Leitsatz
Das BMF wird aufgefordert, dem Revisionsverfahren beizutreten und zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:
1. Schließt § 15 Abs. 4 S. 6 und 7 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG 2002 i.d.F. des StVergAbG den Abzug eines Verlustes aus, der darauf beruht, dass eine Kapitalgesellschaft eine stille Beteiligung am Unternehmen einer anderen Kapitalgesellschaft in ihrer Bilanz gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG 2002 mit dem niedrigeren Teilwert bewertet?
2. Ist es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, dass § 15 Abs. 4 S. 6 und 7 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG 2002 i.d.F. des StVergAbG einen Abzug von Verlusten nur für die Beteiligung einer Kapitalgesellschaft ausschließen?
3. Ist es mit den Regeln zum verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz vereinbar, § 15 Abs. 4 S. 6 und 7 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG 2002 i.d.F. des StVergAbG auf Verluste anzuwenden, die auf einer im Februar 2002 vereinbarten stillen Beteiligung beruhen und im VZ 2003 entstanden sind?
Normenkette
§ 15 Abs. 4 S. 6 und 7, § 20 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG 2002
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH mit einem zum 30.06. endenden Wirtschaftsjahr. Sie gründete im Februar 2002 zusammen mit einer weiteren Person (B) eine AG, an deren Grundkapital sie selbst und B zu je 50 % beteiligt waren. Zweck der AG war die Vermarktung von Produkten der Klägerin.
Ebenfalls im Februar 2002 beteiligte sich die Klägerin mit einer Einlage von 300 000 EUR als stille Gesellschafterin am Unternehmen der AG. Sie sollte an deren Gewinn mit 30 % teilnehmen, wobei ihre Gewinnbeteiligung auf 50 % der Einlage begrenzt war. Am Verlust der AG nahm sie in vollem Umfang, jedoch auf die Einlage beschränkt, teil. Die Einlage wurde in der Folge auf Anforderung in Teilbeträgen eingezahlt.
Die AG, die ebenfalls ein abweichendes Wirtschaftsjahr hatte, erzielte in ihrem zum 30.06.2002 endenden Wirtschaftsjahr einen Verlust. Daraus resultierte für die Klägerin ein Verlustanteil i.H.v. 95 000 EUR. Im Folgejahr leistete die Klägerin weitere Einlagen i.H.v. 195 500 EUR, die sie wegen erneuter Verluste der AG auf null abschrieb. Im Jahr 2004 hat sie ihren Anteil an der AG veräußert und auf ihre Rechte als stille Gesellschafterin verzichtet.
Das FA berücksichtigte einen Verlust der Klägerin aus der stillen Beteiligung nicht. Die dagegen gerichtete Klage hat das FG abgewiesen (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.06.2008, 6 K 406/04, Haufe-Index 2121464).
Entscheidung
Um das BMF in den Entscheidungsprozess einzubinden, wird dieses vom BFH vor einer endgültigen Entscheidung zunächst aufgefordert, gem. § 122 Abs. 2 S. 1 FGO dem Revisionsverfahren beizutreten und zu den im Leitsatz und in den Praxis-Hinweisen genannten Fragen Stellung zu nehmen.
Hinweis
Wegen einer Reihe von Fragen und unklarer, darauf zu gebender Antworten sah der BFH sich veranlasst, das BMF zum Verfahrensbeitritt und damit zur Stellungnahme und zur Einbringung seines Sachverstandes aufzufordern:
1. Nach § 15 Abs. 4 S. 6 und 7 EStG sind u.a. Verluste aus stillen Gesellschaften, bei denen der Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft und als Mitunternehmer anzusehen ist, unter den Voraussetzungen des § 10d EStG nur mit Gewinnen verrechenbar, die der Gesellschafter in dem unmittelbar vorangegangenen VZ oder in den folgenden VZ aus derselben Innengesellschaft bezieht.
Dasselbe gilt sinngemäß für Verluste, die eine nicht als Mitunternehmerin anzusehende Kapitalgesellschaft aus einer stillen Gesellschaft erzielt, § 20 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG.
Die genannten Regelungen schließen in ihrem Anwendungsbereich einen sofortigen Verlustabzug aus.
2. Das ist die Regelungslage "auf dem Papier". Die daraus abzuleitenden Konsequenzen sind indes höchst ungewiss.
a) |
Das betrifft zunächst einmal die Frage, ob nur laufende Verluste"abgesperrt" sind oder ob sich das auch auf Substanzverluste bezieht, welche ihren Ausdruck in einer Teilwertabschreibung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG finden. Vieles deutet darauf hin, dass das Letztere richtig ist, und das scheint sich auch mit der Verwaltungsmeinung zu decken (BMF, Schreiben vom 19.11.2008, BStBl I 2008, 970, Rz. 3). Sicher ist das Ergebnis aber nicht, läuft die Regelung bezogen auf stille Beteiligungen dann weitgehend leer. |
b) |
Zum Zweiten stellen sich verfassungsrechtliche Fragen. Die erste dieser Fragen betrifft den Gleichheitssatz: |
Die Abzugsbeschränkung erstreckt sich nur auf die Beteiligung von Kapitalgesellschaften und überdies nur auf Beteiligungen im Rahmen einer Innengesellschaft. Sowohl die stille Beteiligung einer natürlichen Person oder einer Personengesellschaft an dem Unternehmen einer Kapitalgesellschaft als auch von Kapitalgesellschaften eingegangene Außengesellschaften werden nicht einbezogen.
Den BFH dünken diese "Unwuchten" als latent verfassungswidrig. Er erkennt jedenfalls auf Anhieb keinen Grund für die Bevorzugung natürlicher Personen und Personengesellschaften einerseits und Außengesellschaften andererseits.
c) |
Schließlich stellt der BFH die "Vertrauensfrage": Verträgt es sich mit den Verfassungsreg... |