Leitsatz
Nach § 257 Abs. 2 SGB V oder § 61 Abs. 2 SGB XI geschuldete Beitragszuschüsse zur privaten Kranken- oder Pflegeversicherung sind kein Entgelt i.S.v. § 10 UStG.
Normenkette
§ 10 Abs. 1 UStG 1999, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-RL, § 257 Abs. 2 SGB V, § 61 Abs. 2 SGB XI
Sachverhalt
Die Klägerin ist freie Journalistin. Sie wird von einer Rundfunkanstalt jeweils für einzelne Programmvorhaben verpflichtet. Ihre Vergütung richtete sich in den Streitjahren 2002 und 2003 nach Tagessätzen, deren Höhe und Anzahl vor Beginn der jeweiligen Tätigkeit unabhängig von der tatsächlich aufgewendeten Zeit festgelegt wurde. Sie erhielt außerdem Urlaubsgeld und Beitragszuschüsse zu der von ihr abgeschlossenen privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Die Klägerin behandelte diese sog. "Arbeitgeberzuschüsse" in ihren USt-Erklärungen für die Streitjahre als umsatzsteuerfrei.
Das FA sah darin ein umsatzsteuerpflichtiges Leistungsentgelt.
Das FG Düsseldorf gab der Klage statt (Urteil vom 17.06.2008, 5 K 4522/06 U, Haufe-Index 2197520, EFG 2009, 292).
Entscheidung
Die Revision des FA hatte keinen Erfolg. Der BFH konnte offenlassen, ob die Klägerin Unternehmerin i.S.d. § 2 UStG war. Denn jedenfalls handelte es sich bei den Zuschüssen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung aus den Gründen, die sich aus den Praxis-Hinweisen ergeben, nicht um ein Entgelt i.S.d. § 10 Abs. 1 S. 1 UStG.
Hinweis
1. Gem. § 10 Abs. 1 S. 2 UStG ist Entgelt i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der USt.
Der BFH hat entschieden, dass die Beiträge, die eine Rundfunkanstalt zugunsten ihrer freien Mitarbeiter an eine Pensionskasse für freie Mitarbeiter der Deutschen Rundfunkanstalten zahlt, zum Entgelt für die Leistungen der Mitarbeiter gehören (BFH, Urteil vom 09.10.2002, V R 73/01, BFH/NV 2003, 132, BFH/PR 2003, 108). Entscheidend sei, dass die Zahlung dieser Beiträge freiwillig erfolgt sei und nicht auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruht habe.
Hingegen sind nach der Rechtsprechung des BFH gesetzlich geschuldete Sozialversicherungsbeiträge kein Entgelt i.S.v. § 10 UStG, weil der Leistungsempfänger mit dieser Zahlung eine eigene gesetzliche Verbindlichkeit tilgt (BFH, Urteil vom 25.06.2009, V R 37/08, BFH/NV 2009, 1749, BFH/PR 2009, 435).
2. Die Klägerin des Besprechungsfalls war in den Streitjahren eine nach § 232 Abs. 3 SGB V unständig Beschäftigte. Als solche war sie grundsätzlich gem. § 5 Abs. 1 SGB V, § 23 Abs. 1 SGB XI in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig, wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze jedoch versicherungsfrei (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Die Rundfunkanstalt war deshalb gem. § 257 Abs. 2 SGB V, § 61 Abs. 2 SGB XI – also gesetzlich – verpflichtet, einen Beitragszuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung zu leisten, wenn die Klägerin bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert war, was der Fall war.
Im Gegensatz zu dem zivilrechtlich geschuldeten Entgelt, das zur Disposition der Vertragspartner steht, kann der unständig Beschäftigte auf den Beitragszuschuss nach § 257 SGB V nicht verzichten (vgl. BSG, Urteil vom 08.10.1998, B 12 KR 19/97 R, BSGE 83, 40).
3. Danach erbringt eine Rundfunkanstalt mit ihrem Beitragszuschuss an einen unständig Beschäftigten keine freiwillige, sondern eine kraft Gesetzes geschuldete Sozialleistung. Der Umstand, dass der Beitragszuschuss nicht unmittelbar an die Versicherung, sondern an den Beschäftigten gezahlt wird, ändert nichts daran, dass die Zahlung auf einer aus sozialen Gründen gesetzlich begründeten eigenen Verpflichtung der Rundfunkanstalt beruht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.05.2010 – XI R 35/08