Leitsatz
1. Die (durch objektive Anhaltspunkte belegte) Verwendungsabsicht bei Anschaffung eines Wirtschaftsguts ist für den Umfang bzw. die Berichtigung des Vorsteuerabzugs nicht nur maßgebend, wenn die erstmalige Verwendung des Wirtschaftsguts noch aussteht, sondern auch, wenn zunächst mit dem Wirtschaftsgut tatsächlich ausgeführte Umsätze nicht fortgeführt werden.
2. Die bisherige BFH-Rechtsprechung, die auch bei zwischenzeitlichem "Leerstand" eines Gebäudes auf die künftige tatsächliche Verwendung abstellte (vgl. BFH, Urteil vom 9.12.1993, V R 98/91, BFH/NV 1997, 380, m.w. Nachw.), ist mit der richtlinienkonformen Auslegung der Vorsteuerabzugsvorschrift des § 15 UStG (vgl. BFH, Urteil vom 22.2.2001, V R 77/96, BFH-PR 2001, 227) nicht vereinbar und daher aufzugeben.
Normenkette
§ 15 UStG i.d.F. vor dem StÄndG 2001 , § 15a Abs. 1 UStG i.d.F. vor dem StÄndG 2001 , Art. 17 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger erwarb 1991 ein Objekt und ließ es 1991 und 1992 umfangreich modernisieren, um es anschließend zu vermieten. Er verpachtete am 1.1.1992 das Objekt an eine GmbH unter Verzicht auf die Steuerbefreiung. Ab 1.5.1992 stand das Gebäude aufgrund Konkurses der GmbH leer. Der Kläger teilte dem FA mit, er habe einen Makler mit dem umsatzsteuerpflichtigen Verkauf beauftragt. Es wurde dann aber im Zwangsversteigerungsverfahren 1994 umsatzsteuerfrei zugeschlagen.
Das FA machte den Vorsteuerabzug der Jahre 1991 und 1992 rückgängig. Das FG gab dem Kläger Recht.
Entscheidung
Der BFH hat die bisherige Rechtsprechung zum Leerstand als nicht richtlinienkonform aufgegeben. Er konnte aber wegen widersprüchlicher Angaben zu den Vorsteuerbeträgen nicht abschließend entscheiden und wies die Sache an das FG zurück.
Beachten Sie: Der Hinweis auf einen Maklervertrag dürfte kein ausreichender Beleg für die Absicht sein. Im Streitfall hatte das FA allerdings gegen die Würdigung des FG, der Kläger habe mit dem Hinweis auf den Maklervertrag zum "steuerpflichtigen Verkauf" konkret die Absicht weiterer steuerpflichtiger Verwendung nachgewiesen, keine Einwendungen erhoben. Dem BFH-Urteil ist aber zu entnehmen, im Streitfall jedenfalls seien keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Verwendungsabsicht zu erkennen gewesen.
Hinweis
§ 15 Abs. 1 UStG ist richtlinienkonform so zu verstehen, dass ein Leistungsempfänger
- bei Leistungsbezug das Recht auf Vorsteuerabzug als Unternehmer hat, wenn er die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine wirtschaftliche Tätigkeit (d.h. Umsätze gegen Entgelt) mit diesen Leistungsbezügen auszuüben.
- Die tatsächliche oder bei Leistungsbezug beabsichtigte Verwendung des Gegenstands oder der sonstigen Leistung zur Ausführung besteuerter Umsätze bestimmt den Umfang des Vorsteuerabzugs (vgl. § 15 Abs. 2 UStG).
- Sie ist ggf. Grundlage für eine Vorsteuerberichtigung gem. § 15a UStG in sog. Folgejahren.
§ 15a Abs. 1 UStG 1991 sieht vor: Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, innerhalb von (bei Grundstücken) zehn Jahren seit dem Beginn der Verwendung, so ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen.
Die Vorschrift beruht ersichtlich noch auf der früheren, richtlinienwidrigen Auffassung, die tatsächliche erstmalige Verwendung sei maßgeblich; sie liefe leer, falls das Jahr des Vorsteuerabzugs und das Erstjahr der Verwendung auseinander fallen. Sie könnte überhaupt nur unter der Voraussetzung sinnvoll angewandt werden, dass die Änderung der Verwendungsverhältnisse in sog. Folgejahren nicht auf das Erstjahr der tatsächlichen Verwendung, sondern auf das Jahr des ursprünglichen Vorsteuerabzugs Bezug nimmt (vgl. die aufgrund des Steueränderungsgesetzes 2001, BGBl I 2001, 3794, ab 1.1.2002 geltende geänderte Fassung des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG).
Bei Leerstand stellt sich diese Frage – noch – nicht; denn auch insoweit ist nur die Absicht der weiteren Verwendung maßgeblich.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 25.4.2002, V R 58/00