig durch den Leistungsträger festgesetzt, kann die vorausgehende vorläufige Festsetzung nicht mehr mit dem Argument angegriffen werden, die Bewilligung hätte nicht als vorläufige erfolgen dürfen.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23.09.2015 aufgehoben. Die Klage gegen die Bescheide vom 03.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2012 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen ein Erstattungsverlangen der Beklagten in Bezug auf vorläufig gezahlte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Ausbildungsgeld) für den Zeitraum vom 01.03.2011 bis 31.08.2012 und begehrt die endgültige Bewilligung dieser Leistungen in Höhe der erhaltenen Zahlungen von 9.373,00 €.
Die Beklagte erbrachte seit dem Jahr 2007 an die Klägerin (geb. 19.11.1990) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 97ff des Drittes Buches Sozialgesetzbuch (SGB III), zuletzt mit Bescheid vom 29.09.2009 für die Zeit ab dem 01.09.2009 anlässlich der Teilnahme der Klägerin an einer Maßnahme des Berufsausbildungswerkes (BAW) M. und ihrer Ausbildung zur Beiköchin bei der Fa. F.. In diesem Zusammenhang bewilligte die Beklagte der Klägerin ua Ausbildungsgeld für die Zeit bis 28.02.2011, zuletzt in Höhe von 528,00 € monatlich (Bescheid vom 14.03.2011).
Mit dem Fragebogen zur Weiterbewilligung des Ausbildungsgeldes gab die Klägerin an, kein Einkommen zu haben. Zudem legte sie die Erklärungen ihrer Eltern zu deren Einkommensverhältnissen vor (C. C. [K.] - Vater; O. P. [P.] - Mutter). Aus der Erklärung des K. vom 12.04.2011 ging hervor, dass er zumindest bis Dezember 2009 eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Straßenreiniger ausgeübt und im ersten Quartal 2011 einen (vorläufigen) Überschuss von 9.171,34 € aus dem Betrieb einer Spielhalle erzielt habe. Der Hinweis in der Einkommenserklärung, dass für die Beurteilung die Verhältnisse des Kalenderjahres 2009 maßgeblich seien, war seitens des K. mit dem Vermerk versehen, dass sein Steuerberater weitere Unterlagen übersenden werde. Zudem gab er an, dass die Veranlagung für das Jahr 2009 noch erfolgen werde, wobei die Einkommenserklärung mit dem Hinweis versehen war, dass der Einkommensteuerbescheid nach Erhalt zu übersenden sei. Auf der Grundlage der für das Jahr 2009 dargelegten Einkommensverhältnisse, d.h. den Bruttoeinkommen des K. (33.070,74 €) und der P. (25.511,06 €), ermittelte die Beklagte kein berücksichtigungsfähiges Elterneinkommen, worauf sie der Klägerin mit Bescheid vom 14.06.2011 Ausbildungsgeld wegen deren auswärtigen Unterbringung in Höhe von monatlich 528,00 € für den Zeitraum vom 01.03.2011 bis 31.08.2012 als vorläufige Leistung bewilligte. Die Vorläufigkeit der Bewilligung beruhe auf dem Umstand, dass der Einkommensteuerbescheid der Eltern des Jahres 2009 noch nicht vorliege.
Nachdem die Klägerin im August 2012 im Haushalt ihrer Eltern wieder Aufnahme gefunden hatte, änderte die Beklagte mit Bescheid vom 20.08.2012 die Bewilligung des Ausbildungsgeldes für den Zeitraum vom 01.08.2012 bis 31.08.2012 dahingehend ab, keine Kosten einer auswärtigen Unterbringung mehr zu berücksichtigen (Zahlbetrag 397,00 €). Auch dieser Bescheid enthielt den Hinweis auf die Vorläufigkeit der Entscheidung im Hinblick auf das Fehlen des Einkommensteuerbescheides des Jahres 2009. Hierauf übersandte der Steuerberater der Eltern der Klägerin den Einkommensteuerbescheid des K. und der P. für das Jahr 2009. Ausweislich des Steuerbescheides vom 10.11.2010 hatte de...