1.1 Allgemeines
Das vereinfachte Ertragswertverfahren wird angewandt zur Ermittlung des gemeinen Werts von
- nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften sowie
- Betriebsvermögen und Anteilen daran (z. B. Einzelunternehmen oder Anteile an Personengesellschaften).
Sind branchentypisch ertragswertorientierte Verfahren ausgeschlossen, z. B. wenn Multiplikatoren- oder Substanzwertverfahren zur Anwendung kommen, kann das vereinfachte Ertragswertverfahren nicht angewandt werden.
Beim Ertragswertverfahren wird der zukünftig nachhaltig erzielbare Jahresertrag mit einem Kapitalisierungsfaktor multipliziert. Dabei bietet für die Ermittlung dieses Jahresertrags der in der Vergangenheit tatsächlich erzielte Durchschnittsertrag eine wichtige Beurteilungsgrundlage. Dieser ist regelmäßig aus den Betriebsergebnissen der letzten 3 vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahre herzuleiten.
Bei der Bewertung ausländischer Unternehmen sind die Regelungen des vereinfachten Ertragswertverfahrens entsprechend, insbesondere hinsichtlich der Ermittlung des nachhaltig erzielbaren Jahresertrags, anzuwenden, wenn dies nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt
Abweichung vom Wert nach Ertragswertverfahren
Der durch das vereinfachte Ertragswertverfahren ermittelte Wert wird vom Finanzamt immer dann zugrunde gelegt, wenn das Ergebnis nicht offensichtlich unzutreffend ist.
Erkenntnisse über eine offensichtlich unzutreffende Wertermittlung zum gemeinen Wert können z. B. in den nachstehenden Fällen hergeleitet werden:
- Es liegen zeitnahe Verkäufe vor, wenn diese nach dem Bewertungsstichtag stattgefunden haben.
- Es liegen Verkäufe vor, die mehr als ein Jahr vor dem Bewertungsstichtag stattgefunden haben.
- Es wurden Erbauseinandersetzungen durchgeführt, bei denen die Verteilung der Erbmasse Rückschlüsse auf den gemeinen Wert zulässt.
Will das Finanzamt von dem durch das vereinfachte Ertragswertverfahren gefundenen Wert abweichen, trägt es die Feststellungslast für die Ermittlung eines abweichenden Werts. Will jedoch der Steuerpflichtige abweichen, trägt dieser die Feststellungslast für die Ermittlung eines abweichenden Werts.
Nach dem BFH, Urteil v. 2.12.2020 hat für die Ermittlung des gemeinen Werts von Anteilen an einer nicht börsennotierten Kapitalgesellschaft allein der Steuerpflichtige die Wahl zwischen einem individuellen Ertragswertverfahren und der Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens.
Auch bei ausländischen Unternehmen kann das vereinfachte Ertragswertverfahren angewandt werden. Dies gilt insbesondere zur Ermittlung des nachhaltig erzielbaren Jahresertrags- sofern dies nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt.
Darüber hinaus kann das vereinfachte Ertragswertverfahren auch bei der Bewertung von ausländischen Kapitalgesellschaften und bei ausländischem Betriebsvermögen genutzt werden.
1.2 Feststellungsverfahren
Nach § 151 Abs. 1 Nr. 3 BewG ist der Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Sinne des § 11 Abs. 2 BewG gesondert festzustellen.
Voraussetzung ist hierfür, dass die Werte für die Erbschaftsteuer oder eine andere Feststellung im Sinne dieser Vorschrift von Bedeutung sind.
Hinsichtlich der Abgabe der Feststellungserkläung gilt aufgrund den Änderungen durch das Jahressteuergesetzes 2022 die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung auch für Feststellungserklärungen (§ 153 BewG).
1.3 Änderung der Bewertung von Grundbesitz
Mit dem Jahressteuergesetz 2022 wurden Änderungen in der Bewertung von Grundvermögen vorgenommen, d. h. es wurde eine Anpassung der Vorschriften der Grundbesitzbewertung nach dem Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes an die Immobilienwertermittlungsverordnung vom 14.7.2021 vorgenommen.
Hierbei werden insbesondere das Ertrags- und Sachwertverfahren zur Bewertung bebauter Grundstücke sowie die Verfahren zur Bewertung in Erbbaurechtsfällen und Fällen mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden an die geänderte ImmoWertV angepasst. Insbesondere wird dabei sichergestellt, dass die von den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte auf der Grundlage der ImmoWertV ermittelten sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Modellkonformität weiterhin bei der Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sachgerecht angewendet werden können.
Hierzu hat die Finanzverwaltung die gleichlautenden Ländererlasse v. 20.3.2023
veröffentlicht. Diese beschäftigen sich insbesondere mit dem Bewertungsmaßstab, den Grundstücksarten, dem Vergleichswertverfahren, dem Ertragswertverfahren und den Grundsätzen des Sachwertverfahrens, ferner mit der Bertung von Erbbaurechten und Gebäuden auf fremden Grund und Boden.
1.4 Substanzwert
Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG darf der Substanzwert nicht unterschritten werden. Beim Substanzwert sind Betriebsgrundstücke mit dem Bedarfswert anzusetzen. Hie...