Leitsatz
1. In der unentgeltlichen Übertragung eines Kommanditanteils durch den Schenker und der nachfolgenden Veräußerung des Anteils durch den Bedachten kann die mittelbare Schenkung des Veräußerungserlöses liegen (mittelbare Geldschenkung).
2. Bei einer mittelbaren Schenkung hat die Finanzbehörde erst dann Kenntnis von der vollzogenen Schenkung, wenn sie alle Umstände kennt, die die mittelbare Schenkung begründen. Dazu gehört auch die Kenntnis von der Veräußerung des vom Schenker übertragenen Gegenstands.
Normenkette
§ 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 170 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 2, § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO
Sachverhalt
Im Dezember 2000 übertrug E einen Kommanditanteil von 125.000 DM unentgeltlich auf die Klägerin. Diese war u.a. zur Rückübertragung verpflichtet, wenn sie ohne Zustimmung des E über den Kommanditanteil verfügte. Ferner verpflichtete sich die Klägerin, ihren Kommanditanteil zu den gleichen Bedingungen wie E zu veräußern.
Im Dezember 2000 und Juni 2001 verkauften die Klägerin und E ihre Anteile. Auf die Klägerin entfiel ein Betrag von ca. 6,4 Mio. DM. In der Schenkungsteuererklärung der Klägerin vom November 2001 war der Wert des Kommanditanteils mit ca. 200.000 DM angegeben; im März 2002 erfolgte eine Nichtfestsetzungsmitteilung.
Aufgrund einer Kontrollmitteilung erhielt das FA im Mai 2007 erstmals Kenntnis vom Anteilsverkauf. Mit Bescheid vom September 2008 änderte es den Erbschaftsteuerbescheid gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen neuer Tatsachen.
Die Vorinstanz (FG München, Urteil vom 9.4.2014, 4 K 1852/11, Haufe-Index 6805778, EFG 2014, 1270) wies die Klage mit der Begründung ab, die Festsetzungsfrist sei im September 2008 nicht abgelaufen gewesen.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Das FG habe, so der BFH, richtig erkannt, dass Gegenstand der Schenkung nicht der Kommanditanteil war. Im Streitfall hat die Zuwendung in der Überlassung des Erlöses aus dem späteren Weiterverkauf gelegen. Denn die Erwerberin der Anteile – die Klägerin – durfte im Verhältnis zum Schenker E nur über den Verkaufserlös, nicht aber über den Kommanditanteil frei verfügen.
Unter diesen Umständen war die Festsetzungsfrist im Jahr 2008 für die Vorgänge in den Jahren 2000/2001 noch nicht abgelaufen, weil das FA erst im Jahr 2007 erstmalig Kenntnis von dem zutreffenden Besteuerungstatbestand erhalten hat. Für die Schenkungsteuer beginnt die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt. Die erforderliche "positive Kenntnis" liegt vor, wenn das FA – falls nicht durch Anzeige, sondern anderweitig – in dem erforderlichen Umfang Kenntnis erlangt hat; die Kenntnis von Umständen, die nur zur Prüfung Anlass geben, genügt nicht. Vielmehr muss das FA alle Umstände kennen, die die – mittelbare – Schenkung begründen. Dazu gehört auch die Kenntnis von der Veräußerung des vom Schenker übertragenen Gegenstands. Die Anteilsveräußerung stellt eine rechtserhebliche Tatsache dar, von der das FA erst im Jahr 2007 Kenntnis erlangte. Daher konnte die Steuerfestsetzung wegen einer neuen Tatsache noch geändert werden.
Hinweis
Der Besprechungsfall liegt an einer Schnittstelle zwischen Verfahrensrecht und materiellem Schenkungsteuerrecht. Der Sachverhalt enthält damit jedenfalls zwei Probleme. Denn es ist zu fragen, was bei einer freigebigen Zuwendung angezeigt werden muss, um die Festsetzungsfrist in Gang zu setzen, bzw. was das FA trotz Anzeige eventuell noch nach Jahren zum Gegenstand einer Steuerfestsetzung machen darf.
1. Im Fall der Schenkungsteuer gilt neben § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO in Gestalt des Abs. 5 Nr. 2 AO eine besondere Anlaufhemmung. Danach beginnt die Festsetzungsfrist bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das FA von der vollzogenen Schenkung "Kenntnis" erlangt hat (oder der Schenker gestorben ist).
Dem FA müssen Name und Anschrift der Beteiligten sowie der Rechtsgrund des Erwerbs bekannt sein. Der Rechtsgrund der Schenkung ist dem FA nicht bekannt, wenn die vorliegenden Unterlagen nicht den Schluss auf eine bestimmte freigiebige Zuwendung zulassen (vgl. Paetsch in Beermann/Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 170 AO Rz. 58.1).
2. Damit ergibt sich das zweite Problem des Falls: Der Rechtsgrund der vollzogenen Schenkung muss dem FA bekannt sein. Hierzu gehört jedenfalls die Bezeichnung des Gegenstands der Zuwendung, was – wie im Streitfall bei einer "mittelbaren Schenkung" – nicht unproblematisch ist.
Das Erfordernis der Bereicherung aus dem Vermögen des Schenkers setzt nicht voraus, dass der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, sich vorher in derselben Gestalt in dem Vermögen des Schenkers befunden hat und wesensgleich übergeht (BGH, Urteil vom 2.7.1990, II ZR 243/89, BGHZ 112, 40, 46). In der Vergangenheit waren wegen der günstigen Bewertung von Immobilien mittelbare Grundstücksschenkungen (vgl. BFH, Urteil vom 10.11.200...