Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Mehraufwendungen, die einem behinderten Menschen für die Anschaffung eines größeren Grundstücks entstehen, können im Einzelfall zwangsläufig erwachsen und daher nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden.
Sachverhalt
Im Streitfall war die Ehefrau aufgrund einer Erkrankung an Multipler Sklerose schwerbehindert mit einem Behinderungsgrad von 80. Die Eheleute errichteten in den Jahren 2009 und 2010 zu eigenen Wohnzwecken einen Bungalow. Aufgrund der behinderungsbedingten Anforderungen an die Wohnfläche entschieden sie sich u.a. nach fachkundiger Beratung für einen eingeschossigen Bungalow. Die gegenüber einem mehrgeschossigen Bungalow erforderliche Grundfläche des Gebäudes erforderte aufgrund der im Bebauungsplan vorgeschriebenen Grundflächenzahl von 0,3 den Erwerb einer um 151,67 Quadratmeter größeren Grundstücksfläche. Dadurch ergaben sich Mehrkosten für den Baugrund i.H.v. 13.195,29 EUR. Diese Kosten machten sie im Einspruchs - und Klageverfahren als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend. Als Begründung trugen sie vor, dass sanitäre Einrichtungen großzügig ausgelegt sein mussten, um die pflegerische und betreuende Unterstützung durch andere Personen zu ermöglichen, und Wendeflächen für den Rollstuhl, breitere Türen und niedrigere Schwellen, Haltegriffe und eine barrierefreie Duschkabine mit einem Klappsitz erforderlich gewesen seien. Dadurch habe sich eine um 45,5 m² größere Grundfläche des Bungalows gegenüber einem Bungalow ergeben, der ohne Berücksichtigung der Behinderung der Ehefrau hätte gebaut werden können. Aufgrund der im Baugebiet vorgegebenen Grundflächenzahl seien sie gezwungen gewesen, ein 151,67 Quadratmeter größeres Grundstück zu kaufen, um das Gebäude entsprechend realisieren zu können. Dadurch hätten sich die nun gelten gemachten Mehrkosten i.H.v. 13.195,29 EUR ergeben.
Entscheidung
Das FG gab der Klage in vollem Umfang statt und entschied, dass die mit der schwerwiegenden Behinderung der Ehefrau verbundene behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfeldes auch die Anschaffung des größeren Grundstücks umfasste. Diese Mehraufwendungen waren für die Steuerpflichtigen unausweichlich und sind ihnen daher zwangsläufig im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen. Die Entscheidung der Steuerpflichtigen, einen eingeschossigen Bungalow entsprechend ihren Vorstellungen und den Bedürfnissen der Ehefrau zu errichten, steht der Zwangsläufigkeit behinderungsbedingter Mehraufwendungen nicht entgegen, da die Notwendigkeit einer behinderungsgerechten Ausgestaltung ihres Wohnumfeldes und damit die Zwangsläufigkeit der darauf entfallenden Mehrkosten aus tatsächlichen Gründen nicht auf ihrer frei gewählten Wohnsituation, sondern auf der Krankheit und Behinderung der Ehefrau beruht. Die Steuerpflichtigen konnten sich der Anschaffung des entsprechend größeren Grundstücks auch nicht entziehen, da die Ehefrau krankheitsbedingt auf pflegerische und betreuende Unterstützung durch andere Personen angewiesen war. Dadurch war eine flächenmäßig entsprechende Gestaltung der Sanitärbereiche erforderlich. Ferner waren Wendeflächen für den Rollstuhl und breitere Türen mit einer entsprechend größeren Wohnfläche zu berücksichtigen. Damit ergab sich für die Steuerpflichtigen eine um 45,5 m² größere Grundfläche gegenüber einem Bungalow, der ohne Berücksichtigung der Behinderung der Ehefrau hätte gebaut werden können. Das um 151,67 qm größere Grundstück ist von den Steuerpflichtigen nur deshalb angeschafft worden, weil die den krankheitsbedingten Anforderungen der Ehefrau entgegenkommende eingeschossige Bauweise mit der entsprechend größeren Grundfläche des Bungalows die Anschaffung des größeren Grundstücks aufgrund der nach den Bauvorschriften vorgegebenen Grundflächenzahl zwingend erforderlich machte.
Das FG stellte im Übrigen heraus, dass der Abzug dieser zwangsläufigen Aufwendungen auch nicht durch einen Gegenwert gehindert ist, da es sich um behinderungsbedingte notwendige Baumaßnahmen handelt, die keinen über den individuellen Nutzungsvorteil hinausgehenden Gegenwert begründen. Behinderungsbedingter Mehraufwand steht stets so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit, dass die Erlangung eines etwaigen Gegenwerts in Anbetracht der Gesamtumstände in den Hintergrund tritt. Es handelt sich um eine aus tatsächlichen Gründen bestehende zwangsläufige Mehrbelastung des Steuerpflichtigen.
Hinweis
Im Streitfall war die Erstellung eines eingeschossigen Bungalows zwar nicht aufgrund der Behinderung der Ehefrau zwingend erforderlich, da auch Alternativen wie etwa der Einbau eines Treppenlifts oder eines Fahrstuhls bestanden und lediglich aus Kostengründen verworfen wurden. Dies ist für einen Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung jedoch unschädlich, da es bei Mehraufwendungen, die durch die Behinderung des Steuerpflichtigen veranlasst und zur behindertengerechten Umgestaltung seines individuellen Wohnfeldes erforderlich sind, auf die Frage nach zum...