hier: Auswirkungen des Urteils des BSG vom 27.4.2016, B 12 KR 24/14 R, USK 2016-30

Sachverhalt:

Nach § 8 Abs. 1 SGB V wird auf Antrag von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung befreit, wer durch einen der unter den Nummern 1 bis 7 genannten Tatbestände versicherungspflichtig wird. Der Antrag ist nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB V innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse zu stellen. Die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung hat zur Folge, dass auch keine Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung eintritt. Das Recht der Krankenversicherung der Landwirte sieht in den §§ 4 und 5 KVLG 1989 für bestimmte Personen, die versicherungspflichtig nach § 2 KVLG 1989 werden, ebenfalls eine Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag innerhalb einer bestimmten Frist vor.

Das BSG hat mit Urteil vom 27.4.2016, B 12 KR 24/14 R, USK 2016-30, in einem Fall, bei dem der Kläger unmittelbar vor Eintritt der Versicherungspflicht wegen des Bezuges einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V aufgrund einer Beschäftigung vorrangig versicherungspflichtig nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V war, ein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V nach Wegfall der Vorrangversicherungspflicht verneint; dies vor dem Hintergrund, dass unmittelbar vor der Versicherungspflicht aufgrund des Rentenbezuges bereits eine Versicherungspflicht aufgrund eines anderen Tatbestandes bestand und der Kläger daher nicht versicherungspflichtig im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB V geworden ist. Der Senat begründet seine Entscheidung mit der Systematik des § 8 Abs. 1 SGB V sowie mit der Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V und dem darin zum Ausdruck kommenden Sinn und Zweck der Regelung.

Bislang wird ein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V aufgrund eines Antrages auf Rente oder des Bezuges einer Rente auch dann eingeräumt, wenn dem Befreiungstatbestand eine Versicherungspflicht aus einem anderen Grund, üblicherweise als Vorrangversicherungspflicht, unmittelbar vorausgeht (vgl. Gemeinsames Rundschreiben "Krankenversicherung und Pflegeversicherung der Rentner zum 11.2015" vom 2.12.2014, [GR v. 2.12.2014-I] Abschnitt A.III 1). Entsprechende Aussagen enthalten das Gemeinsame Rundschreiben Versicherungs-, Beitrags- und Melderecht der Bezieher von Entgeltersatzleistungen vom 3.12.2002 im [GR v. 3.12.2002] Abschnitt A.I.1.3.1 für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 SGB V versicherungspflichtigen Teilnehmer an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und das Gemeinsame Rundschreiben "Kranken- und Pflegeversicherung der Studenten, Praktikanten ohne Arbeitsentgelt, der zur Berufsausbildung Beschäftigten ohne Arbeitsentgelt und der Auszubildenden des Zweiten Bildungswegs" vom 21.3.2006 im [GR v. 21.3.2006-I] Abschnitt 4.2 für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 oder 10 SGB V versicherungspflichtigen Personen.

Klärungsbedürftig ist, welche Auswirkungen das vorgenannte Urteil des BSG auf die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V und auf weitere betroffene Befreiungstatbestände hat.

Ergebnis:

Der Entscheidung des BSG wird in dem Sinne gefolgt, dass ein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V nur dann besteht, wenn nicht unmittelbar vor Eintritt des Befreiungstatbestandes bereits Versicherungspflicht aus einem anderen Grund bestand. Dabei ist es unerheblich, ob sich die Versicherungspflichttatbestände unmittelbar aneinander anschließen oder es sich bei der vorausgehenden Versicherungspflicht um eine zunächst bestehende Vorrangversicherungspflicht handelt. Eine dem Befreiungstatbestand nicht unmittelbar davor, sondern zu irgendeinem Zeitpunkt vorausgehende Versicherungspflicht verhindert hingegen das Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht nicht.

Die vom BSG vertretene Rechtsauffassung in Bezug auf das Befreiungsrecht für Rentenantragsteller und Rentenbezieher nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ist gleichermaßen auf die anderen Befreiungstatbestände, bei denen ebenfalls unmittelbar vorher eine andere Versicherungspflicht vorliegen kann, anzuwenden. Hierbei handelt es sich um die Befreiung von der Versicherungspflicht als Teilnehmer an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (ebenso § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V), aufgrund der Einschreibung als Student oder einer berufspraktischen Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) sowie aufgrund der Tätigkeit in einer Einrichtung für behinderte Menschen (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 SGB V). Die insofern weiterentwickelte Rechtsauffassung ist ebenso auf die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 4 KVLG 1989 anzuwenden. Auswirkungen auf die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 5 KVLG 1989 ergeben sich hingegen nicht, da in diesem Fall eine freiwillige Versicherung (mit Anspruch auf Krankengeld) bei einer anderen Krankenkasse vorausgesetzt wird.

Unter die Versicherungspflicht, die,...

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