Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Richtet sich ein Steuerbescheid inhaltlich gegen eine Ehegatten-GbR, kann er (auch) an die Gesellschafter der GbR adressiert werden.
Sachverhalt
Die Eheleute waren im Rahmen einer GbR auf dem Gebiet des Groß- und Einzelhandels sowie als Vermittler unternehmerisch tätig. Das Unternehmen wurde in zwei Räumen des selbst genutzten Einfamilienhauses ausgeübt. Das Gebäude hatten sie im Mai 2002 bezogen. In der am 4.1.2005 eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung für 2002 machten sie die gesamten Vorsteuern aus der Errichtung des Objekts erstmals beim Finanzamt geltend (Seeling-Modell). Im weiteren Verfahren stritt man sich u. a. mit dem Finanzamt über die genaue Höhe des gewerblich genutzten Teils. U. a. wurde auch moniert, dass nur an die Gesellschafter adressierte Bescheide (Herrn und Frau A und B Z, C-Straße 1, in F) sowie Einspruchsentscheidungen wegen unzutreffender Bekanntgabe aufzuheben seien.
Entscheidung
Die Klage der Eheleute wurde als unbegründet zurückgewiesen. Nach Ansicht des Finanzgerichts wurde der angefochtene Umsatzsteueränderungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung rechtswirksam bekannt gegeben. Die Bekanntgabe erfolgte an die Eheleute A und B Z, den beiden Gesellschaftern der GbR. Inhaltlich gerichtet waren die Entscheidungen zwar nicht gegen die Eheleute, sondern gegen die GbR, da diese Unternehmerin und als Trägerin des Gesellschaftsvermögens Schuldnerin der Umsatzsteuer ist. Allerdings sind Steuerbescheide und Einspruchsentscheidungen auch hinsichtlich der von ihnen angegebenen Inhaltsadressaten entsprechend dem objektiven Verständnishorizont der Empfänger auszulegen. Eine GbR kann im Steuerbescheid und in der Einspruchsentscheidung durch Angabe der Namen ihrer Gesellschafter gekennzeichnet werden.
Nach Ansicht des Finanzgerichts sind Formalismus und Wortklauberei hier fehl am Platz. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Schuldner sich sicher identifizieren lässt. Deshalb können Zweifel am Inhalt des Steuerbescheides durch Auslegung behoben werden. Insbesondere kann eine von der GbR eingereichte Umsatzsteuererklärung nicht etwa als Steuererklärung ihrer einzelnen Gesellschafter beurteilt werden.
Die Klage bleibt mangels rechtzeitiger Zuordnung des Grundstücks zum Unternehmensvermögen erfolglos. Nach neuerer BFH-Rechtsprechung hätte die Zuordnungsentscheidung gegenüber dem Finanzamt bis zum 31.5.2003 (also des Folgejahres) erfolgen müssen und kann nicht nachgeholt werden (vgl. BFH, Urteil v. 7.7.2011, V R 42/09).
Hinweis
Die Rechtsprechung des BFH, wonach eine eindeutige Zuordnung eines gemischt genutzten Gegenstandes zum Unternehmensvermögen zwingend bis zum 31.5. des Folgejahres erfolgen muss, ist eindeutig. Die Anlehnung an die gesetzliche Frist zur Abgabe von Umsatzsteuererklärungen hat auch nicht zur Folge, dass bei gewährter Fristverlängerung eine spätere Zuordnung möglich ist. Soweit ersichtlich, halten sich die Finanzgerichte nach Bekannt werden der BFH-Rechtsprechung strikt daran und weisen anhängende Klageverfahren alleine deshalb zurück - auch wenn über "andere Problembereiche" in diesem Zusammenhang gestritten wird. Da zwischenzeitlich ein Vorsteuerabzug nach dem Seeling-Modell nicht mehr möglich ist (vgl. § 15 Abs. 1b UStG), verliert die Rechtsprechung in der Praxis natürlich etwas an Bedeutung. Gleichwohl bleibt sie zu beachten, da auch bei neu errichteten gemischt genutzten Objekten eine Vollzuordnung der Immobilie zum Unternehmensvermögen möglich ist. Diese Vollzuordnung ist insbesondere im Hinblick auf etwaige spätere Vorsteuerkorrektur-Folgen im Sinne von § 15a UStG (z. B. bei Erhöhung der unternehmerischen Nutzungsquote) sinnvoll.
Die Rechtsprechung dürfte meines Erachtens nur auf gemischt genutzte Leistungsbezüge anzuwenden sein. Deshalb sollte es z. B. weiterhin möglich sein, einen zunächst versehentlich unterlassenen Vorsteuerabzug für einen ausschließlich unternehmerisch genutzten Gegenstand auch noch verspätet nachzuholen, sofern die entsprechenden Steuerfestsetzungen verfahrensrechtlich noch änderbar sind (insbesondere nach § 164 AO).
Hinsichtlich der zutreffenden Bekanntgabe von Steuerbescheiden an eine Ehegatten-GbR ist zunächst auf die Ausführungen der Finanzverwaltung in AEAO zu § 122, 2.4.1.2 zu verweisen. Danach ist bei sonstigen nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen, wie z. B. eine GbR, der Inhaltsadressat (Steuerschuldner) durch Angabe des geschäftsüblichen Namens, unter dem die GbR im Rechtsverkehr teilnimmt, zu bezeichnen. Ist kein geschäftsüblicher Name vorhanden, sind die Bescheide an alle Mitglieder zu richten. Diese Vorgehensweise wurde im Streitfall offenkundig auch von der Finanzverwaltung gewählt und vom Finanzgericht als zulässig bestätigt. Nicht zuletzt deshalb, weil der angefochtene Umsatzsteuerbescheid und die angefochtene Einspruchsentscheidung offenbar erkennbar an die eingereichten Umsatzsteuererklärungen der Gesellschafter der GbR anknüpften. Unklarheiten über den richtigen Steuerschuldner (Inhaltsadressaten) bestanden offenbar ...