Anmerkungen zu BFH v. 1.9.2021 – II R 40/19
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. Stefan Heinrichshofen, RA/FASt/StB
Der BFH hatte in seiner Entscheidung vom 1.9.2021 entschieden, dass ein Ehevertrag künftiger Eheleute, in dem sie den Güterstand der Gütertrennung vereinbaren und der spätere Ehemann sich für den Fall der Scheidung zu einer Ausgleichszahlung verpflichtet, diese Zahlungsverpflichtung keine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellen muss (BFH v. 1.9.2021 – II R 40/19). Der Beitrag zeigt die bisherige Rechtslage sowie die Entscheidung des BFH auf und gibt Hinweise für die Praxis.
1. Problemstellung
Der BFH hatte in seiner Entscheidung vom 1.9.2021 darüber zu befinden, ob die vom Ehemann i.R.d. Scheidung an seine Ehefrau erfolgte Zahlung Schenkungsteuer auslöst (BFH v. 1.9.2021 – II R 40/19).
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin (Kl.) schloss mit ihrem späteren Ehemann (nachfolgend: EM) auf dessen Geheiß, im Mai 1998 einen notariellen Ehevertrag. In diesem Ehevertrag vereinbarten die Kl. und EM den Güterstand der Gütertrennung. In diesem Zusammenhang wurde vereinbart, dass die Kl. im Falle der Scheidung einen indexierten Zahlungsanspruch hat. Dieser Zahlungsanspruch beträgt 2 Mio. DM, wenn die Ehe 15 volle Jahre bestanden hat. Bei einer Ehescheidung vor Ablauf von 15 Jahren seit Bestehen der Ehe, vermindert sich der Betrag von 2 Mio. DM um jeweils 1/15, d.h. 133.333 DM. Des Weiteren wurde der Versorgungsausgleich ausgeschlossen.
Die Ehe wurde im Jahre 2014 rechtskräftig geschieden. EM zahlte an die Kl. den vereinbarten Betrag. EM zeigte den Sachverhalt dem FA an. Dieses setzte ggü. der Kl. Schenkungsteuer i.H.v. 408.680 EUR fest. Der dagegen von der Kl. erhobene Einspruch blieb wie auch die gegen die Einspruchsentscheidung erhobene Klage (FG München v. 2.5.2018 – 4 K 3181/16, EFG 2018, 796 mit Anm. Neu = ErbStB 2020, 67 [Kirschstein]) erfolglos.
Die Kl. konnte sich ggü. dem FA und dem FG München insb. nicht mit ihrem Argument durchsetzen, dass es sich um ein Wagnisgeschäft gehandelt habe, dass das Tatbestandsmerkmal "freigebige Zuwendung" ausschließe, da in diesen Fällen unklar sei, wer "Gewinner" oder "Verlierer" der Vereinbarung sein würde. Eine Einordnung der Ausgleichszahlung als freigebige Zuwendung liefe der Einheitlichkeit der Rechtsordnung entgegen, da die zivilrechtliche Vertragsfreiheit hierdurch wieder zunichte gemacht würde. EM habe der im Ehevertrag vom Mai 1998 vereinbarten Ausgleichszahlung erst nach längeren Verhandlungen zugestimmt. EM wollte der Kl. nichts schenken, sondern habe seine eigenen Interessen verfolgt und aus seiner Sicht ein "gutes Geschäft" abgeschlossen, indem er Rechtssicherheit erlangt und sein Vermögen geschützt habe.
Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass es sich bei dem Ehevertrag um ein Schenkungsversprechen mit einer aufschiebenden Bedingung handele. Einzige Bedingung für die Geldzahlung bei Scheidung seien die "erfüllten Ehejahre", die jedoch keine bewertbare Gegenleistung sei und damit gem. § 7 Abs. 3 ErbStG unberücksichtigt bleiben müsse. Daher liege auch kein Risikogeschäft vor. Diesem Verständnis hatte sich auch das FG München angeschlossen und die Klage abgewiesen. Obwohl die mit dem Rechtsstreit verbundene Rechtsfrage höchstrichterlich nicht entschieden war (vgl. die Anm. von Neu unter II. zu FG München v. 2.5.2018 – 4 K 3181/16, EFG 2018, 796 = ErbStB 2020, 67 [Kirschstein]) ließ der Senat die Revision nicht zu. Über den Umweg der Nichtzulassungsbeschwerde obsiegte die Kl. vor dem BFH.
2. Rechtliche Grundlagen
Rufen wir uns dazu folgende Rspr.-Grundsätze in Erinnerung: Der Steuer unterliegt als Schenkung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Der Erwerb eines zugewendeten Gegenstandes, auf den kein Rechtsanspruch besteht, ist unentgeltlich, wenn er nicht rechtlich abhängig ist von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers. Dabei kommen als die Unentgeltlichkeit ausschließende und damit die Entgeltlichkeit begründende rechtliche Abhängigkeiten Verknüpfungen sowohl nach Art eines gegenseitigen Vertrags als auch durch Setzung einer Bedingung oder eines entspr. Rechtszwecks in Betracht.
Zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes einer freigebigen Zuwendung bedarf es des Bewusstseins des Zuwendenden, die Leistung ohne Verpflichtung und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung oder einem Gemeinschaftszweck zu erbringen. Der subjektive Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entfällt, wenn der Zuwendende seine Leistung – wenn auch irrtümlich – als entgeltlich ansieht. Für die zutreffende Vorstellung des Zuwendenden von dem Begriff der (Un-)Entgeltlichkeit genügt es jedoch, wenn er dessen rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt laienhaft zutreffend erfasst (vgl. FG München v. 2.5.2018 – 4 K 3181/16, EFG 2018, 796 Rz. 10 und 11, dazu ErbStB 2020, 67 [Kirschstein]).