Leitsatz (amtlich)
1. Das gesetzgeberische Ziel der Gläubigergleichbehandlung (§ 1 InsO) hat bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit Vorrang vor dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung und engen Zusammenarbeit der Sozialleistungsträger (§ 52 SGB I).
2. Der in § 114 Abs. 2 InsO auch zugunsten eines Sozialleistungsträgers vorgesehene Schutz einerAufrechnungslage umfaßt nicht den Schutz einerVerrechnungslage nach § 52 SGB I, d. h. der Sozialleistungsträger kann mit eigenen Gegenansprüchen aber nicht mit solchen eines Dritten gegen den Anspruch auf laufende Bezüge aufrechnen.
Normenkette
InsO §§ 1, 114 Abs. 2, § 96 Abs. 1 Nr. 2; SGB I § 52
Verfahrensgang
LG Amberg (Aktenzeichen 31 T 420/00) |
AG Amberg (Aktenzeichen IK 114/99) |
Tenor
I. Der Beschwerdeführerin wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde und zur Beantragung der Zulassung dieses Rechtsmittels auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
II. Das Rechtsmittel wird zugelassen.
III. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Amberg vom 19. Oktober 2000 wird als unbegründet zurückgewiesen.
IV. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde und der Wiedereinsetzung zu tragen.
V. Der Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 2 374,80 DM festgesetzt.
Gründe
I.
1. In dem auf Antrag des Schuldners mit dem Ziel der Restschuldbefreiung vor dem Amtsgericht Ende 1999 eingeleiteten Verfahren auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens erhob die Beschwerdeführerin Einwendungen im Sinne von § 308 Abs. 1 Satz 1, § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO gegen den vom Schuldner vorgelegten Schuldenbereinigungsplan, der für alle Gläubiger eine Befriedigungsquote von 8,878 % vorsieht. Auf Antrag des Schuldners ersetzte das Insolvenzgericht mit Beschluß vom 20.3.2000 die von der Beschwerdeführerin verweigerte Zustimmung. Gegen den ihr am 28.3.2000 zugestellten Beschluß legte die Beschwerdeführerin am 4.4.2000 sofortige Beschwerde ein, der das Insolvenzgericht nicht abhalf und die das Landgericht mit Beschluß vom 19.10.2000 als unbegründet zurückwies.
2. Das Beschwerdegericht stellte folgenden Sachverhalt fest:
In dem dem Eröffnungsantrag beigefügten Gläubiger- und Forderungsverzeichnis sind insgesamt vier Gläubiger aufgeführt: A mit 1 641,48 DM, B mit 198 422,07 DM, die Beschwerdeführerin mit 48 119,40 DM und C mit 2 886,46 DM. Zur Schuldenbereinigung bot der Schuldner auf die Gesamtverbindlichkeiten in Höhe von 251 069,61 DM eine Gesamttilgungsleistung in Höhe von 22 290 DM an, zu erbringen über den Tilgungszeitraum mit 60 Monaten zu jeweils 371,50 DM. Dies entspricht einer Quote von 8,878 %, bezogen auf die dargestellte Forderung der Beschwerdeführerin ergibt sich eine Gesamtleistung in Höhe von 4 272,05 DM bei monatlichen Raten in Höhe von 71,20 DM. C hatte bereits zugestimmt, ihre Forderung beträgt 1,14 % der Gesamtverbindlichkeiten. Mit Beschluß des Insolvenzrichters vom 25.11.1999 wurde das Ruhen des Insolvenzverfahrens bis zur Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan verfügt; dieser Beschluß wurde sämtlichen Gläubigern gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 InsO mit Hinweis auf § 307 Abs. 2 Satz 1 InsO zugestellt; die Zustellung gegenüber der Beschwerdeführerin erfolgte am 30.11.1999. B erklärte sich ausdrücklich mit dem Schuldenbereinigungsplan einverstanden, seitens A ging keine Stellungnahme ein. Die Beschwerdeführerin lehnte mit Schreiben vom 7.12.1999 den Schuldenbereinigungsplan mit der Begründung ab, sie habe das Arbeitsamt mit Schreiben vom 26.4.1996 gemäß § 52 SGB I ermächtigt, ihre seinerzeitige Forderung an rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen einschließlich Kosten und Gebühren in Höhe von 25 960,10 DM zuzüglich Säumniszuschläge in Höhe von 1 % monatlich ab 13.3.1983 mit dem von dem Schuldner bezogenen Arbeitslosengeld bzw. dem Anspruch darauf zu verrechnen; das Arbeitsamt habe den Schuldner mit Schreiben vom 26.2.1998 davon in Kenntnis gesetzt, gemäß §§ 52, 51 SGB I von dieser Ermächtigung Gebrauch zu machen; sie habe demzufolge seit Jahren monatliche Verrechnungszahlungen seitens des Arbeitsamtes erhalten, zuletzt in Höhe von 553,90 DM/Monat, diese Verrechnungszahlungen liefen bis zum Beginn von Rentenzahlungen an den Schuldner (vermutlich ab 1.4.2001) weiter; für voraussichtlich noch 13 Verrechnungszahlungen habe sie somit insgesamt 7 200,70 DM zu erwarten gegenüber lediglich 4 272,05 DM bezogen auf die Gesamttilgungsdauer von 60 Monaten. Eine Schuldentilgung nach Maßgabe des Schuldenbereinigungsplanes stelle sie daher wirtschaftlich schlechter als eine durch analoge Anwendung von § 114 Abs. 2 InsO geschützte Fortsetzung der seit 1996 im Wege der Verrechnung nach § 52 SGB I erfolgreich praktizierten Beitreibung.
3. Gegen den ihr am 22.11.2000 zugestellten Beschluß des Landgerichts vom 19.10.2000 wendet sich die Beschwerdeführerin mit der am 18.12.2000 bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht eingegangenen sofortigen weiteren Beschw...