Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Mahnt ein Unternehmer einen Dritten wegen Urheberrechtsverletzungen oder wegen unlauterem Wettbewerb ab und verlangt dafür eine "Abmahngebühr", muss entschieden werden, ob es sich dabei um einen nicht steuerbaren Schadensersatz handelt oder ob sich wirtschaftlich dahinter eine steuerbare Leistung des Abmahnenden verbirgt. Nachdem der BFH regelmäßig einen steuerbaren Leistungsaustausch gesehen hatte, setzt die Finanzverwaltung diese Rechtsprechung jetzt um.
Die rechtliche Problematik
Sog. Abmahnvereine, die gegenüber Dritten Unterlassungsansprüche geltend machen, haben einen Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen nach § 12 Abs. 1 UWG. Nach schon früh vom BFH vertretener Auffassung, erbringen sie mit der Abmahnung gegenüber den abgemahnten Unternehmern dadurch eine Leistung gegen Entgelt.
Hinweis
Eine Leistung gegen Entgelt liegt auch vor, wenn ein Unternehmer einen gesetzlichen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 683 BGB für eine Geschäftsführung ohne Auftrag erhält, weil er im Interesse eines anderen für diesen tätig wird.
So soll es auch bei den im UWG genannten Verbänden sein, die die dort genannten Unterlassungsansprüche geltend machen dürfen. Sie haben, weil die Abmahnung des Störers nach der vom BFH vertretenen Auffassung auch im Interesse des Störers liegt, der dadurch Gelegenheit erhält, einen kostspieligen Rechtsstreit zu vermeiden, nach der ständigen Zivilrechtsprechung einen Aufwendungsersatzanspruch für die "Geschäftsführung ohne Auftrag". Der Abmahnverein kann deshalb davon ausgehen, dass er die Aufwendungen für eine solche Abmahnung im Einklang mit dem mutmaßlichen Willen des Störers erbringt, falls er seine Aufwendungen möglichst niedrig hält.
Da die "Leistungen" des Abmahnvereins danach zu steuerbaren und steuerpflichtigen Leistungen führen, ist aus den damit im Zusammenhang angefallenen Leistungsbezügen der Vorsteuerabzug für den Abmahnenden (z. B. Rechtsanwaltskosten, Recherchekosten) in vollem Umfang möglich.
Zahlungen, die an einen Unternehmer von dessen Wettbewerbern als Aufwendungsersatz aufgrund von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen geleistet werden, sind nach der schon 2016 ergangenen Rechtsprechung des BFH ebenfalls umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und den von ihm abgemahnten Wettbewerbern - und nicht als nicht steuerbare Schadensersatzzahlungen - zu qualifizieren. Nach der Feststellung des BFH beurteilt sich die Frage, ob ein Leistungsaustausch vorliegt oder ein nicht steuerbarer Schadensersatz gegeben ist, nicht nach zivilrechtlichen Grundsätzen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben. Die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Neutralität der Mehrwertsteuer gebieten es, die Abmahnleistung, die der Abmahnende an den Abgemahnten erbringt, gleich zu besteuern, ob sie nun zivilrechtlich auf § 9 UWG oder auf § 12 UWG gestützt ist. Nach Auffassung des BFH weist der Unternehmer mit den Abmahnungen seinen Mitbewerbern einen Weg, ihn als Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen, und verschafft ihnen hiermit einen konkreten Vorteil, der zu einem Verbrauch i. S. d. gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt.
Insoweit ist der abmahnende Unternehmer, der einen Wettbewerber nach § 9 UWG abmahnt, ebenfalls mit steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätzen tätig, die ihm dann den Vorsteuerabzug aus allen mit diesen Vorgängen im Zusammenhang stehenden Eingangsleistungen ermöglichen.
Ob sich diese Grundsätze auch auf die Abmahnungen nach dem UrhG wegen eines Verstoßes gegen urheberrechtlich geschützte Rechte übertragen lassen, war strittig und Gegenstand eines weiteren Revisionsverfahrens beim BFH. In dem zu beurteilenden Fall hatte ein Urheber einen Rechteverletzer durch einen von ihm beauftragten Rechtsanwalt abgemahnt und eine Abmahngebühr verlangt. Das Finanzgericht war in diesem Fall zu der Erkenntnis gekommen, dass es sich um einen nicht steuerbaren Schadensersatz handelt. Dem ist grds. zuzustimmen, wenn der Geschädigte selbst den Schädiger (z. B. einen Rechteverletzer) abmahnt und ihm gegenüber den Aufwendungsersatz geltend macht. Da in diesem Fall ein eigenes Recht verletzt wird und damit keine Leistung in Form einer "Belehrung" oder "Verhinderung eines kostenintensiven Rechtsstreits" im Vordergrund steht, sondern ausschließlich die Einstellung der Rechteverletzung das Interesse des Geschädigten ist, wäre die Einordnung als Schadensersatz durchaus systemgerecht.
Allerdings war das FG Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung dann zu dem Ergebnis gekommen, dass die damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen (Beauftragung des Rechtsanwalts durch den Geschädigten) den Vorsteuerabzug ausschließen, da mit diesen Aufwendungen nicht der Besteuerung zu unterwerfende Einnahmen erzielt werden. Ob dies unter Beachtung grundsätzlicher systematischer Zusammenhänge zutreffend sein kann, ist fraglich gewesen, da die Verfolgung der Rec...